Entscheidungsstichwort (Thema)
Berechnung des tariflichen Krankengeldzuschusses
Leitsatz (redaktionell)
vgl. Urteil vom 24. April 1996 – 5 AZR 798/94 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt
Normenkette
Tarifvertrag für das private Versicherungsgewerbe (PVT), gültig ab 1. Januar 1981: § 10; Tarifvereinbarung betreffend die Überleitung der Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer der PROVINZIAL-Feuerversicherungsanstalt und der PROVINZIAL-Lebensversicherungsanstalt in den Geltungsbereich des Tarifvertrages für das private Versicherungsgewerbe vom 8. Mai 1978: IIIa. Nr. 8 Abs. 1; Tarifvertrag für die PROVINZIAL Feuerversicherungsanstalt und Lebensversicherungsanstalt der Rheinprovinz – Innendienst – vom 8. September 1972: § 6; Versorgungswerk der PROVINZIAL, in Kraft getreten mit dem 1. Januar 1964: § 6
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Urteil vom 11.08.1994; Aktenzeichen 14 Sa 605/94) |
ArbG Düsseldorf (Urteil vom 25.01.1994; Aktenzeichen 1 Ca 6978/93) |
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 11. August 1994 – 14 Sa 605/94 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe des dem Kläger zustehenden Krankengeldzuschusses.
Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 1. März 1960 als Außendienstmitarbeiter zu einem durchschnittlichen monatlichen Bruttogehalt von zuletzt 7.750,99 DM beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis sind kraft einzelvertraglicher Vereinbarung der Tarifvertrag für das private Versicherungsgewerbe (PVT), die mit dem Beklagten und anderen Versicherungen der Versicherungsgruppe abgeschlossenen Tarifverträge, insbesondere die Tarifvereinbarung betreffend die Überleitung der Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer der PROVINZIAL-Feuerversicherungsanstalt und der PROVINZIAL-Lebensversicherungsanstalt in den Geltungsbereich des Tarifvertrages für das private Versicherungsgewerbe vom 8. Mai 1978 (Überleitungs-TV) sowie das mit dem 1. Januar 1964 in Kraft getretene „Versorgungswerk” der PROVINZIAL, alle in der jeweils gültigen Fassung, anwendbar. In § 10 PVT heißt es u.a.:
„§ 10
Leistungen in besonderen Fällen
1. Bei durch Krankheit oder Unfall verursachter Arbeitsunfähigkeit erhalten die Arbeitnehmer ihre Bezüge für die Dauer von 6 Wochen.
2. Vom Beginn der 7. Woche an erhalten:
krankenversicherungspflichtige Arbeitnehmer einen Zuschuß zum Krankengeld.
Der Zuschuß wird so berechnet, daß er zusammen mit dem Krankengeld 90 % der Gesamtnettobezüge beträgt.
Arbeitnehmer, bei denen sich der Arbeitgeber nach § 3 Ziff. 4 oder 5 oder nach § 405 RVO an den Aufwendungen für eine private Krankenversicherung oder freiwillige Weiterversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung beteiligt, eine Krankenzulage.
Die Krankenzulage wird so berechnet, daß sie zusammen mit demjenigen Krankengeld, das der Arbeitnehmer bekommen würde, wenn er pflichtversichert wäre, 90 % der Gesamtnettobezüge beträgt.
- nichtkrankenversicherungspflichtige Arbeitnehmer, bei denen sich der Arbeitgeber nicht nach § 3 Ziff. 4 oder 5 oder nach § 405 RVO an den Aufwendungen für eine private Krankenversicherung oder freiwillige Weiterversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung beteiligt, eine Krankenbeihilfe von 90 % ihrer Gesamtnettobezüge.
