Entscheidungsstichwort (Thema)
Gratifikation. Rückzahlung
Normenkette
BGB § 611
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 15. Januar 1998 – 7 Sa 60/97 – in der Kostenentscheidung und insoweit aufgehoben, als es die Klage in Höhe von 2.935,59 DM abgewiesen hat.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 14. April 1997 – 21 Ca 461/96 – in der Kostenentscheidung und im übrigen teilweise wie folgt abgeändert:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.935,59 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 27. Januar 1996 zu zahlen.
2. Im übrigen werden die Berufung und die Revision zurückgewiesen.
3. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rückzahlung von Sonderzuwendungen.
Der Beklagte war seit dem Jahre 1985 beim Bankhaus … zu einem Monatsgehalt von zuletzt 4.500,00 DM brutto beschäftigt. Im Arbeitsvertrag waren folgende freiwilligen Leistungen vereinbart:
“a. 13. Gehalt …, Auszahlung zur Hälfte jeweils am 15. April und 15. Oktober des Jahres,
b. jährliche Abschlußvergütung …, Zahlung im Dezember d.J. Die Höhe wird von der Geschäftsleitung jährlich neu festgesetzt unter Berücksichtigung des Geschäftsergebnisses, der Arbeitsleistung und/oder der Fehlzeiten.
…
Das 13. Gehalt, Abschlußvergütung und … sind Treueprämien und daher zurückzuzahlen, soweit sie innerhalb der letzten drei Monate vor Kündigung des Arbeitsverhältnisses gewährt worden sind.
…”
Mit Schreiben vom 8. Dezember 1995 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis “wegen der bekannten Schwierigkeiten und dem drohenden Konkurs- bzw. Vergleichsverfahren” außerordentlich zum 31. Dezember 1995. Am selben Tage wurde über das Vermögen des Bankhauses das Konkursverfahren eröffnet und der Kläger zum Konkursverwalter bestimmt. Das Kündigungsschreiben des Beklagten ging dem Kläger am 13. Dezember 1995 zu. Dieser bestand auf der Einhaltung der Kündigungsfrist, so daß das Arbeitsverhältnis im Einverständnis mit dem Beklagten mit Ablauf des 15. Januar 1996 endete.
Im Interessenausgleich vom 24. Mai 1996 verpflichtete sich der Kläger vor dem 31. Dezember 1996 keine betriebsbedingten Kündigungen auszusprechen. Nach der Protokollnotiz zum Sozialplan vom selben Tage, in dessen persönlichen Geltungsbereich der Beklagte fällt, bleibt Mitarbeitern, die in dem Zeitraum zwischen dem 1. November 1995 und dem 8. Dezember 1995 eine fristgemäße Eigenkündigung gegenüber der Bank ausgesprochen haben, der Anspruch auf die zweite im Oktober fällig gewordene Hälfte des 13. Monatsgehaltes erhalten. Der Kläger mußte zur Aufrechterhaltung eines ordnungsgemäßen Betriebsablaufs wegen zahlreicher Eigenkündigungen der Arbeitnehmer Neueinstellungen vornehmen.
Der Beklagte erhielt zusammen mit dem Oktobergehalt 1995 ein halbes 13. Gehalt in Höhe von 2.250,00 DM brutto. Aufgrund der Gehaltsabrechnung vom 7. Dezember 1995 erhielt der Beklagte am 15. Dezember 1995 eine Jahresabschlußvergütung in Höhe von 4.500,00 DM brutto. Die Dezemberabrechnung ersetzte der Kläger durch eine neue Abrechnung vom 5. Januar 1996. Vom Bruttogehalt von 4.500,00 DM zog er das im Oktober gezahlte halbe 13. Gehalt in Höhe von 2.250,00 DM brutto ab. Dies ergab einen Betrag von 1.771,21 DM netto, von dem noch die im Dezember tatsächlich ausgezahlten 4.706,80 DM netto abgezogen wurden. Mit Schreiben vom 12. Januar 1996 forderte der Kläger den Beklagten zur Rückzahlung des Differenzbetrages in Höhe von 2.935,59 DM auf. Dieser Betrag nebst 10,00 DM für pauschalierte Mahnkosten bildet den Gegenstand der vorliegenden Klage.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 2.945,59 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 27. Januar 1996 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat geltend gemacht, er habe zur Abwendung drohender Arbeitslosigkeit selbst kündigen müssen. Die Rückzahlungsklausel sei in einem solchem Fall nicht anwendbar. Das Vorgehen des Klägers stelle eine unzulässige Rechtsausübung dar.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein ursprüngliches Klagebegehren weiter. Der Beklagte bittet um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist hinsichtlich des Rückzahlungsanspruchs begründet. Sie führt insoweit unter Aufhebung der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts zur Klagestattgabe. Hinsichtlich des Anspruchs auf die Mahnkosten ist die Revision unbegründet.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Anspruch des Klägers auf Rückzahlung der Sonderzahlung für das Jahr 1995 könne nicht auf die arbeitsvertragliche Rückzahlungsklausel gestützt werden. Durch die Eröffnung des Konkurses sei die Eigenkündigung des Beklagten von der ehemaligen Arbeitgeberin veranlaßt und zu vertreten. Die vom Kläger geforderte künftige Betriebstreue als Geschäftsgrundlage der Rückzahlungsklausel sei durch Eröffnung des Konkursverfahrens von untergeordneter Bedeutung, weil dem Arbeitnehmer deutlich gemacht werde, daß der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses und damit seine wirtschaftliche Existenzgrundlage gefährdet sei. Wenn ein Arbeitnehmer in dieser Situation kündige, um ein neues Arbeitsverhältnis zu begründen, komme die Rückzahlung von Sonderzahlungen nicht in Betracht.
Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
II. Die Klage ist hinsichtlich des Rückzahlungsanspruchs begründet.
1. Der Kläger hat Anspruch auf Rückzahlung des halben 13. Monatsgehalts und der Abschlußvergütung für das Jahr 1995 in Höhe von 2.935,59 DM. Gemäß der arbeitsvertraglichen Rückzahlungsklausel sind das 13. Gehalt und die Abschlußvergütung Treueprämien und daher zurückzuzahlen, soweit sie innerhalb der letzten drei Monate vor Kündigung gewährt worden sind.
Diese Rückzahlungsvoraussetzungen sind gegeben. Der Beklagte hat das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 8. Dezember 1995, dem Kläger zugegangen am 13. Dezember 1995, gekündigt. Damit sind Geldleistungen zurückzuzahlen, die zwischen dem 13. September und 13. Dezember 1995 gewährt worden sind. Das halbe 13. Gehalt erhielt der Beklagte mit dem Oktobergehalt. Die Abschlußvergütung kam zwar erst am 15. Dezember 1995 und damit nach Zugang der Kündigung zur Auszahlung. Dies ist rechtlich jedoch unerheblich. Diese Zahlung wurde mit der Gehaltsabrechnung vom 7. Dezember 1995 festgesetzt und damit innerhalb des dreimonatigen Zeitraums vor der Kündigung gewährt. Die spätere Auszahlung beruhte ersichtlich auf der zeitlichen Überschneidung mit der Kündigung des Beklagten.
2. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist die Rückzahlungsklausel rechtlich nicht zu beanstanden.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG Urteil vom 14. Juni 1995 – 10 AZR 25/94 – AP Nr. 176 zu § 611 BGB Gratifikation) sind Rückzahlungsklauseln bei Gratifikationen grundsätzlich zulässig, wenn sie eindeutige und damit für den Arbeitnehmer überschaubare und klare Regelungen enthalten und die vorgesehene Bindungsdauer für den Arbeitnehmer zumutbar ist.
Die vorliegende Rückzahlungsklausel erfüllt diese Voraussetzungen. Sie enthält eine klare und überschaubare Regelung der Rückzahlungspflicht. Diese bezweckt auch eine Bindungsdauer, die den Arbeitnehmer im Hinblick auf die Höhe der gewährten Zahlungen nicht unzumutbar belastet (vgl. BAG Urteil vom 9. Juni 1993 – 10 AZR 529/92 – AP Nr. 150 zu § 611 BGB Gratifikation).
