Entscheidungsstichwort (Thema)
Freizeitausgleich für Mehrarbeit
Leitsatz (amtlich)
Nach § 4 Ziffer 1 Abs 5 MTV Metallindustrie NW kann der Arbeitnehmer bei mehr als 16 Mehrarbeitsstunden im Monat die Abgeltung sämtlicher Mehrarbeitsstunden durch Freistellung von der Arbeit verlangen.
Normenkette
TVG § 1 Tarifverträge: Metallindustrie; MTV für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie NW vom 30. April 1980/3. Juli 1984 § 4
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Urteil vom 26.07.1989; Aktenzeichen 4 Sa 353/89) |
ArbG Krefeld (Urteil vom 25.01.1989; Aktenzeichen 1 Ca 1510/86) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 26. Juli 1989 – 4 Sa 353/89 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen !
Tatbestand
Der Kläger ist bei der Beklagten als Schlosser beschäftigt. Er hat im Juni 1986 32 Mehrarbeitsstunden geleistet. Mit Schreiben vom 23. Juni 1986 bat er unter Bezugnahme auf § 4 Ziff. 1 des Tarifvertrages vom 3. Juli 1984 zur Änderung des Manteltarifvertrages für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalens vom 30. April 1980 (Änd-TV) um Abgeltung der von ihm geleisteten Mehrarbeitsstunden durch bezahlte Freistellung. Er regte an, die Mehrarbeitsstunden in der Zeit vom 14. bis 25. Juli 1986, für die ihm bereits Tarifurlaub gewährt worden war, abfeiern zu dürfen und die entsprechenden Tarifurlaubstage wieder gut zu schreiben.
§ 4 Ziffer 1 Abs. 5 Änd-TV lautet:
“Mehrarbeit bis 16 Stunden im Monat kann im einzelnen Fall auch durch bezahlte Freistellung von der Arbeit ausgeglichen werden. Bei mehr als 16 Mehrarbeitsstunden im Monat kann der Arbeitnehmer die Abgeltung durch bezahlte Freistellung von der Arbeit verlangen, soweit dem nicht dringende betriebliche Belange entgegenstehen. Der Freizeitausgleich hat in den folgenden 3 Monaten zu erfolgen.”
Die Beklagte lehnte den Freizeitausgleich mit Schreiben vom 7. Juli 1986 unter Hinweis auf die betriebliche Situation, die dem Kläger in einem Gespräch zwischen ihm, dem Betriebsratsvorsitzenden und dem zuständigen Betriebsingenieur erläutert worden sei, ab. Sie vergütete dem Kläger die Mehrarbeitsstunden. Vom 14. bis 25. Juli 1986 und vom 20. bis 22. August 1986 gewährte die Beklagte dem Kläger Urlaub.
Mit seiner am 22. August 1986 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 26. August 1986 zugestellten Klage begehrt der Kläger weiterhin Freistellung für die Mehrarbeitsstunden im Juni 1986.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, daß nach § 4 Ziffer 1 Abs. 5 Satz 2 Änd-TV bei mehr als 16 Mehrarbeitsstunden im Monat der Arbeitnehmer für alle Mehrarbeitsstunden Abgeltung durch bezahlte Freistellung von der Arbeit verlangen kann. Dringende betriebliche Erfordernisse hätten dem nicht entgegengestanden, weil der Kläger der Beklagten angeboten habe, die Mehrarbeitsstunden in der Zeit, für die ihm bereits Tarifurlaub gewährt worden war, “abzufeiern”.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihm bezahlte Freistellung für insgesamt 32 Stunden zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, nach § 4 Ziffer 1 Abs. 5 Satz 2 Änd-TV könne ein Arbeitnehmer bei mehr als 16 Mehrarbeitsstunden im Monat nur für die über 16 Stunden hinausgehende Mehrarbeit, also ab der 17. Mehrarbeitsstunde Abgeltung durch bezahlte Freistellung von der Arbeit verlangen. Für die ersten 16 Mehrarbeitsstunden verbleibe es bei der Regelung in § 4 Ziffer 1 Abs. 5 Satz 1 Änd-TV, wonach die Mehrarbeit grundsätzlich vergütet werde und der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Freizeitausgleich habe. Dem Freizeitausgleich des Klägers hätten im übrigen dringende betriebliche Belange entgegengestanden. Dazu hat sie im einzelnen vorgetragen, daß sie aufgrund fester Liefertermine an ihren Hauptkunden Deutsche Bundesbahn und des Mangels an Schlossern auf die Arbeitsleistung des Klägers im Ausgleichszeitraum nicht habe verzichten können. Sie habe sich auch nicht darauf einlassen müssen, zuvor verbindlich festgelegten Tarifurlaub zu widerrufen und anstatt dessen Freizeitausgleich zu gewähren, weil sonst der gesamte Urlaubsplan durcheinander geraten wäre und der Kläger in Höhe des gewährten Freizeitausgleiches erneut einen Urlaubsanspruch gehabt hätte.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter. Der Kläger beantragt Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision war zurückzuweisen. Im Ergebnis zutreffend haben die Vorinstanzen der Klage stattgegeben.
