Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung wegen Nichtübernahme als Professor
Leitsatz (amtlich)
Der Arbeitnehmer ist auch dann anderweitig verwendbar im Sinne von Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 2 und 3 der Anlage I zum Einigungsvertrag, wenn ein geeigneter höherwertiger Arbeitsplatz für ihn zur Verfügung steht, sofern nicht bei der zu treffenden Auswahlentscheidung ein anderer Arbeitnehmer unter Berücksichtigung von Treu und Glauben den Vorzug verdient (im Anschluß an die Senatsurteile vom 29. August 1996 – 8 AZR 505/95 – und vom 20. März 1997 – 8 AZR 829/95 – jeweils zur Veröffentlichung vorgesehen).
Normenkette
Einigungsvertrag Art. 20 Abs. 1, Art. 38 Abs. 1; Einigungsvertrag Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschn. III Nr. 1 Abs. 4; Hochschulrahmengesetz §§ 75, 75a; KSchG § 1; BGB §§ 242, 315; GG Art. 5 Abs. 3; SächsPersVG § 78 Abs. 3; BPersVG § 108 Abs. 2; AGB-DDR § 55; BAT-O § 53 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 6. Dezember 1994 – 5 Sa 334/94 – aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung, die der Beklagte auf Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 2 und 3 der Anlage I zum Einigungsvertrag (künftig: Abs. 4 Ziff. 2 und 3 EV) stützt.
Die im Jahre 1951 geborene Klägerin schloß zunächst eine Ausbildung zur Dipl.-Lehrerin für Geographie und Mathematik ab. Seit 1978 war sie an der Pädagogischen Hochschule (PH) Dresden beschäftigt, zuletzt als Hochschuldozentin für das Fachgebiet “Methodik des Geographieunterrichts”. Sie vertrat in diesem Bereich seit 1988 den Lehrstuhl des ausgeschiedenen Professors L… B…. Zum 30. September 1992 wurde die PH Dresden teils aufgelöst, teils mit der Technischen Universität (TU) Dresden verschmolzen. Diese übernahm u.a. die Ausbildung von Lehramtsstudenten auf dem Gebiet “Didaktik der Geographie”. Eine Dozentenstelle ist für dieses Fachgebiet nicht mehr vorhanden. Die Klägerin übte ihre bisherige Tätigkeit, insbesondere die Lehrstuhlvertretung, über den 30. September 1992 hinaus an der TU Dresden aus.
Der Beklagte richtete am Institut für Geographie der TU-Dresden die Stelle eines Professors (C 3) für “Didaktik der Geographie” ein und schrieb diese Stelle unter dem 10. Juli 1992 wie folgt aus:
“Es ist die Didaktik der Geographie in Lehre und Forschung eigenständig zu vertreten. Die Ausbildung muß für die Bewerber um ein Lehramt an Mittelschulen und Gymnasien gleichermaßen gewährleistet werden. Dazu gehören:
- Theoretische Grundlagen der Didaktik der Geographie
- Konzepte geographischer Bildung in verschiedenen Schulstufen
- Fachspezifische Unterrichtsmethoden und Medien
- Betreuung von Studenten in Praktika und schulpraktischen Übungen.
In der Forschung werden Untersuchungen vorrangig zur
- Ausbildung von geographischen Denk- und Arbeitsweisen
- didaktischen Strukturierung geographischer Bildungsinhalte
- Umwelterziehung unter geographischem Aspekt erwartet.
Bewerber/innen sollten zur kooperativen Zusammenarbeit mit den Fachdisziplinen der Geographie bereit sein.”
Von den 14 Bewerbern wurden fünf, darunter die Klägerin, in die engere Wahl gezogen und zu Probevorträgen eingeladen. Die Berufungskommission beschloß dann mit Zustimmung von Fakultätsrat und Senat folgende Besetzungsliste:
- Herr Dr. A. M…, Bayreuth,
- Herr Dr. habil. V. K…, Pfinztal,
- Herr Dr. D. R…, Großburgwedel.
