Entscheidungsstichwort (Thema)
Direktionsrecht. Vorbereitung politischer Wahlen. Zum Direktionsrecht vgl. auch Urteil des Senats vom 29. August 1991 – 6 AZR 593/88 –, DB 1992, 147
Leitsatz (amtlich)
Ein Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes ist aufgrund des Arbeitsverhältnisses nicht verpflichtet, seinem Arbeitgeber, der als Wahlbehörde für die Durchführung politischer Wahlen zuständig ist, auf dem Dienstweg die Gründe mitzuteilen, die der Übernahme eines Wahlehrenamtes entgegenstehen könnten.
Normenkette
BGB § 611; BAT §§ 8, 11; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 256; BundeswahlG § 11; EuropawahlG § 4; VolkszählungsG § 10; BundeswahlO § 9; KommunalwahlG NRW § 2 Abs. 5; LandeswahlG NRW § 12; GemeindeO NRW § 20 Abs. 1, § 21; LBG NRW § 67
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Urteil vom 13.12.1989; Aktenzeichen 12 Sa 1145/89) |
ArbG Düsseldorf (Urteil vom 22.08.1989; Aktenzeichen 5 Ca 2349/89) |
Tenor
- Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 13. Dezember 1989 – 12 Sa 1145/89 – wird zurückgewiesen.
- Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Klägerin der Beklagten auf dem Dienstwege Gründe mitzuteilen, die der Übertragung eines Wahlehrenamtes entgegenstehen könnten.
Die Klägerin ist Diplom-Psychologin. Seit dem 17. September 1979 ist sie in einer Klinik der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) Anwendung.
Bei Europa-, Bundestags-, Landtags- und Kommunalwahlen obliegt dem Stadtdirektor der Beklagten als Wahlbehörde u.a. die Aufgabe, Wahlvorstände zu bilden. Zur Benennung geeigneter Personen, die für die Übertragung eines solchen Amtes in Betracht kommen, wendet sich der Oberstadtdirektor als Wahlleiter an die am Ort ansässigen Behörden und die im Stadtbezirk vertretenen Parteien. Außerdem werden in der lokalen Presse die Wahlberechtigten aufgerufen, sich für die Tätigkeit im Wahlvorstand zur Verfügung zu stellen.
Im Januar 1989 erhielt die Klägerin – wie vor jeder Wahl seit Beginn des Arbeitsverhaltnisses – vom Oberstadtdirektor der Beklagten ein formularmaßiges Schreiben folgenden Inhalts:
Betr.: Einsatz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung D… bei politischen wahlen
Sehr geehrte Mitarbeiterin,
Sehr geehrter Mitarbeiter!
Wie sie sicherlich schon wissen, finden am 18.06.1989 die Europawahlen und am 01.10.1989 die Kommunalwahlen statt.
Ich teile Ihnen deshalb schon jetzt mit, daß Sie bei diesen Wahlen mit einem Einsatz als
Wahlvorsteherin/Wahlvorsteher
oder in einer entsprechenden anderen Funktion rechnen müssen.
Dies gilt auch, wenn Sie in D… nicht wahlberechtigt sind und Ihnen nach den jeweils geltenden Wahlrechtsbestimmungen, die bei den verschiedenen Wahlen unterschiedlich sind, keine ehrenamtliche Tätigkeit in einem Wahlvorstand, wohl aber eine entsprechende andere Funktion beim Wahlamt übertragen werden kann.
Das Amt für Statistik und Wahlen wird bemüht sein, Ihnen die Berufungsschreiben bzw. die Benachrichtigungen über Ihre endgültigen Einsätze so früh wie möglich zuzuleiten. Ich bitte Sie, sich auf jeden Fall für den Einsatz bei den Wahlen bereitzuhalten. Auch wenn Ihnen bei der allgemeinen Übergabe der Berufungsschreiben noch keine Mitteilung über einen Einsatz zugeht, müssen Sie bis zum jeweiligen Wahltag noch damit rechnen, eingesetzt zu werden.
Sollten Sie aus einem triftigen Grunde nicht eingesetzt werden können, bitte ich Sie, dies dem Personalamt unter Verwendung des Vordrucks auf der Rückseite dieses Schreibens auf dem Dienstwege möglichst bald, spätestens aber bis zum 15.02.1989, mitzuteilen.
Wie schon erwähnt, können auch nicht in D… wohnende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den Wahltagen beim wahlamt eingesetzt werden.
