Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitnehmerüberlassung. Arbeitnehmereigenschaft eines „Ein-Mann-Unternehmers”
Normenkette
AÜG Art. 1 § 1 Abs. 2; AÜG § 9 Nr. 1, § 10 Abs. 1 S. 1, § 13; BGB § 611
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Urteil vom 16.03.1993; Aktenzeichen 6 Sa 1174/92) |
ArbG Darmstadt (Urteil vom 18.05.1992; Aktenzeichen 5 Ca 35/92) |
Tenor
1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 16. März 1993 – 6 Sa 1174/92 – aufgehoben.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 18. Mai 1992 – 5 Ca 35/92 – abgeändert.
Es wird festgestellt, daß zwischen den Parteien seit dem 28. Mai 1979 ein Arbeitsverhältnis besteht und fortbesteht.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen seit dem 28. Mai 1979 ein Arbeitsverhältnis besteht.
Der Kläger ist gelernter Schlosser. Seit dem 30. August 1989 ist er als Metallbauer in die Handwerksrolle eingetragen. Im Zeitraum vom 28. Mai 1979 bis zum 28. Februar 1980 wurde er als Arbeiter von einer Drittfirma an die Beklagte, eine Forschungseinrichtung auf dem Gebiet der Schwerionenforschung, verliehen. Seine Tätigkeit bestand im wesentlichen in Montage- und Wartungsarbeiten in der Abteilung Galvanik der Beklagten. Auch in der Folgezeit übte der Kläger diese Tätigkeiten bei der Beklagten aus.
Mit Datum vom 1. März 1980 meldete der Kläger einen eigenen Gewerbebetrieb an. Als Betriebsstätte gab der Kläger den Sitz der Beklagten an. Gegenstand des Gewerbebetriebs des Klägers sollten „Montagearbeiten” für die Beklagte sein. Für den Zeitraum ab März 1980 schlossen die Parteien laufend „Werkverträge” über die Anfertigung und Montage von Vorrichtungen, Reparaturen und Galvanisation. Dabei handelte der Kläger unter der „Fa. G.”. Der erste Vertrag mit Datum vom 27. Februar 1980 enthielt folgende Vereinbarung:
„Ausführungen von Montagearbeiten an unseren Alvarez-Tanks nach unseren Angaben und Spezifikationen bis zu einem Höchstpreis von DM 37.000,–.
Der vorstehende Betrag darf ohne unsere schriftliche Genehmigung nicht überschritten werden.
Die Abrechnung erfolgt monatlich aufgrund von uns abgezeichneter Stundenzettel und Vorlage eines Arbeitsnachweises über die ausgeführten Arbeiten nach dem tatsächlichen Zeitaufwand zu einem Stundensatz von DM 21,–.
In dem vorstehenden Stundensatz sind alle für uns anfallenden Aufwendungen und evtl. Ansprüche, insbesondere sozialer und steuerlicher Art, erfaßt.
Die Einzelarbeiten werden von unseren zuständigen Mitarbeitern schriftlich oder mündlich festgelegt und sind nach unseren Angaben in unserem Hause durchzuführen.
An den im Rahmen dieses Auftrages von Ihnen zu erstellenden Unterlagen, Mustern u.ä. erwerben wir uneingeschränktes Eigentum.
Sie verpflichten sich, alle in Verbindung mit diesem Auftrag bekannt werdenden Unterlagen, Zahlen und sonstige Informationen, sowie Angelegenheiten dienstlicher oder persönlicher Art. vertraulich zu behandeln.
Diese Verpflichtung gilt auch nach Beendigung dieses Auftrages.
Wir erwarten von Ihnen, daß die Ihnen übertragenen Arbeiten unverzüglich und sorgfältig ausgeführt werden.
Dieser Auftrag gilt vom 01.03.80 bis zum 31.12.80.
V.g. Auftrag ist jederzeit mit einer Frist von 2 Wochen kündbar.”
