Entscheidungsstichwort (Thema)
Stichtagsregelung in Sozialplänen
Normenkette
BetrVG §§ 75, 112
Verfahrensgang
LAG Köln (Urteil vom 11.08.1994; Aktenzeichen 5 Sa 212/94) |
ArbG Köln (Urteil vom 19.10.1993; Aktenzeichen 4 Ca 3942/93) |
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 11. August 1994 – 5 Sa 212/94 – insoweit aufgehoben, als es dem Zahlungsantrag stattgegeben hat.
2. Auch insoweit wird die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 19. Oktober 1993 – 4 Ca 3942/93 – zurückgewiesen.
3. Die Klägerin hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten noch um die Verpflichtung der Beklagten, der Klägerin anläßlich der Verlegung des Betriebssitzes von Köln nach Münster eine Abfindung zu zahlen.
Die beklagte Lotteriegesellschaft beschloß Ende 1991, ihren Geschäftssitz von Köln nach Münster zu verlegen. Am 6. Dezember 1991 gab ihre Geschäftsleitung durch Aushang allen Mitarbeitern folgendes bekannt:
„…
Standortentscheidung
Die Geschäftsführung der Westdeutschen Lotterie GmbH & Co. gibt ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Entscheidung ihres Gesellschafters, der Westdeutschen Landesbank Girozentrale, zur Standortbestimmung des Unternehmens wie folgt bekannt:
- Der künftige Sitz der Westdeutschen Lotterie GmbH & Co. ist in Münster.
- Die Firmenaktivitäten werden im Rahmen eines noch zu erstellenden Zeitplans von Köln nach Münster verlegt.
- Die Geschäftsführung wird umgehend entsprechende Verhandlungen mit den Arbeitnehmervertretern aufnehmen.”
In der Folgezeit fanden schriftliche und mündliche Verhandlungen über den Plan der Beklagten, ihren Sitz nach Münster zu verlegen, zwischen den Betriebspartnern statt. In dem Schreiben an den Betriebsrat vom 9. und 27. März 1992 spricht die Beklagte von einer „Konzentration der WestLotto auf einen zentralen Standort” bzw. von einer „geplanten Standortkonzentration”. Der Betriebsrat machte Vorschläge zu einem Interessenausgleich und schrieb am 24. März 1992 an die Beklagte:
„…
Aus diesem Grund beziehen wir uns nochmals auf die vom Betriebsrat gemachten Vorschläge zum Interessenausgleich mit Sicherung von Arbeitsplätzen und plädieren wiederholt für folgende, nach unserer Auffassung wirtschaftlich vertretbare Lösung: „Beibehaltung der Standorte Köln und Münster mit betriebswirtschaftlich sinnvollen Strukturen bei Sicherung von Arbeitsplätzen …”
Die Schreiben vom 24. und 27. März wurden den Mitarbeitern durch Aushang bekannt gemacht. In einer weiteren Information des Betriebsrates an die Mitarbeiter in Köln vom Juli 1991 verlangt der Betriebsrat von der Beklagten, alles zu unterlassen, was Arbeitsplätze im Kölner Raum negativ tangiere, solange über einen Interessenausgleich nicht abschließend eine Regelung getroffen sei, und unterrichtete die Belegschaft über ein einstweiliges Verfügungsverfahren, das er gegen die Beklagte vor dem Arbeitsgericht Köln anhängig gemacht hatte.
Zwischenzeitlich hatten die Gesellschafter der Beklagten am 3. Juni 1992 beschlossen, den handelsrechtlichen Firmensitz von Köln nach Münster zu verlegen.
Am 17. August 1992 informierte die Beklagte durch Aushang ihre Mitarbeiter darüber, daß das einstweilige Verfügungsverfahren vor dem Landesarbeitsgericht in der Hauptsache für erledigt erklärt worden sei und dem Betriebsrat ein Interessenausgleich über die geplante Betriebsverlagerung von Köln nach Münster vorgelegt worden sei. Weiter heißt es: „Der Interessenausgleich hat folgenden Wortlaut:
- Der Betrieb in Köln wird spätestens bis zum 31. Dezember 1996, jedoch nicht vor dem 31. Dezember 1993 nach Münster verlagert.
