Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatz wegen Abberufung aus politischen Gründen
Normenkette
GG Art. 135a Abs. 2; ParteienG-DDR § 20b
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 15. November 1995 – 10 Sa 94/95 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte als Rechtsnachfolger des früheren Arbeitgebers des Klägers diesem Schadensersatz wegen dessen Abberufung als Arbeitsschutzinspektor zu leisten hat.
Der im Jahre 1937 geborene Kläger war seit 1960 beim Freien Deutschen Gewerkschaftsbund (FDGB) der ehemaligen DDR als Arbeitsschutzinspektor tätig. Im Januar 1909 stellte der Kläger anläßlich der Silberhochzeit seiner in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Schwester bei den staatlichen Stellen der DDR einen Besuchsreiseantrag. Dieser Reiseantrag wurde abgelehnt, weil „die Versagung zum Schutz des staatlichen Interesses der DDR notwendig sei”. Gleichzeitig wurde gegen den Kläger ein Parteiverfahren eingeleitet, das im April 1909 mit dem Ausschluß des Klägers aus der SED wegen „parteischädigenden Verhaltens” endete. Mit Schreiben des FDGB vom 21. April 1989 wurde dem Kläger seine Abberufung als Arbeitsschutzinspektor zum 30. April 1989 mitgeteilt. Seit dem 1. Mai 1989 war der Kläger dann beim damaligen VEB Schuhreparaturen als Arbeitsschutzinspektor tätig. Dieses Arbeitsverhältnis endete durch betriebsbedingte Kündigung zum 28. Februar 1991. Seit dieser Zeit ist der Kläger arbeitslos.
Mit seiner am 18. September 1992 eingereichten Klage verlangt der Kläger vom Beklagten als dem Rechtsnachfolger des FDGB Schadensersatz. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, bei seiner Abberufung durch den FDGB habe es sich um einen politischen Willkürakt gehandelt. Als Folge dieser Repressalie sei er seit 1. März 1991 arbeitslos. Ohne die Abberufung als Arbeitsinspektor des FDGB wäre er 1991 vom Land Berlin übernommen worden und hätte dort Anspruch auf Bezahlung nach der VergGr. IV a BAT gehabt. Der ihm durch das rechtswidrige Verhalten des FDGB entstandene Schaden ergebe sich aus dieser Vergütung abzüglich der erhaltenen Lohnersatzleistungen ab 1. März 1991. Als Teilbetrag mache er zunächst den im Jahre 1991 entstandenen Schaden geltend.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 14.188,78 DM als Schadensersatz für den Zeitraum vom 1. März bis 31. Dezember 1991 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat die Auffassung vertreten, er sei gar nicht prozeßführungsbefugt, weil sein Vermögen unter treuhänderischer Verwaltung der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben stehe. Im übrigen fehle es für einen Schadensersatzanspruch des Klägers bereits am adäquaten Kausalzusammenhang zwischen der Verletzungshandlung und dem geltend gemachten Schaden. Erst durch die Kündigung des beim VEB Schuhreparaturen begründeten Arbeitsverhältnisses habe der Kläger einen Schaden erlitten. Im übrigen sei ein etwaiger Schadensersatzanspruch verjährt. Schließlich seien nach § 5 des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes vom 23. Juni 1994 wegen einer aus politischen Gründen erfolgten Benachteiligung im Beruf andere Ansprüche als nach diesem Gesetz ausgeschlossen.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz wegen der vom FDGB im Jahre 1989 ausgesprochenen Abberufung.
A. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Klage sei zwar zulässig, weil der Beklagte für einen Schadensersatzanspruch gegen ihn prozeßführungsbefugt sei, in der Sache jedoch unbegründet. Ein Schadensersatzanspruch nach § 270 AGB-DDR wegen rechtswidriger Abberufung scheide schon deswegen aus, weil der durch diese Maßnahme hervorgerufene Schaden – die wegen Arbeitslosigkeit des Klägers seit dem 1. März 1991 eingetretene Verdienstminderung – dem früheren FDGB und damit auch dem Beklagten nicht zuzurechnen sei. Ein etwaiger, zugunsten des Klägers unterstellter Schadensersatzanspruch sei im übrigen auch verjährt. Schließlich scheitere ein Schadensersatzanspruch an § 5 des als Art. 2 des Zweiten Gesetzes zur Bereinigung von SED-Unrecht in Kraft getretenen Gesetzes über den Ausgleich beruflicher Benachteiligungen für Opfer politischer Verfolgung im Beitrittsgebiet (Berufliches Rehabilitierungsgesetz – BerRehaG –). Nach § 5 BerRehaG seien andere als nach dem Gesetz begründete Ansprüche schon dann ausgeschlossen, wenn sie auf einer Benachteiligung im Beruf beruhten, die aus politischen Gründen erfolgt sei. Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch sei ein solcher anderer Anspruch im Sinne dieser Vorschrift.
B. Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand,
I. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht die Klage als zulässig angesehen. Der Beklagte kann den Rechtsstreit im eigenen Namen führen. Art. 9 Abs. 2 Einigungsvertrag und Anlage II Kapitel II Sachgebiet A Abschnitt III des Einigungsvertrages in Verbindung mit § 20 b ParteienG-DDR in der Fassung vom 22. Juli 1990 (GBl. I S. 904) haben die Treuhand bzw. die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben nicht zur Partei kraft Amtes für alle das Vermögen des Beklagten betreffenden Rechtsstreite erhoben (vgl. Senatsurteil vom 10. Dezember 1992 – 0 AZR 20/92 – BAGE 72, 95, 98 = AP Nr. 1 zu § 20 b ParteienG-DDR, zu B I der Gründe).
Nach § 20 b Abs. 2 ParteienG-DDR wird nur das potentiell rechtsstaatswidrig erworbene Altvermögen (Stichtag 7. Oktober 1989) unter treuhänderische Verwaltung gestellt. Zweck dieser Regelung ist die Ermittlung und Sicherung unrechtmäßig erworbener Vermögensobjekte zur Rückgabe an die Berechtigten. Demgegenüber begehrt der Kläger die Erfüllung einer Neuverpflichtung, nämlich Ersatz seines ab 1. März 1991 entstandenen Schadens. Dieser Prozeß betrifft nicht das Altvermögen des Beklagten.
II. Die Klage kann in der Sache jedoch keinen Erfolg haben. Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch ist jedenfalls deshalb unbegründet, weil er nach § 5 BerRehaG ausgeschlossen ist. Einen Ausgleich für die aus der Abberufung aus politischen Gründen folgende berufliche Benachteiligung kann der Kläger allenfalls im Verfahren nach dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz verlangen.
1. Durch das am 1. Juli 1994 in Kraft getretene Berufliche Rehabilitierungsgesetz (BGBl. I S. 1314) hat die berufliche Rehabilitierung für die in der früheren DDR aufgrund politischer Verfolgung erlittenen beruflichen Nachteile eine abschließende Regelung gefunden (vgl. BAG Urteil vom 9. November 1994 – 7 AZR 19/94 – BAGE 78, 244 = AP Nr. 33 zu Art. 33 Abs. 2 GG; Urteil des Senats vom 18. April 1996 – 8 AZR 867/93 – AP Nr. 36 zu Art. 33 Abs. 2 GG, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt). Nach der Begründung des Gesetzgebers (BT-Drucks, 12/4994, S. 16) ist es Ziel des Zweiten SED-Unrechtsbereinigungsgesetzes und des darin enthaltenen Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes, in einem einheitlichen Verfahren die berufliche Rehabilitierung politisch Verfolgter vorzunehmen und in gravierenden Unrechtsfällen eine Entschädigung durch Ausgleichsleistungen zu gewähren. Die Gewährung einer vollen Ausgleichsleistung wird ausdrücklich ausgeschlossen unter Hinweis darauf, daß 40 Jahre DDR-Unrechtssystem sich nicht rückabwickeln ließen und die wirtschaftliche Lage in den neuen Bundesländern zwingend berücksichtigt werden müsse.