Mit den Vorinstanzen ist davon auszugehen, daß die vom Kläger erhobene Klage zulässig ist. Durch den Antrag auf Gewährung bezahlter Freistellung wird hinreichend klargestellt, daß der Kläger im Sinne von § 253 Abs. 2 ZPO Freistellung von der arbeitsvertraglich geschuldeten Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung verlangt. Dieses Verlangen hat er auch rechtzeitig innerhalb der tariflich vorgesehenen Ausgleichszeit von drei Monaten gestellt. Wenn diese Frist inzwischen verstrichen ist, hat das keinen Einfluß auf die von der Beklagten in jedem Falle zu leistende Naturalrestitution (vgl. BAGE 50, 112, 118 = AP Nr. 8 zu § 7 BUrlG Übertragung; BAGE 56, 265, 268 = AP Nr. 39 zu § 7 BUrlG Abgeltung).
Wie die vom Arbeitsgericht eingeholten Auskünfte der Tarifvertragsparteien ergeben, ist, wie die Vorinstanzen zutreffend festgestellt haben, die hier allein maßgebliche Vorschrift des § 4 Ziffer 1 Abs. 5 Änd-TV nicht eindeutig und unterschiedlicher Auslegung fähig. Danach hat jede der Tarifvertragsparteien sich unter der Regelung etwas anderes vorgestellt und gemeint, in der nicht ganz klaren Fassung käme ihre Auffassung hinreichend zum Ausdruck. Damit wäre es an sich Sache der Tarifvertragsparteien gewesen, eine solche zudem noch im Bundesgebiet einheitlich geltende Regelung selbst etwa durch eine authentische Interpretation oder eine Protokollnotiz klarzustellen. Es kann nicht im Sinne einer funktionierenden Tarifautonomie liegen, wenn die Tarifvertragsparteien einen Kompromiß so niederschreiben, daß jede hinterher meint, im Gerichtswege ihre Meinung durchsetzen zu können. Dabei wäre es ohne weiteres möglich gewesen, die Vorschrift des § 4 Ziffer 1 Abs. 5 Änd-TV dadurch klar zu fassen, daß man entweder schreibt: “Ab der 17. Mehrarbeitsstunde” oder “von der 17. Mehrarbeitsstunde im Monat an” bzw. im anderen Fall klarstellt, daß bei mehr als 16 Arbeitsstunden im Monat “insgesamt” die Abgeltung durch Freistellung verlangt werden kann. Nachdem dies nicht geschehen ist, müssen jedoch die Gerichte für Arbeitssachen den Rechtsstreit im einen oder anderen Sinne entscheiden, ohne daß eine Kompromißlösung, wie sie bei Tarifvertragsverhandlungen möglich wäre, festgelegt werden könnte. Da im vorliegenden Falle jede der Tarifvertragsparteien einen anderen Willen gehabt hat und somit auch der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien zu keiner endgültigen Auslegung dieser mißverständlichen Vorschrift führt, muß nach den allgemeinen Grundsätzen der Tarifauslegung vom Tarifwortlaut ausgegangen und der Sinn und Zweck der Tarifnorm berücksichtigt werden, sofern und soweit dieser einen Niederschlag gefunden hat, und auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abgestellt werden (BAGE 46, 308, 313 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung m. w. N.).
