Entscheidungsstichwort (Thema)
Ordentliche Kündigung wegen Unpünktlichkeit
Orientierungssatz
Voraussetzungen für einen ordnungsgemäßen Widerspruch des Betriebsrates nach § 102 Abs 5 BetrVG bei Hinweis auf Versetzung.
Normenkette
BGB § 611; KSchG § 1; BetrVG § 102 Abs. 5
Verfahrensgang
LAG Berlin (Entscheidung vom 25.05.1987; Aktenzeichen 9 Sa 27/87) |
ArbG Berlin (Entscheidung vom 21.01.1987; Aktenzeichen 49 Ca 189/86) |
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung durch die Beklagte vom 21. Oktober 1986.
Der zum Kündigungszeitpunkt 24jährige Kläger, der die türkische Staatsangehörigkeit besitzt, ist verheiratet, seine Ehefrau ist nicht berufstätig. Er ist seit 8. Februar 1982 als Maschinenarbeiter im Betrieb der Beklagten in Berlin tätig. Sein durchschnittlicher Monatsverdienst betrug 2.640,-- DM brutto.
Mit Schreiben vom 3. Oktober 1986 unterrichtete die Beklagte den bei ihr bestehenden Betriebsrat von ihrer Absicht, den Kläger fristgerecht zu entlassen. Nachdem auf Wunsch des Betriebsratsvorsitzenden die Frist zur Stellungnahme für den Betriebsrat bis zum 14. Oktober 1986 verlängert worden war, widersprach dieser mit Schreiben vom selben Tage der beabsichtigten Entlassung. Er äußerte darin die Überzeugung, der Anlaß für die Kündigung liege im gestörten Verhältnis zwischen dem Kläger und dem zuständigen Meister und schlug die Versetzung des Klägers vor. Die Beklagte erklärte mit Schreiben vom 21. Oktober 1986 die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. November 1986.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Darüber hinaus hat er seine Weiterbeschäftigung zu unveränderten Arbeitsbedingungen bis zum rechtskräftigen Abschluß des Kündigungsrechtsstreits verlangt.
Er hat beantragt
1. festzustellen, daß das zwischen den Parteien
bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die
Kündigung der Beklagten vom 21. Oktober 1986
aufgelöst worden ist.
2. die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum
rechtskräftigen Abschluß des Kündigungs-
rechtsstreits zu unveränderten Arbeitsbe-
dingungen weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, die ordentliche Kündigung sei aus verhaltensbedingten Gründen sozial gerechtfertigt. Der Kläger habe während der Dauer des Vertragsverhältnisses wiederholt gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen. So habe er am 23. Februar, 17. März und 19. August 1983 unentschuldigt gefehlt und sei jeweils am folgenden Arbeitstag deswegen mündlich abgemahnt worden. Mit Schreiben vom 13. Juli 1984 habe er wiederum wegen unentschuldigten Fehlens am 9. Juli 1984 abgemahnt werden müssen. Am 17. April 1985 sei er erneut mündlich wegen unentschuldigten Fehlens am 15. April 1985 ermahnt worden. Im Zeitraum von Mai 1985 bis Januar 1986 sei der Kläger mehrfach auf die Nichteinhaltung von Arbeitsanweisungen und Arbeitszeiten hingewiesen und deswegen mündlich abgemahnt worden. Ferner sei der Kläger am 19. Juli 1985 wegen zweier Verspätungen am 12. und 18. Juli 1985 mündlich abgemahnt worden. Am 24. September 1985 sei eine Ermahnung wegen widerwilliger Arbeitsaufnahme und aufsässiger Haltung gegen Anweisungen eines Vorgesetzten erfolgt. Am 6. und 7. November sowie am 13. Dezember 1985 habe der Kläger gefehlt, ohne seine Arbeitsunfähigkeit anzuzeigen. Deswegen sei er zweimal mündlich abgemahnt worden. Nachdem der Kläger am 23. Januar 1986 seinen ihm zugeteilten Arbeitsplatz unbefugt verlassen und im Werkzeugbau unter Mißachtung der Sicherheitsvorschriften eine Schleifmaschine bedient habe, sei er mit Schreiben vom 27. Januar 1986 erneut abgemahnt worden. Von Februar bis August 1986 habe der Kläger fast täglich im Produktionsbereich auf seine arbeitsvertraglichen Pflichten hingewiesen werden müssen. Er habe auf Arbeitsanweisungen seiner Vorgesetzten ständig widerwillig reagiert. Da er nur unterdurchschnittliche Leistungen erbracht habe und Nacharbeiten erforderlich gewesen seien, sei er deswegen am 27. März 1986 mündlich abgemahnt worden.
Am 18. Juli 1986, dem letzten Tag vor seinem Jahresurlaub, sei der Kläger trotz des Beginns seiner Frühschicht um 6.00 Uhr erst um 11.00 Uhr zur Arbeit erschienen und sei trotz Aufforderung zur Arbeitsaufnahme zunächst zur Mittagspause gegangen. Auch wegen dieses Vorfalles sei er am 2. September 1986 schriftlich abgemahnt worden.
Anlaß für den Ausspruch der Kündigung sei gewesen, daß der Kläger am 15. September 1986 150 Minuten, am 18. September 1986 10 Minuten, am 24. September 1986 30 Minuten und am 2. Oktober 1986 20 Minuten zu spät zur Arbeit gekommen sei.
Der Kläger hat erwidert, die Beklagte habe den Betriebsrat zu den angeblichen Pflichtverletzungen, die er begangen haben solle, nicht ordnungsgemäß angehört. So seien im Anhörungsschreiben an den Betriebsrat vom 3. Oktober 1986 die angeblichen Vorfälle vom Mai 1985 bis Januar 1986, vom 12. und 18. Juli 1985, vom 24. September 1985, vom 6. und 7. November 1985, vom 13. Dezember 1985, vom Februar bis August 1986 und vom 27. März 1986 nicht enthalten. Insoweit handele es sich um keine Substantiierung des Kündigungsgrundes, sondern um ein unzulässiges Nachschieben von Kündigungsgründen.
