Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflegezulage. Stellvertretender Stationsleiter
Orientierungssatz
Hinweise des Senats:
"kein Anspruch auf die Pflegezulage nach der Protokollerklärung Nr 1 Abs 2 des Abschnitts A der Anlage 1b zum BAT ohne Verweisung in der zugrundeliegenden Fallgruppe."
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 25. November 1998 - 3 Sa 1026/98 - wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über eine Pflegezulage nach der Protokollerklärung Nr. 1 Abs. 2 des Abschn. A der Anl. 1 b zum BAT.
Der Kläger ist seit dem 1. April 1978 als Krankenpfleger bei dem Beklagten beschäftigt. Er ist in einer Intensivstation der Universitätsklinik W als ständiger Stellvertreter des Stationsleiters eingesetzt. Diesem sind 24 oder mehr Pflegepersonen unterstellt, die sämtlich Anspruch auf eine Pflegezulage nach der Protokollerklärung Nr. 1 Abs. 1 a des Abschn. A der Anl. 1 b zum BAT (im folgenden Protokollerklärung Nr. 1) haben.
Die Bestimmungen des BAT sind kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit anwendbar. Der Kläger ist in der Vergütungsgruppe Kr. VIII Fallgr. 10 des Abschn. A der Anl. 1b zum BAT eingruppiert, nachdem er sich in der Vergütungsgruppe Kr. VII, Fallgr. 10 fünf Jahre lang bewährt hatte. Der Kläger ist freigestelltes Mitglied des Personalrates. Während der Zeit seiner aktiven Tätigkeit war er arbeitszeitlich überwiegend mit der Grund- und Behandlungspflege der in der Intensivstation betreuten Patienten beschäftigt.
Vom Jahre 1990 an bis zum 31. Mai 1995 hatte der Kläger eine Pflegezulage von 90,00 DM brutto erhalten. Ab diesem Zeitpunkt verweigerte der Beklagte die Zahlung und forderte sechs monatliche Beträge im Rahmen der Ausschlußfristen vom Kläger zurück. Die ab dem 1. Juli 1995 bis 30. September 1997 fälligen Beträge von 90,00 DM brutto monatlich zuzüglich des Rückforderungsbetrages sind Gegenstand dieses Rechtsstreits.
Der Kläger vertritt die Ansicht, ihm stehe die Zulage zu, obwohl die auf ihn anzuwendende Vergütungs- und Fallgruppe nicht auf die Protokollerklärung Nr. 1 verweise. Aus dem Sachzusammenhang und dem Wortlaut des zweiten Absatzes der Protokollerklärung Nr. 1 ergebe sich jedoch, daß dies eine unbewußte Tariflücke darstelle. Während in Abs. 1a der Protokollerklärung nur zulagenberechtigte Pflegepersonen der Vergütungsgruppen Kr. I bis VII genannt seien, sei in Abs. 2 ausdrücklich auch die Vergütungsgruppe Kr. VIII aufgenommen. Keine der Fallgruppen der Vergütungsgruppe Kr. VIII enthalte jedoch einen Verweis auf die Protokollerklärung Nr. 1, so daß Abs. 2 der Protokollerklärung Nr. 1 sinnlos wäre, wenn die Auffassung zuträfe, daß unter allen Umständen nur bei einem ausdrücklichen Verweis auf die Protokollerklärung Nr. 1 ein Zulagenanspruch entstehen könne. Diese unbewußte Lücke sei in der Weise zu schließen, daß auch ihm die Zulage zustehe.
Der Kläger hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an ihn 3.060,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit dem 1. Oktober 1997 zu zahlen.
Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Zulage.
