Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsbedingte Kündigung. Bildung einer Personalreserve
Orientierungssatz
Beruft sich der Arbeitgeber auf Umstände, aus denen sich betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung im Sinne des § 1 Abs 2 KSchG ergeben, so muß er seine tatsächlichen Angaben so im einzelnen darlegen (substantiieren), daß sie vom Arbeitnehmer mit Gegentatsachen bestritten und vom Gericht überprüft werden können. Vom Arbeitgeber ist darüber hinaus insbesondere darzulegen, wie sich die von ihm behaupteten Umstände unmittelbar oder mittelbar auf die Beschäftigungsmöglichkeit für den gekündigten Arbeitnehmer auswirken. Dabei kommt es darauf an, ob unter Respektierung einer etwa bindenden Unternehmerentscheidung mit einem veränderten Arbeitsanfall auch das Bedürfnis zur Weiterbeschäftigung für den Gekündigten entfallen oder innerhalb einer Gruppe vergleichbarer Arbeitnehmer gesunken ist.
Normenkette
ZPO §§ 286, 561; KSchG § 1 Abs. 3 S. 1 Fassung 1969-08-25, Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
LAG Hamburg (Entscheidung vom 09.01.1987; Aktenzeichen 8 Sa 16/86) |
ArbG Hamburg (Entscheidung vom 10.12.1985; Aktenzeichen 10 Ca 73/85) |
Tatbestand
Der Kläger, ein jugoslawischer Staatsangehöriger, ist bei der Beklagten, einem Unternehmen des Bauhauptgewerbes, seit dem 22. Juni 1981 beschäftigt. Er ist im Jahre 1946 geboren, verheiratet und zwei Kindern unterhaltspflichtig. Nach dem Einstellungsschein vom 18. Juni 1981 wurde er als Spezialbaufacharbeiter/Zimmermann eingestellt und der Berufsgruppe III/2 des Anhangs zum BRTV-Bau zugeordnet. Ob er die tariflichen Voraussetzungen dieser Berufsgruppe erfüllt und mit welchen Arbeiten er tatsächlich beschäftigt wurde, ist zwischen den Parteien streitig.
Mit Schreiben vom 22. Januar 1985 kündigte die Beklagte dem Kläger "wegen Arbeitsmangel fristgemäß innerhalb zwölf Tagen".
Der Kläger war zu dieser Zeit arbeitsunfähig krank und befand sich in seinem Heimatland. Das Kündigungsschreiben hat er am 12. Februar 1985 erhalten.
Mit der Klage wendet sich der Kläger gegen diese Kündigung. Er hat die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats mit Nichtwissen bestritten und geltend gemacht, daß die Kündigung sozial ungerechtfertigt sei.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß sein Arbeitsverhältnis
mit der Beklagten durch die Kündigung der
Beklagten weder zum 12. Tag nach Erhalt
des Kündigungsschreibens noch zum 9. Februar
1985 aufgelöst ist, sondern fortbesteht.
Im weiteren Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens hat er die Klage erweitert und beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihn zu unveränderten
Bedingungen als Spezialbaufacharbeiter/Zimmermann
weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, daß sie den Betriebsrat ordnungsgemäß vor Ausspruch der Kündigung angehört habe.
Der Kläger sei als Einschaler beschäftigt worden. Die Gruppe der Einschaler, zu der auch Betonbauer und Zimmerleute zählten, habe Ende 1984 27 Arbeitnehmer umfaßt. Nach dem Baustellen- und Auftragsbestand habe für Einschaler in der Folgezeit ein Überhang an Arbeitskräften bestanden. Für diese Gruppe seien - unter Berücksichtigung der Fehlzeiten - pro Monat durchschnittlich 3.806 Arbeitsstunden anzusetzen. Zum Jahresende seien noch sechs Baustellen mit Einschal- und Betonarbeiten vorhanden gewesen. Für die von dieser Gruppe dort zu verrichtenden Arbeiten seien für Februar 1985 noch 3.114, für März 2.768, für April 2.595 und für Mai 692 Arbeitsstunden (sogenannte Reststunden) erforderlich gewesen, so daß in den entsprechenden Monaten ein Überhang von 692, 865, 1.038 und 3.114 bestanden habe. Bei dieser Ende 1984 angestellten Prognose sei der Monat Januar 1985 als witterungsbedingter Ausfallmonat berücksichtigt worden. Auf zwei weiteren Baustellen seien Einschalarbeiten erst im Juni 1985 angefallen. Neue Aufträge seien erst im April/Mai 1985 erteilt worden und zum Jahresende 1984 nicht vorhanden gewesen. Sie habe demgemäß erst im Juni/Juli 1985 zusätzliche Stahlbetonbauer eingestellt. Somit sei Ende 1984 an sich die Beschäftigungsmöglichkeit für mehr als nur einen Einschaler entfallen. Sie habe sich jedoch auf das notwendigste Maß an Entlassungen beschränkt.