Die angeblichen Arbeitsvertragsverletzungen seien auch nicht von ausreichendem Gewicht, um seine Kündigung sozial zu rechtfertigen. Insbesondere das angespannte Verhältnis zwischen ihm und seinem zuständigen Meister sei möglicherweise für die Kündigung ausschlaggebend gewesen. Die Beklagte wäre deswegen jedenfalls gehalten gewesen, ihn an einen anderen Arbeitsplatz zu versetzen, bzw. einen Schichtwechsel vorzunehmen. Nach seiner Erinnerung sei er am 23. Februar, 17. März und 19. August 1983 nicht unentschuldigt der Arbeit ferngeblieben und auch nicht abgemahnt worden. Auch am 9. Juli 1984 habe er nicht unentschuldigt gefehlt. Er sei an diesem Tag beim Arzt gewesen und habe am 10. Juli 1984 eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eingereicht. Ebensowenig sei er am 15. April 1985 unentschuldigt der Arbeit ferngeblieben und sei auch nicht am 17. April 1985 deswegen abgemahnt worden.
Am 23. Januar 1986 sei bei seinem Eintreffen keiner der Vorgesetzten dagewesen, um ihm Arbeit zuzuweisen. Um einem Arbeitskollegen zu helfen, sei er deswegen nur für kurze Zeit in die Werkstatt gegangen. Am 15. September 1986 sei er lediglich eine Stunde zu spät gekommen, weil er verschlafen habe. Am 18. September 1986 sei er nicht zu spät gekommen. Am 24. September 1986 habe sein Kollege A verschlafen, so daß er nicht in dessen Fahrzeug habe mitfahren können, sondern ein anderes Verkehrsmittel habe benutzen müssen. Am 2. Oktober 1986 sei der Kollege A krank gewesen, habe ihn vorher jedoch nicht benachrichtigt.
Das Arbeitsgericht hat dem Klagebegehren in vollem Umfang stattgegeben. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, wie sich aus dem an den Betriebsrat gerichteten Anhörungsschreiben vom 3. Oktober 1986 ergebe, habe die Beklagte den Kläger auch nach dem letzten Vorfall vom 2. Oktober 1986 nochmals abgemahnt und damit zu erkennen gegeben, daß sie diesen Vorfall noch nicht zum Anlaß für eine Kündigung nehmen werde.
Mit der Berufung hat die Beklagte ergänzend vorgebracht, das Arbeitsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, daß auch nach den beiden letzten Verspätungen des Klägers jeweils noch weitere Abmahnungen ausgesprochen worden seien. Lediglich nach den Verspätungen vom 15. und 18. September 1986 sei er abgemahnt worden. Am 24. September 1986 habe ihm der Produktionsmeister gesagt, sein Fehlverhalten werde Konsequenzen haben. Die letzte Verspätung vom 2. Oktober 1986 habe sie kommentarlos zur Kenntnis genommen.
Das Landesarbeitsgericht hat die Klage unter Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils abgewiesen.
Mit der vom Senat auf Beschwerde des Klägers zugelassenen Revision verfolgt der Kläger die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Kündigung sei durch Gründe im Verhalten des Klägers sozial gerechtfertigt. Häufiges unentschuldigtes Fehlen am Arbeitsplatz und Zuspätkommen komme nach vergeblicher Abmahnung als Grund für eine fristgemäße Kündigung in Betracht. Den Betriebsrat habe die Beklagte gemäß Anhörungsschreiben vom 3. Oktober 1986 unter Mitteilung der maßgeblichen Kündigungsgründe und Anführung einzelner Vorkommnisse ordnungsgemäß angehört. Soweit die Beklagte die Kündigung allerdings auf weitere im Anhörungsschreiben nicht genannte Vorwürfe zu stützen versucht habe, könne sie damit nicht gehört werden. Dies seien keine erläuternden Angaben mehr, sondern infolge fehlender Betriebsratsanhörung ein unzulässiges Nachschieben von Kündigungsumständen.
Der Kläger habe gezeigt, daß er nicht bereit sei, seiner selbstverständlichen Pflicht zur pünktlichen Arbeitsaufnahme nachzukommen. Er sei bereits am 23. Februar, 17. März und 19. August 1983 der Arbeit unentschuldigt fern geblieben und deshalb ermahnt worden. Seine Einwendung, er könne sich daran nicht erinnern, enthalte kein substantiiertes Bestreiten. Wegen des erneuten und abgemahnten unentschuldigten Fehlens vom 9. Juli 1984 habe der Kläger, da er sich gegen die Abmahnung nicht alsbald gewendet habe, das Recht verloren, sich auf deren fehlende Berechtigung zu berufen. Sein weiteres unentschuldigtes Fehlen am 15. April 1985 ergebe sich aus der von der Beklagten überreichten Anwesenheitskarte für 1985. Deswegen habe der Kläger sich nicht auf ein einfaches Bestreiten beschränken können. Auch seine Einlassung zum abgemahnten Vorfall vom 27. Januar 1986 - unbefugtes Bedienen einer Schleifmaschine unter Mißachtung der Sicherheitsvorkehrungen - sei nicht geeignet, sein Fehlverhalten zu rechtfertigen. Im übrigen habe der Kläger sich auch gegen diese Abmahnung nicht gewehrt.