Eine auswärtige Wohnung allein ist daher kein triftiger Hinderungsgrund.
Erholungsurlaub wird nur dann und auch nur bei einer Wahl als Hinderungsgrund anerkannt, wenn es sich nicht um einen Kurzurlaub, sondern um einen mindestens 10 Arbeitstage umfassenden Urlaub handelt.
Dem Schreiben war ein Formular beigefügt, in dem die möglichen Hinderungsgründe (Urlaub/sonstige Gründe) einzutragen waren. Dieses Formular sollte mit einer Stellungnahme der Dienststelle versehen und dem Personalamt zugeschickt werden. Für die Europawahl am 18. Juni 1989 wurde die Klägerin vom Wahlamt auf Vorschlag des Personalamtes als Wahlvorsteherin bestellt.
Mit ihrer Klage hat sich die Klägerin zunächst hauptsächlich dagegen gewendet, daß die Beklagte sie dienstrechtlich verpflichten wolle, eine ehrenamtliche Tätigkeit bei der Durchführung politischer Wahlen zu übernehmen. Insoweit sind die Parteien in einem gerichtlichen Vergleich darin übereingekommen, “daß die Übernahme einer ehrenamtlichen Tätigkeit der Klägerin bei der Durchführung politischer Wahlen mit dem Dienstvertrag nichts zu tun habe”.
Die Klägerin hat ferner die Auffassung vertreten, sie sei nicht verpflichtet, Gründe, die der Übernahme einer wahlehrenamtlichen Tätigkeit entgegenstehen könnten, in der vom Oberstadtdirektor vorgeschriebenen Weise auf dem Dienstwege mitzuteilen. Die Verpflichtung, ein Wahlehrenamt zu übernehmen, bestehe unabhängig von ihrem Arbeitsverhältnis bei der Beklagten. Deshalb dürfe sie die Beklagte, durch das Anschreiben nicht in einen Begründungsund Rechtfertigungszwang versetzen, denen Personen, die nicht bei der Beklagten beschäftigt seien, nicht ausgesetzt würden. Im übrigen sei es auch unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten unzulässig, von ihr die Einhaltung des Dienstweges bei der Mitteilung von Hinderungsgründen zu verlangen. Außerdem sei zu befürchten, daß die Mitteilung in die Personalakten aufgenommen werde. Da sie vor allen politischen Wahlen ein entsprechendes Anschreiben des Oberstadtdirektors erhalten habe, sei zu erwarten, daß die Praxis auch in Zukunft fortgesetzt werde.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, daß sie nicht verpflichtet ist, eventuelle, der Übernahme einer ehrenamtlichen Tätigkeit bei politischen Wahlen entgegenstehende Gründe auf dem Dienstweg und/oder an das Personalamt (Amt…) und/oder mit einer Stellungnahme der Beschäftigungsstelle vorzulegen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Klägerin habe als Angehörige des öffentlichen Dienstes gegenüber anderen Bürgern eine gesteigerte Verpflichtung, bei der Erfüllung staatsbürgerlicher Aufgaben mitzuwirken. Für die Klägerin als Angestellte ergebe sich diese arbeitsvertragliche Nebenpflicht aus § 8 Abs. 1 BAT. Daraus folge auch die Verpflichtung, Gründe anzugeben, die der Übertragung eines Wahlehrenamtes entgegenstehen könnten. Die Einhaltung des Dienstweges ermögliche eine vereinfachte Überprüfung der angegebenen Gründe, soweit diese mit dem Arbeitsverhältnis im Zusammenhang stünden. Sie diene deshalb auch dem Interesse der Klägerin. Die Klägerin werde dadurch in ihrem Persönlichkeitsrecht nicht verletzt. Die Mitteilung gelange nicht zu den Personalakten.
Das Arbeitsgericht hat festgestellt, daß die Klägerin nicht verpflichtet sei, Gründe, die mit dem Dienstverhältnis nicht im Zusammenhang stehen, der Beklagten in der vorgesehenen Weise mitzuteilen. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Klägerin der Klage in vollem Umfange stattgegeben und die Anschlußberufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, daß die Klägerin nicht verpflichtet ist, der Beklagten als Ihrem Arbeitgeber in der im Klageantrag bezeichneten Weise Hinderungsgründe mitzuteilen, die der Übertragung eines Wahlehrenamtes entgegenstehen könnten.