- Die Verlagerung erfolgt in Etappen je nach technischen, organisatorischen und betriebswirtschaftlichen Gegebenheiten.
- Der Betriebsrat wird über die jeweils vorzunehmenden Verlagerungsmaßnahmen möglichst rechtzeitig vor Umsetzung unterrichtet.
Den von der Verlagerung betroffenen Mitarbeitern wird in erster Linie eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses in Münster angeboten, in zweiter Linie Aufhebungsverträge.
Betriebsbedingte Kündigungen erfolgen nur, falls diese Möglichkeiten nicht gegeben sind.
- Zur Minderung der möglicherweise Mitarbeitern entstehenden Nachteile werden die Betriebsparteien einen Sozialplan abschließen. Die Verhandlungen darüber werden zügig fortgesetzt.”
Weiter heißt es:
„Der Betriebsrat hat sich leider nicht bereitfinden können, diesem Interessenausgleich zuzustimmen, weswegen wir die Verhandlungen hierüber als gescheitert erklärt und die Einigungsstelle angerufen haben, da dies nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vorgeschrieben ist.
Der Betriebsrat hat uns um weitere Informationen gebeten und im übrigen angekündigt, daß er noch vorher den Präsidenten des Landesarbeitsamtes zur Vermittlung einschalten will. Dem werden wird uns nicht widersetzen.
Über die weitere Entwicklung werden wir Sie auf dem laufenden halten.”
Am 1. April 1993 schließlich vereinbarten die Betriebspartner einen Interessenausgleich, der wie folgt lautete:
- „Der Betrieb in Köln wird spätestens bis zum 31. Dezember 1995 nach Münster verlagert. Das Unternehmen wird zu gegebener Zeit im Raum Köln neue Arbeitsplätze schaffen. Hierbei handelt es sich um Funktionen des Vertriebs einschl. der Redaktion „Glück” sowie Tätigkeiten zur logistischen/technischen Unterstützung der Lotto-Annahmestellen im Rheinland.
- Die Verlagerung erfolgt in Etappen je nach technischen, organisatorischen und betriebswirtschaftlichen Gegebenheiten.
- Der Betriebsrat wird über die jeweils vorzunehmenden Verlagerungsmaßnahmen mindestens vier Wochen vor Umsetzung unterrichtet.
- Die Regelungen zum Ausgleich oder zur Milderung von wirtschaftlichen Nachteilen, die die Mitarbeiter/innen von WestLotto in Köln im Zusammenhang mit der Betriebsänderung treffen, sind in einer Betriebsvereinbarung über einen Sozialplan geregelt.”
In dem am selben Tage vereinbarten Sozialplan heißt es u.a. wie folgt:
„Zwischen der Geschäftsführung und dem Betriebsrat Köln der Westdeutschen Lotterie GmbH & Co. – im folgenden WestLotto genannt – wird zum Ausgleich oder zur Milderung von wirtschaftlichen Nachteilen im Zusammenhang mit der Betriebsverlagerung des WestLotto von Köln nach Münster für die in Köln beschäftigten Mitarbeiter/innen des WestLotto der folgende Sozialplan vereinbart.”
§ 1 des Sozialplans regelt den Geltungsbereich und lautet:
„Die nachfolgenden Bestimmungen gelten für alle beim WestLotto Köln beschäftigten Mitarbeiter/innen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Sozialplans von der Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG betroffen sind.
Soweit die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund der in der Präambel genannten Betriebsänderung erfolgt, ist der Sozialplan unabhängig davon anzuwenden, ob das Arbeitsverhältnis vom Unternehmen oder dem Arbeitnehmer gekündigt wird oder ob es im gegenseitigen Einvernehmen endet.”