Eine Pflichtwidrigkeit stelle auch die mit Schreiben vom 2. September 1986 abgemahnte fünfstündige Verspätung vom 18. Juli 1986 dar. Nach dieser Abmahnung sei der Kläger schließlich an weiteren vier Tagen, am 15., 18. und 24. September sowie am 2. Oktober 1986 zu spät zur Arbeit erschienen, was dieser selbst einräume. Angesichts der Häufigkeit und Hartnäckigkeit des unentschuldigten Fernbleibens oder Zuspätkommens in den letzten Jahren sei die Einlassung des Klägers, er habe verschlafen oder sein Kollege habe ihn nicht zur Arbeit mitgenommen, nicht geeignet, sein vertragswidriges Verhalten zu rechtfertigen. Nach den weiteren Unpünktlichkeiten vom 15., 18. und 24. September 1986 habe die Beklagte die Verspätung am 2. Oktober 1986 zulässigerweise zum Anlaß genommen, eine fristgerechte Kündigung auszusprechen. Arbeitsrechtliche Konsequenzen habe sie anläßlich des Fehlverhaltens am 15. und 18. September 1986 angedroht, während der Vorfall vom 24. September 1986 zur Einleitung des Anhörungsverfahrens gegenüber dem Betriebsrat geführt habe. Die Verspätungen stünden in keinem ursächlichen Zusammenhang mit dem vom Kläger behaupteten angespannten Verhältnis zu dessen Meister. Eine Versetzung lasse deswegen nicht den Schluß zu, der Kläger würde sich danach vertragsgemäß verhalten. Schließlich fehle auch jeglicher Anhaltspunkt dafür, daß die Kündigung im Zusammenhang mit seiner gewerkschaftlichen Betätigung als Vertrauensmann der IG-Metall stehe.
II. Diese Würdigung ist nicht frei von Rechtsfehlern.
1. Bei der Prüfung der Sozialwidrigkeit einer Kündigung geht es um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs, die der revisionsrechtlichen Nachprüfung grundsätzlich nur dahin unterliegt, ob der Rechtsbegriff selbst verkannt ist, oder ob bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt oder ob bei der erforderlichen Interessenabwägung alle wesentlichen Umstände berücksichtigt worden sind, insbesondere, ob sie widerspruchsfrei oder offensichtlich fehlerhaft ist. Dagegen liegt die Würdigung, ob die tatsächliche Besonderheit des Einzelfalls geeignet ist, die Kündigung sozial zu rechtfertigen, weitgehend im tatrichterlichen Beurteilungsspielraum.
Auch dieser eingeschränkten Überprüfung hält das angefochtene Urteil nicht stand.
2. Im Ausgangspunkt zutreffend ist das Landesarbeitsgericht allerdings davon ausgegangen, das dem Kläger vorgeworfene Fehlverhalten sei an sich geeignet, die ausgesprochene Kündigung sozial zu rechtfertigen. Wiederholte Verspätungen des Arbeitnehmers und unentschuldigtes Fehlen kommen nach vorheriger Abmahnung durchaus als Gründe für eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung in Betracht (BAG Urteil vom 13. März 1987 - 7 AZR 601/85 - AP Nr. 18 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung; KR-Becker, 2. Aufl., § 1 KSchG Rz 254, m.w.N.; Hueck, KSchG, 10. Aufl., § 1 Rz 91). Durch unentschuldigtes Fehlen oder verspätete Arbeitsaufnahme verletzt der Arbeitnehmer seine Arbeitspflichten im Leistungsbereich. Erscheint der Arbeitnehmer ohne rechtfertigenden Grund überhaupt nicht oder verspätet zur Arbeit, erbringt er die von ihm geschuldete Arbeitsleistung nicht oder - sofern nachholbar - nicht zur rechten Zeit. Dies ist ein Verstoß gegen die arbeitsvertraglich geschuldete Pflicht, die Arbeitsleistung im Rahmen der betrieblichen Arbeitszeit zu erbringen oder zur Zuweisung von oder Aufnahme der Arbeit zur Verfügung zu stehen und führt durch eine Störung im Austauschverhältnis zu einer konkreten Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses (Urteil des Senates vom 17. März 1988 - 2 AZR 576/87 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). Ob Fehlzeiten sich darüber hinaus auch noch konkret nachteilig auf den Betriebsablauf oder den Betriebsfrieden auswirken, ist nicht für die Eignung als Kündigungsgrund, sondern für die im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigende Auswirkung der Pflichtverletzung erheblich.
3. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht auch zurückliegende, bereits abgemahnte Vertragsverletzungen für kündigungsrechtlich verwertbar erachtet. Das abgemahnte Verhalten kann zwar kein eigenständiger Kündigungsgrund mehr sein. Bei sich ständig wiederholenden gleichartigen Pflichtverstößen ist aber ein Gesamtverhalten oder Dauerzustand zu beurteilen. Je zahlreicher die in der Vergangenheit liegenden abgemahnten Verstöße sind, desto stärker ist das Arbeitsverhältnis belastet. Nach Rechtsprechung und Literatur können deswegen frühere Vorfälle unterstützend verwertet werden (Senatsurteil vom 21. Februar 1957 - 2 AZR 410/54 - AP Nr. 22 zu § 1 KSchG; KR-Becker, aaO, Rz 169; Stahlhacke, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 4. Aufl., Rz 100). Das gilt allerdings nur dann, wenn das abgemahnte Fehlverhalten auf der "gleichen Ebene" gelegen hat wie der Kündigungsvorwurf (Herschel/Löwisch, KSchG, 6. Aufl., § 1 Rz 91; Bauer, BB 1980, 1384; ders. BB 1981, 564: Vorfälle "gleichen Unrechtsgehalts").
Das ergibt sich aus der Funktion der Abmahnung. Mit dieser werden dem Arbeitnehmer gegenüber in hinreichend deutlich erkennbarer Art und Weise Leistungsmängel beanstandet und ihm vor Augen geführt, daß der Inhalt oder Bestand des Arbeitsverhältnisses im Wiederholungsfall gefährdet sei (BAG Urteil vom 18. Januar 1980 - 7 AZR 75/78 - AP Nr. 3 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung). Die abgemahnten Pflichtwidrigkeiten sind in zeitlicher und gegenständlicher Hinsicht konkret anzuführen (KR-Becker, aaO, Rz 234 a). Die für den Wiederholungsfall angedrohte Kündigung kann sich mithin nur auf vergleichbare Sachverhalte beziehen.