Gemäß dem Protokoll der Berufungskommission vom 19. Oktober 1992 ist dabei besonders beachtet worden, daß es in der ehemaligen DDR eine Didaktik der Geographie in Lehre und Forschung nicht gegeben habe, es für die Besetzung der Stelle aber dringend geboten erscheine, daß der Stelleninhaber sowohl fachwissenschaftlich ausgewiesen sei als auch die notwendige didaktische Befähigung aufweise. Von dem Stelleninhaber müsse besonderes Engagement in Lehre und Forschung erwartet werden können, um vorhandene Defizite aufzuarbeiten. Die Gründe für die Nichtplazierung der Klägerin sind in einer Aktennotiz des Vorsitzenden der Berufungskommission vom 12. November 1992 wie folgt festgehalten:
“Ergänzend zum Protokoll vom 19.10.1992 muß auf Nachfrage festgestellt werden, daß in der Berufungskommission einheitlich entschieden wurde, daß Frau Doz. Dr. … F… keinen Listenplatz erhalten kann. Das wurde auch von der Gleichstellungsbeauftragten der Fakultät (Frau Dr. F…), die zur Beratung der Kommission anwesend war, mitgetragen.
Begründung:
Diese Entscheidung richtet sich nicht gegen die wissenschaftliche Leistungsfähigkeit der Bewerberin allgemein. Vielmehr ist entscheidend, daß für eine Didaktik der Geographie eine 1. Qualifikationsstufe (Promotion) im Fach und eine 2. (Habilitation) in der Didaktik die Norm ist. In der ehemaligen DDR wurde an dieser Stelle eine Methodik des Geographieunterrichts vertreten. Folgt man aber den Anforderungen an eine Didaktik der Geographie, bei der Fach zu Fach Zuordnung der Integration der PH an die TU wird dieser Aspekt auch besonders deutlich, dann fehlt der Bewerberin dieser fachwissenschaftliche Qualifikationsnachweis, vgl. auch Schriftenverzeichnis.”
Der Beklagte schloß einen Arbeitsvertrag mit dem auf Listenplatz 1 geführten Dr. M…, wonach dieser ab 1. Dezember 1993 die Professur vertretungsweise wahrnimmt. Nach Abstimmung mit dem Wissenschaftsminister sollte eine Berufung auf die Professur erfolgen, sobald Dr. M… seine – kurzfristig erwartete – Habilitation abgeschlossen habe.
Mit Schreiben vom 4. Oktober 1993 unterrichtete der Rektor der TU Dresden den Personalrat der Universität über seine Absicht, das Beschäftigungsverhältnis mit der Klägerin wegen mangelnden Bedarfs zu kündigen. Der Personalrat erklärte am 6. Oktober 1993, er erhebe keine Einwendungen. Daraufhin kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 11. Oktober 1993 ordentlich zum 31. Dezember 1993.
Mit der am 15. Oktober 1993 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, die Kündigung sei rechtsunwirksam. Ihr Lehr- und Forschungsgebiet sei nach dem 30. September 1992 von der PH auf die TU Dresden übergegangen. Mangelnder Bedarf habe nicht bestanden, da die von ihr besetzte Stelle nach wie vor vorhanden und mit der ausgeschriebenen Stelle identisch sei. Nach § 11 Abs. 2 Sächsisches Hochschulstrukturgesetz und nach § 127 Abs. 2 Sächsisches Hochschulerneuerungsgesetz müsse auch bei Professoren- und Dozentenstellen zunächst eine Auswahl unter vorhandenem und geeignetem Personal erfolgen. Für eine Ausschreibung ihrer Stelle habe danach kein Grund bestanden.