Diesem Vertrag folgten weitere Verträge ähnlichen Inhalts. Sie umfaßten z.B. „Ausführung von Montagearbeiten in unserer Galvanik”, „Anfertigung bzw. Montage von Vorrichtungen und Reparatur der Maschinen in unserer Tankverkupferungshalle”. „Sandstrahlen und Versilbern von ca. 70.000 Edelstahlschrauben” und „Vorbereitungsarbeiten zum Galvanisieren”. Zum Teil wurden diese Verträge als „Rahmen-Werkvertrag” bezeichnet. In den Fällen, in denen der Kläger die vereinbarte Leistung nach den zu gewährenden Stundensätzen nicht zu dem vertraglichen Höchstpreis erbringen konnte, erhöhte die Beklagte diese Beträge. Der vereinbarte Stundensatz, der zunächst bei 21,– DM gelegen hatte, stieg bis Mitte 1991 auf 47,– DM. Zum Nachweis der geleisteten Stunden benutzte der Kläger das Zeiterfassungsgerät der Beklagten. Ob der Kläger der betrieblichen Arbeitszeit und Präsenzpflicht im Betrieb der Beklagten unterlegen hat, ist zwischen den Parteien streitig. Der Kläger erstellte der Beklagten unter dem Namen seiner Firma monatlich Rechnungen auf der Grundlage nachgewiesener Arbeitsstunden, die von dieser zzgl. Mehrwertsteuer bezahlt wurden.
Bereits im Jahre 1982 hatte der Kläger eine von der Beklagten veranlaßten Erklärung unterschrieben, daß er „bewußt und gewollt als Firma bzw. Freischaffender in ein Vertragsverhältnis zur G getreten” sei, das „mit einem Arbeitsverhältnis nicht das Mindeste zu tun habe”. Neben seiner Tätigkeit für die Beklagte, die er vollzeitig ausübte, war der Kläger von 1982 bis 1984 an einem kleinen Reisebüro und von 1984 bis 1985 an einer Bierstube beteiligt. Von Dezember 1990 bis Januar 1992 betrieb der Kläger ein Geschäft für Tiernahrung.
Nachdem ein vom Kläger auf Aufforderung der Beklagten abgegebenes Angebot vom 31. Mai 1989 zur Reparatur eines Entfettungsbades von der Beklagten abgelehnt worden war und der Kläger letztmalig im Dezember 1991 bei der Beklagten in deren Auftrag Tätigkeiten ausgeübt hatte, erhob er mit Schriftsatz vom 20. Januar 1992 am 7. Februar 1992 die vorliegende Feststellungsklage. Er hat im wesentlichen die Ansicht vertreten, zwischen den Parteien bestehe ein Arbeitsverhältnis. Den geschlossenen „Werkverträgen” liege in Wirklichkeit ein Arbeitsverhältnis zugrunde. Seine Tätigkeit habe alle typischen Merkmale eines Arbeitsverhältnisses erfüllt. Er sei voll in den Betrieb der Beklagten eingegliedert worden und habe die ihm übertragenen Aufgaben nach Weisungen der Beklagten ausgeführt.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß zwischen den Parteien seit dem 28. Mai 1979 ein Arbeitsverhältnis bestehe und daß dieses Arbeitsverhältnis auch unverändert fortbestehe.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat im wesentlichen die Auffassung vertreten, der Kläger sei als freier Werkunternehmer bei ihr tätig geworden. Die einzelnen Verträge der Parteien seien Werkverträge. Auch die Durchführung dieser Verträge lasse einen anderen Schluß nicht zu. Es handele sich bei den Werkverträgen um komplexe Wartungs- und Serviceverträge, die typischerweise als Werkverträge ausgestaltet seien und aus haushaltsrechtlichen Gründen auch nur so vergeben werden könnten. Der Kläger habe stets besonderen Wert auf seine Selbständigkeit gelegt und auch die Vereinbarung eines Arbeitsverhältnisses in der Vergangenheit abgelehnt.
Klage und Berufung des Klägers blieben erfolglos. Mit der Revision verfolgt er seinen Feststellungsantrag weiter. Die Beklagte bittet um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet; entgegen der Würdigung des Landesarbeitsgerichts war der Klage stattzugeben, denn der Kläger steht seit dem 28. Mai 1979 zu der Beklagten in einem Arbeitsverhältnis.