…
Die Leistungen nach a) bis c) werden nur bei einer ununterbrochenen Unternehmens Zugehörigkeit
von mehr als 2 bis 5 Jahren bis zum Ablauf der 13. Woche,
von mehr als 5 bis 10 Jahren bis zum Ablauf der 26. Woche,
von mehr als 10 bis 15 Jahren bis zum Ablauf der 39. Woche,
von mehr als 15 bis 20 Jahren bis zum Ablauf der 52. Woche,
von mehr als 20 bis 25 Jahren bis zum Ablauf der 65. Woche,
von mehr als 25 Jahren bis zum Ablauf der 78. Woche,
jeweils seit Beginn der Arbeitsunfähigkeit gewährt.
…”
IIIa. Nr. 8 Abs. 1 ÜberleitungsTV lautet:
„Krankheit und Unfall
Bei durch Krankheit und Unfall verursachter Arbeitsunfähigkeit erhalten die Arbeitnehmer ihre Bezüge für die Dauer von 6 Wochen. Vom Beginn der siebten Woche an werden die weiteren Leistungen gestaffelt nach der ununterbrochenen Betriebs Zugehörigkeit gemäß § 10 PVT gewährt mit der Maßgabe, daß bis zum Ablauf von 26 Wochen ein Zuschuß zum Krankengeld bis zur Höhe von 100 % der Nettovergütung gezahlt wird, danach bis 90 % wie im PVT vorgesehen.”
Im Vorsorgungswerk heißt es u.a.:
„§ 6
Angestellten- und Arbeiterrentenversicherung
Zusätzliche Altersversorgung
1. Die PROVINZIAL zahlt ihren gesetzlichen Anteil zu den Beiträgen der Angestellten- und Arbeiterrentenversicherung der versicherungspflichtigen Mitarbeiter. Die PROVINZIAL kann mit Genehmigung des Verwaltungsrats in begründeten Ausnahmefällen für besonders qualifizierte Mitarbeiter den gesetzlichen Arbeitnehmeranteil zur Angestelltenversicherung übernehmen.
…
Die PROVINZIAL übernimmt den Gesamtbeitrag zur Angestellten- bzw. Arbeiterrentenversicherung nach einer bei der PROVINZIAL verbrachten Dienstzeit von 25 Jahren.
…”
§ 6 des Tarifvertrages für die PROVINZIAL Feuerversicherungsanstalt und Lebensversicherungsanstalt der Rheinprovinz – Innendienst – vom 8. September 1972 lautet:
„Versorgung
Arbeitnehmer haben einen Anspruch auf zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung nach Maßgabe des Versorgungswerks der Provinzial-Feuer- und Lebensversicherungsanstalt der Rheinprovinz.”
Der Kläger war infolge eines Herzinfarktes seit dem 22. Januar 1993 arbeitsunfähig krank. Für die Zeit bis zum 5. März 1993 zahlte die Beklagte dem Kläger sein volles Gehalt weiter.
Nach den – durch das Haushaltsbegleitgesetz 1984 vom 22. Dezember 1983 (BGBl. S. 1532) eingeführten – ab 1. Januar 1984 geltenden sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen (§ 1385 b Abs. 1 RVO, § 112 b Abs. 1 AVG; ab 1. Januar 1992: § 3 Nr. 3, § 170 Abs. 1 Nr. 2 a SGB VI; § 186 Abs. 1 AFG) unterliegt das Krankengeld der Beitragspflicht zur Renten- und Arbeitslosenversicherung. Die Beiträge werden je zur Hälfte von den Krankenkassen und den Versicherten getragen. Dementsprechend erhielt der freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherte Kläger von der DAK nur das um die Arbeitnehmeranteile zur Renten- und Arbeitslosenversicherung geminderte Krankengeld („Nettokrankengeld”) ausbezahlt. Die Beklagte berechnete die Krankenzulage nach § 10 Nr. 2 b PVT, IIIa. Nr. 8 ÜberleitungsTV auf der Grundlage des ungekürzten Krankengeldes („Bruttokrankengeld”). Dadurch erhielt der Kläger vom 6. März bis zum 31. Oktober 1993 insgesamt 3.914,00 DM weniger als 100 % bzw. ab dem 24. Juli 1993 90 % des Betrages, den der Kläger an Gesamtnettobezügen erzielt hätte.