Die Klägerin hat am 29. April 1994 beim Verwaltungsgericht Dresden eine einstweilige Anordnung erwirkt. Darin wurde dem Beklagten untersagt, die Professorenstelle für Didaktik der Geographie bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache endgültig zu besetzen.
Im vorliegenden Verfahren hat die Klägerin beantragt,
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung des Beklagten vom 11. Oktober 1993 zum 31. Dezember 1993 beendet worden sei,
- den Beklagten zu verurteilen, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluß des Kündigungsrechtsstreits als Hochschullehrerin und amtierende Leiterin des Lehrstuhls “Didaktik der Geographie” weiterzubeschäftigen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat vorgetragen, die Kündigung sei wegen mangelnden Bedarfs gerechtfertigt. Die Klägerin sei nicht mehr verwendbar. Ihr Arbeitsplatz als Hochschuldozentin sei mit dem 30. September 1992 weggefallen. Der an der TU Dresden neu geschaffene C 3-Lehrstuhl für Didaktik der Geographie umfasse nur Teile der früheren Tätigkeit der Klägerin. Andere Bewerber hätten hier den Vorrang verdient. Ein Rechtsanspruch der Klägerin auf Übertragung der Professorenstelle bestehe nicht. Die vertragsgemäße Beschäftigung der Klägerin sei daher nicht mehr möglich.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht (§§ 564 Abs. 1, 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
I. Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen ausgeführt, die Kündigung sei wegen mangelnden Bedarfs gerechtfertigt. Da sich der Beklagte entschlossen habe, eine Dozentur am Lehrstuhl “Didaktik der Geographie” nicht einzurichten, sei das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung der Klägerin entfallen. Daß diese organisatorische Unternehmerentscheidung offensichtlich unsachlich oder willkürlich sei, habe die Klägerin selbst nicht behauptet. Als einzig denkbare Weiterbeschäftigungsmöglichkeit komme diejenige auf dem neugeschaffenen Lehrstuhl für “Didaktik der Geographie” in Betracht. Die Klägerin habe jedoch keinen arbeitsrechtlich begründeten Anspruch auf Weiterbeschäftigung als Professorin. Das gelte selbst dann, wenn auch im Rahmen von Abs. 4 Ziff. 2 EV eine anderweitige Weiterbeschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz, ggf. zu geänderten Bedingungen, geboten sei. Jedenfalls sei die Möglichkeit einer anderweitigen Beschäftigung grundsätzlich nur im Hinblick auf vergleichbare Arbeitsplätze und ungünstigere Tätigkeiten zu prüfen. Ein Anspruch auf Beförderung auf einen höherwertigen Arbeitsplatz bestehe nicht. Wenn dies schon im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2 KSchG gelte, treffe es erst recht für den eine Kündigung erleichternden Tatbestand des Abs. 4 EV zu. Ob der Beklagte sein Ermessen bei der beabsichtigten Besetzung des Lehrstuhls fehlerfrei ausgeübt habe oder ob eine ermessensfehlerfreie Entscheidung allein die Besetzung der Stelle mit der Klägerin zulasse, sei nicht im vorliegenden Kündigungsschutzprozeß, sondern durch das Verwaltungsgericht zu entscheiden.
II. Diesen Ausführungen vermag der Senat nicht in vollem Umfang zu folgen. Nach den bisherigen Feststellungen kann noch nicht abschließend entschieden werden, ob die Klägerin wegen des mangelnden Bedarfs nicht mehr verwendbar im Sinne von Abs. 4 Ziff. 2 EV ist.