I. Das Landesarbeitsgericht hat seine klageabweisende Entscheidung unter weitgehender Bezugnahme auf die Gründe des arbeitsgerichtlichen Urteils im wesentlichen wie folgt begründet: Die Tarifvertragsparteien hätten die auf den Kläger anzuwendende Vergütungs- und Fallgruppe nicht mit einem Hinweis auf die Protokollerklärung Nr. 1 versehen. In der Vergütungsgruppe Kr. VII werde nur bei den Fallgruppen 5, 7 und 23 auf die Protokollerklärung Nr. 1 verwiesen. Hierbei handele es sich um Stationsschwestern, denen mindestens zwölf Pflegepersonen unterstellt seien. Bei Stationsschwestern und deren Vertretern der Vergütungsgruppe Kr. VIII in größeren Einheiten, denen 20 oder mehr Pflegepersonen unterstellt seien, finde sich kein Verweis auf die Protokollerklärung Nr. 1. Hierbei handele es sich um eine sachlich begründete Differenzierung, da nur bei Krankenschwestern mit Leitungsfunktionen in kleineren Einheiten davon auszugehen sei, daß bei ihnen in nennenswertem Umfang Belastungen vorlägen, die mit der Pflegezulage abgegolten werden sollten. Eine unbewußte Lücke oder eine willkürliche Schlechterstellung des Klägers sei darin nicht zu sehen.
Diesen Ausführungen folgt der Senat im Ergebnis und im wesentlichen in der Begründung.
II. 1. Für den Anspruch des Klägers sind folgende Bestimmungen der Anl. 1b Abschn. A des BAT einschlägig:
Die Vorbemerkung Nr. 5 zu den Abschn. A und B der Anl. 1b zum BAT lautet: Bei den Tätigkeitsmerkmalen, die einen Bewährungsaufstieg vorsehen, gelten jeweils auch die Protokollerklärungen zu der in Bezug genommenen Fallgruppe der Vergütungsgruppe, aus der der Bewährungsaufstieg erfolgt.
Vergütungsgruppe Kr. VII
...
5. Krankenschwestern, die einer Einheit für Intensivmedizin vorstehen, und denen mindestens zwölf Pflegepersonen, durch ausdrückliche Anordnung ständig unterstellt sind. )
(Hierzu Protokollerklärungen Nrn. 1, 3 und 6
...
7. Krankenschwestern als Stationsschwestern oder Gruppenschwestern, denen mindestens zwölf Pflegepersonen durch ausdrückliche Anordnung ständig unterstellt sind.
(Hierzu Protokollerklärungen Nrn. 1, 6, 11 und 12)
...
10. Krankenschwestern, die durch ausdrückliche Anordnung als ständige Vertreterinnen von Krankenschwestern der Vergütungsgruppe Kr. VIII Fallgr. 1 oder 2 bestellt sind.
(Hierzu Protokollerklärung Nr. 8)
...
Vergütungsgruppe Kr. VIII
...
2. Krankenschwestern, die einer Einheit für Intensivmedizin vorstehen und denen mindestens 24 Pflegepersonen durch ausdrückliche Anordnung ständig unterstellt sind.
(Hierzu Protokollerklärungen Nrn. 3 und 6)
...
10. Krankenschwestern der Vergütungsgruppe Kr. VII, Fallgr. 4 bis 13 nach fünfjähriger Bewährung in der jeweiligen Fallgruppe.
(Hierzu Protokollerklärung Nr. 2)
Die hierin in Bezug genommenen Protokollerklärungen lauten auszugsweise: Nr. 1
(1) Pflegepersonen der Vergütungsgruppen Kr. I bis Kr. VII, die die Grund- und Behandlungspflege zeitlich überwiegend bei
a) - g) ...
ausüben, erhalten für die Dauer dieser Tätigkeit eine monatliche Zulage von 90,-- DM.
(1a) Pflegepersonen der Vergütungsgruppen Kr. I bis Kr. VII, die zeitlich überwiegend in Einheiten für Intensivmedizin Patienten pflegen, erhalten für die Dauer der Tätigkeit eine monatliche Zulage von 90,-- DM.