Mit seiner Klage macht er diesen Betrag geltend. Er hat vorgetragen: Aus § 10 Nr. 2 b PVT in Verb. mit IIIa. Nr. 8 ÜberleitungsTV ergebe sich ein Anspruch auf die Differenz zwischen dem Nettokrankengeld und 100 % bzw. 90 % des Nettogehalts. Diese Bestimmungen wollten sicherstellen, daß der Arbeitnehmer so gestellt werde, daß er auch im Falle der Krankheit 100 % bzw. 90 % seines Nettoentgelts erhalte. Das gelte insbesondere für die Formulierung im Überleitungstarifvertrag. Aus dem Gesamt Zusammenhang ergebe sich, daß krankenversicherungspflichtige Arbeitnehmer und nicht krankenversicherungspflichtige Arbeitnehmer gleich behandelt werden sollten. Jedenfalls bestehe zumindest ein Anspruch auf Übernahme des vom Krankengeld kalendertäglich abgezogenen hälftigen Beitrags zur Rentenversicherung nach § 6 Abs. 1 der Versorgungsordnung. Daraus ergebe sich für den genannten Zeitraum ein Anspruch in Höhe von 2.856,00 DM.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zur Zahlung von 3.914,00 DM nebst 4 % Zinsen aus 3.489,69 DM seit dem 14. Oktober 1993 und weiterer 4 % Zinsen aus 424,31 DM seit dem 01. November 1993 zu verurteilen,
hilfsweise,
die Beklagte zur Zahlung von 2.856,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 14. Oktober 1993 zu verurteilen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen: Nach den genannten Bestimmungen sei jeweils nur der Unterschiedsbetrag zwischen 100 % bzw. 90 % der Gesamtnettobezüge und dem „Bruttokrankengeld” zu zahlen. Auch aus der Versorgungsordnung ergebe sich kein Anspruch des Klägers auf Zahlung des Arbeitnehmeranteils zur Rentenversicherung. Der „Gesamtbeitrag zur Angestellten- bzw. Arbeiterrentenversicherung” im Sinne von § 6 Nr. 1 der Versorgungsordnung könne sich nur auf sein Arbeitsentgelt beziehen.
Das Arbeitsgericht hat dem Hauptantrag des Klägers stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Haupt- und Hilfsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat richtig entschieden. Der Kläger hat keinen Anspruch auf einen höheren als den ihm gezahlten Krankengeldzuschuß.
I. Nach § 10 Nr. 2 b PVT in Verb. mit IIIa. Nr. 8 Abs. 1 ÜberleitungsTV steht freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung weiterversicherten Arbeitnehmern eine Krankenzulage zu. Diese „wird so berechnet, daß sie zusammen mit demjenigen Krankengeld, daß der Arbeitnehmer bekommen würde, wenn er pflichtversichert wäre, 90 % der Gesamtnettobezüge beträgt”. IIIa. Nr. 8 Abs. 1 ÜberleitungsTV modifiziert diese Regelung insofern, als bis zum Ablauf von 26 Wochen ein Zuschuß zum Krankengeld bis zur Höhe von 100 % der Nettovergütung gezahlt wird.
Entgegen der Auffassung des Klägers kommt es entscheidend auf die Auslegung des in beiden Tarifverträgen verwendeten Begriffs des Krankengeldes an. Unter Krankengeld im Sinne beider Bestimmungen ist das Bruttokrankengeld zu verstehen. Die Beklagte schuldet nach diesen Vorschriften also nur die Differenz zwischen Bruttokrankengeld und 100 % bzw. 90 % des Nettogehalts.