4. Auch die Annahme des Landesarbeitsgerichts, kündigungsrechtlich bedeutsam seien nur die Sachverhalte vom 23. Februar, 17. März und 19. August 1983 sowie vom 9. Juli 1984 und 15. April 1985 wegen unentschuldigten Fehlens, vom 23. Januar 1986 wegen unbefugten Verlassens des Arbeitsplatzes sowie vom 18. Juli, 15., 18. und 24. September 1986 und schließlich vom 2. Oktober 1986 wegen Verspätung läßt Rechtsfehler nicht erkennen.
Zu Recht hat es das Landesarbeitsgericht der Beklagten verwehrt, sich auf die im Prozeß genannten weiteren Kündigungsvorwürfe zu berufen, weil diese im Anhörungsschreiben vom 3. Oktober 1986 nicht aufgeführten Vorwürfe keine die dem Betriebsrat mitgeteilten Kündigungsgründe erläuternden oder ergänzenden Angaben, sondern kündigungsrechtlich eigenständige Vorgänge darstellen. Diese Einschränkung des Nachschiebens von Gründen, zu denen der Betriebsrat nicht angehört worden ist, entspricht der Rechtsprechung des Senats (BAGE 34, 309; 35, 190; 49, 39 = AP Nr. 22, 23, 39 zu § 102 BetrVG 1972).
5. Die weitere Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die mit Schreiben vom 3. Oktober 1986 eingeleitete Betriebsratsanhörung sei im übrigen nicht zu beanstanden, in diesem seien die maßgeblichen Kündigungsgründe und einzelne Vorkommnisse mitgeteilt, ist ebenfalls frei von Rechtsfehlern. Mitzuteilen sind die Gründe, die nach Ansicht des Arbeitgebers die Kündigung rechtfertigen und für seinen Kündigungsentschluß maßgebend sind (BAGE 34, 309 = AP, aaO), und deswegen ist hinsichtlich der verwertbaren Kündigungsgründe die Kündigung nicht wegen Verstoßes gegen § 102 BetrVG unwirksam.
6. Hinsichtlich der erheblichen Vertragsverletzungen sind die Feststellungen und Würdigungen des Berufungsgerichts jedoch nicht durchgängig frei von Rechtsfehlern.
a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, Anlaß für die Kündigung sei die Verspätung vom 2. Oktober 1986 gewesen. Der Vorfall vom 24. September 1986 habe zur Einleitung des Anhörungsverfahrens gegenüber dem Betriebsrat am 3. Oktober 1986 geführt. Arbeitsrechtliche Konsequenzen für den Wiederholungsfall habe die Beklagte zuletzt anläßlich des Fehlverhaltens vom 15. und 18. September 1986 angedroht.
Diese vom Kläger nicht gerügten Feststellungen sind für den Senat gemäß § 561 Abs. 2 ZPO bindend.
Ebenfalls nicht gerügt ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe den Vorfall vom 2. Oktober 1986 als Anlaß zur Kündigung genommen, obwohl die Beklagte - jedenfalls zunächst - selbst vorgetragen hatte, schon der Vorfall vom 24. September 1986 habe zur Einleitung des Anhörungsverfahrens geführt. Danach ist der Vorfall vom 2. Oktober 1986 also nur noch zum bestehenden Anlaß hinzugetreten.
Soweit die Beklagte im übrigen in der Berufungsbegründung zum Verständnis des drittletzten Absatzes im Anhörungsschreiben neue Einzelheiten vorträgt, ist dies kein unzulässiges Nachschieben von Kündigungsgründen. Dies sind ergänzende und erläuternde Angaben, wie sie ihr Schreiben verstanden wissen will.
Der Senat kann demgemäß über die Kündigung nicht abschließend mit der danach überholten Begründung des Arbeitsgerichts entscheiden, die Beklagte habe alle Pflichtverletzungen des Klägers abgemahnt und nach der letzten Abmahnung seien dem Kläger keine "unverbrauchten" weiteren Pflichtverletzungen vorzuwerfen.
b) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger könne sich nicht damit rechtfertigen, er habe sich am 24. September und 2. Oktober 1986 deshalb verspätet, weil sein Kollege, der ihn jeweils zur Arbeit mitgenommen habe, verschlafen habe (24. September) oder krank gewesen sei und ihm nicht Bescheid gegeben habe (2. Oktober), der Kläger hätte vielmehr besondere Sorge für sein pünktliches Erscheinen am Arbeitsplatz tragen und sich entsprechend einrichten müssen, hält sich im Rahmen des tatrichterlichen Beurteilungsspielraums. Der Kläger hätte zur Annahme eines Rechtfertigungsgrundes in der Tat substantiierter vorbringen müssen, daß er mit dem Ausfall seiner Mitfahrgelegenheit nicht habe rechnen müssen, z.B. weil er schon lange mit dem Kollegen zur Arbeit fahre, dieser bisher sehr zuverlässig und immer pünktlich gewesen sei und ihn in der Vergangenheit von einer Erkrankung immer rechtzeitig benachrichtigt habe. Die Begründung des Klägers für seine Verspätungen an diesen beiden Tagen mindert allerdings das Gewicht des gegen ihn zu erhebenden Schuldvorwurfes und das hat das Landesarbeitsgericht im Rahmen der Interessenabwägung (vgl. dazu unten zu III der Gründe) rechtsfehlerhaft nicht zugunsten des Klägers berücksichtigt.
c) Die Feststellung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger habe sich am 18. September 1986 um 10 Minuten verspätet, was der Kläger selbst einräume, widerspricht zwar dem im Tatbestand festgestellten, unter Hinweis auf die Anwesenheitsliste erfolgten Klägervorbringen. Dieser hat behauptet, er habe sich nicht verspätet. Der die Anwesenheitsliste führende Kollege habe ordnungsgemäß vermerkt, daß der Kläger pünktlich gewesen sei. Angesichts der Darstellung dieses Vorwurfs im Tatbestand als streitig und der dortigen Bezugnahme auf die Berufungserwiderung ist der Sachverhalt insoweit verfahrenswidrig festgestellt worden. Da dies jedoch von der Revision nicht bis zum Ablauf der Begründungsfrist mit einer Verfahrensrüge (§ 554 Abs. 3 Nr. 3 b ZPO) beanstandet worden ist, ist die Feststellung dieses Vorbringens in den Entscheidungsgründen als unstreitig für den Senat gemäß § 561 Abs. 2 ZPO bindend.