I. In der Zeit vom 28. Mai 1979 bis Ende Februar 1980 bestand zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis jedenfalls aufgrund des Art. 1 § 13 AÜG. Diese Rechtsfolge ergibt sich bereits aus den Feststellungen im unstreitigen Teil des Berufungsurteils, gegen die ein Tatbestandsberichtigungsantrag nicht gestellt worden ist. Nach diesen Feststellungen wurde der Kläger seit 28. Mai 1979 bis Ende Februar 1980 als Arbeiter von einer Drittfirma an die Beklagte verliehen, bei der er seitdem im wesentlichen Montage- und Wartungsarbeiten in deren Abteilung Galvanik ausführte. Des vom Landesarbeitsgericht vermißten Vortrags des Klägers, die Drittfirma habe keine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung nach Art. 1 § 1 AÜG gehabt, bedurfte es bei dieser Sachlage nicht. Denn die Begründung eines Arbeitsverhältnisses zur Beklagten folgte auch bei Vorliegen einer derartigen Erlaubnis bereits aus der Überschreitung der nach der bis zum 26. April 1985 und damit für den Entscheidungsfall geltenden Dreimonatsfrist (Art. 1 § 1 Abs. 2 bzw. § 3 Abs. 1 Nr. 6 AÜG i.d.F. vom 7. August 1972, BGBl. I S. 1393). Dies gilt im Ergebnis unabhängig davon, ob es sich um gewerbsmäßige oder um nichtgewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung gehandelt haben sollte.
1. Handelte es sich um gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung, so bedurfte der Überlassende gemäß Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG der Erlaubnis. Sollte diese nicht vorgelegen haben, so war der Vertrag zwischen der Drittfirma und dem Kläger gemäß Art. 1 § 9 Nr. 1 AÜG unwirksam mit der Folge, daß gemäß Art. 1 § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis als zwischen dem Kläger und der Beklagten zustande gekommen gilt. Sollte hingegen die Erlaubnis vorgelegen haben, so folgte das Entstehen dieses Arbeitsverhältnisses aus der Überschreitung der Dreimonatsfrist des Art. 1 § 1 Abs. 2 AÜG in Verb. mit Art. 1 § 13 AÜG. Denn gemäß Art. 1 § 1 Abs. 2 AÜG wird, wenn die Dauer der Überlassung im Einzelfall drei Monate übersteigt, vermutet, daß der Überlassende Arbeitsvermittlung betreibt mit der Folge, daß nach Art. 1 § 13 AÜG zum Zeitpunkt der tatsächlichen Arbeitsaufnahme ein Arbeitsverhältnis kraft Gesetzes zwischen dem Arbeitnehmer und dem Beschäftigungsunternehmen entsteht (BAGE 29, 7, 13 = AP Nr. 9 zu § 103 BetrVG 1972, zu II 2 b der Gründe; BAGE 60, 205 = AP Nr. 14 zu § 1 AÜG). Für den Entscheidungsfall kann dahinstehen, ob die in Art. 1 § 1 Abs. 2 AÜG aufgestellte Vermutung im Fall der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung widerleglich ist oder nicht (für eine unwiderlegliche Vermutung BAGE 60, 205, 211 = AP Nr. 14 zu § 1 AÜG, zu II 1 der Gründe; vgl. auch BAGE 65, 43, 55 = AP Nr. 15 zu § 1 AÜG, zu I 3 a der Gründe; für widerlegliche Vermutung z.B. Becker/Wulfgramm, AÜG, 3. Aufl., § 1 Rz 51 d; Kremhelmer, NA Teil G Rz 92; Schüren, AÜG, 1994, § 1 Rz 574). Denn eine Widerlegung ist im Entscheidungsfall nicht erfolgt. Weder aus den Feststellungen des Berufungsurteils noch aus dem sonstigen Akteninhalt ergibt sich, daß, wie es für eine Widerlegung erforderlich wäre (vgl. dazu im einzelnen BAGE 65, 43, 58 ff. = AP, a.a.O.), der Schwerpunkt des Arbeitsverhältnisses auch noch nach Ablauf der Überlassungsfrist beim Verleiher gelegen hätte.
2. Aber auch, wenn es sich um nichtgewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung gehandelt haben sollte, ist das Ergebnis kein anderes. Zwar bedurfte der Verleiher dann nicht der Erlaubnis nach Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG. Die (im Falle der nichtgewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung widerlegbare) Vermutung des Betreibens von Arbeitsvermittlung nach Art. 1 § 1 Abs. 2 AÜG greift jedoch bei Überschreiten der dreimonatigen Höchstdauer des Art. 1 § 3 Abs. 1 Nr. 6 AÜG auch bei nichtgewerbsmäßiger Arbeitnehmerüberlassung ein (BAGE 65, 43, 54 ff. = AP, a.a.O.). Da diese Vermutung, wie oben dargestellt, hier als nicht widerlegt angesehen werden muß, ist mithin auch in diesem Fall aufgrund des Art. 1 § 13 AÜG ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien zustande gekommen.