I. Die Klage ist zulässig.
1. Ein Feststellungsinteresse i. S. von § 256 ZPO liegt vor. Die Klägerin wendet sich mit der Klage gegen die Anweisung der Beklagten, Gründe, die einer Übernahme eines Wahlehrenamtes entgegenstehen könnten, auf dem Dienstwege mitzuteilen. Zur Erteilung dieser Anweisung – auch in Zukunft – hält sich die Beklagte aufgrund ihres Direktionsrechts für berechtigt. Dies begründet ein rechtliches Interesse der Klägerin an der negativen Feststellung, daß die Beklagte zu einer entsprechenden Ausübung ihres Direktionsrechtes nicht berechtigt sei (BAGE 8, 338 = AP Nr. 8 zu § 611 BGB Direktionsrecht).
2. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, der Klageantrag sei hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Die Klage richtet sich allein gegen die im Anschreiben vom Januar 1989 gewählte und auch für die Zukunft vom Oberstadtdirektor in seiner Eigenschaft als Dienstvorgesetzter beanspruchte Form der Mitteilung der Hinderungsgründe. Damit ist das Klagebegehren hinreichend deutlich abgegrenzt von einer sonstigen dienstlichen Inanspruchnahme der Klägerin bei Wahlen sowie den staatsbürgerlichen Verpflichtungen der Klägerin gegenüber dem Oberstadtdirektor in seiner Funktion als Wahlbehörde, die nicht Gegenstand des Rechtsstreits sind.
II. Die Revision ist unbegründet. Eine Verpflichtung der Klägerin, der Beklagten die Gründe, die der Übernahme eines Wahlehrenamtes entgegenstehen könnten, auf dem Dienstwege mitzuteilen, läßt sich aus dem Arbeitsverhältnis nicht herleiten.
1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die gesetzliche Pflicht zur Übernahme von Ehrenämtern bei Wahlen bestehe unabhängig davon, ob der Betreffende im öffentlichen Dienst beschäftigt sei oder nicht. Zwar obliege die Auswahl geeigneter Personen der Beklagten als Wahlbehörde. Sie dürfe diese jedoch in bezug auf die bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer nicht durch arbeitsrechtliche Maßnahmen vorbereiten. Aus § 8 Abs. 1 BAT ergebe sich für Angestellte keine arbeitsvertragliche Nebenpflicht, dem Arbeitgeber auf dem Dienstwege die Gründe mitzuteilen, die der Übernahme eines Wahlehrenamtes entgegenstehen könnten. Eine entsprechende Anweisung sei auch durch das Direktionsrecht nicht gedeckt. Da die Klägerin arbeitsvertraglich zur Übernahme einer ehrenamtlichen Tätigkeit bei der Durchführung von Wahlen nicht verpflichtet sei, könne ihr die Beklagte als Arbeitgeber im Rahmen ihres Direktionsrechts auch keine Anweisungen zur Vorbereitung der Übertragung eines Ehrenamtes erteilen. Solche lägen allein in der Kompetenz der Wahlbehörde. Da die Klägerin arbeitsvertraglich nicht verpflichtet sei, der Anweisung Folge zu leisten, komme es nicht darauf an, ob die Hinderungsgründe mit dem Arbeitsverhältnis in Zusammenhang stünden oder nicht.
2. Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ist zuzustimmen. Eine Anspruchsgrundlage für das Verlangen der Beklagten ergibt sich weder aus gesetzlichen Vorschriften noch aus tariflichen Bestimmungen oder dem Arbeitsvertrag.
a) Bei der Tätigkeit im Wahlvorstand bei Europa-, Bundestags-, Landtags- und Kommunalwahlen handelt es sich um eine ehrenamtliche Tätigkeit, zu deren Übernahme jeder Einwohner (§ 2 Abs. 5 KommunalwahlG NRW, § 12 LandeswahlG NRW i.V. mit § 20 Abs. 1 Gemeindeordnung NRW) bzw. jeder Wahlberechtigte (§ 11 Abs. 1 BundeswahlG, § 4 EuropawahlG i.V. mit § 11 BundeswahlG) verpflichtet ist. Diese ehrenamtliche Tätigkeit kann nur aus wichtigen Gründen, die in den jeweiligen gesetzlichen Vorschriften konkretisiert sind (§ 21 GemeindeO NRW, § 9 BundeswahlO), abgelehnt werden. Die Entscheidung darüber, ob ein wichtiger Grund vorliegt, trifft die zuständige Wahlbehörde. Die Entscheidung kann im verwaltungsgerichtlichen Verfahren überprüft werden. Ob der Oberstadtdirektor der Beklagten als Wahlbehörde berechtigt ist, von der Klägerin vor Übertragung eines Wahlehrenamtes die Mitteilung der Gründe zu verlangen, die einer Übertragung entgegenstehen könnten, ist nicht Gegenstand des Rechtsstreits. Entscheidungserheblich ist vielmehr allein, ob die Beklagte aufgrund arbeitsvertraglicher Beziehungen zur Klägerin eine solche Mitteilung auf dem Dienstwege verlangen kann.