d) Das gilt auch für die weitere Feststellung, dem Kläger seien wegen dieser und der weiteren 30minütigen Verspätung vom 15. September 1986 (so das Landesarbeitsgericht in den Gründen, vom Kläger wird - wie im Tatbestand zutreffend festgestellt - eine Stunde eingeräumt) mündlich arbeitsrechtliche Konsequenzen für den Wiederholungsfall angedroht worden. Die Wertung des Landesarbeitsgerichts, das klägerische Vorbringen, er habe verschlafen, könne das vertragswidrige Verhalten nicht rechtfertigen, läßt keine Rechtsfehler erkennen.
Ebenso ist die mit Schreiben vom 2. September 1986 abgemahnte, etwa fünfstündige Verspätung vom 18. Juli 1986 zu beurteilen. Die Abmahnung erfüllte angesichts der Androhung von Konsequenzen für das Arbeitsverhältnis insoweit ihre Warnfunktion. Ein Hinweis auf bestimmte kündigungsrechtliche Maßnahmen ist nicht erforderlich (BAG Urteil vom 18. Januar 1980, aa0).
e) Nicht frei von Rechtsfehlern ist jedoch die Würdigung der mit Schreiben der Beklagten vom 27. Januar abgemahnten Vorgänge vom 23. Januar 1986.
aa) Das Berufungsgericht ist insoweit davon ausgegangen, der Kläger habe unbefugt und unter Mißachtung der Sicherheitsvorschriften eine Schleifmaschine bedient und keinerlei Einsicht gezeigt, seine Verhaltensweise zu ändern.
Dieser Vorwurf hat zunächst eine andere Zielrichtung als arbeitszeitbezogene Abmahnungen. Die Mißachtung von Sicherheitsvorschriften einerseits und die Nichteinhaltung der Arbeitszeit andererseits sind Leistungsmängel mit unterschiedlichem Inhalt. Störungen im ersteren Bereich haben sich aber seit Anfang 1986 nicht mehr wiederholt.
Soweit die Abmahnung auf die weitere Beanstandung gestützt wird, den Arbeitsplatz ohne Abmeldung verlassen zu haben, ist ein vergleichbarer Sachverhalt schon eher gegeben. Diesen Aspekt hat das Landesarbeitsgericht indessen nicht berücksichtigt. Die Frage, ob dem Kläger Arbeit an der Spritzgußmaschine A 6 zugeteilt gewesen sei, ist im übrigen, wie im Tatbestand vom Landesarbeitsgericht zutreffend festgestellt, streitig. Die Beklagte hat für ihre Behauptung zwar Beweis durch Zeugnis des Produktionsmeisters angetreten. Dieser ist aber nach dem bisherigen Streitstand unerheblich. Die Beklagte hat nämlich auf die substantiierte klägerische Einlassung, ein Kollege habe ihn wegen eines defekten Bohrers um Hilfe gebeten, nicht konkret erwidert. Eine einschlägige Pflichtverletzung wird aus der von der Beklagten nicht hinreichend korrigierten Schilderung des Klägers daraus nicht ersichtlich.
bb) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist dem Kläger die Berufung auf diese Darstellung nicht verwehrt. Der Siebte Senat, dem der erkennende Senat folgt, ist im Urteil vom 13. März 1987 (aaO) davon ausgegangen, für den Arbeitnehmer bestehe weder eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht noch eine entsprechende Obliegenheit, gegen die Richtigkeit einer Abmahnung gerichtlich vorzugehen. Hat er davon abgesehen, so hindert ihn dies nicht, die Richtigkeit der abgemahnten Pflichtwidrigkeit in einem späteren Kündigungsschutzprozeß zu bestreiten.
f) Rechtsfehlerhaft hat das Landesarbeitsgericht auch angenommen, der Kläger habe am 15. April 1985 unentschuldigt gefehlt und sei deswegen am 17. April 1985 mündlich abgemahnt worden. Der Auffassung des Berufungsgerichts, der Kläger habe sich angesichts der von der Beklagten überreichten Anwesenheitskarte nicht auf ein einfaches Bestreiten beschränken dürfen, kann nicht gefolgt werden, weil sie im Streitfall die Darlegungslast des Klägers überspannt.
aa) Auszugehen ist von dem festgestellten Vorbringen der Beklagten, der Kläger habe am 15. April 1985 unentschuldigt gefehlt und sei deshalb abgemahnt worden. Sie habe eine entsprechende Eintragung in die Anwesenheitskarte, auf die sie sich bezogen hat, vorgenommen. Hierauf hatte sich der Kläger gemäß § 138 Abs. 2 ZPO zu erklären. Die an die Substantiierung des Bestreitens zu stellenden Anforderungen sind davon abhängig, wie substantiiert der darlegungspflichtige Arbeitgeber die Kündigungsvorwürfe vorgebracht hat. Insbesondere erhöht sich die Darlegungslast, wenn der Arbeitnehmer in der Lage ist, die fraglichen Umstände selbst leicht aufzuklären, der Arbeitgeber aber hierzu nicht in der Lage ist (Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 20. Aufl., § 138 Rz 28; Zöller/Stephan, ZPO, 15. Aufl., § 138 Rz 10; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 46. Aufl., § 138 Anm. 4 A). Ob das Hinzufügen positiver Gegenangaben erforderlich ist, ist eine Frage des Einzelfalles. Bei eigenen Handlungen und Wahrnehmungen wird es regelmäßig zu verlangen sein (Stein/Jonas/Leipold, aaO). Zeitlich näherliegende Vorgänge werden dabei anders zu beurteilen sein als längere Zeit zurückliegende Ereignisse.
