Entscheidungsstichwort (Thema)
BMT-G-O. Geltungsbereich
Leitsatz (amtlich)
Der BMT-G-O gilt für Arbeiter, deren Arbeitsverhältnisse in dem in Art. 3 des Einigungsvertrags genannten Gebiet begründet sind (§ 1 Abs. 1 BMT-G-O). Dies ist der Fall, wenn das Arbeitsverhältnis einen Bezug zum Beitrittsgebiet aufweist, der gegenwärtig noch besteht (vgl. Urteil des Senats zu § 1 Abs. 1 BAT-O vom 24. Februar 1994 – 6 AZR 588/93 – AP Nr. 1 zu § 1 BAT-O, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt). Der gegenwärtige Bezug zum Beitrittsgebiet besteht, wenn der Arbeitsplatz dort liegt. Dies ist der Fall, wenn der Schwerpunkt der Tätigkeit sich dort befindet. Entscheidend für die Beurteilung sind die tatsächlichen Umstände.
Normenkette
Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G II) vom 31. Januar 1962 § 1; Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts - Manteltarifliche Vorschriften für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G-O) vom 10. Dezember 1990 § 1
Verfahrensgang
LAG Berlin (Urteil vom 30.05.1994; Aktenzeichen 17 Sa 21/94) |
ArbG Berlin (Urteil vom 01.09.1993; Aktenzeichen 58 Ca 13353/93) |
Tenor
- Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 30. Mai 1994 – 17 Sa 21/94 – wird zurückgewiesen.
- Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die tarifgebundenen Parteien streiten darüber, ob auf ihr Arbeitsverhältnis der Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G II) vom 31. Januar 1962 oder der Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarifliche Vorschriften für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G-O) vom 10. Dezember 1990 Anwendung findet.
Der Kläger ist seit 1976 – gegenwärtig aufgrund des Arbeitsvertrages vom 17. Dezember 1991, nach dem der BMT-G-O Anwendung findet – als Busfahrer des Omnibusbetriebshofs Berlin-H… tätig, der im ehemaligen Ostberlin liegt. Von dort aus werden 25 Linien betrieben. Von diesen führen 19 nur durch das ehemalige Ostberlin, die restlichen sechs Linien teilweise auch durch das ehemalige Westberlin. Mit den in H… stationierten Bussen hat jeder Fahrer im täglichen Wechsel eine andere Linie, im vierwöchigen Wechsel also jede Linie etwa einmal, zu befahren. Der Betrieb gehörte vor der Wiedervereinigung zum Kombinat Berliner Verkehrsbetriebe. Seit dem 1. Januar 1992 ist er Bestandteil der “Berliner Verkehrsbetriebe (BVG)” des beklagten Landes. Die Hauptverwaltung der BVG, bei der auch die Personalverwaltung für die Arbeiter geführt wird, befindet sich in Berlin-Schöneberg und damit im ehemaligen Westberlin.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, auf sein Arbeitsverhältnis finde der BMT-G II Anwendung, weil sich die Hauptverwaltung der BVG in dessen räumlichem Geltungsbereich befinde.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß seit dem 1. Januar 1992 auf das Arbeitsverhältnis der BMT-G II (West) sowie die diesen ergänzenden und ändernden Tarifverträge in der jeweils geltenden Fassung und die Zusatztarifverträge zum BMT-G, Berliner Verkehrsbetrieb (BVG) Nr. 1, Nr. 1a, Nr. 2 in der jeweils geltenden Fassung Anwendung finden.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das beklagte Land hat die Ansicht vertreten, das Arbeitsverhältnis der Parteien sei im Beitrittsgebiet begründet und werde dort auch gegenwärtig fortgesetzt, so daß der BMT-G-O Anwendung finde.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Das beklagte Land bittet um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, das Arbeitsverhältnis des Klägers sei im Beitrittsgebiet begründet, weil es einen räumlichen Bezug zum Beitrittsgebiet aufweise, der auch gegenwärtig noch vorhanden sei. Der Kläger übe als Busfahrer seine Tätigkeit überwiegend im Beitrittsgebiet aus.
Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
II. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ist auch über den 1. Januar 1992 hinaus der BMT-G-O anzuwenden.
Gemäß § 1 Abs. 1 BMT-G-O gilt dieser Tarifvertrag für Arbeiter, die in einem Arbeitsverhältnis zu Mitgliedern der Arbeitgeberverbände stehen, die der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände angehören und deren Arbeitsverhältnisse in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet begründet sind.
1. Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß der tarifgebundene Kläger aufgrund des auf unbestimmte Zeit geschlossenen Arbeitsvertrages mit der BVG vom 17. Dezember 1991 unter den persönlichen Geltungsbereich des § 1 Abs. 1 BMT-G-O fällt.
2. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist im Beitrittsgebietbegründet. Entgegen der Revision kommt es nicht darauf an, daß die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) in Berlin-Schöneberg und damit im ehemaligen Westberlin ihren Sitz haben.
a) Der erkennende Senat hat bei Anwendung der insoweit gleichlautenden Bestimmungen des § 1 Abs. 1 BAT-O ein Arbeitsverhältnis als im Beitrittsgebiet begründet angesehen, wenn es vor oder nach dem 3. Oktober 1990 geschlossen wurde, sofern es einen Bezug zum Beitrittsgebiet aufweist, der gegenwärtig noch vorhanden ist. Dabei ist für die Bestimmung des räumlichen Geltungsbereiches nicht auf den Sitz der Dienststelle, sondern allein auf die Lage des Arbeitsplatzes abzustellen (vgl. BAG Urteile vom 24. Februar 1994 – 6 AZR 588/93 – AP Nr. 1 zu § 1 BAT-O, zu II 2b der Gründe, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen und vom 6. Oktober 1994 – 6 AZR 324/94 –, zu II 3a der Gründe, zur Veröffentlichung vorgesehen). Nicht entscheidend ist somit, daß die Dienststelle der BVG, eines Eigenbetriebs der Beklagten, ihren Sitz nicht im Geltungsbereich des BMT-G-O, sondern in dem des BMT-G II hat. Dieser Tarifvertrag gilt nur in den alten Bundesländern. Die Erstreckung der dort für den öffentlichen Dienst bestehenden Arbeitsbedingungen auf das Beitrittsgebiet hängt von einer ausdrücklichen Vereinbarung der Tarifparteien ab (Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 der Anlage I zum Einigungsvertrag). Bis zu dieser – bisher nicht vereinbarten – Erstreckung gilt im Beitrittsgebiet nur der BMT-G-O. Zweck der unterschiedlichen Tarifverträge ist es, den im Verhältnis zu den alten Bundesländern ungünstigeren wirtschaftlichen Bedingungen der neuen Bundesländer Rechnung zu tragen (vgl. Urteile des Senats vom 24. Februar 1994 – 6 AZR 588/93 –, aaO, zu II 2b der Gründe und vom 6. Oktober 1994 – 6 AZR 324/94 –, aaO, zu I 3a der Gründe). Dieses Regelungsziel schließt die Anknüpfung an den Sitz der Dienststelle aus (vgl. auch heutiges zur Veröffentlichung bestimmtes Urteil des Senats in der Sache – 6 AZR 667/94 –).
b) Der Kläger ist für eine Tätigkeit im Beitrittsgebiet eingestellt worden. Nach den bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist er seit 1976 als Busfahrer im Bereich des Omnibusbetriebshofs Berlin-H… und damit im Beitrittsgebiet beschäftigt worden. Aufgrund des Arbeitsvertrages vom 17. Dezember 1991 wurde der Kläger mit Wirkung vom 1. Januar 1991 beim beklagten Land auf unbestimmte Zeit in gleicher Weise weiterbeschäftigt.
c) Der dadurch begründete Bezug des Arbeitsverhältnisses zum Beitrittsgebiet ist auch gegenwärtig vorhanden, weil der Kläger im Beitrittsgebiet auf unbestimmte Zeit beschäftigt wird.
Nach den bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist der Kläger als Busfahrer im Beitrittsgebiet tätig. Der Kläger übernimmt den Bus im Regelfall im Omnibusbetriebshof Berlin-H… und hat von dort aus den überwiegenden Teil seiner Busfahrertätigkeit im ehemaligen Ostberlin zu erbringen. Er befährt täglich eine andere Linie, so daß er jeweils nach etwa vier Wochen auf sämtlichen Linien eingesetzt war. Da 19 der 25 Linien ausschließlich im Ostteil von Berlin und damit nur 6 teilweise auch im Westteil der Stadt verkehren, arbeitet der Kläger überwiegend im Beitrittsgebiet. Das Landesarbeitsgericht hat aus diesen tatsächlichen Umständen geschlossen, daß der Schwerpunkt der Tätigkeit des Klägers und damit sein Arbeitsplatz im ehemaligen Ostberlin liegt. Das ist nicht zu beanstanden.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Peifer, Dr. Jobs, Lenßen, Kapitza
Richter Dr. Armbrüster kann wegen Erholungsurlaubs nicht unterzeichnen
Dr. Peifer
Fundstellen
Haufe-Index 857052 |
BAGE, 215 |
NZA 1996, 148 |