Bei dieser Auslegung spricht im vorliegenden Falle mehr dafür, daß nach § 4 Ziffer 1 Abs. 5 Satz 2 Änd-TV der Kläger bei Leistung von mehr als 16 Mehrarbeitsstunden im Monat die Abgeltung aller Mehrarbeitsstunden durch bezahlte Freistellung von der Arbeit verlangen kann. Der Satzbeginn “Bei mehr als 16 Mehrarbeitsstunden im Monat” umschreibt die Voraussetzungen für den Anspruch des Arbeitnehmers, statt Bezahlung der Mehrarbeitsstunden Freizeitausgleich verlangen zu können. Rechtsfolge ist es, die Abgeltung durch bezahlte Freistellung von der Arbeit zu verlangen. Der Akkusativ “die Abgeltung” bezieht sich grammatikalisch auf die Mehrarbeitsstunden, ohne daß der Tarifwortlaut eine Einschränkung auf bestimmte Stunden, nämlich ab der 17. Mehrarbeitsstunde, vornimmt. Nach § 4 Ziffer 1 Abs. 5 Satz 1 Änd-TV ist bestimmt, daß im Einzelfall Mehrarbeit bis 16 Stunden im Monat auch durch bezahlte Freistellung von der Arbeit ausgeglichen werden kann. Einen Anspruch auf Freizeitausgleich hat der Arbeitnehmer bei Mehrarbeit bis zu 16 Stunden nicht. Erst in Satz 2 dieser Bestimmung erhält er einen Anspruch auf Freizeitausgleich bei mehr als 16 Arbeitsstunden im Monat. Die Revision meint dazu, Satz 1 und 2 der Tarifbestimmung stünden nicht in einem Regel-Ausnahme-Verhältnis, sondern selbständig nebeneinander; Satz 1 regele, wie hinsichtlich der ersten 16 Mehrarbeitsstunden zu verfahren sei, Satz 2 regele, wie hinsichtlich der über 16 Stunden hinausgehenden Mehrarbeitsstunden verfahren werden solle. Dies ist insoweit zutreffend, als § 4 Ziffer 1 Abs. 5 Satz 1 Änd-TV die Rechtsfolge bei einer monatlichen Mehrarbeit bis zu 16 Stunden regelt, während § 4 Ziffer 1 Abs. 5 Satz 2 Änd-TV erst bei einer Mehrarbeit von mehr als 16 Stunden im Monat eingreift. Die Voraussetzungen für das Entstehen des Anspruches auf Freizeitausgleich bedeutet aber nicht die Beschränkung dieses Anspruches auf die über 16 Stunden im Monat geleistete Mehrarbeit. Insoweit gibt § 4 Ziffer 1 Abs. 5 Satz 1 Änd-TV keine abschließende Verfahrensweise für die ersten 16 Arbeitsstunden im Monat. Vielmehr läßt sich daraus nur entnehmen, daß bei den ersten 16 Mehrarbeitsstunden im Monat der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Freizeitausgleich haben soll, während ihm in Satz 2 ein solcher Anspruch bei mehr als 16 Mehrarbeitsstunden im Monat gegeben wird. Hätte zum Ausdruck kommen sollen, daß der Anspruch sich auf die Mehrarbeit ab der 17. Mehrarbeitsstunde im Monat beschränkt, hätte dies ausdrücklich bestimmt werden können durch einen entsprechenden klaren Satzbau, etwa in der Form, daß ab der 17. Mehrarbeitsstunde im Monat der Arbeitnehmer die Abgeltung dieser Mehrarbeitsstunden verlangen kann.