Sie habe mit der Entlassung des Klägers auch ihre Pflicht zur sozialen Auswahl erfüllt. Der Kläger sei innerhalb seiner Gruppe mit den gelernten Betonbauern und Zimmerleuten nicht vergleichbar. Diese könnten auch einschalen, Betonbauer zusätzlich auch flechten, Einschaler dagegen weder Zimmerarbeiten ausführen noch flechten. Von den zehn Einschalern aus der Gruppe der 27 Arbeitnehmer sei der Kläger nur mit dem Einschaler B vergleichbar, weil er, im Gegensatz zu den übrigen, nicht selbständig nach Zeichnung, sondern nur unter Aufsicht als "zweiter Mann" zusammen mit einem erfahrenen Kollegen arbeiten könne. Der Einschaler B, der seit 21. April 1983 bei ihr beschäftigt, wie der Kläger im Jahre 1946 geboren, verheiratet und zwei Kindern unterhaltspflichtig sei, habe der auf der Baustelle S/K eingesetzten Akkordgruppe Sch angehört und in einem unkündbaren Akkordarbeitsverhältnis gestanden.
Der Kläger hat erwidert, im Januar/Februar 1985 habe nur ein kurzfristiger, saisonbedingter Auftragsmangel bestanden. Bereits im April 1985 seien wieder Einschaler eingestellt worden. Daher sei die Einführung von Kurzarbeit in Betracht gekommen. Jedenfalls habe die Beklagte ihre Pflicht zur sozialen Auswahl verletzt. Er habe die Qualifikation eines Spezialbaufacharbeiters. Er habe Betonarbeiten ausgeführt und könne auch flechten. Bei der Beklagten werde grundsätzlich in Kolonnen gearbeitet. Jedenfalls sei er sozial schutzwürdiger als der Einschaler B, da dessen Ehefrau berufstätig sei.
Das Arbeitsgericht hat nach Vernehmung des Prokuristen D H als Zeugen dem Feststellungsantrag stattgegeben, die Beklagte verurteilt, den Kläger zu unveränderten Bedingungen als Einschaler weiterzubeschäftigen und im übrigen die Klage abgewiesen.
Gegen dieses Urteil haben die Beklagte und der Kläger, jeweils im Umfang ihres Unterliegens, Berufung bzw. Anschlußberufung eingelegt.
Das Landesarbeitsgericht hat nach Vernehmung des Prokuristen H und des Betriebsratsvorsitzenden W das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert, die Klage in vollem Umfang abgewiesen und die Anschlußberufung des Klägers zurückgewiesen.
Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, daß die Beklagte den Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß angehört habe. Seine eingehende Würdigung zu diesem Punkt läßt keinen Rechtsfehler erkennen und wird auch von der Revision nicht angegriffen.
II. Das Berufungsgericht hat die Kündigung der Beklagten auch zutreffend für sozial gerechtfertigt erachtet.
1. Es hat ohne Rechtsfehler angenommen, daß für die Kündigung ein dringendes betriebliches Erfordernis im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG bestanden hat.
a) Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. zuletzt Senatsurteile vom 30. Mai 1985 - 2 AZR 321/84 - AP Nr. 24 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, zu B II 1 der Gründe; vom 20. Februar 1986 - 2 AZR 212/85 - DB 1986, 2236 = ZIP 1986, 2729, zu B II 1 der Gründe sowie vom 11. September 1986 - 2 AZR 564/85 - BB 1987, 1882, zu I 1 der Gründe) können sich betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG aus innerbetrieblichen Umständen (z.B. Rationalisierungsmaßnahmen sowie Umstellung oder Einschränkung der Produktion) oder aus außerbetrieblichen Gründen (z.B. Auftragsmangel oder Umsatzrückgang) ergeben. Beruft sich der Arbeitgeber auf solche Umstände, so muß er seine tatsächlichen Angaben so im einzelnen dargelegten (substantiieren), daß sie vom Arbeitnehmer mit Gegentatsachen bestritten und vom Gericht überprüft werden können. Vom Arbeitgeber ist darüber hinaus insbesondere darzulegen, wie sich die von ihm behaupteten Umstände unmittelbar oder mittelbar auf die Beschäftigungsmöglichkeit für den gekündigten Arbeitnehmer auswirken. Hierbei ist nicht auf einen bestimmten, räumlich fixierten Arbeitsplatz abzustellen. Es kommt darauf an, ob unter Respektierung einer etwa bindenden Unternehmerentscheidung mit einem geringeren oder veränderten Arbeitsanfall auch das Bedürfnis zur Weiterbeschäftigung für den gekündigten Arbeitnehmer entfallen oder innerhalb einer Gruppe vergleichbarer Arbeitnehmer gesunken ist. An diese Grundsätze hat sich das Berufungsgericht gehalten.
b) Die Beklagte hat die Kündigung darauf gestützt, daß auf den zum Jahresende 1984 noch vorhandenen Baustellen für mehr als einen der mit dem Kläger vergleichbaren Arbeiter in den folgenden fünf Monaten keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr bestand und Neuaufträge für diesen Zeitraum nicht vorhanden und auch nicht zu erwarten waren. Sie hat sich insoweit auf einen außerbetrieblichen Grund berufen, dessen Vorliegen und Auswirkungen auf die Beschäftigungsmöglichkeit der vergleichbaren Arbeitnehmer vom Gericht voll nachprüfbar ist.
Hiervon ist auch das Berufungsgericht ausgegangen. Es hat ausgeführt, unstreitig habe im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung Auftragsmangel geherrscht. Nach der Aussage des Zeugen H habe die Beklagte in dem für die Beschäftigung des Klägers in Betracht kommenden Bereich erst im Mai 1985 wieder Neueinstellungen vorgenommen. Die Beklagte habe substantiiert den von Bauleiter und Polieren Ende 1984 ermittelten Bedarf an Arbeitsstunden (Reststunden) dargelegt, der auf den betreffenden Baustellen in den Monaten Februar bis Mai 1985 noch für Einschal- und Betonarbeiten abzuleisten sein würde, und dem die für eine Vollbeschäftigung der in der Gruppe von 27 Arbeitnehmern zusammengefaßten Einschaler, Betonbauer und Zimmerleute erforderlichen Zahl von 3.806 Arbeitsstunden pro Monat gegenübergestellt. Von diesem Vortrag sei auszugehen. Der Kläger habe ihn nicht substantiiert bestritten, insbesondere nicht dargelegt, aus welchen sachlichen Gründen die dargelegte Verteilung der noch abzuleistenden Stunden nicht zu rechtfertigen sei. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme habe sich die von der Beklagten gestellte Prognose für Februar 1985 als zutreffend erwiesen, und auch noch im März 1985 sei ein verhältnismäßig hoher Stundenüberhang vorhanden gewesen. Danach habe für die Monate Februar bis April 1985 kein Bedarf für 27 Einschaler bestanden. Dem stehe nicht entgegen, daß die Beklagte nur einen Einschaler entlassen habe.
c) Die Revision bemängelt, die Beklagte habe nicht konkret vorgetragen, daß bei der Ermittlung des Bedarfs an Arbeitsstunden für die Monate Februar bis Mai 1985 auch das Witterungsrisiko für die Monate Februar und März berücksichtigt worden sei. Fielen in diesen Monaten nur ein Teil der Arbeitsstunden witterungsbedingt aus, so führe dies zu einer Streckung der noch erforderlichen Arbeitsstunden, zumal jedenfalls schon im Mai 1985 wieder Neueinstellungen vorgenommen worden seien. Darüber hinaus sei die Verteilung der Reststunden auf die einzelnen Monate nicht einsichtig dargelegt. Diese Rügen greifen nicht durch.