bb) Mit seinem Bestreiten, am 15. April 1985 habe er nicht unentschuldigt gefehlt und sei auch nicht abgemahnt worden, hat der Kläger seiner Darlegungslast genügt. Obwohl es um eigene Handlungen geht, kann jedenfalls von einem in der Produktion als Schweißer - d.h. mit recht gleichförmigen Arbeiten - beschäftigten Arbeitnehmer auf den pauschalen Vortrag des Arbeitgebers, der Arbeitnehmer habe vor über 1 1/2 Jahren an einem bestimmten Tag unentschuldigt gefehlt, nicht mehr als ein ebenso einfaches Bestreiten verlangt werden. Wie das "Abwesenheitsbild 1984" zeigt, war der Kläger in diesem Jahr auch wiederholt erkrankt oder beurlaubt. Von den Arbeitstagen eines Produktionsarbeiters wird vom Arbeitsablauf her keiner derart herausragend sein, daß eine sichere Erinnerung an einen bestimmten Tag noch vorhanden ist. Ebensowenig werden in aller Regel schriftliche oder tagebuchähnliche Aufzeichnungen vorhanden sein. Die Vorlage eines EDV-Auszuges "Abwesenheitsbild" ändert deswegen an der Darlegungslast des Klägers nichts. Sie läßt nur den Schluß auf eine entsprechende Eintragung durch die Beklagte und die Übernahme des Datums in die EDV-Anlage zu. Die Darlegung eines angeblich unentschuldigten Fehltages durch die Beklagte wird dadurch nicht substantiierter. Anders mag es z.B. zu urteilen sein, wenn der Arbeitgeber vorträgt, der Arbeitnehmer habe eine Abwesenheitskarte mit dem Fehltag abgezeichnet oder vorbringt, der Arbeitnehmer habe einen Abzug vom Lohn für diesen Tag widerspruchslos hingenommen. Der Arbeitnehmer könnte sich dann nicht mehr auf ein einfaches Bestreiten beschränken. Für eine derartige Sachlage ergibt sich aus dem Vorbringen der Beklagten jedoch nichts.
g) Auch wegen des Vorwurfs des unentschuldigten Fehlens am 9. Juli 1984 kann sich der Kläger noch auf die fehlende Berechtigung der Abmahnung berufen.
aa) Das Landesarbeitsgericht ist davon ausgegangen, der Kläger habe an diesem Tag erneut unentschuldigt gefehlt. Es ist dabei jedoch von unzutreffenden rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen. Um die Tatsache, daß der Kläger am 9. Juli 1984 beim Arzt gewesen sei und am 10. Juli 1984 eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung übergeben hat, streiten die Parteien ausweislich des Inhalts der Abmahnung gar nicht. Deren eindeutiger Wortlaut (... "Sie haben am 9.7.84 unentschuldigt gefehlt. Die am 10.7.84 übergebene Bescheinigung eines Arztbesuches am Fehltag ändert nichts an der Vertragsverletzung" ...) läßt nur die Annahme zu, die Beklagte habe den Kläger wegen eines Verstoßes gegen die Pflicht, seine Arbeitsunfähigkeit anzuzeigen, abgemahnt.
bb) Die Auslegung privater Willenserklärungen oder - bezüglich einer Abmahnung - geschäftsähnlicher Willensäußerungen (vgl. Senatsurteil vom 9. August 1984 - 2 AZR 400/83 - AP Nr. 12 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung) ist zwar grundsätzlich Sache des Tatrichters. Hat dieser jedoch von einer Auslegung abgesehen und kann diese ohne Erschließung weiteren Tatsachenmaterials nachgeholt werden, ist das Revisionsgericht hierzu selbst befugt (BAG Urteil vom 21. November 1958 - 1 AZR 107/58 - AP Nr. 11 zu § 611 BGB Gratifikation). Diese Voraussetzung ist vorliegend aufgrund des Wortlauts der Abmahnung in Verbindung mit dem festgestellten Sachverhalt erfüllt.
cc) Der Vorwurf der Beklagten geht somit bei richtiger Auslegung dahin, der Kläger habe sich wegen seines Arztbesuches nicht vor Arbeitsbeginn entschuldigt, nicht jedoch dahin, er habe grundlos gefehlt. Es geht demgemäß insoweit um einen Verstoß gegen die dem Arbeitnehmer in § 3 Abs. 1 Satz 1 LohnFG auferlegte Pflicht, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich anzuzeigen. Die Anzeige hat spätestens in den ersten Arbeitsstunden des ersten Krankheitstages zu erfolgen (vgl. Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 6. Aufl., § 98 VI 1, S. 646). Mit der Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erst am nächsten Tag hat der Kläger diese Anzeigepflicht verletzt. Dies paßt zwar ebenfalls in die Reihe der Kündigungsvorwürfe. Das Landesarbeitsgericht hat jedoch erkennbar nicht berücksichtigt, daß es sich insoweit um die Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht handelt, der gegenüber einer Verletzung der Arbeitspflicht als Hauptleistungspflicht regelmäßig ein geringeres Gewicht zukommt (BAG Urteil vom 15. Januar 1986 - 7 AZR 128/83 - AP Nr. 93 zu § 626 BGB).
h) Der Kläger wendet sich auch erfolgreich gegen die Feststellungen und Würdigungen des Landesarbeitsgerichts hinsichtlich der Vorfälle aus dem Jahre 1983.
aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, der Kläger sei bereits am 23. Februar, 17. März und 19. August 1983 unentschuldigt der Arbeit ferngeblieben und deshalb von der Beklagten mündlich ermahnt worden. Soweit der Kläger geltend mache, er könne sich nicht daran erinnern, fehle es an einem substantiierten Bestreiten.