b) Dies hat das Landesarbeitsgericht zu Recht verneint. Für eine arbeitsvertragliche Verpflichtung besteht keine Rechtsgrundlage. Eine solche ergibt sich nicht aus den arbeitsvertraglich in Bezug genommenen tariflichen Bestimmungen.
aa) Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, daß sich aus § 8 Abs. 1 Satz 2 BAT für Angestellte des öffentlichen Dienstes eine gegenüber anderen Bürgern gesteigerte Verpflichtung ergebe, bei der Erfüllung staatsbürgerlicher Aufgaben mitzuwirken. Nach § 8 Abs. 1 Satz 2 BAT muß sich der Angestellte durch sein gesamtes Verhalten zur freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen.
Wesentlicher Bestandteil eines solchen Bekenntnisses ist aber nicht das der Klägerin vorliegend abverlangte Verhalten. Die Klägerin wendet sich nicht gegen die Durchführung von Wahlen überhaupt oder gegen ihre Verpflichtung, ein Wahlehrenamt entsprechend den Wahlgesetzen zu übernehmen, sondern allein gegen ihre arbeitsvertragliche Inanspruchnahme bei der Vorbereitung zur Übertragung eines Wahlehrenamtes. Dies vermag Zweifel an ihrer Verfassungstreue nicht zu begründen. Wie auch die Beklagte in der Revisionsbegründung nunmehr selbst einräumt.
bb) Eine arbeitsvertragliche Verpflichtung der Klägerin, der Anweisung der Beklagten zu folgen, ist auch nicht nach § 8 Abs. 1 Satz 1 BAT begründet. Nach dieser tariflichen Bestimmung hat der Angestellte sich so zu verhalten wie es von Angehörigen des öffentlichen Dienstes erwarten wird. Diese Tarifnorm betrifft damit in erster Linie das allgemeine verhalten des Angestellten innerhalb und außerhalb des Dienstes. Wobei sich der Maßstab aus den Beamtengesetzen bzw. der historischen Entwicklung des öffentlichen Dienstes einschl. den von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen ergibt (vgl. Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, BAT, Stand August 1991, § 8Erl. 1).
Unter keinem dieser Gesichtspunkte ergibt sich die Verpflichtung, dem Dienstherrn auf dem Dienstweg Gründe mitzuteilen, die der Übernahme eines Wahlehrenamtes entgegenstehen könnten. Von den Wahlgesetzen werden Einwohner bzw. Wahlberechtigte unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zum öffentlichen Dienst erfaßt. In den entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen kommt, anders als z. B. in § 10 Abs. 3 Volkszählungsgesetz, nicht zum Ausdruck, daß Angehörige des öffentlichen Dienstes insoweit einer gesteigerten Verpflichtung unterliegen. Wenn Wahlbehörden bei politischen Wahlen herkömmlicherweise ehrenamtliche Tätigkeiten ihren Bediensteten übertragen sollten, weil dies die Vorbereitung und Durchführung der Wahlen erleichtert, so würde durch eine solche Übung eine entsprechende arbeitsvertragliche Verpflichtung der Bediensteten nicht begründet.