II. Auch für die Zeit ab 1. März 1980 ist die Feststellungsklage begründet. Das Landesarbeitsgericht hat auch insoweit zu Unrecht das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien verneint.
1. Das Landesarbeitsgericht ist davon ausgegangen, daß nach den objektiven Umständen die Zusammenarbeit zwischen den Parteien rechtlich sowohl in Form eines Arbeitsverhältnisses als auch auf werkvertraglicher Grundlage möglich gewesen sei. In Fällen dieser Art entscheide der Wille der Vertragsparteien, ob ein Arbeitsverhältnis oder ein Werkvertrag vorliege. Die Parteien hätten immer wieder ihren ausdrücklichen Willen bekundet, Werkverträge abzuschließen. Der Kläger habe ein ihm angetragenes Arbeitsverhältnis im Hinblick auf seine günstige Einkommenslage als Selbständiger „dankend abgelehnt”. Die Vermeidung eines Arbeitsverhältnisses habe auch dem Interesse der Beklagten entsprochen. Zwischen diesem Parteiwillen und dem tatsächlichen Vertragsvollzug habe auch kein „derart klaffender Widerspruch” bestanden, daß tatsächlich nur ein Arbeitsverhältnis vollzogen und deswegen gegen den buchstäblich erklärten Willen tatsächlich gewollt gewesen sei.
2. Diese Ausführungen halten einer Nachprüfung nicht stand. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unterscheidet sich ein Arbeitsverhältnis von dem Rechtsverhältnis eines freien Mitarbeiters oder dem Rechtsverhältnis aufgrund eines Werkvertrags durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der zur Dienstleistung oder Werkleistung Verpflichtete jeweils befindet. Arbeitnehmer ist danach derjenige Mitarbeiter, der seine Dienstleistung im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation erbringt. Die Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation zeigt sich insbesondere darin, daß der Beschäftigte einem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Dieses Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen (vgl. statt vieler Urteil vom 13. Januar 1983, BAGE 41, 247, 253 f. = AP Nr. 42 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu B II 1 der Gründe; Urteil vom 24. Juni 1992 – 5 AZR 384/91 – AP Nr. 61 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu II 1 der Gründe).
Dabei kommt es nicht darauf ab, wie die Parteien das Vertragsverhältnis bezeichnen. Der Status der Beschäftigten richtet sich nicht nach den Wünschen und Vorstellungen der Vertragspartner, sondern danach, wie die Vertragsbeziehung nach ihrem Geschäftsinhalt objektiv einzuordnen ist. Durch Parteivereinbarung kann die Bewertung einer Rechtsbeziehung als Arbeitsverhältnis nicht abbedungen und der Geltungsbereich des Arbeitnehmerschutzrechtes nicht eingeschränkt werden. Der wirkliche Geschäftsinhalt ist den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und der praktischen Durchführung des Vertrags zu entnehmen. Wenn der Vertrag abweichend von den ausdrücklichen Vereinbarungen vollzogen wird, ist die tatsächliche Durchführung maßgebend. Denn die praktische Handhabung läßt Rückschlüsse darauf zu, von welchen Rechten und Pflichten die Parteien in Wirklichkeit ausgegangen sind (vgl. z.B. BAG Urteil vom 24. Juni 1992, a.a.O.).
Für die Abgrenzung entscheidend sind demnach die Umstände der Dienstleistung, nicht aber die Modalitäten der Entgeltzahlung oder andere formelle Merkmale wie die Abführung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen. Die Arbeitnehmereigenschaft kann nicht mit der Begründung verneint werden, es handele sich um eine nebenberufliche Tätigkeit. Umgekehrt spricht, nicht schon der Umstand für ein Arbeitsverhältnis, daß es sich um ein auf Dauer angelegtes Vertragsverhältnis handelt (vgl. BAG Urteil vom 24. Juni 1992, a.a.O., m.w.N.).