Demgegenüber rügt der Kläger durchgreifend, das Urteil beruhe insoweit auf widersprüchlichen Feststellungen. Das Landesarbeitsgericht hat im Tatbestand als Vortrag des Klägers geschildert, nach "seiner Erinnerung sei er am 23. Februar, 17. März und 19. August 1983 nicht unentschuldigt der Arbeit ferngeblieben". Demgegenüber hat es in den Gründen widersprüchlich und unrichtig darauf abgestellt, der Kläger berufe sich nur darauf, er könne sich nicht mehr daran erinnern, ob er an den betreffenden Tagen gefehlt habe.
bb) Das nach dem Tatbestand zu berücksichtigende Vorbringen des Klägers beinhaltet ein zulässiges und ausreichendes Bestreiten. Die Vorgänge liegen zeitlich noch zwei Jahre länger zurück als der vom 15. April 1985. Es reicht deswegen aus, wenn der Kläger insoweit behauptet, nach seiner Erinnerung habe er nicht gefehlt.
cc) Im übrigen wird das Landesarbeitsgericht hinsichtlich dieses Kündigungsgrundes noch zu klären haben, ob die Beklagte auch insoweit nicht nur auf eine Verletzung der Anzeigepflicht oder auf eine rechtswidrige Verletzung der Arbeitspflicht abstellt. Im Abwesenheitsbild werden nämlich Krankheitstage ohne Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mit "G" bezeichnet. Gleichwohl steht für den 9. Juli 1984, für den eine Bescheinigung unstreitig vorlag, ein "U". Andererseits unterscheidet die Beklagte, wie die für den 6. und 7. November sowie den 13. Dezember 1985 erhobenen Vorwürfe zeigen, zwischen unentschuldigtem Fernbleiben und Verletzung der Anzeigepflicht. Deswegen spricht es nicht ohne weiteres für einen fehlenden Entschuldigungsgrund, wenn für die besagten Tage in 1983 jeweils ein "U" vermerkt ist.
III. Der Senat kann nicht abschließend beurteilen, ob die verbleibenden, rechtsfehlerfrei festgestellten und vorwerfbaren Vertragsverstöße, nämlich die letzten beiden Verspätungen vom 24. September und 2. Oktober 1986 die mündlich abgemahnten Verspätungen vom 15. und 18. September 1986, die schriftlich abgemahnte etwa fünfstündige Verspätung vom 18. Juli 1986 sowie der schriftlich abgemahnte Verstoß gegen die Anzeigepflicht vom 9. Juli 1984 die Kündigung allein sozial rechtfertigen. Das bedarf zunächst der Abwägung im Rahmen des tatrichterlichen Beurteilungsspielraums und ist dem Senat aufgrund des festgestellten Sachverhaltes schon deswegen nicht möglich, weil die Würdigung des Landesarbeitsgerichts eine umfassende Interessenabwägung vermissen läßt.
1. Aus den Gründen des Berufungsurteils muß erkennbar sein, welche Umstände es im einzelnen für und gegen die Wirksamkeit der Kündigung abgewogen und ob es dabei alle wesentlichen, von den Parteien geltend gemachten Umstände berücksichtigt hat. Nur dann ist das Revisionsgericht in der Lage nachzuprüfen, ob das Berufungsgericht die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale des § 1 Abs. 2 KSchG richtig erkannt und auf den festgestellten Sachverhalt richtig angewandt hat (ständige Rechtsprechung: BAGE 29, 49, 52 = AP Nr. 4 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit, zu II der Gründe; BAGE 37, 64, 67, 68, 72 f. = AP Nr. 4 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung, zu II, II c der Gründe).
2. Diesen Anforderungen entsprechen die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts nicht. Es betont zwar die Notwendigkeit einer Interessenabwägung, stellt aber erkennbar allein auf die Arbeitsvertragsverletzungen des Klägers ab, ohne ausreichend auf deren Gewicht und den Grad des Verschuldens des Klägers einzugehen.
IV. Einer Zurückverweisung bedarf es auch wegen der vom Landesarbeitsgericht nicht unter dem Gesichtspunkt des § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG geprüften Klage auf Weiterbeschäftigung, weil der Senat aufgrund des vorliegenden Sachverhalts noch nicht entscheiden kann, ob der Widerspruch des Betriebsrates erheblich ist.
1. Wäre allein auf den Wortlaut des Widerspruchschreibens abzustellen, genügte die Begründung den gesetzlichen Anforderungen nicht.
Die Widerspruchsgründe, die sich nach der Rechtsprechung des Senats auch auf verhaltensbedingte Gründe beziehen können (Urteil des Senats vom 22. Juli 1982 - 2 AZR 30/81 - AP Nr. 5 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung, zu III 4 a der Gründe), müssen unter Anführung konkreter Tatsachen dargelegt werden. Weder genügt die formelhafte Wiederholung des Gesetzestextes noch die Angabe von Leerformeln ohne konkreten Inhalt. Zur Versetzung im Rahmen verhaltensbedingter Kündigungen (§ 102 Abs. 3 Nr. 3 bis 5 BetrVG) verlangt ein Teil der Literatur nicht nur die Angabe eines freien Arbeitsplatzes (KR-Etzel, 2. Aufl., § 102 BetrVG Rz 163; Etzel, Betriebsverfassungsrecht, 3. Aufl., Rz 847; Gnade/Kehrmann/Schneider/Blanke, BetrVG, 2. Aufl., § 102 Rz 84; Meisel, Die Mitwirkung und Mitbestimmung des Betriebsrats in personellen Angelegenheiten, 5. Aufl., Rz 521; Hueck, KSchG, 10. Aufl., § 1 Rz 241 b), sondern auch die Darlegung, daß Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers der Weiterbeschäftigung an dem neuen Arbeitsplatz nicht entgegenstehen (KR-Etzel und Etzel, jeweils aaO).