aa) Die Beklagte hat auf eine entsprechende Auflage des Berufungsgerichts in Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens dargelegt, wie sich die bisher nur pauschal angegebenen Einsatzzeiten (Reststunden) für Einschal- und Betonarbeiten in den Monaten Februar bis Mai 1985 auf die einzelnen Baustellen verteilen. Sie hat hierzu eine Aufstellung vorgelegt und darin erklärt, der Monat Januar sei als witterungsbedingter Ausfallmonat angesehen worden. Damit hat sie auch vorgetragen, in welchem Umfang witterungsbedingte Ausfallzeiten in dem gesamten Zeitraum im Rahmen der von dem Bauleiter und den Polieren angestellten Prognose nach deren Erfahrung zu erwarten gewesen waren. Daher hat sie, wie von der Rechtsprechung gefordert, den voraussichtlichen Arbeitskräftebedarf für den fraglichen Zeitraum so dargelegt, daß er vom Kläger mit Gegentatsachen bestritten und vom Gericht überprüft werden konnte. Es war nunmehr Sache des Klägers, diesen Vortrag substantiiert zu bestreiten. Nach der gem. § 561 Abs. 1 ZPO bindenden Feststellung des Berufungsgerichts ist dies jedoch nicht geschehen. Das Berufungsgericht konnte ihn deshalb seiner Entscheidung zugrundelegen.
bb) Gleiches gilt für die Aufteilung der Reststunden auf die einzelnen Baustellen, die ebenfalls auf den Einschätzungen der über das entsprechende Erfahrungswissen verfügenden Fachleute beruhten. Eine noch mehr ins einzelne gehende Erläuterung dieser Schätzungen war zur ausreichenden Substantiierung des zu erwartenden Arbeitsanfalls nicht erforderlich. Der Kläger hatte Gelegenheit, dieses Vorbringen mit Gegentatsachen zu bestreiten. Mit seinem Bestreiten in der Revisionsinstanz bringt er somit ein neues Verteidigungsmittel vor, das nicht mehr berücksichtigt werden kann.
d) Ohne Erfolg rügt die Revision ferner, die Beklagte habe nicht substantiiert dargelegt, daß der erfahrungsgemäß für die beginnende Bausaison im Frühjahr einsetzende Auftragseingang ausgeblieben sei, sondern ausweislich der übergebenen Aufstellung nur die bis 25. Oktober 1984 eingegangenen Aufträge berücksichtigt.
Die Beklagte hatte in dem zusammen mit der Aufstellung eingereichten Schriftsatz vom 15. August 1986 vorgetragen, die zusätzlichen Betonbauer seien im Jahre 1985 erst aufgrund von Aufträgen eingestellt worden, die im April/Mai erteilt wurden und seinerzeit, d. h. Ende Dezember 1984, nicht voraussehbar gewesen seien. Sie hat in der gleichzeitig überreichten Aufstellung die "per Ende 1984 beauftragten, in 1985 noch abzuleistenden Schalungs- und Betonstunden" aufgeschlüsselt und die Daten der einzelnen Aufträge sowie als letztes Auftragsdatum den 25. Oktober 1984 aufgeführt. Nach dem Gesamtzusammenhang dieser Ausführungen hat sie damit vorgetragen, daß nach dem 25. Oktober 1984 erst wieder im April neue, im Zeitpunkt der Entscheidung über den Ausspruch der Kündigung nicht zu erwartende Aufträge eingegangen seien. Weitere Einzelheiten zu dem Fehlen von Aufträgen in diesem Zeitraum konnte die Beklagte nicht vortragen. Nach der Feststellung des Berufungsgerichts hat der Kläger auch in der Vorinstanz nicht bestritten, daß "seinerzeit", d. h. Ende Dezember 1984, ein Auftragsmangel vorlag. Mit dem nunmehrigen Bestreiten in der Revisionsinstanz führt er somit wiederum ein neues Verteidigungsmittel in den Prozeß ein.
e) Die Würdigung des festgestellten Sachverhalts durch das Berufungsgericht läßt keinen Rechtsfehler erkennen.
