Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachhaftung des ehemaligen Komplementärs. Sozialplanansprüche

 

Leitsatz (redaktionell)

Parallelsache zu – 9 AZR 387/90 – Urteil vom 24. März 1992

 

Normenkette

HGB § 161 Abs. 2, §§ 128, 159 Abs. 1, 3; BetrVG §§ 112, 77 Abs. 4; ZPO § 91a

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Urteil vom 10.05.1990; Aktenzeichen 12 (5) (13) Sa 308/90)

ArbG Essen (Urteil vom 29.09.1989; Aktenzeichen 2 (3) Ca 60/89)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 10. Mai 1990 – 12 Sa 308/90 – wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Nachhaftung ehemaliger persönlich haftender Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft.

Die Beklagten waren Komplementäre der W. G. Graphische Betriebe und Verlag KG. Durch Gesellschafterbeschluß vom 5. März 1983 wurde die gesellschaftsrechtliche Zusammensetzung der KG geändert. Alleinige Komplementärin wurde die W. Verwaltung GmbH. Die Beklagten wurden Kommanditisten in der umfirmierten W. G. Druck und Verlag GmbH & Co. KG und jeweils alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer der Komplementär-GmbH. Die Eintragung dieser Veränderungen in das Handelsregister erfolgte am 29. Dezember 1983. Der Beklagte zu 1) blieb mit einer Unterbrechung vom April 1987 bis zum 11. November 1987 Geschäftsführer. Der Beklagte zu 2) beendete seine Geschäftsführertätigkeit im Januar oder Februar 1984. Sein Ausscheiden aus der Geschäftsführung wurde am 22. März 1984 in das Handelsregister eingetragen.

Anfang Juli 1988 wurde über das Vermögen der KG das Konkursverfahren eröffnet. Der Konkursverwalter kündigte den Mitarbeitern, darunter der Klägerin, am 27. Juli 1988 zum 31. Dezember 1988. Die Klägerin war im Juli und August 1988 mit Abwicklungsarbeiten der Betriebskrankenkasse betraut. Danach stellte sie der Konkursverwalter von ihren Arbeitsverpflichtungen frei. Die Klägerin erhielt ab September 1988 keine Vergütung mehr. Ab 1. Dezember 1988 stand sie in einem neuen Arbeitsverhältnis, in dem sie weniger als bei der Gemeinschuldnerin verdiente. Die Klägerin meldete ihre Entgeltforderungen und weitere Ansprüche auf Jahressonderleistung und Urlaubsabgeltung einschließlich Urlaubsgeld sowie aus zwei Sozialplänen vom 16. März 1988 und vom 18. Juli 1988 beim Konkursverwalter teilweise als Masseschuld und teilweise als Konkursforderung zur Konkurstabelle an. Außerdem hat sie die Beklagten persönlich in Anspruch genommen.

Die Klägerin hat gemeint, die Beklagten schuldeten ihr Erfüllung der Ansprüche nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zur Nachhaftung des ausgeschiedenen Gesellschafters. Danach hafteten die Beklagten für die geltend gemachten Verbindlichkeiten unbegrenzt. Das gelte auch für den Beklagten zu 2), weil er nicht vollständig aus der Gesellschaft ausgeschieden, sondern Kommanditist geblieben sei und Einfluß auf die Geschäfte der Gesellschaft gehabt habe. Jedenfalls hafte er für die Dauer von fünf Jahren nach dem Ausscheiden aus der Geschäftsführung der GmbH.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an den Kläger 27.954,81 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit dem 1. Oktober 1988 zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat haben die Parteien den Rechtsstreit mit Ausnahme der Ansprüche aus den Sozialplänen in Höhe von 13.443,66 DM für erledigt erklärt und beantragt, jeweils der Gegenseite insoweit die Kosten aufzuerlegen. Die Ansprüche aus den Sozialplänen verfolgt die Klägerin mit der Revision weiter, während die Beklagte Zurückweisung der Revision beantragt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Anspruch aus den Sozialplänen vom 16. März 1988 und vom 18. Juli 1988. Hinsichtlich der im übrigen in der Hauptsache erledigten Ansprüche auf Vergütung, Jahressonderleistung und Urlaubsgeld hat die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, weil ihre Revision auch insoweit ohne Aussicht auf Erfolg war.

I. Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Leistungen aus den zwischen Arbeitgeber bzw. Konkursverwalter und dem Betriebsrat abgeschlossenen Sozialplänen vom 16. März 1988 und vom 18. Juli 1988 nach den §§ 161 Abs. 2, 128 Satz 1, 159 Abs. 1 und Abs. 3 HGB in Verb. mit §§ 112 Abs. 1 Satz 3, 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG, Die Ansprüche der Klägerin aus den Sozialplänen sind nach dem Zeitpunkt entstanden, an dem die Beklagten als persönlich haftende Gesellschafter der W. G. Graphische Betriebe und Verlag KG ausgeschieden und Kommanditisten der umfirmierten W. G. Druck und Verlag GmbH & Co. KG sowie Geschäftsführer der Komplementär-GmbH geworden sind.