§ 3 enthält Regelungen für ein Weiterbeschäftigungsangebot an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Standort Münster. § 4 enthält eine Regelung über eine Vermittlung eines Arbeitsplatzes beim WestLB-Konzern, § 6 eine Regelung darüber, daß Mitarbeitern, die bei Abschluß des Sozialplans mindestens 20 Jahre ununterbrochen beim WestLotto beschäftigt sind, aber bis 1995 nicht mehr die Voraussetzungen der Vorruhestandsregelung (§ 7) erfüllen können, bei Vorliegen der fachlichen und persönlichen Voraussetzungen ein neuer Arbeitsplatz im Raum Köln unter Wahrung ihrer Besitzstände angeboten wird. § 7 enthält eine Vorruhestandsregelung. § 5 S. 1 regelt sodann den Anspruch auf Abfindung wie folgt:
„Werden Arbeitsverhältnisse beendet, weil Angebote des WestLotto auf Weiterbeschäftigung am Standort Münster oder auf Vermittlung eines Arbeitsplatzes beim WestLB-Konzern nicht angenommen werden oder wenn trotz Vorliegens der Voraussetzung der Vorruhestandsregelung eine Eigenkündigung des Mitarbeiters erfolgt, so erhalten diese Mitarbeiter/innen eine Abfindung.
Keine Abfindung gemäß § 5 erhalten Mitarbeiter/innen,
- die ein Weiterbeschäftigungs- bzw. Vermittlungsangebot gemäß §§ 3 oder 4 angenommen haben,
- für die WestLotto im Raum Köln neue Arbeitsplätze schafft,
- die zum Zeitpunkt des Ausscheidens Anspruch auf Erwerbs- oder Berufsunfähigkeitsrente, Altersruhegeld oder betriebliche Vorruhestandsleistungen gemäß § 7 haben.”
Die Klägerin war bei der Beklagten seit Januar 1985 zuletzt als Lohnbuchhalterin, zu einem Monatsgehalt von 5.006,00 DM beschäftigt. Sie hat, nachdem sie von der Verlegungsabsicht der Beklagten erfahren und eine neue Arbeitsstelle gefunden hatte, mit Schreiben vom 18. Februar 1992 ihr Arbeitsverhältnis selbst zum 31. März 1992 gekündigt. In ihrem Kündigungsschreiben weist sie darauf hin, daß sie beim Vorliegen eines Sozialplanes Ansprüche hieraus gemäß der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts – 1 ABR 80/90 – geltend machen werde.
Die Beklagte hat der Klägerin keine Abfindung gezahlt, weil sie vor dem Inkrafttreten des Sozialplanes – 1. Mai 1993 – durch Eigenkündigung aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sei. Im vorliegenden Verfahren verlangt die Klägerin die Zahlung einer nach den Bestimmungen des Sozialplanes berechneten Abfindung. Sie hält die Regelung, wonach Arbeitnehmer, die vor dem Inkraftreten des Sozialplanes durch Eigenkündigung allein im Hinblick auf die geplante Verlegung des Geschäftssitzes der Beklagten nach Münster ausgeschieden sind, für unwirksam. Für sie habe im Zeitpunkt der Kündigung festgestanden, daß jedenfalls ihr Arbeitsplatz in Köln wegfallen werde. Sie habe auch wirtschaftlich Nachteile hinnehmen müssen, da sie monatlich 496,00 DM weniger verdiene.
Die Klägerin hat beantragt,
- die beklagte Partei wird verurteilt, an die klagende Partei 46.865,00 DM nebst 4 % Zinsen ab dem Tage der Klagezustellung zu zahlen.
- Es wird festgestellt, daß § 1 Abs. 1 des Sozialplans zwischen der beklagten Partei und dem Betriebsrat der beklagten Partei unbillig ist, soweit Arbeitnehmer vom Geltungsbereich ausgeschlossen werden, die in der Zeit zwischen dem 6. Dezember 1991 und 1. April 1993 eine Eigenkündigung wegen Verlegung des Standorts Köln vorgenommen haben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin gegen die Abweisung des Feststellungsantrags als unzulässig verworfen und im übrigen dem Zahlungsantrag stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter. Die Klägerin bittet um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt, auch soweit die Vorinstanz dem Zahlungsantrag stattgegeben hat, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Klageabweisung.