1. Die Auslegung des normativen Teils von Tarifverträgen folgt den für die Gesetzesauslegung geltenden Regeln. Sie hat zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen. Dabei ist jedoch über den reinen Wortlaut hinaus der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der damit von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnormen mit zu berücksichtigen, sofern und soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Ferner ist auf den tariflichen Gesamt Zusammenhang abzustellen. Bleiben bei entsprechender Auswertung des Tarifwortlauts und des tariflichen Gesamtzusammenhangs als den stets und in erster Linie heranzuziehenden Auslegungskriterien im Einzelfall noch Zweifel, so können die Gerichte ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge auf weitere Kriterien wie die Tarifgeschichte, die praktische Tarifübung und die Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages zurückgreifen (BAG Urteil vom 12. September 1984 – 4 AZR 336/82 – BAGE 46, 308, 313 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung). Weiter ist folgender allgemeiner Auslegungsgrundsatz zu beachten: Verwenden die Tarifvertragsparteien in einem Tarifvertrag einen Begriff, der in der Rechtsterminologie eine bestimmte Bedeutung hat, so ist davon auszugehen, daß er im Tarifvertrag dieselbe Bedeutung haben soll, soweit sich nicht aus dem Tarifvertrag selbst etwas anderes ergibt (BAG Urteil vom 30. Mai 1984 – 4 AZR 512/81 – BAGE 46, 61, 66 = AP Nr. 3 zu § 9 TVG 1969).
2. In seinen Urteilen vom 10. Dezember 1986 (– 5 AZR 517/95 – BAGE 54, 30 = AP Nr. 1 zu § 42 MTB II; – 5 AZR 307/85 – n.v.), vom 14. Januar 1987 (– 5 AZR 38/85, 338/85, 346/85, 525/85 –, alle n.v.) und vom 6. Mai 1987 (– 5 AZR 317/85 – n.v.) hat der Senat zu Tarifverträgen aus der Zeit vor Einführung der Beitragspflicht des Krankengeldes zur Renten- und Arbeitslosenversicherung (1. Januar 1984) ausgeführt: Da es sich beim Krankengeld um einen sozialversicherungsrechtlichen Begriff handele und der tarifliche Krankengeldzuschuß das Krankengeld als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung ergänzen solle, sei auch der in diesem Tarifvertrag verwendete Begriff des Krankengeldes im sozialversicherungsrechtlichen Sinne zu verstehen (Senatsurteil vom 10. Dezember 1986 – 5 AZR 517/85 – BAGE 54, 30 = AP Nr. 1 zu § 42 MTB II). Die Tarifvertragsparteien hätten zwar mit geringfügigen Änderungen in der Höhe des Krankengeldes gerechnet, nicht aber mit grundlegenden Änderungen wie der Belastung des Krankengeldes mit Arbeitnehmeranteilen für die Renten- und Arbeitslosenversicherung. Es sei daher seit dem 1. Januar 1984 eine nachträgliche Regelungslücke entstanden. Diese Lücke könnten die Gerichte jedoch nicht im Wege der ergänzenden Auslegung schließen, weil die Tarifvertragsparteien hierfür verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten hätten und sie sich aufgrund ihrer Tarifautonomie für eine davon entscheiden müßten. Dem dürften die Gerichte nicht vorgreifen. Der Senat hat daher die Klagen auf Zahlung der Differenz zwischen Brutto- und Nettokrankengeld als zur Zeit unbegründet abgewiesen.
3. Entgegen der Auffassung des Klägers sind auch § 10 Nr. 2 PVT 1981 und IIIa. Nr. 8 Abs. 1 ÜberleitungsTV vom 8. Mai 1978 durch die Einführung der Beitragspflicht des Krankengeldes mit dem 1. Januar 1984 zunächst (nachträglich) lückenhaft geworden. Auch im Streitfall kommt es entscheidend auf die Auslegung des in beiden Tarifverträgen verwendeten Begriffs des Krankengeldes an. Zu Unrecht will der Kläger allein auf die Auslegung der dort verwendeten Begriffe „Gesamtnettobezüge” und „Nettovergütung” abstellen.