1. Der Komplementär einer Kommanditgesellschaft haftet für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern persönlich, §§ 161 Abs. 2, 128 Satz 1 HGB. Scheidet er aus der Gesellschaft aus, so endet seine Haftung für Verbindlichkeiten aus der Zeit seiner Mitgliedschaft (sog. Altverbindlichkeiten) nicht. Die Ansprüche der Gläubiger gegen ihn unterliegen lediglich der besonderen Verjährung des § 159 Abs. 1 HGB, Danach verjähren die Forderungen in fünf Jahren nach dem Ausscheiden aus der Gesellschaft, sofern nicht der Anspruch gegen die Gesellschaft einer kürzeren Verjährung unterliegt Dasselbe gilt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch für den persönlich haftenden Gesellschafter einer KG: der die Gesellschaft nicht verläßt, sondern als Kommanditist der Gesellschaft verbunden bleibt, sofern er nicht die Geschäfte der KG als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH weiterführt (BGHZ 78, 114 = AP Nr. 1 zu § 159 HGB; BGH Urteil vom 19. Mai 1983 – II ZR 49/82 – AP Nr. 6 zu § 128 HGB).

2. Diese Grundsätze gelten auch für Dauerschuldverhältnisse, wobei die Einzelheiten vom Bundesgerichtshof und vom Bundesarbeitsgericht unterschiedlich beurteilt worden sind (BGHZ 70, 132 = AP Nr. 2 zu § 128 HGB; BGHZ 78, 114 = AP Nr. 1 zu § 159 HGB; BGH Urteil vom 19. Mai 1983 – II ZR 50/82 – AP Nr. 5 zu § 128 HGB; BGH Urteil vom 19. Mai 1983 – II ZR 49/82 – AP Nr. 6 zu § 128 HGB; BGH Urteil vom 19. Mai 1983 – II ZR 207/81 – AP Nr. 7 zu § 128 HGB; BGH Urteil vom 25. September 1989 – II ZR 259/88 – AP Nr. 19 zu § 17 BetrAVG; BAG Urteil vom 21. Juli 1977 – 3 AZR 189/76 – AP Nr. 1 zu § 128 HGB; BAGE 42, 312 = AP Nr. 4 zu § 128 HGB; BAG Urteil vom 28. November 1989 – 3 AZR 818/87 – AP Nr. 10 zu § 161 HGB). Auch das Schrifttum hat verschiedene Lösungsvorschläge angeboten (Bauer, BB 1980, 635; Beitzke, SAE 1978, 119; Honsell/Harrer, ZIP 1986, 341; Lieb, ZGR 1985, 124; Reuter, JZ 1986, 72; Priester/Schmidt, ZIP 1984, 1064; Ulmer, BB 1983, 1865; Ulmer/Wiesner, ZHR 144 (1980), 393; Wiesner, ZIP 1983, 1032). Der Bundesgerichtshof bezeichnete die Forderungen aus einem Dauerschuldverhältnis als der Nachhaftung unterliegende Altverbindlichkeiten, deren Rechtsgrundlagen bereits zur Zeit der Mitgliedschaft des ehemaligen Komplementärs gelegt worden sind, aber später als einzelne Verbindlichkeiten fällig werden (BGHZ 55, 267, 269; BAG, a.a.O.). Der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts nahm dann eine Altverbindlichkeit an, wenn ein Rechtsverhältnis begründet war, aus dem sich ohne Hinzutreten weiterer rechtsgeschäftlicher Akte die einzelne Verbindlichkeit ergab (BAG Urteil vom 28. November 1989, – 3 AZR 818/87 –, a.a.O.). Für derartige Altverbindlichkeiten folgerte der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts zunächst eine sog. Endloshaftung (BAG Urteil vom 21. Juli 1977 – 3 AZR 189/76 –, a.a.O.). Dagegen begrenzte der Bundesgerichtshof die Haftung des ausscheidenden Gesellschafters für Altverbindlichkeiten aus Dauerschuldverhältnissen auf den Zeitraum bis zum ersten Kündigungstermin, der dem Ausscheiden des Gesellschafters folgte (BGHZ 70, 132 = AP Nr. 2 zu § 128 HGB). Sofern eine baldige Kündigung aus tatsächlichen Gründen ausgeschlossen, nicht zumutbar oder rechtlich nicht möglich ist, soll ein Zeitraum von fünf Jahren maßgebend sein. Nach dessen Ablauf erlischt nach dieser Auffassung die Haftung. Die nach Ablauf der Fünf-Jahres-Frist, die mit der Eintragung des Ausscheidens des Gesellschafters beginnt, fällig werdenden Ansprüche unterliegen dann nicht mehr der Haftung des Ausgeschiedenen (BGH Urteile vom 19. Mai 1983, AP Nr. 5 – 7 zu § 128 HGB). Die Verjährungsfrist nach § 159 Abs. 1 HGB verwendet der Bundesgerichtshof insoweit als Haftungsbegrenzungsfrist. Der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat dazu seine Zustimmung angekündigt (BAG Urteil vom 28. November 1989, AP Nr. 10 zu § 161 HGB).

