Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachhaftung des ehemaligen Komplementärs. Sozialplanansprüche
Leitsatz (amtlich)
Der in die Stellung des Kommanditisten gewechselte ehemalige Komplementär einer Kommanditgesellschaft haftet nicht persönlich für Ansprüche der Arbeitnehmer aus einem Sozialplan, der nach der Veränderung seiner Gesellschafterstellung abgeschlossen worden ist.
Normenkette
HGB § 161 Abs. 2, §§ 128, 159 Abs. 1-3; BetrVG §§ 112, 77 Abs. 4; ZPO § 91a
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 10. Mai 1990 – 12 (10) Sa 318/90 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen !
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Nachhaftung eines ehemaligen persönlich haftenden Gesellschafters einer Kommanditgesellschaft.
Der Beklagte und sein Vetter W. G…, der ehemalige Beklagte zu 2), waren Komplementäre der W. G… Graphische Betriebe und Verlag KG. Durch Gesellschafterbeschluß vom 5. März 1983 wurde die gesellschaftsrechtliche Zusammensetzung der KG geändert. Alleinige Komplementärin wurde die W. G… Verwaltung GmbH. Der Beklagte und sein Vetter wurden Kommanditisten in der umfirmierten W. G… Druck und Verlag GmbH & Co. KG und jeweils alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer der Komplementär-GmbH. Die Eintragung dieser Veränderungen in das Handelsregister erfolgte am 29. Dezember 1983. Der Beklagte legte seine Geschäftsführertätigkeit im Januar oder Februar 1984 nieder. Sein Ausscheiden aus der Geschäftsführung wurde am 22. März 1984 in das Handelsregister eingetragen.
Anfang Juli 1988 wurde über das Vermögen der KG das Konkursverfahren eröffnet. Der Konkursverwalter kündigte den Mitarbeitern, darunter dem Kläger am 27. Juli 1988 zum 31. März 1989. Der Konkursverwalter stellte den Kläger von sämtlichen Arbeitsverpflichtungen frei. Der Kläger erhielt von der Konkurseröffnung an keine Vergütung mehr. Er meldete seine Entgeltforderungen und weitere Ansprüche auf Jahressenderleistung und Urlaubsabgeltung einschließlich Urlaubsgeld sowie aus einem Sozialplan vom 18. Juli 1988 teilweise beim Konkursverwalter als Masseschuld und teilweise als Konkursforderung zur Konkurstabelle an. Außerdem hat er den Beklagten persönlich in Anspruch genommen.
Der Kläger hat gemeint, der Beklagte schulde ihm Erfüllung der Ansprüche nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zur Nachhaftung des ausgeschiedenen Gesellschafters. Danach hafte der Beklagte für die geltend gemachten Verbindlichkeiten unbegrenzt, jedenfalls aber für die Dauer von fünf Jahren nach dem Ausscheiden aus der Geschäftsführung der GmbH. Das gelte erst recht, weil der Beklagte nicht vollständig aus der Gesellschaft ausgeschieden, sondern Kommanditist geblieben sei und als Mitglied des Gesellschafterausschusses maßgeblichen Einfluß auf die Geschäfte der Beklagten genommen habe.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an dem Kläger 41.025,62 DM brutto Nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit dem 9. Januar 1989 abzüglich gezahlter 1.443, 12 DM zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat haben die Parteien den Rechtsstreit mit Ausnahme des Anspruchs aus dem Sozialplan in Höhe von 12.062,-- DM für erledigt erklärt und beantragt, jeweils der Gegenseite insoweit die Kosten aufzuerlegen. Den Anspruch aus dem Sozialplan verfolgt der Kläger mit der Revision weiter, während der Beklagte Zurückweisung der Revision beantragt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch aus dem Sozialplan vom 18. Juli 1988. Hinsichtlich der im übrigen in der Hauptsache erledigten Ansprüche auf Vergütung, Jahressonderleistung und Urlaubsgeld hat der Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, weil seine Revision auch insoweit ohne Aussicht auf Erfolg war.
I. Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Leistungen aus dem zwischen dem Konkursverwalter und dem Betriebsrat der Gemeinschuldnerin abgeschlossenen Sozialplan vom 18. Juli 1988 nach den §§ 161 Abs. 2, 128 Satz 1, 159 Abs. 1 und Abs. 3 HGB in Verb. mit §§ 112 Abs. 1 Satz 3, 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG. Der Anspruch des Klägers aus dem Sozialplan vom 18. Juli 1988 ist nach dem Zeitpunkt entstanden, an dem der Beklagte als Gesellschafter der Komplementär-GmbH ausgeschieden und nur noch Kommanditist geblieben ist.