b) Die Bindungsdauer ist auch trotz des Konkurses des ehemaligen Arbeitgebers dem Beklagten zumutbar. Das 13. Gehalt und die Abschlußvergütung stellt nach dem ausdrücklichen Willen der Arbeitsvertragsparteien eine Treueprämie dar. Auch soll durch die Rückzahlungsklausel ein Anreiz und eine vorweggenommene Belohnung für zukünftige Betriebstreue erreicht werden. Dieser Leistungszweck wird jedoch im vorliegenden Falle durch die Konkurseröffnung nicht hinfällig. Nach den bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wurde der Betrieb zur Gewährleistung einer optimalen, umfangreichen und längeren Abwicklung fortgeführt, um bestehende Aufträge abzuarbeiten und die daraus erwachsenen Forderungen einziehen zu können. In diesem Falle ist der Konkursverwalter an der Weiterbeschäftigung der eingearbeiteten Belegschaft und daher an einer fortgesetzten Betriebstreue interessiert. Dies ergibt sich auch aus dem Interessenausgleich, nach dem bis Ende des Jahres 1996 keine betriebsbedingten Kündigungen ausgesprochen werden konnten, und der festgestellten Tatsache, daß der Kläger gezwungen war, Neueinstellungen vorzunehmen. Bei dieser Sachlage wird der Beklagte, wenn er wegen drohenden Konkurses bereits vor Eröffnung eines Konkursverfahrens die Kündigung des Arbeitsverhältnisses erklärt, um eine neue Tätigkeit aufzunehmen, durch die Einhaltung der vertraglichen Rückzahlungsklausel nicht unangemessen belastet.
c) Die Berufung des Klägers auf die Rückzahlungklausel ist auch nicht rechtsmißbräuchlich. Weder der bisherige Arbeitgeber noch der Kläger haben die Eigenkündigung des Beklagten veranlaßt. Eine Veranlassung einer Eigenkündigung liegt nur dann vor, wenn der Arbeitnehmer im Hinblick auf einen möglichen Konkurs bestimmt wird, selbst zu kündigen, um eine sonst notwendig werdende Kündigung durch den Arbeitgeber zu vermeiden. Ein bloßer Hinweis des Arbeitgebers auf eine unsichere Lage des Unternehmens oder auch der Rat, sich eine neue Stelle zu suchen, genügt nicht (vgl. dazu BAG Urteil vom 19. Juli 1995 – 10 AZR 885/94 – AP Nr. 96 zu § 112 BetrVG 1972 für eine Abfindung nach einem Sozialplan). Einen solchen Sachverhalt hat der Beklagte nicht dargetan. Er ist auch nicht ersichtlich. Vielmehr zeigt der vom Landesarbeitsgericht festgestellte Sachverhalt, daß der Beklagte weiter benötigt wurde und somit die Eigenkündigung nicht arbeitgeberseitig veranlaßt worden ist. Dies wird auch dadurch deutlich, daß der Kläger die vom Beklagten zunächst außerordentlich zum 31. Dezember 1995 ausgesprochene Kündigung zurückwies und auf der Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist bestand.
d) Schließlich ist der Rückzahlungsanspruch des Klägers auch nicht gemäß der Protokollnotiz vom 24. Mai 1996 zum Sozialplan hinsichtlich des halben 13. Monatsgehalts unbegründet. In dieser Protokollnotiz vereinbarten die Betriebspartner, daß Mitarbeitern, die zwischen dem 1. November und dem 8. Dezember 1995 eine fristgemäße Eigenkündigung ausgesprochen hatten, der Anspruch auf die zweite, im Oktober 1995 fällig gewordene Hälfte des 13. Monatsgehalts erhalten bleiben solle. Nach den bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist die Kündigung des Beklagten dem Kläger erst nach diesem Zeitraum, nämlich am 13. Dezember 1995 zugegangen.
3. Die Klage ist unbegründet, soweit der Kläger gemäß § 286 Abs. 1 BGB pauschalierte Mahnkosten in Höhe von 10,00 DM geltend macht. Danach hat der Schuldner dem Gläubiger den durch den Verzug entstehenden Schaden zu ersetzen. Dazu gehören jedoch nicht die Kosten der den Verzug begründenden Erstmahnung, weil sie nicht durch den Verzug verursacht sind (vgl. BGH Urteil vom 31. Oktober 1984 – VIII ZR 226/83 – NJW 1985, 320, 324). Die Lohnabrechnung vom 15. Januar 1996 genügte nicht den Anforderungen an eine verzugsbegründende Erstmahnung, weil es sich nicht um eine Aufforderung zur Leistung handelt. Der Beklagte kam erstmals durch die Mahnung vom 12. Januar 1996 in Verzug. Insoweit handelt es sich jedoch um die verzugsbegründende Erstmahnung nach § 286 Abs. 1 BGB.
4. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 284 Abs. 1, 285, 288 Abs. 1 BGB.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92 Abs. 2 ZPO.
Unterschriften
Dr. Freitag, Dr. Jobs, Böck, Staedtler, Tirre
Fundstellen