Sinn und Zweck der Bestimmung und Tarifgeschichte ergeben keine andere zwingende Auslegung der Vorschrift. Insoweit ist zwischen den Parteien unstreitig, daß eine übermäßige Ausweitung der Mehrarbeit durch die Möglichkeit des Freizeitausgleiches vermieden werden sollte, um auch Neueinstellungen zu fördern. Dabei ist dann anerkannt worden, daß ein gewisser Teil Überstunden betrieblich unumgänglich ist, selbst wenn er regelmäßig anfällt und daß dieser Sockel auch nicht beschäftigungspolitisch umgesetzt werden kann. Daraus folgt aber nur, daß bis zu dieser Sockelgrenze von 16 Mehrarbeitsstunden im Monat der Arbeitnehmer die Abgeltung durch bezahlte Freistellung nicht verlangen kann. Hält sich der Arbeitgeber an diesen von den Tarifvertragsparteien anerkannten Sockel von bis zu monatlich 16 Mehrarbeitsstunden für den einzelnen Arbeitnehmer, kann gegen den Willen des Arbeitgebers Freizeitausgleich nicht durchgesetzt werden. Das bedeutet aber nicht, daß bei Überschreiten dieser 16 Mehrarbeitsstunden im Monat die Arbeitnehmer Freizeitausgleich erst ab der 17. Mehrarbeitsstunde verlangen können. § 4 Ziffer 1 Abs. 5 Satz 2 Änd-TV kehrt die Regel von Satz 1 um. Es kann durchaus dem Sinn und Zweck einer Regelung, Mehrarbeit über das betrieblich unumgängliche Maß von 16 Stunden im Monat hinaus nach Möglichkeit zu vermeiden, entsprechen, bei Mehrarbeit über dieses Maß hinaus im Monat für die gesamte Mehrarbeit Freizeitausgleich verlangen zu dürfen. Der Arbeitgeber ist dann gehalten, darauf zu achten, daß der einzelne Arbeitnehmer nicht mehr als 16 Mehrarbeitsstunden im Monat leistet. Das ist auch nicht eine Bestrafung oder Sanktion für den Arbeitgeber, da der Arbeitgeber durch diese Tarifbestimmung im Umfang der für erforderlich angesehenen Mehrarbeit nicht eingeschränkt wird. Vielmehr ist es nach dieser tariflichen Regelung auch bei mehr als 16 Mehrarbeitsstunden im Monat möglich, im Einvernehmen mit den Arbeitnehmern, diese in Geld auszuzahlen.
Außerdem kann dem Freizeitausgleichsanspruch des Arbeitnehmers der Einwand dringender betrieblicher Belange entgegengehalten werden, so daß der Arbeitgeber nicht in jedem Falle gezwungen ist, den danach jeweils möglichen Freizeitausgleich für die gesamte Mehrarbeit leisten zu müssen. Ferner ist zu bedenken, daß 16 Mehrarbeitsstunden im Monat bereits im Durchschnitt fast vier Arbeitsstunden wöchentlich sind. Darüber hinausgehende Mehrarbeitsstunden werden sich daher im allgemeinen in einem verhältnismäßig engen Rahmen halten. Für eine solche immer nur eng begrenzte Zahl von Mehrarbeitsstunden aber wirkliche dringende betriebliche Erfordernisse zu finden, die einem Freizeitausgleich entgegenstehen, wird noch seltener vorkommen, so daß auch der ausdrücklich vorbehaltene Einwand der dringenden betrieblichen Erfordernisse eher dafür spricht, daß dann die gesamten Überstunden durch Freizeit auszugleichen sein sollen. Es ist jedenfalls eher vorstellbar, daß einem solchen größeren Block dringende betriebliche Erfordernisse entgegenstehen können.
Die von der Revision angeführten praktischen Schwierigkeiten können nicht zwingend zu einer anderen Auslegung führen. Fallen Kalendermonat und der Zeitpunkt der Lohnzahlung im Sinne der Revision auseinander, so kann im Zeitpunkt der Lohnzahlung tatsächlich noch offen sein, ob der Arbeitnehmer im Kalendermonat über 16 Mehrarbeitsstunden leisten und Abgeltung in Freizeitausgleich verlangen wird. Das ist aber als im Tarifvertrag angelegt hinzunehmen, weil die Tarifvertragsparteien in § 4 Ziffer 1 Abs. 5 Änd-TV für das Maß der Mehrarbeit auf den Kalendermonat abstellen. Zahlt der Arbeitgeber nach dem von der Revision gebildeten Beispiel 16 Mehrarbeitsstunden aus, erbringt der Arbeitnehmer aber im Kalendermonat noch weitere Mehrarbeitsstunden und verlangt entsprechende Abgeltung durch bezahlte Freistellung nach § 4 Ziffer 1 Abs. 5 Satz 2 Änd-TV, so kann der Arbeitgeber bei der nächsten Lohnzahlung ohne große Schwierigkeiten die dann ohne Rechtsgrundlage gezahlte Mehrarbeitsvergütung wieder einbehalten. Der von der Revision gebildete “umgekehrte Fall” ist gar nicht möglich. Erhält der Arbeitnehmer auf sein Verlangen im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber für die ersten 16 Mehrarbeitsstunden Freizeitausgleich, so ist damit nach § 4 Ziffer 1 Abs. 5 Satz 1 Änd-TV der Anspruch auf “Mehrarbeitsvergütung” erfüllt und damit nach § 362 BGB erloschen.