cc) Die Klägerin ist auch nicht nach § 11 BAT i.V.m. § 67 LandesbeamtenG NRW verpflichtet, dem Verlangen der Beklagten nachzukommen. Nach § 11 Satz 1 BAT finden für die Nebentätigkeit des Angestellten die für die Beamten des Arbeitgebers jeweils geltenden Bestimmungen Anwendung. Nach § 67 LandesbeamtenG NRW ist der Beamte verpflichtet, auf Verlangen seines Dienstvorgesetzten eine Nebentätigkeit (Nebenamt, Nebenbeschäftigung) im öffentlichen Dienst nach näherer gesetzlicher Maßgabe zu übernehmen. Ob auch Ehrenämter, wie das Amt des Beisitzers eines Wahlausschusses oder des Mitglieds eines Wahlvorstandes, nach § 67 LandesbeamtenG NRW übertragen werden können (so z.B. Keymer/Kolbe/Braun, Das Nebentätigkeitsrecht in Bund und Ländern, Stand November 1988, Nr. 18 § 67 LBG NW Rz 9) und ob ihre Übertragung durch dienstliche Anordnungen des öffentlichen Arbeitgebers vorbereitet werden könnte, bedarf keiner Entscheidung. Die Parteien haben in dem gerichtlichen Vergleich Einigkeit darüber erzielt, daß die Übernahme einer ehrenamtlichen Tätigkeit der Klägerin bei der Durchführung politischer Wahlen mit dem Dienstvertrag nichts zu tun hat. Diese Vereinbarung ist dahingehend auszulegen, daß die Beklagte nicht die Befugnis für sich in Anspruch nimmt, die Klägerin aufgrund des Arbeitsvertrags zu einer Tätigkeit als Wahlvorsteherin zu verpflichten. Dies steht, unabhängig davon, ob eine solche Befugnis begründet wäre, im Ermessen der Beklagten.
c) Im Arbeitsvertrag sind Vereinbarungen über eine Mitwirkung der Klägerin bei politischen Wahlen nicht getroffen worden. Die Anweisung der Beklagten ist auch nicht, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, durch das Direktionsrecht der Beklagten gedeckt.
Das auf dem Arbeitsvertrag beruhende Direktionsrecht gehört zum wesentlichen Inhalt eines jeden Arbeitsverhältnisses. Bei dessen Ausübung steht dem Arbeitgeber regelmäßig ein weiter Raum zur einseitigen Gestaltung der Arbeitsbedingungen zu. Insbesondere hat der Arbeitgeber das Recht, die im Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig umschriebene Leistungspflicht des Arbeitnehmers im einzelnen festzulegen und dabei Zeit, Art und Ort der Arbeitsleistung zu bestimmen. Dabei können Umfang und Grenzen des Direktionsrechts eingeschränkt werden durch Gesetz, Kollektivrecht oder den Einzelarbeitsvertrag, soweit er näheres über die Dienstleistungspflicht festlegt (ständige Rechtsprechung: BAGE 33, 71, 75 = AP Nr. 26 zu § 611 BGB Direktionsrecht, zu III 1 der Gründe, mit umfassenden Nachweisen; BAGE 47, 363, 375 = AP Nr. 27 zu § 611 BGB Direktionsrecht, zu B III 2c bb der Gründe; Senatsurteil vom 6. April 1989 – 6 AZR 622/87 – AP Nr. 2 zu § 2 BAT SR 2r, zu II 1 der Gründe). Im übrigen darf das Direktionsrecht nur nach billigem Ermessen (§ 315 BGB) ausgeübt werden, was voraussetzt, daß die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt werden. Ob dies geschehen ist unterliegt der gerichtlichen Kontrolle (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB), die in der Revisionsinstanz unbeschränkt nachzuprüfen ist (BAG Urteil vom 19. Juni 1985 – 5 AZR 57/84 – AP Nr. 11 zu § 4 BAT, zu A II 2 der Gründe, m.w.N.; vgl. auch Urteil des Senats vom 29. August 1991 – 6 AZR 593/88 – DB 1992, 147, zu III 1a der Gründe).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Beklagte nicht berechtigt, die Klägerin anzuweisen, die Gründe, die einer Übernahme einer wahlehrenamtlichen Tätigkeit entgegenstehen könnten, auf dem Dienstwege mitzuteilen. Die Klägerin ist arbeitsvertraglich zur Übernahme eines Wahlehrenamtes nicht verpflichtet. Auch eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht, bei der Vorbereitung der Übertragung mitzuwirken, besteht nicht. Das Direktionsrecht kann aber nur im Rahmen arbeitsvertraglicher Verpflichtungen ausgeübt werden. Sind solche nicht gegeben, ist auch für die Ausübung des Direktionsrechts kein Raum. Im übrigen wird eine arbeitsvertragliche Inanspruchnahme der Klägerin durch das Interesse der Beklagten nicht gefordert, da diese in ihrer Funktion als Wahlbehörde die Klägerin auf die gleiche Weise wie andere Bürger in Anspruch nehmen könnte, um den beabsichtigten Zweck, die Sicherstellung der Durchführung der Wahlen, zu erreichen.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Peifer, Dr. Freitag, Dr. Armbrüster, Ostkamp, Buschmann
Fundstellen
JR 1992, 440 |
NZA 1992, 795 |
RdA 1992, 222 |