Auch der Senat hat angenommen (Urteil vom 22. Juli 1982, aaO, zu III 4 a der Gründe), Voraussetzung für die Versetzung in eine andere Abteilung sei natürlich, daß ein Arbeitsplatz frei sei, dies jedoch nicht ausdrücklich als Begründungserfordernis hervorgehoben. Der Arbeitnehmer im dortigen Streitfall war Aussucher in der Versandabteilung. Der Senat hat die beispielhafte Angabe eines anderen Arbeitsplatzes als Transporteur als ausreichend angesehen.
2. Es braucht vorliegend nicht abschließend entschieden zu werden, ob die Angabe eines freien Arbeitsplatzes als Begründungserfordernis mit dem Zweck des Widerspruchsverfahrens zu vereinbaren ist. Dagegen könnten folgende Gründe sprechen: § 102 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG entspricht der Regelung des § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 b KSchG. Das Widerspruchsverfahren bezweckt zum einen, dem Arbeitgeber die Überlegung des Betriebsrats zur Kündigungsabsicht zur Kenntnis zu bringen, damit dieser dessen Widerspruch gegen die beabsichtigte Kündigung berücksichtigen kann (BAGE 34, 309 = AP, aa0, zu B II 2 der Gründe; BAGE 30, 386 = AP Nr. 17 zu § 102 BetrVG 1972). Zum anderen geht es darum, die individualrechtliche Stellung des Arbeitnehmers durch die Kenntnis und Erfahrungen des Betriebsrates zu stärken (Heinze, Personalplanung, Einstellung und Kündigung, Rz 535). Da die Informationspflicht des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat nicht so weit geht wie seine Darlegungslast im Kündigungsschutzprozeß (BAGE 44, 249 = AP Nr. 30 zu § 102 BetrVG 1972; BAGE 34, 309 = AP, aaO) ist zu erwägen, ob nicht auch an das Begründungserfordernis des Betriebsrates gegenüber dem Arbeitgeber jedenfalls keine strengeren Maßstäbe anzulegen sind, als an den Vortrag des Arbeitnehmers, der keinen freien Arbeitsplatz aufzuzeigen braucht (BAGE 42, 151 = AP Nr. 12 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, zu B II 2 a der Gründe; BAG Urteil vom 26. Mai 1977 - 2 AZR 201/76 - AP Nr. 14 zu § 102 BetrVG 1972, zu II 4 b der Gründe). Es könnte demgemäß auch für den Widerspruch genügen, wenn der Betriebsrat darlegt, wie er sich die weitere Beschäftigung des Arbeitnehmers vorstellt (so LAG Hamm LAGE Nr. 8 zu § 102 BetrVG 1972 Beschäftigungspflicht; vgl. auch Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 102 Rz 160; Schwerdtner, Anm. AR-Blattei Betriebsverfassung XIV C Entsch. Nr. 74).
3. Das bedarf vorliegend keiner abschließenden Klärung, weil jedenfalls kein rein spekulativer Widerspruch ausreicht, mit dem der Betriebsrat nur zum Ausdruck bringt, es müsse im Betrieb irgendeine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit geben (LAG Düsseldorf, DB 1978, 1282 ff.). Ein "Mindestmaß an konkreter Argumentation" ist dem Betriebsrat abzuverlangen (LAG Hamm, aaO).
a) Möglicherweise liegt im Streitfall nur ein derartiger nicht ordnungsgemäßer Widerspruch vor. Der Betriebsrat hat zwar ausgeführt, er sehe den Ausschlag für die Kündigungsabsicht im gestörten Verhältnis zwischen dem Kläger und dem zuständigen Meister und schlage zur Vermeidung möglicher Betriebsfriedensstörungen die Versetzung des Klägers vor. Er hat aber im Widerspruchsschreiben nicht angedeutet, welche Beschäftigung in welchem Bereich in welcher Schicht in welcher Abteilung in welcher Maschinenreihe er sich vorstellte. Durch die pauschale Angabe des Widerspruchsgrundes "Versetzung" wird nicht deutlich, was dem Betriebsrat vorschwebte, insbesondere, ob er an eine Versetzung im Rahmen vorhandener anderweitiger Beschäftigungsmöglichkeiten dachte. Ob es bei der Beklagten damals einen freien Arbeitsplatz gab (einrichten braucht der Arbeitgeber diesen nicht - Heinze, aaO, Rz 551 m.w.N.) ist allerdings eine Frage der Begründetheit des Widerspruchs. Ebenso ist es eine Frage der Begründetheit, ob die Störquelle sich durch eine Versetzung beseitigen läßt. Für die Vorwürfe der Verspätungen und des unentschuldigten Fehlens ist dies zwar kaum vorstellbar (vgl. Meisel, aaO, Rz 520).
b) Die im Widerspruchsschreiben vorgeschlagene "Versetzung" genügt zwar den beschriebenen Anforderungen nicht. Die Einlassungen der Beklagten lassen es aber als möglich erscheinen, daß für sie bereits der Hinweis auf eine "Versetzung" aufschlußreich genug war. Der Kläger hat vorgetragen, er stelle sich die Beschäftigung in einer anderen Schicht, Produktionsreihe, Maschinenreihe oder Abteilung, z.B. Versand oder Lack, vor. Die Beklagte hat darauf nur erwidert, eine Versetzung ließe keine Änderung des klägerischen Verhaltens erwarten, da der Grund für die Vertragsverletzungen nicht in einem angespannten Verhältnis zum Meister gelegen habe. Möglicherweise ist die Beklagte damit von an sich vorhandenen Tausch- oder anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeiten ausgegangen. Das bedarf der Aufklärung, weil auch dann ein ordnungsgemäß begründeter Widerspruch vorliegen könnte (vgl. KR-Etzel, aaO, § 102 BetrVG Rz 222).
Hillebrecht - zugleich für den Triebfürst
durch Urlaub an der Unterschrift
verhinderten Richter Ascheid
Thieß Binzek
Fundstellen
RzK, I 5i Nr 35 (ST1) |
RzK, III 1e 12 (ST1) |