1. Der Komplementär einer Kommanditgesellschaft haftet für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern persönlich, §§ 161 Abs. 2, 128 Satz 1 HGB. Scheidet er aus der Gesellschaft aus, so endet seine Haftung für Verbindlichkeiten aus der Zeit seiner Mitgliedschaft (sog. Altverbindlichkeiten) nicht. Die Ansprüche der Gläubiger gegen ihn unterliegen lediglich der besonderen Verjährung des § 159 Abs. 1 HGB. Danach verjähren die Forderungen in fünf Jahren nach dem Ausscheiden aus der Gesellschaft, sofern nicht der Anspruch gegen die Gesellschaft einer kürzeren Verjährung unterliegt. Dasselbe gilt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch für den persönlich haftenden Gesellschafter einer KG, der die Gesellschaft nicht verläßt, sondern als Kommanditist der Gesellschaft verbunden bleibt, sofern er nicht die Geschäfte der KG als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH weiterführt (BGHZ 78, 114 = AP Nr. 1 zu § 159 HGB; BGH Urteil vom 19. Mai 1983 – II ZR 49/82 – AP Nr. 6 zu § 128 HGB).
2. Diese Grundsätze gelten auch für Dauerschuldverhältnisse, wobei die Einzelheiten vom Bundesgerichtshof und vom Bundesarbeitsgericht unterschiedlich beurteilt worden sind (BGHZ 70, 132 = AP Nr. 2 zu § 128 HGB; BGHZ 78, 114 = AP Nr. 1 zu § 159 HGB; BGH Urteil vom 19. Mai 1983 – II ZR 50/82 – AP Nr. 5 zu § 128 HGB; BGH Urteil vom 19. Mai 1983 – II ZR 49/82 – AP Nr. 6 zu § 128 HGB; BGH Urteil vom 19. Mai 1983 – II ZR 207/81 – AP Nr. 7 zu § 128 HGB; BGH Urteil vom 25. September 1989 – II ZR 259/88 – AP Nr. 19 zu § 17 BetrAVG; BAG Urteil vom 21. Juli 1977 – 3 AZR 189/76 – AP Nr. 1 zu § 128 HGB; BAGE 42, 312 = AP Nr. 4 zu § 128 HGB; BAG Urteil vom 28. November 1989 – 3 AZR 818/87 – AP Nr. 10 zu § 161 HGB). Auch das Schrifttum hat verschiedene Lösungsvorschläge angeboten (Bauer, BB 1980, 635; Beitzke, SAE 1978, 119; Honsell/Harrer, ZIP 1986, 341; Lieb, ZGR 1985, 124; Reuter, JZ 1986, 72; Priester/ Schmidt, ZIP 1984, 1064; Ulmer, BB 1983, 1865; Ulmer/Wiesner, ZHR 144 (1980), 393; Wiesner, ZIP 1983, 1032). Der Bundesgerichtshof bezeichnete die Forderungen aus einem Dauerschuldverhältnis als der Nachhaftung unterliegende Altverbindlichkeiten, deren Rechtsgrundlagen bereits zur Zeit der Mitgliedschaft des ehemaligen Komplementärs gelegt worden sind, aber später als einzelne Verbindlichkeiten fällig werden (BGHZ 55, 267, 269; BAG, aaO). Der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts nahm dann eine Altverbindlichkeit an, wenn ein Rechtsverhältnis begründet war, aus dem sich ohne Hinzutreten weiterer rechtsgeschäftlicher Akte die einzelne Verbindlichkeit ergab (BAG Urteil vom 28. November 1989 – 3 AZR 818/87 –, aaO). Für derartige Altverbindlichkeiten folgerte der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts zunächst eine sog. Endloshaftung (BAG Urteil vom 21. Juli 1977 – 3 AZR 189/76 –, aaO). Dagegen begrenzte der Bundesgerichtshof die Haftung des ausscheidenden Gesellschafters für Altverbindlichkeiten aus Dauerschuldverhältnissen auf den Zeitraum bis zum ersten Kündigungstermin, der dem Ausscheiden des Gesellschafters folgte (BGHZ 70, 132 = AP Nr. 2 zu § 128 HGB). Sofern eine baldige Kündigung aus tatsächlichen Gründen ausgeschlossen, nicht zumutbar oder rechtlich nicht möglich ist, soll ein Zeitraum von fünf Jahren maßgebend sein. Nach dessen Ablauf erlischt nach dieser Auffassung die Haftung. Die nach Ablauf der Fünf-Jahres-Frist, die mit der Eintragung des Ausscheidens des Gesellschafters beginnt, fällig werdenden Ansprüche unterliegen dann nicht mehr der Haftung des Ausgeschiedenen (BGH Urteile vom 19. Mai 1983, AP Nr. 5 – 7 zu § 128 HGB). Die Verjährungsfrist nach § 159 Abs. 1 HGB verwendet der Bundesgerichtshof insoweit als Haftungsbegrenzungsfrist. Der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat dazu seine Zustimmung angekündigt (BAG Urteil vom 28. November 1989, AP Nr. 10 zu § 161 HGB).