aa) An einem dringenden betrieblichen Erfordernis für die Kündigung des Klägers fehlt es entgegen der Ansicht der Revision nicht deshalb, weil infolge des Auftragsmangels für mehr als nur einen Einschaler keine Beschäftigungsmöglichkeit bestand. Wie bereits erwähnt, kommt es darauf an, ob unter Respektierung einer etwa bindenden Unternehmerentscheidung mit dem geringeren Arbeitsanfall auch das Bedürfnis zur Weiterbeschäftigung für den gekündigten Arbeitnehmer entfallen oder innerhalb einer Gruppe vergleichbarer Arbeitnehmer gesunken ist. Es ist somit keine Kongruenz zwischen dem Umfang des Arbeitsausfalls und der Zahl der Entlassenen erforderlich, wenn die letztere zwar geringer ist, der Arbeitgeber aber zugleich eine personelle Umstrukturierung durchgeführt hat, die sich neben dem außerbetrieblichen Grund der Verringerung der Arbeitsmenge zusätzlich als innerbetrieblicher Grund auf das Beschäftigungsbedürfnis auswirkt. Es liegt im unternehmerischen Ermessen des Arbeitgebers, ob er im Verhältnis zu dem fehlenden Arbeitskräftebedarf Personal abbaut oder nur einen Teil der überzähligen Arbeitnehmer entläßt und die übrigen als Personalreserve behält. Wenn die Beklagte sich auf die Entlassung nur eines Einschalers beschränkte, kann dies nach dem Vortrag des Klägers weder als willkürlich noch als sachfremd und damit für die Gerichte nicht bindend angesehen werden. Der Kläger hat nicht dargelegt, die Beklagte habe die Personalreserve bewußt nicht um einen weiteren Arbeitnehmer erhöht, um sich von ihm trennen zu können. Der Senat ist bereits in dem Urteil vom 11. September 1986 (aaO, zu I 4 b, bb der Gründe) davon ausgegangen, daß zwischen dem durch Auftragsmangel bedingten Arbeitsausfall und der Zahl der Entlassenen keine Deckungsgleichheit bestehen muß, wenn der außerbetriebliche Grund durch eine Unternehmerentscheidung ergänzt wird. In dem dort entschiedenen Fall hatte der Auftragsrückgang zu einer Verringerung der Hilfsarbeiten auf ein Pensum geführt, das von einem Bauwerker nicht zu bewältigen war. Der Arbeitgeber beschäftigte jedoch nur noch einen Bauwerker weiter und ließ die verbleibenden Hilfsarbeiten von den Facharbeitern mit ausführen, weil er dem Betrieb so qualifizierte Arbeitskräfte erhalten wollte. Der Senat hat darin eine willkürfreie organisatorische Unternehmerentscheidung über den Personaleinsatz gesehen und deshalb für die Entlassung des klagenden Bauwerkers ein dringendes betriebliches Erfordernis bejaht, obwohl objektiv noch Hilfsarbeiten im Betrieb anfielen, die auch noch von einem weiteren Bauwerker hätten verrichtet werden können.
bb) Eine Versetzung des Klägers auf einen anderen freien Arbeitsplatz zu geänderten Arbeitsbedingungen, die die Beklagte nach dem Grundsatz des Vorrangs der Änderungskündigung vor der Beendigungskündigung hätte anbieten müssen (BAGE 47, 26 = AP Nr. 8 zu § 2 KSchG 1969), kommt nicht in Betracht. Denn die Beklagte hat vorgetragen, eine solche Umsetzung des Klägers sei nicht möglich gewesen und der Kläger hat nach der bindenden Feststellung des Berufungsgerichts auch nicht zu erkennen gegeben, wie er sich eine Beschäftigung auf einem anderweitigen freien Arbeitsplatz vorstellt. Das Berufungsgericht konnte demgemäß als unstreitig ansehen, daß ein solcher Arbeitsplatz nicht vorhanden war.
cc) Das Berufungsgericht hat schließlich zu Recht ungeprüft gelassen, ob die Entlassung des Klägers durch Einführung von Kurzarbeit hätte vermieden werden können. Hieran hat es sich in Übereinstimmung mit der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Beschluß vom 4. März 1986 - 1 ABR 15/84 - EzA § 87 BetrVG 1972 Nr. 17, zu II 3 g der Gründe, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt; Senatsurteil vom 11. September 1986, aa0, zu I 4 c, bb der Gründe) deshalb gehindert gesehen, weil der Betriebsrat von dem ihm nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG zustehenden Recht, die Einführung von Kurzarbeit zu verlangen, keinen Gebrauch gemacht hatte.
