Entscheidungsstichwort (Thema)
Widerruf einer Unterstützungskassenversorgung
Orientierungssatz
Parallelsache zu BAG Urteil vom 24.1.1989 3 AZR 519/88 = BB 1989, 1128.
Verfahrensgang
LAG Hamm (Entscheidung vom 10.05.1984; Aktenzeichen 6 Sa 1478/83) |
ArbG Münster (Entscheidung vom 25.05.1983; Aktenzeichen 3 Ca 314/83) |
Tatbestand
Der Kläger verlangt von der Beklagten die Zahlung rückständiger Betriebsrenten und zwar - nach teilweiser Rücknahme seiner Revision - für die Zeit vom 1. April 1982 bis zum 14. September 1987. Nach den Versorgungsrichtlinien der Beklagten stand ihm eine Betriebsrente von monatlich 161,-- DM zu. Die Beklagte kürzte diesen Betrag wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten ihres Trägerunternehmens ab 1. April 1982 um ein Drittel auf 107,-- DM monatlich. Mit Wirkung vom 1. Januar 1983 kürzte sie die Rente um ein weiteres Drittel auf monatlich 54,-- DM. Der Kläger hält diese Kürzungen für unberechtigt und hat Nachzahlung beantragt.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
die beklagte Unterstützungskasse zu verurteilen,
an ihn
1. 593,-- DM nebst 4 % Zinsen seit dem
1. Februar 1983,
2. ab dem 1. Februar 1983 bis zum 14. September
1987 eine monatliche Rente in Höhe von insge-
samt 161,-- DM nebst 4 % Zinsen seit jewei-
liger Fälligkeit
zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, angesichts der erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten ihres Trägerunternehmens seien die Kürzungen unausweichlich gewesen.
Der Pensions-Sicherungs-Verein ist dem Rechtsstreit auf der Seite des Klägers beigetreten. Er hat die Auffassung vertreten, der teilweise Widerruf der Versorgungszusage sei unwirksam, da die Beklagte und das Trägerunternehmen es unterlassen hätten, ihn als Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung einzuschalten.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Berufungsgericht hat sie abgewiesen und die vom Streithelfer gestellten Anträge zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision des Klägers, mit der er nur noch Ansprüche bis zum 14. September 1987 geltend macht.
Nach Beendigung des Berufungsverfahrens, am 15. März 1988, wurde über das Vermögen des Trägerunternehmens das Konkursverfahren eröffnet. Die beklagte Unterstützungskasse hat in einer außerordentlichen Mitgliederversammlung am 12. April 1988 die Vereinsauflösung beschlossen.
In der mündlichen Verhandlung des Senats am 24. Januar 1989 ist trotz ordnungsgemäßer Ladung, die den Prozeßbevollmächtigten am 22. Oktober 1988 zugestellt worden ist, für die Beklagte und Revisionsbeklagte niemand erschienen. Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers und Revisionsklägers hat beantragt, durch Versäumnisurteil zu entscheiden.
Entscheidungsgründe
Es war gemäß §§ 557, 331 Abs. 1 ZPO, § 72 Abs. 5 ArbGG durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Trotz der Säumnis der Beklagten und Revisionsbeklagten ist eine Sachprüfung geboten (vgl. BGH NJW 1962, 1149; 1967, 2162 und 1986, 3085 f.). Diese ergibt, daß die Begründung des Berufungsgerichts das angefochtene Urteil, soweit es noch Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, nicht trägt.
1. Die Klage ist nicht unzulässig geworden, weil der beklagte Verein seine Auflösung beschlossen hat und über das Vermögen des Trägerunternehmens das Konkursverfahren eröffnet worden ist.
a) Der Beschluß über die Auflösung des Vereins hat nicht den Verlust der Parteifähigkeit i.S.d. § 50 ZPO zur Folge. Eine juristische Person ist parteifähig bis zum Verlust ihrer Rechtsfähigkeit. Seine Rechtsfähigkeit verliert der Verein aber nicht durch einen Auflösungsbeschluß gemäß § 41 BGB; dieser hat nur die Wirkung, daß der Verein in das Stadium der Liquidation tritt. Eine Ausnahme gilt gemäß § 47 BGB nur, wenn das Vermögen des Vereins an den Fiskus fällt. Dafür sind hier keine Anhaltspunkte gegeben.