Zu einer anderen Auslegung der streitgegenständlichen Tarifnorm zwingt auch nicht der von der Revision herangezogene § 2 Ziffer 5 des Gehaltsrahmenabkommens in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalens vom 19. Februar 1975. Dort ist bestimmt, daß ein Angestellter, der vorübergehend eine Tätigkeit ausübt, die einer höheren Gehaltsgruppe als der seinigen zugeordnet ist, keinen Anspruch auf höhere Gehaltsbezüge erwirbt. Dauert diese Tätigkeit als Aushilfe oder Stellvertretung zusammenhängend mehr als sechs Wochen, so entsteht der Anspruch auf höhere Gehaltsbezüge vom ersten Tag der höherwertigen Tätigkeit an. Hier entsteht “rückwirkend” der Anspruch auf das höhere Gehalt vom ersten Tage an, weil die Tarifvertragsparteien offensichtlich davon ausgehen, daß eine Aushilfe oder Stellvertretung von mehr als sechswöchiger Dauer nicht mehr vorübergehend ist. Entscheidet sich nachträglich, daß die Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit nicht vorübergehend war, stellen die Tarifvertragsparteien “rückwirkend” die Regelung in § 2 Ziffer 1 Gehaltsrahmenabkommen wieder her, wonach die Einstufung des Angestellten allein von der von ihm ausgeübten Tätigkeit abhängt. Für die Auslegung der nach Inhalt und Systematik völlig anders gearteten Tarifnorm des § 4 Ziffer 1 Abs. 5 Änd-TV kann daraus nichts hergeleitet werden, zumal es in § 4 Ziffer 1 Abs. 5 Satz 2 Änd-TV nicht um eine “rückwirkende” Anspruchsentstehung, sondern um die Frage geht, wie Mehrarbeitsstunden abgegolten werden, wenn sie über das Maß von 16 Stunden im Monat hinausgehen.
Mit dem Landesarbeitsgericht ist danach aber weiter davon auszugehen, daß der Abgeltung der Mehrarbeitsstunden des Klägers durch Freizeitausgleich im Ausgleichszeitraum dringende betriebliche Belange nicht entgegenstanden. Die Beklagte hat zwar im einzelnen vorgetragen, daß im Abgeltungszeitraum vom 1. Juli 1986 bis 30. September 1986 dringende Terminarbeiten zu erledigen waren und sie an einer Personalknappheit von Schlossern litt. Sie hat jedoch im Abgeltungszeitraum dem Kläger vom 14. bis 25. Juli 1986 und vom 20. bis 22. August 1986 Urlaub gewährt. Daraus konnte das Landesarbeitsgericht im Rahmen seines Beurteilungsspielraumes folgern, daß dem Freizeitanspruch des Klägers keine dringenden betrieblichen Belange entgegenstanden. Nach § 7 Abs. 1 BUrlG kann dem Arbeitnehmer Urlaub versagt werden, wenn dringende betriebliche Belange entgegenstehen. Mit der Gewährung des Urlaubs brachte die Beklagte zum Ausdruck, daß einer Freistellung des Klägers von der Arbeit unter Fortzahlung seines Lohnes in dem gewährten Zeitraum keine dringenden betrieblichen Belange entgegenstanden. Nachdem der Kläger angeboten hatte, den Freizeitausgleich in seinen Urlaub zu legen und damit die Rechtsgrundlage für die Freistellung auszutauschen, wäre dies zumutbar gewesen, da dem Urlaubsanspruch des Klägers nach § 7 Abs. 1 BUrlG erst dann hätte stattgegeben werden müssen, wenn die betrieblichen Belange das im Laufe des Urlaubsjahres gestatteten. Maßgeblich kommt es damit auf die Beurteilung des Landesarbeitsgerichts hinsichtlich des ohnehin gewährten Urlaubs an. Dieser Vergleich ist zulässig, so daß es auf die insoweit erhobene Rüge der Revision nicht mehr ankommt.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Neumann, Dr. Etzel, Dr. Freitag, Scheerer, Wiese
Fundstellen
Haufe-Index 841031 |
RdA 1990, 190 |