1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Abfindung aus dem Sozialplan, weil ihr Arbeitsverhältnis durch Kündigung vom 18. Februar 1992 zum 31. März 1992 beendet worden ist und sie damit im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Sozialplanes am 1. Mai 1993 nicht mehr „beschäftigter Mitarbeiter” gemäß § 1 des Sozialplanes war. Sie konnte daher von der im Interessenausgleich geregelten Betriebsänderung nicht mehr betroffen werden.
2. Die Regelung, die Arbeitnehmer von den Sozialplanleistungen ausnimmt, die vor dem 1. Mai 1993 aus den Diensten der Beklagten ausgeschieden sind, ist zulässig. Sie verstößt insbesondere nicht gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Das gilt auch dann, wenn die Klägerin ihr Arbeitsverhältnis zur Beklagten nur im Hinblick auf die angekündigte Verlegung des Geschäftssitzes der Beklagten nach Münster gekündigt hat, weil sie mit Sicherheit davon ausgehen konnte, daß jedenfalls ihr Arbeitsplatz in Köln wegfallen würde.
a) Die Betriebspartner haben in § 1 des Sozialplanes bestimmt, für welche Arbeitnehmer anläßlich der geplanten Verlegung des Sitzes der Beklagten von Köln nach Münster Ansprüche auf einen Ausgleich oder eine Milderung der wirtschaftlichen Nachteile in Frage kommen sollten. Es sind dies diejenigen Arbeitnehmer, die nach dem 1. Mai 1993 von der geplanten Betriebsänderung betroffen werden. Sie haben damit einen Stichtag festgelegt und damit zwischen den Arbeitnehmern unterschieden, die vor diesem Stichtag ihr Arbeitsverhältnis zur Beklagten – auch im Hinblick auf die geplante Sitzverlegung – beendet haben und solchen Arbeitnehmern die nach diesem Stichtag von der Betriebsänderung betroffen werden, u.a. auch dadurch, daß ihr Arbeitsverhältnis wegen dieser Betriebsänderung beendet wird.
b) Die Vereinbarung eines solchen Stichtages ist zulässig, wenn die Wahl des Stichtages sachlich gerechtfertigt ist.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind die Betriebspartner bei der Vereinbarung eines Sozialplanes frei in ihrer Entscheidung, welche Nachteile der von einer Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer in welchem Umfange ausgeglichen oder gemildert werden sollen. Sie sind nicht gehalten, alle denkbaren Nachteile auszugleichen oder zu mildern, und daher auch berechtigt, Arbeitnehmer von Leistungen des Sozialplanes auszunehmen, die ihr Arbeitsverhältnis selbst gekündigt haben (vgl. zuletzt Urteile des Senats vom 20. April 1994 – 10 AZR 323/93 – AP Nr. 77 zu § 112 BetrVG 1972; vom 30. November 1994 – 10 AZR 578/93 – AP Nr. 89 zu § 112 BetrVG 1972; vom 19. Juli 1995 – 10 AZR 885/94 – zur Veröffentlichung vorgesehen).
Von diesen Rechtsgrundsätzen ausgehend, hat der Senat im Urteil vom 30. November 1994 (a.a.O.) ausgesprochen, daß es sachlich gerechtfertigt ist und keinen Verstoß gegen § 75 BetrVG darstellt, wenn ein Sozialplan Arbeitnehmer von seinem Geltungsbereich ausnimmt, die vor dem Scheitern des Interessensausgleichs ihr Arbeitsverhältnis im Hinblick auf eine vom Arbeitgeber angekündigte Betriebsstillegung selbst gekündigt haben. Im vorliegenden Falle haben die Betriebspartner nicht auf das Scheitern des Interessensausgleichs, sondern auf einen Zeitpunkt abgestellt, der in einem nahen zeitlichen Zusammenhang zum Abschluß des Interessenausgleichs selbst steht. Das begründet keinen rechtlich bedeutsamen Unterschied. Entscheidend ist, daß in beiden Fällen auf einen Zeitpunkt abgestellt wird, zu dem endgültig feststeht, wie die bislang geplante Betriebsänderung im einzelnen durchgeführt werden soll.
c) Wenn die Betriebspartner im Sozialplan Arbeitnehmer, die vor Inkrafttreten des Sozialplanes ausscheiden, anders behandeln als diejenigen, die nach dem Inkrafttreten ausscheiden, dann knüpfen sie mit dieser Unterscheidung an unterschiedliche Sachverhalte an, die diese rechtfertigen.