Die Rechtsprechung des Senats betraf unterschiedliche Tarifverträge. In der Leitentscheidung vom 10. Dezember 1986 ging es um § 42 Abs. 11 Unterabs. 1 MTB II, wonach der Krankengeldzuschuß „100 v.H. des Nettoarbeitsentgelts vermindert um die Barleistungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung …” betrug. In anderen Urteilen ging es um Tarifverträge, nach denen als Krankengeldzuschuß der Unterschiedsbetrag zwischen Nettoarbeitsentgelt und Krankengeld (Urteil vom 6. Mai 1987 – 5 AZR 182/86 – n.v.) bzw. den (Bar)Leistungen der Krankenkasse (Urteil vom 10. Dezember 1986 – 5 AZR 307/85 –, Urteile vom 14. Januar 1987 – 5 AZR 38/85 –, – 5 AZR 346/85 – alle n.v.) zu zahlen war. Zwei weitere Entscheidungen (vom 14. Januar 1987 – 5 AZR 338/85 –, – 5 AZR 525/85 – beide n.v.) betrafen Nr. 613.1 Unterabs. 1 Satz 2 MTV-NDR, der wie folgt lautete:
„Durch den Krankengeldzuschuß ist der Arbeitnehmer so zu stellen, daß er unter Anrechnung des von der gesetzlichen Krankenversicherung (AOK oder Ersatzkassen) gezahlten Krankengeldes seine jeweilige Nettovergütung erhält; …”
Auch in diesen Fällen hat der Senat die Klagen abgewiesen, da die Gerichte die nachträgliche Regelungslücke nicht schließen dürften.
Für die in § 10 Nr. 2 b PVT verwendete Formulierung, wonach die Krankenzulage so berechnet wird, „das sie zusammen mit demjenigen Krankengeld, daß der Arbeitnehmer bekommen würde, wenn er pflichtversichert wäre, 90 % der Gesamtnettobezüge beträgt”, kann nichts anderes gelten. Insbesondere ist aus dem Zusatz, „das der Arbeitnehmer bekommen würde”, nicht zu entnehmen, daß es sich um den Betrag handelt, der dem Arbeitnehmer tatsächlich zufließt. Entscheidend ist, daß die Tarifvertragsparteien zum damaligen Zeitpunkt nicht voraussehen konnten, daß das Krankengeld später mit Beiträgen zur Renten- und Arbeitslosenversicherung belastet wurde.
4. Jedoch kann für den Streitzeitraum (1993) nicht mehr von einer unbewußten Tariflücke die Rede sein. Seit der Einführung der Beitragspflicht des Krankengeldes (1. Januar 1984) war bereits ein langer Zeitraum vergangen. Die Änderungen des Sozialversicherungsrechts waren den Tarifvertragsparteien bekannt; jedenfalls muß von dieser Kenntnis ausgegangen werden. Der PVT wurde seitdem mehrfach geändert. Die Bestimmungen über den Krankengeldzuschuß wurden dagegen beibehalten. Auch IIIa Nr. 8 ÜberleitungsTV blieb unverändert. Dieser Fall ist dem Abschluß eines neuen Tarifvertrages gleichzuachten.