(2) Krankenschwestern/Altenpflegerinnen der Vergütungsgruppen Kr. Va bis Kr. VIII, die als
a) Stationsschwestern/Gruppenschwestern/Stations-pflegerinnen oder
b) Krankenschwestern/Altenpflegerinnen in anderen Tätigkeiten mit unterstellten Pflegepersonen
eingesetzt sind, erhalten die Zulage nach Absatz 1 oder 1a ebenfalls, wenn alle ihnen durch ausdrückliche Anordnung ständig unterstellten Pflegepersonen Anspruch auf eine Zulage nach Absatz 1 oder 1a haben. Die Zulage steht auch Krankenschwestern/Altenpflegerinnen zu, die durch ausdrückliche Anordnung als ständige Vertreterinnen einer in Satz 1 genannten Anspruchsberechtigten bestellt sind.
...
Nr. 3
Einheiten für Intensivmedizin sind Stationen für Intensivbehandlungen und Intensivüberwachung. Dazu gehören auch Wachstationen, die für Intensivbehandlung und Intensivüberwachung eingerichtet sind.
Nr. 6
Soweit die Eingruppierung von der Zahl der unterstellten oder in dem betreffenden Bereich beschäftigten Personen abhängt, ...
Nr. 8
Ständige Vertreterinnen sind nicht die Vertreterinnen in Urlaubs- oder sonstigen Abwesenheitsfällen.
2. Dem Kläger steht die geltend gemachte Pflegezulage nicht zu.
Zwischen den Parteien besteht kein Streit, daß der Kläger zutreffend in die Vergütungsgruppe Kr. VIII Fallgr. 10 eingruppiert ist, da er sich fünf Jahre in der Vergütungsgruppe Kr. VII Fallgr. 10 bewährt hat. Diese ist einschlägig für Krankenpfleger und -schwestern, die durch ausdrückliche Anordnung als ständige Vertreter von Krankenschwestern der Vergütungsgruppe Kr. VIII Fallgr. 1 oder 2 bestellt sind. Weder Vergütungsgruppe Kr. VII Fallgr. 10 noch Vergütungsgruppe Kr. VIII Fallgr. 10 enthalten einen Hinweis auf die Protokollerklärung Nr. 1. Diese ist daher nicht anwendbar. Die Protokollerklärungen sind Bestandteile der Tarifvorschriften und normieren selbständige Tatbestände. Sie sind nur deshalb in Form von Protokollerklärungen festgelegt, um den Tariftext nicht zu unübersichtlich zu gestalten (Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese BAT Stand Dezember 1999 Vorbemerkungen vor § 1 VII 4). Die Vergütungsgruppe und die darin mit einem Hinweis versehene Protokollerklärung bilden eine tatbestandliche Einheit. Daraus folgt, daß aus einer Protokollerklärung allein kein selbständiger Anspruch des Klägers folgen kann, wenn in der einschlägigen Vergütungsgruppe kein Hinweis auf diese Protokollerklärung enthalten ist.
Da auch die Fallgruppe der Vergütungsgruppe, aus der der Bewährungsaufstieg des Klägers erfolgt ist, den Hinweis auf die Protokollerklärung Nr. 1 nicht enthält, ist diese auch nicht gemäß der Vorbemerkung Nr. 5 zu den Abschnitten A und B der Anlage 1b zum BAT anwendbar.
In der Vergütungsgruppe Kr. VII enthalten nur diejenigen Fallgruppen einen Hinweis auf die Protokollerklärung Nr. 1, die sich auf Pflegeeinheiten zwischen zwölf und 23 unterstellten Pflegepersonen beziehen. Bei einem Bewährungsaufstieg aus den Fallgr. 5 und 7 der Vergütungsgruppe Kr. VII in die Vergütungsgruppe Kr. VIII Fallgr. 10 bleibt also ein Anspruch auf die Pflegezulage aufgrund der in der Vorbemerkung Nr. 5 zu den Abschnitten A und B der Anlage 1b zum BAT normierten Regelung erhalten. Dies ist beim Kläger nicht der Fall.