Die Betriebspartner können zunächst davon ausgehen, daß Arbeitnehmer, die ihr Arbeitsverhältnis selbst gekündigt haben, eine neue, zumindest im wesentlichen gleichwertige Arbeitsstelle gefunden haben und daher keine oder jedenfalls geringere Nachteile erleiden als diejenigen Arbeitnehmer, die ihr Arbeitsverhältnis später im Zuge der Durchführung der Betriebsänderung verlieren. Das gilt auch dann, wenn der Sozialplan – wie im vorliegenden Fall – auch solchen Arbeitnehmern eine Abfindung gewährt, die ihr Arbeitsverhältnis nach dem Stichtag selbst kündigen. Zwar könnten die Betriebspartner auch diese Arbeitnehmer von Abfindungszahlungen ausnehmen; daß sie es nicht getan haben, ist jedoch im vorliegenden Falle sachlich gerechtfertigt.
Nachdem die Verlegung des Sitzes der Beklagten von Köln nach Münster feststand, blieb für die in Köln beschäftigten Arbeitnehmer – von den wenigen abgesehen, denen hier ein neuer Arbeitsplatz vermittelt werden konnte – nur die Möglichkeit, entweder mit nach Münster zu gehen oder ihren Arbeitsplatz bei der Beklagten zu verlieren. Angesichts der im Sozialplan geregelten umfangreichen Leistungen für diejenigen Arbeitnehmer, die mit nach Münster gingen, machte es wirtschaftlich insgesamt keinen großen Unterschied, ob das Arbeitsverhältnis der Arbeitnehmer zur Beklagten gegen Zahlung einer Abfindung beendet wurde oder ob diese mit nach Münster gingen. Von daher war es sinnvoll und erleichterte die praktische Abwicklung des Sozialplanes, wenn nach dem 1. Mai 1993 nicht mehr danach unterschieden wurde, ob der Arbeitnehmer selbst kündigte oder ob die Beklagte ihm kündigen mußte, weil dieser nicht bereit war, mit nach Münster zu gehen.
Die Verlegung des Sitzes der Beklagten von Köln nach Münster war lange vorher bekannt und im Gespräch. Noch im August 1992 hatte die Beklagte die Belegschaft dahin informiert, daß die Verlegung des Betriebs nach Münster nicht vor dem 31. Dezember 1993 und spätestens bis zum 31. Dezember 1996 erfolgen werde und daß Einzelheiten mit dem Betriebsrat in einem Interessenausgleich vereinbart würden, zu dessen Herbeiführung die Beklagte sogar die Einigungsstelle angerufen hatte. Damit waren jedenfalls alle Einzelheiten der geplanten Betriebsänderung noch offen, auch wenn letztlich mit einer Verlegung des Sitzes der Beklagten von Köln nach Münster zu rechnen war.
Auch im Hinblick auf diese Vorgeschichte war es sinnvoll und sachlich gerechtfertigt, im Sozialplan einen Stichtag zu vereinbaren, nach dem sich der Kreis der betroffenen Mitarbeiter bestimmen sollte. Ohne eine solche Stichtagsregelung ließe sich nicht verläßlich bestimmen, wie viele Arbeitnehmer in die Sozialplanregelung einbezogen werden müssen und auf wie viele Arbeitnehmer letztlich das vorgegebene oder vereinbarte Sozialplanvolumen verteilt werden kann bzw. welche Sozialplankosten die Betriebsänderung schließlich verursachen wird. Wollte man alle Arbeitnehmer, die nach dem ersten Bekanntwerden der Verlegungspläne ihr Arbeitsverhältnis deswegen beendigt haben, in die Sozialplanregelung mit einbeziehen, ließe sich später zuverlässig nicht feststellen, ob die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerade im Hinblick auf die im Gespräch befindliche Betriebsverlegung oder aus anderen Gründen erfolgt ist.
