Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung nach Einigungsvertrag. Beteiligung des Personalrats
Normenkette
Einigungsvertrag Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschn. III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 2; PersVG-DDR §§ 7, 79
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 25. Oktober 1994 – 5 Sa 687/94 – aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung, die der Beklagte auf mangelnden Bedarf gemäß der Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 2 Einigungsvertrag (künftig: Abs. 4 Ziff. 2 EV) stützt.
Der im Jahre 1943 geborene Kläger war seit 1975 als Sportlehrer und Lektor am Universitätssportzentrum der Technischen Universität D. beschäftigt.
Im Rahmen der Hochschulerneuerung mußten auch am Universitätssportzentrum der Technischen Universität D. Planstellen reduziert werden. In dem ab 1. Januar 1993 gültigen Stellenplan waren statt bisher 53 lediglich sieben Sportlehrerplanstellen am Universitätssportzentrum vorgesehen. Die verbleibenden Stellen wurden ausgeschrieben. Über die Stellenbesetzung entschied eine nach dem Hochschulerneuerungsgesetz und dem Hochschulstrukturgesetz gebildete Auswahlkommission. Der Kläger bewarb sich erfolglos auf alle sieben Stellen.
Mit einem vom Personaldezernenten Dr. D. „im Auftrag” unterzeichneten Schreiben vom 23. September 1992 teilte der Kanzler der Technischen Universität D. dem Personalrat der Technischen Universität D. mit, es sei beabsichtigt, das Arbeitsverhältnis des Klägers mangels Bedarfs zum 31. Dezember 1992 zu kündigen. Der Personalrat erhob keine Einwendungen gegen die beabsichtigte Kündigung und teilte dies der Technischen Universität am 28. September 1992 mit.
Mit einem ebenfalls vom Personaldezernenten unterzeichneten Schreiben des Rektors der Technischen Universität vom 21. Oktober 1992 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Ablauf des 31. Dezember 1992.
Mit der am 5. November 1992 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, die Kündigung sei unwirksam. Der Kündigungsgrund des mangelnden Bedarfs liege nicht vor. Im Zeitpunkt der Kündigung habe kein verbindlicher Stellenplan für 1993 vorgelegen. Im übrigen sei die Sozialauswahl fehlerhaft gewesen, insbesondere gegenüber drei namentlich benannten Mitbewerbern. Schließlich sei die Anhörung des Personalrats nicht ordnungsgemäß erfolgt. Der Personaldezernent Dr. D. habe das Beteiligungsverfahren nicht wirksam einleiten können, weil der Dienststellenleiter nicht verhindert gewesen sei.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 21. Oktober 1992 nicht aufgelöst sei, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbestehe,
ferner, für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag, den Beklagten zu verurteilen, ihn zu unveränderten Bedingungen als Lektor im Universitätssportzentrum der Technischen Universität D. weiterzubeschäftigen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei wegen mangelnden Bedarfs gerechtfertigt, weil der Kläger bei der Vergabe der im Stellenplan ab 1. Januar 1993 noch verbliebenen sieben Sportlehrerstellen nicht habe berücksichtigt werden können. Durch das Auswahlverfahren der Auswahlkommission sei allen Arbeitnehmern die gleiche Chance eingeräumt, mögliche soziale Aspekte seien berücksichtigt worden. Die Anhörung des Personalrats sei, ordnungsgemäß erfolgt. Der Personalrat sei damit einverstanden gewesen, daß in Anlegenheiten der Personalanpassung der Personaldezernent Dr. D. als beauftragt und befugt angesehen werde, für die Dienststelle zu handeln.
Das Arbeitsgericht hat die Klage mit der Maßgabe abgewiesen, daß das Arbeitsverhältnis des Klägers erst mit Ablauf des 30. Juni 1993 beendet sei. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Mit der Revision begehrt der Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 565 Abs. 1 ZPO).
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Kündigung vom 21. Oktober 1992 sei gemäß § 79 Abs. 4 PersVG-DDR rechtsunwirksam, weil der Personalrat der Technischen Universität D. nicht ordnungsgemäß beteiligt worden sei. Der Personaldezernent der Technischen Universität habe das Beteiligungsverfahren nicht wirksam einleiten können, weil er nach § 7 PersVG-DDR nicht zur Vertretung seiner Dienststelle befugt gewesen sei.
Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 und 2 PersVG-DDR werde die Dienststelle durch ihren Leiter, bei dessen Verhinderung durch den Vertreter des Dienststellenleiters vertreten. Bei obersten Dienstbehörden könne der Dienststellenleiter auch den Leiter der Abteilung für Personal- und Verwaltungsangelegenheiten, bei Bundesoberbehörden ohne nachgeordnete Dienststelle und bei Behörden der Mittelstufe auch die jeweils entsprechenden Abteilungsleiter zu seinem Vertreter bestimmen (§ 7 Abs. 1 Satz 3 PersVG-DDR). Das gleiche gelte für sonstige Beauftragte, sofern sich der Personalrat mit dieser Beauftragung einverstanden erkläre (§ 7 Abs. 1 Satz 4 PersVG-DDR).