Demnach kann der in beiden Tarifverträgen verwendete Begriff des Krankengeldes nunmehr nur noch im Sinne des geänderten Sozialversicherungsrechts verstanden werden, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat. Das Krankengeld wurde zwar – wie dargestellt – mit Arbeitnehmeranteilen zur Renten- und Arbeitslosenversicherung belastet. Doch blieben die Vorschriften über die Höhe und Berechnung des Krankengeldes im wesentlichen unverändert. Nach § 47 Abs. 1 SGB V (bis zum 31.12.1988 § 182 Abs. 4 RVO) beträgt „das Krankengeld … 80 v.H. des … regelmäßigen Arbeitsentgelts und Arbeitseinkommens …”; es darf das „Nettoarbeitsentgelt nicht übersteigen”. Das ist das volle, nicht um die Arbeitnehmeranteile zur Renten- und Arbeitslosenversicherung geminderte Krankengeld, also das „Bruttokrankengeld”. An keiner Stelle bezeichnet das Gesetz den dem Arbeitnehmer zufließenden Auszahlungsbetrag als Krankengeld.
Aus dem Umstand, daß auch § 10 Nr. 2 c PVT unverändert blieb, folgt nichts anderes. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausführt, sind die „nicht krankenversicherungspflichtigen Arbeitnehmer, bei denen sich der Arbeitgeber nicht … an den Aufwendungen für eine private Krankenversicherung oder freiwillige Weiterversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung beteiligt”, und die weiterhin eine „Krankenbeihilfe von 90 % ihrer Gesamtnettobezüge” erhalten, mit den übrigen Arbeitnehmern nicht vergleichbar. Es handelt sich um wenige Arbeitnehmer. Entscheidend ist aber, daß bei ihnen der Arbeitgeber keinen Beitrag zur Krankenversicherung leistet.
5. Sinn und Zweck der tariflichen Regelung gebieten entgegen der Auffassung der Revision keine andere Auslegung.
Bis 1983 wurde das Krankengeld dem Arbeitnehmer i.d.R. ohne Abzüge ausbezahlt. Der erkennbare soziale Zweck von IIIa. Nr. 8 Abs. 1 ÜberleitungsTV in Verb. mit § 10 Nr. 2 PVT bestand früher darin, den arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmer auch nach Ablauf des sechswöchigen Entgeltfortzahlungszeitraums für eine bestimmte Zeit finanziell so zu stellen, als ob er weiter arbeiten oder weiter Entgeltfortzahlung erhalten würde. Die durch die Krankheit entstandenen wirtschaftlichen Nachteile sollten zunächst voll und dann zu 90 % ausgeglichen werden. Allerdings wurde dieser Zweck auch vor 1984 nicht immer vollständig erreicht, da der Zuschuß zum Krankengeld anders als das Krankengeld einkommensteuerpflichtig ist (§ 2 Abs. 2 Nr. 5 LStDVO, § 3 Nr. 1 a EStG) und die Steuer vom Arbeitnehmer allein zu tragen ist.
Angesichts der Einführung der Beitragspflicht des Krankengeldes zur Renten- und Arbeitslosenversicherung hätte es nahegelegen, daß die Tarifvertragsparteien klargestellt hätten, wie der Krankengeldzuschuß zu berechnen ist, als Differenz zwischen Bruttokrankengeld und Nettoarbeitsentgelt oder als Differenz zwischen Nettokrankengeld und Nettoarbeitsentgelt. Aus welchen Gründen dies nicht geschah, ist unerheblich. Ohne eine ausdrückliche Regelung kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Tarifvertragsparteien die wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers um die Differenz von Brutto- und Nettokrankengeld erhöhen und damit die laut Gesetz vom Arbeitnehmer zu tragenden Beitragsanteile zur Renten- und Arbeitslosenversicherung dem Arbeitgeber auferlegen wollten. Daher ist der Krankengeldzuschuß so zu berechnen wie vor Einführung der Beitragspflicht des Krankengeldes, nämlich als Differenz zwischen dem Krankengeld im Sinne des Krankenversicherungsrechts (§ 47 Abs. 1 SGB V) und 100 % bzw. 90 % des Nettogehalts.
II. Auch aus § 6 der Versorgungsordnung in Verb. mit § 6 des Tarifvertrages vom 8. September 1972 ergibt sich kein Anspruch auf Zahlung des auf dem Krankengeld lastenden Arbeitnehmeranteils zur Rentenversicherung.