3. Der nunmehr für arbeitsrechtliche Fragen der Nachhaftung eines ausgeschiedenen Gesellschafters einer Personengesellschaft allein zuständige Senat läßt dahingestellt, ob der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Haftungsbegrenzung zu folgen oder ob einer anderen Lösung der Vorzug zu geben ist. Auch wenn der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Dritten Senats des Bundesarbeitsgerichts zu folgen ist, kann die Klage auf Zahlung der Sozialplanforderung hier keinen Erfolg haben. Die Ansprüche der Klägerin auf Leistungen aus den Sozialplanen vom 16. März 1988 und vom 18. Juli 1988 sind keine Altverbindlichkeit im Sinne des § 159 Abs. 1 HGB. Altverbindlichkeiten sind nur solche, die sich im Rahmen eines bestehenden Rechtsverhältnisses ohne Hinzutreten weiterer rechtsgeschäftlicher Handlungen ergeben (BAG Urteil vom 28. November 1989 – 3 AZR 818/87 – AP Nr. 10 zu § 161 HGB). Der Entstehungstatbestand für die Schuldverpflichtung der Gesellschaft muß zu einer Zeit gelegt sein, in der der persönlich in Anspruch Genommene noch Komplementär der Gesellschaft war (BGHZ 55, 267, 269). So verhält es sich bei den Ansprüchen aus den Sozialplanen nicht. Sie sind durch weitere Vereinbarungen zwischen dem Arbeitgeber bzw. dem Konkursverwalter der Gemeinschuldnerin mit dem Betriebsrat nach § 112 BetrVG entstanden. Unabhängig davon, ob der Sozialplan als Betriebsvereinbarung besonderer Art oder als kollektivrechtliche Vereinbarung mit der Wirkung einer Betriebsvereinbarung anzusehen ist, stellt ein Sozialplan eine neue rechtsgeschäftliche Handlung im Sinne der Rechtsprechung des Dritten Senats des Bundesarbeitsgerichts dar, ohne dessen Hinzutreten ein Anspruch aus dem zugrunde liegenden Arbeitsverhältnis nicht gegeben gewesen wäre. Der Entstehungstatbestand für den Anspruch ist erst mit Abschluß des Sozialplans gelegt worden. Der Anspruch beruht unmittelbar auf der von Betriebsrat und Arbeitgeber bzw. Konkursverwalter geschaffenen Rechtsnorm des Sozialplans, nicht auf den schuldrechtlichen Verpflichtungen der Arbeitsvertragsparteien. Das Arbeitsverhältnis hat in diesem Zusammenhang lediglich die Bedeutung, den persönlichen Geltungsbereich der Sozialpläne zu beschreiben.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO und wegen der in der Hauptsache erledigten Forderungen aus § 91 a ZPO.

Nach § 91 a Abs. 1 ZPO entscheidet bei beidseitiger Erledigungserklärung das Gericht über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen. Der Senat kann dahingestellt sein lassen, ob die Vergütungsansprüche von September 1988 bis Dezember 1988, die tarifliche Jahresleistung 1988, die Urlaubsabgeltung für nicht gewährten Urlaub im Jahr 1988 und das Urlaubsgeld 1988 als Altverbindlichkeiten anzusehen sind und ob eine Nachhaftung bis zur Dauer von fünf Jahren nach der Eintragung des Wechsels in die Kommanditistenstellung besteht oder ob sie kürzer oder wegen der Tätigkeit der Beklagten als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH und als einflußreiche Kommanditisten sogar länger zu bemessen ist. Der Senat hatte aber zu berücksichtigen, daß die Forderungen der Klägerin nicht schlüssig oder hinreichend substantiiert vorgetragen worden sind, so daß die Klägerin bei Fortsetzung des Rechtsstreits mit ihrer Revision keinen Erfolg gehabt hätte. So fehlt im klägerischen Vortrag eine Erklärung, warum die Tarifverträge der Druckindustrie zur Anwendung kommen und weshalb bei ihrer Einzelberechnung von der Gehaltsgruppe 5 auszugehen ist. Die Geltung der Tarifverträge betrifft nicht nur die Höhe der Vergütung und deren jährliche Anpassung, sondern auch die Ansprüche auf Jahressonderleistung, Urlaubsabgeltung für mehr als 15 Arbeitstage und Urlaubsgeld. Die Klägerin hat auch nicht vorgetragen, ob sie ihre Ansprüche gegenüber der Gesellschaft rechtzeitig anspruchserhaltend geltend gemacht hat. Das ist erforderlich. Wären die Verbindlichkeiten der Gesellschaft wegen Versäumung der tariflichen Ausschlußfrist erloschen, brauchten auch die Beklagten nicht zu haften. Ferner hat die Klägerin versäumt, das erhaltene Arbeitslosengeld korrekt von ihrem Bruttoanspruch abzuziehen. Unvollständig war auch der Vortrag der Klägerin zum Erhalt von Konkursausfallgeld.

 

Unterschriften

Dr. Leinemann, Dr. Lipke, Dörner, Timpe, Wisskirchen

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1074063

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