2. Das Berufungsgericht hat auch die soziale Auswahl der Beklagten zutreffend beurteilt. Seiner hierfür gegebene Begründung ist im Ergebnis zuzustimmen.
a) Das Berufungsgericht ist in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Senatsurteil vom 7. Februar 1985 - 2 AZR 91/84 - AP Nr. 9 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl, zu IV 1 a der Gründe, m.w.N.) davon ausgegangen, daß die soziale Auswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG sich innerhalb des Betriebes nur auf Arbeitnehmer erstreckt, die miteinander verglichen werden können. Vergleichbar sind nur solche Arbeitnehmer, die austauschbar sind. Die Vergleichbarkeit der in die soziale Auswahl einzubeziehenden Arbeitnehmer richtet sich in erster Linie nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen und somit nach der ausgeübten Tätigkeit. Der Arbeitnehmer, dessen Arbeitsplatz weggefallen ist, muß die Funktion des anderen Arbeitnehmers wahrnehmen können. Das ist nicht nur bei Identität des Arbeitsplatzes, sondern auch dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer aufgrund seiner Fähigkeit und Ausbildung eine andersartige, aber gleichwertige Tätigkeit ausüben kann.
b)aa) Das Berufungsgericht hat deshalb für die Vergleichbarkeit zu Recht nicht auf die vertragliche Einstufung des Klägers in die Berufsgruppe III/2 Anhang BRTV-Bau § 1, sondern darauf abgestellt, welche Tätigkeiten er tatsächlich ausgeübt hat und ausüben kann. Es hat aufgrund der Beweisaufnahme festgestellt, daß er nicht selbständig nach Zeichnung, sondern nur als sogenannter zweiter Mann an kleineren Projekten mitarbeiten könne. Er habe nicht dargelegt, daß er die Voraussetzungen der Berufsgruppe III/2 erfülle. Er sei deshalb allenfalls mit dem Einschaler B vergleichbar.
bb) Ausschließlich gegen diese Würdigung wendet sich die Revision mit einer Verfahrensrüge. Sie beanstandet, das Berufungsgericht habe den Zeugen W, den der Kläger auch für seine Behauptung angeboten habe, er könne als Spezialbaufacharbeiter beschäftigt werden, zu diesem Thema nicht vernommen, sondern seine Entscheidung nur auf die Aussage des in erster Instanz hierzu vernommenen Zeugen H gestützt. Diese Rüge bleibt erfolglos.
Der Kläger hatte in der Anschlußberufungsbegründung vorgetragen, die erstinstanzliche Beweisaufnahme habe nicht ergeben, daß er nicht als Spezialbaufacharbeiter (Zimmermann) tätig werden könne. Insoweit beziehe er sich auf seinen bisherigen erstinstanzlichen Vortrag mit den entsprechenden Beweisangeboten. Die Qualifikation sei vorgetragen worden. Zum Beweis dafür berufe er sich auf das Zeugnis des Betriebsratsvorsitzenden W.
Das Berufungsgericht hat in dem zweiten Berufungstermin zunächst den Zeugen H zur Frage der ordnungsgemäßen Betriebsratsanhörung vernommen. Danach hat der Kläger den Betriebsratsvorsitzenden als Zeugen dafür benannt, daß dem Betriebsrat die Kriterien der sozialen Auswahl nicht im einzelnen erläutert worden seien. Daraufhin hat das Berufungsgericht beschlossen, den Zeugen W über die Anhörung des Betriebsrats zu vernehmen. In dem folgenden und letzten Verhandlungstermin vom 9. Januar 1987, zu dem auch der erneut geladene Zeuge H erschienen war, haben die Parteivertreter nach der gemäß dem Beweisbeschluß durchgeführten Vernehmung des Zeugen W die früher gestellten Sachanträge wiederholt.
Bei dieser Prozeßlage war das Berufungsgericht nicht verpflichtet, den Zeugen W zur Qualifikation des Klägers zu vernehmen. Die Parteien haben vor dem Berufungsgericht am 9. Januar 1987 abschließend verhandelt, ohne daß der Kläger erkennbar auf den Antrag, den Zeugen W auch zu seiner beruflichen Qualifikation zu vernehmen, bestanden hat. Wenn aber eine Partei nach durchgeführter Beweisaufnahme in der Schlußverhandlung vor dem Berufungsgericht nicht ausdrücklich die früher gestellten, jedoch noch nicht erledigten Beweisanträge wiederholt, so muß in aller Regel davon ausgegangen werden, daß diese Partei den früher gestellten Beweisantrag nicht aufrechterhält. Wenn dann das Berufungsgericht ohne weiteres zum Endurteil kommt, hat es damit keinen noch wirksamen Beweisantrag unzulässig übergangen (BAG Urteil vom 7. Juni 1963 - 1 AZR 276/62 - AP Nr. 4 zu § 276 BGB Verschulden ohne Vertragsabschluß, zu II der Gründe). Umstände, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen können, sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Das Berufungsgericht hat durch die entsprechenden Beschlüsse deutlich gemacht, daß es die Vernehmung des Zeugen W lediglich zur Frage der Betriebsratsanhörung für erforderlich halte. Der Kläger hätte deshalb nach Abschluß dieser Beweisaufnahme sich nicht auf die Wiederholung der Sachanträge beschränken dürfen.