2. Nach § 5 BerRehaG werden andere als die im Gesetz geregelten Ansprüche wegen einer aus politischen Gründen erfolgten Benachteiligung im Beruf oder in der Ausbildung ausgeschlossen, wenn sie Verbindlichkeiten im Sinne des Art. 135 a Abs. 2 GG betreffen. Der vom Kläger geltend gemachte Schadensersatzanspruch ist ein solcher „anderer” Anspruch.
a) Der Kläger begehrt mit seiner Klage Ersatz des Schadens, der ihm durch die politisch motivierte Abberufung zum 30. April 1989 entstanden ist. Entgegen der Auffassung des Klägers werden von dem Anspruchsausschluß nach § 5 BerRehaG auch „normale” arbeitsrechtliche Ansprüche wie der vom Kläger geltend gemachte Schadensersatzanspruch erfaßt, wenn sie – wie vom Kläger vorgetragen – auf einer Benachteiligung im Beruf beruhen, die aus politischen Gründen erfolgt ist. Schon der Wortlaut des § 5 BerRehaG („andere Ansprüche … sind ausgeschlossen”), der den Ausschluß nicht auf bestimmte, im Beruflichen Rehabilitierungsgesetz nicht geregelte Ansprüche beschränkt, spricht gegen die einschränkende Auslegung des Klägers. Auch die Entstehungsgeschichte und der Sinn und Zweck der Norm belegen, daß ein umfassender Anspruchsausschluß vom Gesetzgeber gewollt war. So heißt es auch in der Begründung: „Erfaßt werden sämtliche Ansprüche auf Erfüllung oder Schadensersatz, gleich auf welcher Anspruchsgrundlage sie beruhen …” (BT-Drucks, 12/4994, S. 46).
b) Der vom Kläger geltend gemachte Schadensersatzanspruch betrifft auch eine Verbindlichkeit im Sinne von Art. 135 a Abs. 2 GG. Insbesondere war der frühere FDGB ein Rechtsträger der DDR im Sinne dieser Vorschrift. Als Rechtsträger der DDR sind hier nicht nur Staatsorgane, sondern in einem weiten Sinne alle staatstragenden Organisationen zu verstehen. So werden in der Begründung des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes (BT-Drucks, 12/4994, S. 46) neben den Staatsorganen als Rechtsträger der DDR auch die volkseigenen Betriebe, Produktionsgenossenschaften und Kombinate genannt, weil sie „den Charakter von Subsystemen im sozialistischen Staat der Arbeiter und Bauern hatten”. Denselben staatlichen Charakter hatte der FDGB, der keine von Staat und Partei unabhängige Gewerkschaft war, sondern nach der Präambel seiner Satzung „die umfassendste Klassenorganisation der in der Deutschen Demokratischen Republik herrschenden Arbeiterklasse” war und „die führende Rolle der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands” anerkannte.
c) Wegen der abschließenden Regelung der beruflichen Rehabilitierung ist es auch unerheblich, ob der Kläger die Anspruchsvoraussetzungen für die im Beruflichen Rehabilitierungsgesetz aufgeführten Leistungen erfüllt. Auch wenn diese Voraussetzungen beim Kläger nicht vorlagen, würde dies nach dem beschriebenen Sinn und Zweck des Gesetzes nichts am Ausschluß des vom Kläger geltend gemachten Anspruchs ändern. Es wäre eine sachlich nicht gerechtfertigte und vom Gesetzgeber nicht gewollte Ungleichbehandlung, wenn diejenigen, die nicht alle Anspruchsvoraussetzungen nach dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz erfüllen, im Gegensatz zu den Anspruchsberechtigten auf andere und weitergehende Ansprüche zurückgreifen könnten.
C. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.
Unterschriften
Ascheid, Dr. Wittek, Mikosch, Plenge, Hannig
Fundstellen