Auch deswegen sind gerade bei langfristig geplanten Betriebsänderungen, die sich zudem noch über einen längeren Zeitraum hinziehen, Stichtage in Sozialplänen vielfach üblich und ein sinnvolles Steuerungselement. Daß sie im Einzelfall Härten mit sich bringen, macht sie nicht unzulässig. Solche Härten wohnen jeder Stichtagsregelung inne und müssen hingenommen werden, wenn die Wahl des Zeitpunktes am gegebenen Sachverhalt orientiert ist. Das ist – wie dargelegt – vorliegend der Fall. Die Regelung in § 1 des Sozialplanes verstößt daher nicht gegen § 75 Abs. 1 BetrVG.
3. Die Klägerin hat sich im Kündigungsschreiben auf eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 15. Januar 1991 (– 1 AZR 80/90 – (nicht ABR 80/90) AP Nr. 57 zu § 112 BetrVG 1972) berufen. In dieser Entscheidung hat der Erste Senat ausgesprochen, daß der Ausschluß der Arbeitnehmer von den Leistungen eines Sozialplanes, die das Arbeitsverhältnis selbst gekündigt haben, nachdem ihnen der Arbeitgeber mitgeteilt hatte, für sie bestehe aufgrund der Betriebsänderung keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr, gegen § 75 Abs. 1 BetrVG verstoßen und damit unwirksam sein könne.
Diese Entscheidung stützt den Abfindungsanspruch der Klägerin nicht. Sie betrifft einen gänzlich anders gelagerten Sachverhalt. Der Arbeitgeber hatte in jenem Fall bekannt gemacht, daß der gesamte Betrieb stillgelegt werde. Der klagende Arbeitnehmer hatte daraufhin, nachdem er eine neue Stelle gefunden hatte, selbst sein Arbeitsverhältnis gekündigt, während allen anderen Arbeitnehmern vom Arbeitgeber gekündigt wurde. Der Sozialplan sah nur Abfindungen für Arbeitnehmer vor, denen gekündigt worden war. Nur für diesen Fall hat der Erste Senat den Ausschluß des Arbeitnehmers, der selbst gekündigt hatte, für unwirksam gehalten.
Die Beklagte hat der Klägerin nicht mitgeteilt, daß ihr Arbeitsplatz zu einem bestimmten Zeitpunkt wegfallen werde. Die Klägerin konnte allenfalls befürchten, ihren Arbeitsplatz in Köln im Laufe der nächsten Jahre zu verlieren, aber gleichzeitig davon ausgehen, in Münster weiter für die Beklagte bei angemessenem Ausgleich der Mehraufwendungen tätig werden zu können. Der Zeitpunkt eines Wechsels stand darüber hinaus noch nicht fest. Wenn die Klägerin sich schon frühzeitig entschloß, auf jeden Fall in Köln zu bleiben und sich hier eine andere Stelle zu suchen, und schließlich selbst kündigte, so war diese Eigenkündigung nicht von der Beklagten in dem Sinne veranlaßt, daß ihr Ausschluß von Sozialplanansprüchen gegen § 75 BetrVG verstieß. Eine vom Arbeitgeber veranlaßte Eigenkündigung, die eine Gleichbehandlung mit vom Arbeitgeber gekündigten Arbeitnehmern gebietet, liegt nur dann vor, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer im Hinblick auf eine konkret geplante Betriebsänderung bestimmt, selbst zu kündigen, um so eine sonst notwendig werdende Kündigung zu vermeiden. Ein bloßer Hinweis des Arbeitgebers auf notwendig werdende Betriebsänderungen und selbst der Rat, sich eine neue Stelle zu suchen, genügen dazu nicht (vgl. auch Urteil des Senats vom 19. Juli 1995 – 10 AZR 885/94 – zur Veröffentlichung vorgesehen).
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Unterschriften
Matthes, Dr. Jobs, Böck, Hromadka, Wolf
Fundstellen