1. Der Kläger hat insoweit einen „Hilfsantrag” gestellt. Es handelt sich aber entgegen der Auffassung der Vorinstanzen nicht um einen anderen Streitgegenstand, sondern nur um eine weitere mögliche Anspruchsgrundlage hinsichtlich eines Teils des Streitgegenstandes.
Die Parteien und die Vorinstanzen sind übereinstimmend von der Anwendbarkeit des Versorgungswerks ausgegangen. Das erscheint nicht zweifelsfrei. Denn dieses gilt nach seinem § 1 Nr. 1 Satz 1 nur für Mitarbeiter des Innendienstes. Auch der Tarifvertrag vom 8. September 1972, der den Arbeitnehmern einen tarifvertraglichen Anspruch auf Leistungen nach dem Versorgungswerk gibt, gilt nur für den Innendienst. Der Kläger ist jedoch Außendienstmitarbeiter. Es kann aber zu seinen Gunsten unterstellt werden, daß er vom persönlichen Geltungsbereich der Vorschriften erfaßt wird. Denn auch in diesem Fall ist die Klage nicht begründet.
2. Das Versorgungswerk ist wie ein Tarifvertrag auszulegen, da es durch § 6 des Tarifvertrages vom 8. September 1972 zum Bestandteil dieses Tarifvertrages erklärt worden ist.
Nach § 6 Nr. 1 Abs. 3 der Versorgungsordnung übernimmt der Arbeitgeber „den Gesamtbeitrag zur … Rentenversicherung nach einer … Dienstzeit von 25 Jahren”. Diese Regelung ist aber im Zusammenhang mit § 6 Nr. 1 Abs. 1 zu sehen. Dort heißt es, daß der Arbeitgeber den gesetzlichen, also den Arbeitgeberanteil zu den Rentenversicherungsbeiträgen zahlt und – bei Vorliegen besonderer Voraussetzungen – den gesetzlichen Arbeitnehmeranteil übernehmen kann. Mit „Gesamtbeitrag” ist demnach – wie das LAG zutreffend ausgeführt hat – der auf das Arbeitsentgelt entfallende Beitrag, also Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil, gemeint. Das Krankengeld ist aber kein Arbeitsentgelt, sondern eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 44 SGB V). Dementsprechend hat die Krankenkasse und nicht der Arbeitgeber die andere Hälfte des Rentenversicherungsbeitrags zu tragen (§ 170 Abs. 1 Nr. 2 a SGB VI). Zur Übernahme des auf das Krankengeld entfallenden Arbeitnehmeranteils zur Rentenversicherung ist der Arbeitgeber nach dieser Vorschrift des Versorgungswerks nicht verpflichtet.
Aus Sinn und Zweck des § 6 Nr. 1 des Versorgungswerks ergibt sich entgegen der Auffassung der Revision nichts anderes. Diese Vorschrift sollte dem Arbeitnehmer die damals (1964–1978) bestehenden Beitragspflichten zur Rentenversicherung abnehmen. Diese Verpflichtung des Arbeitgebers bezieht sich jedoch nach Wortlaut und tariflichem Gesamtzusammenhang ausschließlich auf das Arbeitsentgelt und nicht auf das Krankengeld, das erst ab 1. Januar 1984 beitragspflichtig ist. § 6 Nr. 1 des Versorgungswerks kann nicht unter Berufung auf Sinn und Zweck der Vorschrift dahin ausgelegt werden, daß der Arbeitgeber auch die auf das Krankengeld entfallenden Arbeitnehmeranteile zur Rentenversicherung zu übernehmen hat.
III. Nach alledem ist die Klage aber unbegründet und nicht nur zur Zeit unbegründet.
Unterschriften
Griebeling, Schliemann, Reinecke, Krogmann, Kessel
Fundstellen