3. Entgegen der Auffassung des Klägers handelt es sich bei dieser Regelung nicht um eine unbewußte Tariflücke, die in einer für ihn anspruchsbegründenden Weise ausgefüllt werden müßte. Die Tarifvertragsparteien haben mit der Verweisung auf die Protokollerklärung Nr. 1 in den unterschiedlichen Fallgruppen der VergGr. Kr. VII vielmehr nach der Anzahl der Pflegepersonen differenziert, die in der Einheit tätig sind.
Aus der Erwähnung der Vergütungsgruppe Kr. VIII im Abs. 2 der Protokollerklärung Nr. 1 folgt auch nicht, daß die Tarifvertragsparteien es versehentlich unterlassen hätten, in die Vergütungsgruppe Kr. VIII Fallgr. 10 einen Hinweis auf die Protokollerklärung Nr. 1 aufzunehmen. Zwar trifft es zu, daß in keiner der Fallgruppen der Vergütungsgruppe Kr. VIII ein Hinweis auf die Protokollerklärung Nr. 1 enthalten ist, jedoch entspricht die Erwähnung der Vergütungsgruppe Kr. VIII in Abs. 2 dennoch der tariflichen Systematik, da im Hinblick auf die fortgeltende Wirkung des Verweises aufgrund der Vorbemerkung Nr. 5 zu den Abschnitten A und B der Anlage 1b zum BAT durchaus zulagenberechtigte Arbeitnehmer der Vergütungsgruppe Kr. VIII vorhanden sein können. Ohne den Absatz 2 der Protokollerklärung Nr. 1 müßten diese Pflegepersonen mehr als die Hälfte ihrer Arbeitszeit tatsächlich Grund- und Behandlungspflege ausüben. Da in der Regel die Darlegung des Anteils der organisatorischen Aufgaben im Verhältnis zur Pflegetätigkeit schwierig wäre, soll Abs. 2 den Anspruch auf eine Zulage dann eröffnen, wenn alle unterstellten Pflegekräfte ebenfalls eine Zulagenberechtigung haben, also zeitlich überwiegend pflegen (vgl. Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr aaO Teil II Anl. 1b Protokollerkl. Nr. 1 zu Abschn. A Rn. 20). Dies soll nach dem tariflichen Gesamtzusammenhang jedoch nur für solche Pflegepersonen gelten, die in kleineren Pflegeeinheiten tätig sind.
Diese Differenzierung ist auch nicht sachwidrig. Die Tarifvertragsparteien haben dabei eine typisierende Betrachtungsweise zugrunde gelegt. Sie sind davon ausgegangen, daß in größeren Pflegeeinheiten üblicherweise der Anteil der organisatorischen Tätigkeiten im Verhältnis zu den pflegerischen Tätigkeiten größer ist. Die Pflegezulage soll jedoch die Belastungen abgelten, die durch die Pflege bestimmter Patientengruppen entstehen. Wenn dies im Einzelfall nicht so ist, ist dadurch nicht die gesamte Regelung als sachwidrig anzusehen. Dem Kläger ist zuzugestehen, daß Zweifel an der Zweckmäßigkeit der Zulagenregelung bestehen können. Die Gerichte für Arbeitssachen haben jedoch tarifliche Regelungen nicht auf ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen. Vielmehr ist es Aufgabe der Tarifvertragsparteien, sie besseren Erkenntnissen oder veränderten Umständen anzupassen (vgl. hierzu BAG 10. Februar 1988 - 4 AZR 538/87 - AP BAT § 33 Nr. 12).
III. Der Kläger hat die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO). Dr. Freitag
Böck Marquardt Paul
Burger
Fundstellen
Haufe-Index 610766 |
ZTR 2000, 471 |
PflR 2001, 144 |