3. Von diesen Grundsätzen ist das Landesarbeitsgericht nur teilweise ausgegangen. Das Landesarbeitsgericht hat zunächst die von den Parteien abgeschlossenen Verträge als Werkverträge gewürdigt. Diese Einordnung der Verträge begegnet für sich genommen keinen rechtlichen Bedenken. Nach § 631 Abs. 1 BGB liegt ein Werkvertrag vor, wenn sich der Unternehmer zur Herstellung eines Werks verpflichtet. Ein „Werk” setzt ein gegenständlich faßbares Arbeitsergebnis voraus. Der Kläger schuldete der Beklagten nach diesen Verträgen überwiegend die Erbringung eines Erfolgs. Die von dem Kläger nach diesen Aufträgen zu erledigenden Aufgaben waren im übrigen auch mehr oder weniger genau in den Verträgen bezeichnet. Auch der Umstand, daß die Parteien über mehr als ein Jahrzehnt aneinander anschließende Verträge abgeschlossen haben und, daß der Kläger eine Stundensatzvergütung erhielt, spricht nicht gegen das Vorliegen von Werkverträgen (vgl. Senatsurteil vom 30. Januar 1991, BAGE 67, 124, 140 = AP Nr. 8 zu § 10 AÜG. zu III 2 b der Gründe, zur Arbeitnehmerüberlassung unter Vereinbarung von Stundensätzen; zur Vereinbarung von Stundensätzen bei Werkverträgen, BAG Urteil vom 31. Mai 1989 – 5 AZR 173/88 –, n.v., zu II 4 der Gründe; zur Frage der Dauer der Zusammenarbeit, BAG Urteil vom 15. März 1978, BAGE 30, 163, 167 = AP Nr. 26 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu I 2 der Gründe; BAG Urteil vom 13. Mai 1992 – 5 AZR 434/91 –, n.v., zu IV 4 der Gründe, m.w.N.). Es ist auch nicht zu beanstanden, daß das Landesarbeitsgericht zur Ermittlung des Inhalts der Verträge auf das Interesse der Parteien abgestellt hat.
4. Dieser von dem Landesarbeitsgericht festgestellte Inhalt der schriftlichen Vereinbarungen der Parteien steht jedoch im Widerspruch zu den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zu der tatsächlichen Durchführung der Verträge durch die Parteien.
a) Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, daß der Kläger als selbständiger „Ein-Mann-Unternehmer” ohne eigene Betriebsstätte, ohne eigenes Werkzeug, ohne Bestellung eigenen Materials in vollzeitlicher Auslastung für die Beklagte über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren durchgehend tätig war. Das Landesarbeitsgericht meint, etwas derartiges sei für einen selbständigen Unternehmer untypisch und ungewöhnlich, aber nicht undenkbar und bezieht sich in diesem Zusammenhang auf die Entscheidung des Senats vom 13. Mai 1992 (– 7 AZR 284/91 –, n.v.). Dabei hat das Landesarbeitsgericht übersehen, daß dort die Arbeitnehmereigenschaft des Klägers außer Streit war und es nur um die Frage ging, ob ein Fall der Arbeitnehmerüberlassung i. S. des Art. 1 § 1 Abs. 1 AÜG vorlag. Außerdem war nach den damaligen Feststellungen der dortige Kläger ein hochspezialisierter Service- und Wartungstechniker, der stets nur ein bestimmtes, von dem Entleiher hergestelltes Gerät zu betreuen hatte, während hier der Kläger mit vielseitigen unterschiedlichen Aufgaben im Betrieb der Beklagten befaßt war und insbesondere auf Weisung der Beklagten auch andere Arbeiten verrichtete, als sie in den „Werkverträgen” vorgesehen waren.
b) Es deutet ferner auf das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses hin, wenn Hilfsmittel wie Werkzeuge bereitgehalten werden (vgl. z.B. BAG Urteil vom 31. Mai 1989 – 5 AZR 173/88 –, n.v.). Dies kann zwar – worauf das Landesarbeitsgericht hinweist – bei Anwälten, Branchenhändlern und hochspezialisierten Technikern anders sein. Der Kläger hatte aber einfachere handwerkliche Tätigkeiten zu erledigen. Bei ihnen spricht die Bereitstellung von Werkzeug für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses.
c) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts war der Kläger nur für die Beklagte tätig und dadurch zeitlich voll ausgelastet, und dies über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren. Das Aufgabengebiet des „eigenen Betriebs” des Klägers erschöpfte sich danach in der Durchführung von Arbeiten für die Beklagte allein durch den Kläger selbst. Demgegenüber ist unerheblich, ob es ihm vertraglich gestattet war, eigene Hilfskräfte heranzuziehen, Denn entscheidend ist auch insoweit die tatsächliche Durchführung des Vertrages. Wenn der Kläger zeitweise andere unternehmerische Tätigkeiten ausgeübt hat, so hatten diese mit dem angemeldeten Gewerbebetrieb nichts zu tun. Aus Art und Umfang dieser Tätigkeiten lassen sich Schlüsse auf die Art seiner Beschäftigung für die Beklagte nicht ziehen. Daß der Kläger rechtlich nicht gehindert war, Tätigkeiten auch für Dritte auszuüben, spricht ebenfalls nicht gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses. Der Arbeitnehmer ist regelmäßig nicht verpflichtet, seine Arbeitsleistung ausschließlich dem Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen und auf Nebentätigkeiten zu verzichten. Wenn das Landesarbeitsgericht weiterhin meint, der Kläger sei „unternehmerisch” tätig geworden, wenn er im Laufe der Zusammenarbeit „Initiativen” für die Durchsetzung höherer Stundensätze entfaltet habe, so scheint es zu übersehen, daß auch Arbeitnehmer an einer Erhöhung ihrer Vergütung interessiert sind und daß derartige Bemühungen erfolgreich sein können, ohne daß darin unternehmerische Tätigkeit zu sehen wäre.
d) Eine Eingliederung des Klägers in den Betriebsablauf ergibt sich auch daraus, daß nach dem Vorbringen der Beklagten täglich die Leistungen des Klägers von der Beklagten überprüft worden sind, obwohl es sich oftmals um sehr umfangreiche Projekte handelte. Daß die Beklagte Mängelbeseitigung ohne Vergütung i.S. des § 633 BGB verlangt habe, hat sie selbst nicht vorgetragen. Daß auch Arbeitnehmer Korrekturen an ihrem Arbeitsergebnis vornehmen müssen, ist demgegenüber nichts Ungewöhnliches. Den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann auch nicht entnommen werden, die Beklagte habe im Verlaufe der Zusammenarbeit die Abnahme eines Werks (§ 640 BGB) abgelehnt.
e) Für eine organisatorische Eingebundenheit in dem Betriebsablauf der Beklagten spricht auch, daß die von dem Kläger geschuldeten Leistungen vertraglich überwiegend sehr weit gefaßt waren. Wenn der Kläger etwa „Vorbereitungsarbeiten zum Galvanisieren” oder die „Anfertigung bzw. Montage von Vorrichtungen und Reparatur der Maschinen in der Tankverkupferungshalle” der Beklagten schuldete, so konnte der Gegenstand der vom Kläger zu erbringenden Leistung erst durch Weisung der Beklagten genau bestimmt werden. Es kann sich dabei nach dem Umfang der „Werke” nicht allein um Weisungen gehandelt haben, die sich auf Art, Reihenfolge und Einzelinhalte der Werkleistungen im Rahmen der zuvor vereinbarten Werke beziehen. Die Beklagte mußte den Kläger vielmehr persönlich anweisen, um seine Arbeit und seinen Einsatz bindend zu bestimmen und zu organisieren.
f) Schließlich spricht auch der Umstand, daß der Kläger möglicherweise seine Zeit frei einteilen konnte, für sich allein nicht gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses. Immerhin wurde der Kläger durch Einbeziehung in das Zeiterfassungssystem der Beklagten bereits äußerlich in gewisser Weise in den Betriebsablauf eingegliedert.
5. Insgesamt ergibt sich nach alledem aus den Umständen des Vertragsvollzugs eine volle Einbeziehung des Klägers in den Betrieb der Beklagten und damit ein so hoher Grad der persönlichen Abhängigkeit des Klägers, daß ein Arbeitsverhältnis angenommen werden muß. Die Klage erweist sich damit auch für den Zeitraum ab 1. März 1980 als begründet.
Unterschriften
Dr. Weller, Kremhelmer, Dr. Steckhan, Neumann, Ruppert
Fundstellen