b) Eine andere Rechtsfolge ergibt sich auch nicht daraus, daß im Sicherungsfall des Konkurses des Trägerunternehmens das Vermögen der Unterstützungskasse auf den Pensions-Sicherungs-Verein als Träger der Insolvenzsicherung übergeht (§ 9 Abs. 3 Satz 1 und Satz 4, § 7 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG). Die Kasse kann weiterhin auf die Erfüllung von Versorgungsverbindlichkeiten in Anspruch genommen werden; ihre Vermögenslosigkeit führt weder zum Verlust der Rechts- oder Parteifähigkeit noch zum Untergang eines Anspruchs gegen die vermögenslose Partei. Zwar gehen gemäß § 9 Abs. 3 Satz 1 BetrAVG auch die Verbindlichkeiten auf den Pensions-Sicherungs-Verein über, jedoch ist dessen Haftung auf das übergegangene Vermögen beschränkt. Daraus folgt, daß ein Versorgungsgläubiger die Unterstützungskasse jedenfalls insoweit weiterhin in Anspruch nehmen kann, wie nicht der Versorgungsanspruch infolge eines Sicherungsfalls auf den Pensions-Sicherungs-Verein übergegangen ist (§ 9 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG). Der Vermögensübergang kann insoweit, wie bei einer Vermögensübernahme durch Vertrag (§ 419 Abs. 1 und Abs. 2 BGB), nur zu einer Mithaftung des Pensions-Sicherungs-Vereins führen, und zwar als Gesamtschuldner (§ 421 BGB).
c) Schließlich hat die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Trägerunternehmens auf den Rechtsstreit gegen die rechtlich selbständige Unterstützungskasse keinen Einfluß. Eine Unterbrechung des Rechtsstreits ist nur im Verhältnis zum Trägerunternehmen eingetreten (§ 240 ZPO). Die Unterstützungskasse haftet weder gesamtschuldnerisch mit dem Trägerunternehmen noch ist sie dessen notwendige Streitgenossin (§ 421 BGB, § 62 ZPO). Die Entscheidung muß nicht in allen Fällen einheitlich ergehen. Das Trägerunternehmen haftet aus seinen Versorgungszusagen unmittelbar nur, soweit die Unterstützungskasse die versprochenen Leistungen nicht erbringt, weil das sie wirtschaftlich beherrschende Trägerunternehmen die dazu erforderlichen Mittel nicht zur Verfügung stellt (ständige Rechtsprechung des Senats, zuletzt BAGE 54, 176, 181 = AP Nr. 17 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen, zu II 2 b der Gründe, m.w.N.). Daher ist es möglich, daß die Kasse haftet, der Arbeitgeber aber nicht.
2. Die Klage ist, soweit sie der Kläger in der Revisionsinstanz weiterverfolgt, begründet (bis zum 14. September 1987). Die Kürzung der Versorgung zum 1. April 1982 und die nochmalige Kürzung zum 1. Januar 1983 sind unwirksam.
a) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagte sei mit Rücksicht auf die schlechte wirtschaftliche Lage ihres Trägerunternehmens berechtigt gewesen, die Versorgungszusagen teilweise zu widerrufen. Für den Widerruf sei nicht erforderlich, daß sich das Trägerunternehmen in einer schweren wirtschaftlichen Notlage i.S. des § 7 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 BetrAVG befunden habe; es reiche aus, daß die ungekürzte Versorgungslast die Substanz des Trägerunternehmens gefährde. Ein solcher "triftiger Grund" habe hier vorgelegen.
Es kann dahinstehen, ob dem Berufungsgericht hinsichtlich der Bewertung der wirtschaftlichen Lage des Trägerunternehmens der Beklagten zu Beginn und zu Ende des Jahres 1982 zu folgen ist. Es kann unterstellt werden, daß die erleichterten Voraussetzungen, die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts an den Widerruf von Unterstützungskassenzusagen in sog. Alt- und Übergangsfällen zu stellen sind, vorliegen (Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Oktober 1983 - 2 BvR 298/81 - AP Nr. 2 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen und vom 14. Januar 1987 - 1 BvR 1052/79 - AP Nr. 11 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen). Im Streitfall scheitert die Wirksamkeit des Widerrufs bereits daran, daß das Trägerunternehmen der Beklagten den Träger der Insolvenzsicherung vor dem Versorgungswiderruf nicht eingeschaltet hatte. Das hat das Berufungsgericht nicht beachtet.
b) Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, daß ein Arbeitgeber, der die Kürzung oder Einstellung von Versorgungsleistungen wegen wirtschaftlicher Notlage anstrebt, vor der Kürzung oder Einstellung den Träger der Insolvenzsicherung einschalten und, wenn dieser nicht zustimmt, im Wege der Feststellungsklage klären lassen muß, ob er zur Kürzung oder Einstellung berechtigt ist (grundlegend BAGE 32, 220 = AP Nr. 4 zu § 7 BetrAVG). Diese Rechtsprechung hat weitgehende Zustimmung gefunden (statt aller: Blomeyer/Otto, BetrAVG, Vorbemerkung § 7 Rz 70, m.w.N., und § 7 Rz 134). An ihr ist festzuhalten. Die gegen diese Rechtsprechung erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken hat der Senat ausdrücklich zurückgewiesen (Urteil vom 20. Januar 1987 - 3 AZR 313/85 - AP Nr. 12 zu § 7 BetrAVG Widerruf, zu II 1 b der Gründe). Auch hieran ist festzuhalten.
c) Diese für den Fall des Widerrufs wegen wirtschaftlicher Notlage entwickelte Auffassung muß auch gelten, soweit der Arbeitgeber berechtigt ist, eine Unterstützungskassenzusage wegen Bestandsgefährdung des Unternehmens, also aus triftigen Gründen, zu widerrufen. Auch bei einem Widerruf aus triftigen Gründen muß der Arbeitgeber den Pensions-Sicherungs-Verein einschalten und auf diese Weise gewährleisten, daß der Insolvenzschutz eingreift. Der gesetzlichen Insolvenzsicherung liegt der Gedanke zugrunde, daß entweder der Arbeitgeber oder der Insolvenzträger für die betriebliche Altersversorgung aufkommen soll. Die Zusammenschaltung von Widerrufs- und Kürzungsmöglichkeiten auf der einen und die Sicherung des Ausfalls durch den Pensions-Sicherungs-Verein auf der anderen Seite ist deshalb unverzichtbar (BVerfG Beschluß vom 14. Januar 1987, aaO, zu B II 4 der Gründe).
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Notwendigkeit der Einschaltung des Pensions-Sicherungs-Vereins bei einem zulässigen Versorgungswiderruf schon wegen einer Substanzgefährdung des Trägerunternehmens bestehen ebenso wenig wie im Falle einer schon eingetretenen wirtschaftlichen Notlage. Da es sich nur um Widerrufsfälle handelt, die nach dem Inkrafttreten der §§ 7 ff. BetrAVG aufgetreten sind (§§ 30, 32 BetrAVG), muß sich der Arbeitgeber entsprechend der seither geltenden Rechtslage verhalten. Damit wird weder seine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) noch der ihm zustehende rechtsstaatliche Vertrauensschutz vor einer rückwirkenden Regelung (Art. 20 Abs. 1 GG) eingeschränkt. Der Arbeitgeber wird nicht unzumutbar belastet, wenn von ihm verlangt wird, durch rechtzeitige Beteiligung des Trägers der Insolvenzsicherung das Risiko eines Versorgungsverlusts der Arbeitnehmer zu vermeiden. Dieses Risiko soll der Arbeitnehmer nach der Wertentscheidung des Betriebsrentengesetzes gerade nicht tragen müssen.
Da im Streitfall der Pensions-Sicherungs-Verein bei den wiederholten Teilwiderrufen nicht eingeschaltet worden ist, sind die Rentenkürzungen zum 1. April 1982 und 1. Januar 1983 unwirksam.
3. Gegen dieses Versäumnisurteil ist der Einspruch zulässig. Der Einspruch kann binnen einer Frist von zwei Wochen seit Zustellung des Urteils durch einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt bei dem Bundesarbeitsgericht, Graf-Bernadotte-Platz 3, 3500 Kassel-Wilhelmshöhe, eingelegt werden.
Dr. Heither Schaub Griebeling
Heimann Lichtenstein
Fundstellen