3. Der nunmehr für arbeitsrechtliche Fragen der Nachhaftung eines ausgeschiedenen Gesellschafters einer Personengesellschaft allein zuständige Senat läßt dahingestellt, ob der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Haftungsbegrenzung zu folgen oder ob einer anderen Lösung der Vorzug zu geben ist. Auch wenn der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Dritten Senats des Bundesarbeitsgerichts zu folgen ist, kann die Klage auf Zahlung der Sozialplanforderung hier keinen Erfolg haben. Der Anspruch des Klägers auf Leistungen aus dem Sozialplan vom 18. Juli 1988 ist keine Altverbindlichkeit im Sinne des § 159 Abs. 1 HGB. Altverbindlichkeiten sind nur solche, die sich im Rahmen eines bestehenden Rechtsverhältnisses ohne Hinzutreten weiterer rechtsgeschäftlicher Handlungen ergeben (BAG Urteil vom 28. November 1989 – 3 AZR 818/87 – AP Nr. 10 zu § 161 HGB). Der Entstehungstatbestand für die Schuldverpflichtung der Gesellschaft muß zu einer Zeit gelegt sein, in der der persönlich in Anspruch Genommene noch Komplementär der Gesellschaft war (BGHZ 55, 267, 269). So verhält es sich beim Anspruch aus dem Sozialplan vom 18. Juli 1988 nicht. Er ist durch eine weitere Vereinbarung zwischen dem Konkursverwalter der Gemeinschuldnerin mit deren Betriebsrat nach § 112 BetrVG entstanden. Unabhängig davon, ob der Sozialplan als Betriebsvereinbarung besonderer Art oder als kollektivrechtliche Vereinbarung mit der Wirkung einer Betriebsvereinbarung anzusehen ist, stellt der Sozialplan eine neue rechtsgeschäftliche Handlung im Sinne der Rechtsprechung des Dritten Senats des Bundesarbeitsgerichts dar, ohne dessen Hinzutreten ein Anspruch aus dem zugrunde liegenden Arbeitsverhältnis nicht gegeben gewesen wäre. Der Entstehungstatbestand für den Anspruch ist erst mit Abschluß des Sozialplans gelegt worden. Der Anspruch beruht unmittelbar auf der von Betriebsrat und Konkursverwalter geschaffenen Rechtsnorm des Sozialplans, nicht auf den schuldrechtlichen Verpflichtungen der Arbeitsvertragsparteien. Das Arbeitsverhältnis hat in diesem Zusammenhang lediglich die Bedeutung, den persönlichen Geltungsbereich des Sozialplans zu beschreiben.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO und wegen der in der Hauptsache erledigten Forderungen aus § 91a ZPO.
Nach § 91a Abs. 1 ZPO entscheidet bei beidseitiger Erledigungserklärung das Gericht über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen. Der Senat kann dahingestellt sein lassen, ob die Vergütungsansprüche von Ende Juli 1988 bis März 1989, die tarifliche Jahresleistung 1988 und das Urlaubsgeld 1988/1989 als Altverbindlichkeiten anzusehen sind und ob eine Nachhaftung bis zur Dauer von fünf Jahren nach der Eintragung des Wechsels in die Kommanditistenstellung besteht oder ob sie kürzer oder wegen der Tätigkeit des Beklagten als Kommanditist sogar länger zu bemessen ist. Der Senat hatte aber zu berücksichtigen, daß die Forderungen des Klägers nicht schlüssig oder hinreichend substantiiert vorgetragen worden sind, so daß der Kläger bei der Fortsetzung des Rechtsstreits mit seiner Revision keinen Erfolg gehabt hätte. So fehlt im klägerischen Vortrag eine Erklärung, warum die Tarifverträge der Druckindustrie zur Anwendung kommen und weshalb bei seiner Einzelberechnung von der Gehaltsgruppe 6 auszugehen ist. Die Geltung der Tarifverträge betrifft nicht nur die Höhe der Vergütung und deren jährliche Anpassung, sondern auch die Ansprüche auf Jahressonderleistung und Urlaubsgeld. Die Umrechnung der Monatsvergütung in eine Tagesvergütung ist nicht nachvollziehbar. Der Kläger hat auch nicht vorgetragen, ob er seine Ansprüche gegenüber der Gesellschaft rechtzeitig anspruchserhaltend geltend gemacht hat. Das ist erforderlich. Wäre die Verbindlichkeit der Gesellschaft wegen Versäumung der tariflichen Ausschlußfrist erloschen, brauchte auch der Beklagte nicht zu haften. Ferner hat der Kläger versäumt, das erhaltene Arbeitslosengeld korrekt von seinem Bruttoanspruch abzuziehen und darzulegen, auf welchen Anspruch er die zuvor erhaltenen 1.443,12 DM brutto (oder netto) anrechnen will. Unvollständig war auch der Vortrag des Klägers zum Erhalt von Konkursausfallgeld. Er hat zwar eingeräumt, Konkursausfallgeld bekommen und die Beträge bei der Berechnung der Forderung berücksichtigt zu haben. Dies war seinem Antrag aber nicht zu entnehmen.
Unterschriften
Dr. Leinemann, Dr. Lipke, Dörner, Timpe, Wisskirchen
Fundstellen
BAGE, 73 |
NJW 1992, 3255 |
NZA 1992, 1100 |
RdA 1992, 286 |
ZIP 1992, 1554 |
JuS 1993, 254 |
GmbHR 1993, 42 |