Der Personaldezernent Dr. D. sei weder Dienststellenleiter noch dessen ständiger Vertreter gewesen. Nach § 7 Abs. 1 Satz 3 PersVG-DDR habe Dr. Degen nicht zum Vertreter des Dienststellenleiters gegenüber der Personalvertretung bestimmt werden können, weil die Technische Universität keine Behörde im Sinne dieser Vorschrift gewesen sei. Auch eine Beauftragung des Personaldezernenten als „sonstigen Beauftragten” im Einverständnis mit dem Personalrat nach § 7 Abs. 1 Satz 4 PersVG-DDR scheide aus, weil diese Vorschrift ebenfalls nur bei den im vorausgegangenen Satz genannten Behörden gelte.
II. Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann das personalvertretungsrechtliche Beteiligungsverfahren nicht beanstandet werden.
1. Nach § 7 Abs. 1 PersVG-DDR handelt für die Dienststelle ihr Leiter. Er kann sich bei Verhinderung durch seinen ständigen Vertreter vertreten lassen. Bei obersten Dienstbehörden kann er auch den Leiter der Abteilung für Personal- und Verwaltungsangelegenheiten, bei Oberbehörden ohne nachgeordnete Dienststellen und bei Behörden der Mittelstufe auch den jeweils entsprechenden Abteilungsleiter zu seinem Vertreter bestimmen. Das gleiche gilt für sonstige Beauftragte, sofern der Personalrat sich mit dieser Beauftragung einverstanden erklärt.
Das Tätigwerden eines „sonstigen Beauftragten” setzt eine Verhinderung des Dienststellenleiters voraus. Ist der Dienststellenleiter tatsächlich nicht verhindert, so führt dieser Mangel dann nicht zur Unwirksamkeit einer Kündigung, wenn der Personalrat im Laufe des Beteiligungsverfahrens das Tätigwerden des sonstigen Beauftragten nicht rügt (vgl. Urteil des Senats vom 18. Januar 1996 – 8 AZR 868/93 – n.v., zu II 3 b der Gründe, m.w.N.; ebenso BAG Urteil vom 26. Oktober 1995 – 2 AZR 743/94 – AP Nr. 8 zu § 79 BPersVG, zu II 2 b, c der Gründe; BAG Urteil vom 26. Oktober 1995 – 2 AZR 423/94 – n.v., zu II 1 der Gründe). Der Schutzzweck des § 79 Abs. 4 PersVG-DDR erfordert nicht, auch dann eine Unwirksamkeit der Kündigung anzunehmen, wenn der Personalrat bei im übrigen ordnungsgemäßer Information das Vorliegen eines Verhinderungsfalles nicht in Zweifel gezogen hat (BAG, a.a.O.).
2. Nach diesen Grundsätzen führt die Einleitung des Beteiligungsverfahrens durch den Personaldezernenten Dr. Degen nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung nach § 79 Abs. 4 PersVG-DDR. Der Personalrat hat das Tätigwerden des von der Technischen Universität zur Vertretung gegenüber dem Personalrat beauftragten Personaldezernenten nicht im Beteiligungsverfahren gerügt.
Zwischen den Parteien besteht kein Streit darüber, daß die Technische Universität D. in Angelegenheiten des Personalanpassungsverfahrens den Personaldezernenten Dr. D. beauftragt hatte, gegenüber dem Personalrat für die Dienststelle zu handeln, und daß der Personalrat damit einverstanden war. Dies ergibt sich auch aus einem Schreiben des Personalratsvorsitzenden an den Kanzler der Technischen Universität vom 8. Oktober 1992, in dem auf einen die bisherige Praxis billigenden Beschluß des Personalrats vom 7. Oktober 1992 verwiesen wird.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beauftragung des Personaldezernenten nach § 7 PersVG-DDR zulässig war. Der Wortlaut des § 7 Abs. 1 Satz 4 PersVG-DDR („Das gleiche gilt …”) spricht dafür, daß „sonstige Beauftragte” nur Dienststellen im Sinne des vorangehenden Satzes 3 mit Einverständnis des Personalrats vertreten können. Da der Personalrat das Tätigwerden des Personaldezernenten im Laufe des Beteiligungsverfahrens allerdings nicht rügte, kann dieser mögliche Mangel nicht zur Fehlerhaftigkeit des Beteiligungsverfahrens und damit zur Unwirksamkeit der Kündigung führen. Der Schutzzweck des § 79 Abs. 4 PersVG-DDR erfordert nicht, auch dann eine Unwirksamkeit der Kündigung anzunehmen, wenn der Personalrat bei im übrigen ordnungsgemäßer Information das Vorliegen einer ordnungsgemäßen Vertretung der Dienststelle nicht in Zweifel gezogen hat.
3. Ob das Beteiligungsverfahren im übrigen ordnungsgemäß durchgeführt wurde, kann nach den bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts noch nicht beurteilt werden. Sollte das Landesarbeitsgericht aufgrund der erneuten Verhandlung zu dem Ergebnis kommen, das personalvertretungsrechtliche Beteiligungsverfahren sei nicht zu beanstanden, wird es den Kündigungsgrund des mangelnden Bedarfs nach Abs. 4 Ziff. 2 EV zu prüfen haben. Dabei wird das Landesarbeitsgericht auch die Grundsätze der Entscheidung des Senats vom 29. August 1996 (– 8 AZR 505/95 – zur Veröffentlichung bestimmt) zu berücksichtigen haben.
Unterschriften
Ascheid, Dr. Wittek, Mikosch, Plenge, Hannig
Fundstellen