c) Gegen die auf der Grundlage des festgestellten Sachverhalts vorgenommene materiell-rechtliche Würdigung des Berufungsgerichts erhebt die Revision keine Rügen. Sie hält auch der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
aa) Der Kläger ist mit den 27 von der Beklagten zu einer Gruppe zusammengefaßten ausgebildeten Zimmerleuten und Betonbauern sowie den zehn in einer Untergruppe zusammengefaßten Einschalern nicht vergleichbar, weil er deren Funktionen nicht wahrnehmen kann. Er kann nur als sog. zweiter Mann in kleineren Projekten mitarbeiten und deshalb die Funktionen der üblichen Mitglieder dieser Gruppe, mit Ausnahme des Arbeiters B, nicht ausüben. Da er auch in seinem Fachgebiet nicht Baupläne lesen kann, erfüllt er im übrigen bereits deshalb nicht die Merkmale der Berufsgruppe IV/2 Anhang BRTV-Bau § 1 und damit auch nicht die Voraussetzungen der Berufsgruppe III/2 (Arbeitnehmer gemäß IV/2 nach einjähriger Tätigkeit in dieser Gruppe).
bb) Mit dem Einschaler B ist der Kläger ebenfalls nicht vergleichbar. Hierbei kann dahingestellt bleiben, ob er, wie das Berufungsgericht angenommen hat, den an einen Akkordarbeiter zu stellenden Anforderungen nicht gewachsen ist. Denn ihm konnte als Mitglied der seit August 1984 auf der Baustelle S/K eingesetzten und dort noch bis Ende Mai 1985 beschäftigten Akkordkolonne Sch bis zu diesem Termin nicht ordentlich gekündigt werden.
Der schriftliche Akkordvertrag vom 14. August 1984 wurde zwischen der Akkordkolonne und der Beklagten "auf der Grundlage des Bau-Akkordtarifvertrages" abgeschlossen. Der damit in jedem Falle kraft vertraglicher Inbezugnahme anzuwendende Rahmentarifvertrag für Leistungslohn im Baugewerbe vom 30. April 1971 in der Fassung vom 13. Dezember 1974 und 21. April 1980 bestimmt in § 4 Ziff. 6 Satz 1, daß eine ordentliche Kündigung des der Arbeit im Leistungslohn zugrunde liegenden Arbeitsverhältnisses für die Dauer der Leistungsvereinbarung beiderseits ausgeschlossen ist. Ein Arbeitnehmer, dem aufgrund Tarifvertrages nicht ordentlich gekündigt werden darf, scheidet jedoch aus dem für eine soziale Auswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG in Betracht kommenden Personenkreis aus (Senatsurteil vom 17. Mai 1984 - 2 AZR 161/83 - AP Nr. 3 zu § 55 BAT, zu III 2 a, bb der Gründe; KR-Becker, 2. Aufl., § 1 KSchG Rz 349).
Kommt der Einschaler B somit bereits aus diesem Grunde für eine soziale Auswahl nicht in Betracht, so braucht auf die Begründung des Berufungsgerichts nicht eingegangen zu werden, die Auswahl des Klägers aus sozialen Gründen sei unter Berücksichtigung des dem Arbeitgeber bei der Gewichtung der Sozialdaten zustehenden Wertungsspielraumes nicht zu beanstanden, zumindest aber hätten nach § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG berechtigte betriebliche Bedürfnisse die Weiterbeschäftigung des Einschalers B bedingt.
Hillebrecht Triebfürst Ascheid
Jansen Mauer
Fundstellen
Haufe-Index 437536 |
RzK, I 5c Nr 23 (ST1) |