Leiharbeit darf schlechter bezahlt werden
Der Europäischen Gerichtshof (EuGH) hat am 15. Dezember 2022 in seinem Urteil klargestellt, dass zulasten von Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmern in Tarifverträgen vom Equal-Pay-Grundsatz abgewichen werden darf. Dies sei jedoch nur zulässig, wenn der Tarifvertrag dafür angemessene Vorteile in Bezug auf die wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen der Leiharbeitnehmenden vorsehe. Nachdem das BAG den vorliegenden Fall zunächst ausgesetzt und dem EuGH vorgelegt hatte, entschied es jetzt aufgrund dieser Vorgaben, dass die tariflich geregelte schlechtere Bezahlung einer Leiharbeitnehmerin im Einzelhandel nicht zu beanstanden war.
Der Fall: Leiharbeitnehmerin fordert Equal Pay
Die Leiharbeitnehmerin war aufgrund eines nach § 14 Abs. 2 TzBfG befristeten Arbeitsverhältnisses bei einem Zeitarbeitsunternehmen beschäftigt. Sie war hauptsächlich einem Einzelhandelsunternehmen überlassen. Vor Gericht verlangte sie die gleiche Bezahlung wie die dort beschäftigten Stammarbeitnehmer. Diese erhielten nach dem Lohntarifvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer im Einzelhandel in Bayern einen Stundenlohn von 13,64 Euro brutto. Die Leiharbeitnehmerin erhielt in der Zeit, in der sie dem Unternehmen für dessen Auslieferungslager als Kommissioniererin überlassen war, zuletzt einen Stundenlohn von 9,23 Euro brutto. Unter dem Gesichtspunkt des Equal Pay forderte sie die Differenzvergütung für den Zeitraum von Januar bis April 2017.
BAG: Kein Equal Pay in der Leiharbeit
Vor dem Bundesarbeitsgericht scheiterte die Leiharbeitnehmerin jetzt mit ihrer Klage. Das BAG entschied, dass sie keinen Anspruch auf das gleiche Arbeitsentgelt wie vergleichbare Stammarbeitnehmende hat. Aufgrund der beiderseitigen Tarifgebundenheit fanden auf das Leiharbeitsverhältnis die Tarifwerke der iGZ und Verdi Anwendung, führte das Gericht aus. Der Arbeitgeber müsse daher nach § § 8 Abs. 2 Satz 2 AÜG und § 10 Abs. 4 Satz 1 AÜG aF nur die tarifliche Vergütung zahlen.
Tarifverträge genügen unionsrechtlichen Anforderungen
In seinem Urteil kam das BAG zum Ergebnis, dass die in Frage stehenden Tarifverträge, "jedenfalls im Zusammenspiel mit den gesetzlichen Schutzvorschriften für Leiharbeitnehmer", den Anforderungen des Art. 5 Abs. 3 der EU-Leiharbeitsrichtlinie genügen. Danach dürften Leiharbeitnehmer und Leiharbeitnehmerinnen eine geringere Vergütung erhalten als vergleichbare Stammarbeitnehmer, sofern dies unter "Achtung des Gesamtschutzes der Leiharbeitnehmer" erfolgt. Dazu müssen laut EuGH- Vorgaben angemessene Ausgleichsvorteile eine Neutralisierung der Ungleichbehandlung ermöglichen.
Gesicherte Fortzahlung der Vergütung in verleihfreien Zeiten
Diese Voraussetzungen hielt das BAG aufgrund der gesetzlichen Schutzvorschriften im Bereich der Leiharbeit und der tariflichen Regelungen für gegeben. Insbesondere stelle die tariflich gewährleistete Fortzahlung des Entgelts auch in verleihfreien Zeiten einen solchen angemessenen Vorteil dar, der die Schlechterbehandlung der Leiharbeitnehmerin bei der Bezahlung ausgleichen könne. Anders als in anderen europäischen Ländern seien nach deutschem Recht auch bei befristeten Leiharbeitsverhältnissen verleihfreie Zeiten stets möglich, betonte das Gericht.
Für den Bereich der Leiharbeit sei außerdem zwingend sichergestellt, dass Verleiher das Wirtschafts- und Betriebsrisiko für verleihfreie Zeiten uneingeschränkt tragen, da der Anspruch auf Annahmeverzugsvergütung im Leiharbeitsverhältnis nicht abgedungen werden kann.
Ausreichender Schutz von Leiharbeitnehmern
Zudem sei gesichert, dass die tarifliche Vergütung von Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmern staatlich festgesetzte Lohnuntergrenzen und den gesetzlichen Mindestlohn nicht unterschreiten darf. Darüber hinaus sei die Abweichung vom Grundsatz des gleichen Arbeitsentgelts grundsätzlich auf die ersten neun Monate des Leiharbeitsverhältnisses begrenzt.
Hinweis: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 31. Mai 2023, Az: 5 AZR 143/19; Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Nürnberg, Urteil vom 7. März 2019, Az: 5 Sa 230/18
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