1. Die Klägerin ist aufgrund ihrer durchgehenden Beschäftigung als Hochschuldozentin und Lehrstuhlvertreterin in Dresden Angehörige des öffentlichen Dienstes im Sinne von Art. 20 Abs. 1 EV. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend unterstellt hat, findet auf das Arbeitsverhältnis Abs. 4 EV Anwendung. Dieses Sonderkündigungsrecht bleibt von der Überleitungsregelung des Hochschulrahmengesetzes und von darauf beruhendem Landesrecht unberührt (vgl. § 75a Satz 2 Halbs. 2 HRG). Zwar sollte es nach Ablauf von zwei Jahren nach dem Wirksamwerden des Beitritts außer Kraft treten (Abs. 4 Satz 6 EV). Jedoch ist es durch das Gesetz zur Verlängerung der Kündigungsmöglichkeiten in der öffentlichen Verwaltung nach dem Einigungsvertrag vom 20. August 1992 (BGBl. I S. 1546) wirksam bis zum 31. Dezember 1993 verlängert worden (Senatsurteil vom 27. Juni 1996 – 8 AZR 1024/94 – AP Nr. 61 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B II 1 der Gründe).
2. Gemäß Abs. 4 Ziff. 2 und 3 EV ist eine ordentliche Kündigung auch zulässig, wenn der Arbeitnehmer wegen mangelnden Bedarfs nicht mehr verwendbar ist oder die bisherige Beschäftigungsstelle ersatzlos aufgelöst wird oder bei Verschmelzung, Eingliederung oder wesentlicher Änderung des Aufbaues der Beschäftigungsstelle die bisherige oder eine anderweitige Verwendung nicht mehr möglich ist.
a) Diese Regelung verdrängt den allgemeinen Kündigungsschutz des § 1 KSchG, soweit ihr Regelungsgehalt reicht (vgl. BAGE 71, 221 = AP Nr. 3 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX). Bei Vorliegen der angeführten gesetzlichen Tatbestände ist eine darüber hinausgehende Prüfung der sozialen Rechtfertigung der Kündigung gem. § 1 KSchG entbehrlich. Anwendbar bleiben sonstige Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes wie auch die Regelungen des Personalvertretungsrechts, die die Wirksamkeit einer Kündigung von der ordnungsgemäßen Beteiligung der Personalvertretung abhängig machen (vgl. Senatsurteil vom 23. September 1993 – 8 AZR 262/92 – AP Nr. 9 zu Art. 20 Einigungsvertrag, m.w.N.).
b) Abs. 4 Ziff. 2 und 3 EV stellt auf die weitere “Verwendbarkeit” des Arbeitnehmers ab. Bei einem wegen Personalüberhang mangelnden Bedarf ist zur Beantwortung der Frage, welcher von mehreren an sich geeigneten Arbeitnehmern nicht mehr verwendbar ist, eine Auswahlentscheidung zu treffen (vgl. Senatsurteil vom 19. Januar 1995 – 8 AZR 914/93 – BAGE 79, 128 = AP Nr. 12 zu Art. 13 Einigungsvertrag, zu B III 1 der Gründe). Entsprechendes gilt bei Verschmelzung, Eingliederung oder wesentlicher Änderung des Aufbaues der Beschäftigungsstelle, solange ein Arbeitsplatz für eine mögliche Verwendung der an sich geeigneten Arbeitnehmer zur Verfügung steht.
c) Der Arbeitgeber ist im Falle einer Bedarfskündigung nach dem Einigungsvertrag nicht an die Grundsätze der sozialen Auswahl gem. § 1 Abs. 3 KSchG gebunden. Die Auswahlentscheidung darf jedoch nicht willkürlich erfolgen, sondern ist gem. § 315 Abs. 1 BGB nach billigem Ermessen zu treffen und muß, um nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) zu verstoßen, ohne Vorrang der dienstlichen Interessen soziale Belange angemessen berücksichtigen (Senatsurteil vom 19. Januar 1995, aaO, zu B III 2 der Gründe; dem folgend BAG Urteil vom 5. Oktober 1995 – 2 AZR 1019/94 – AP Nr. 55 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX und BAG Urteil vom 26. Oktober 1995 – 2 AZR 1026/94 – AP Nr. 35 zu Art. 20 Einigungsvertrag, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).
3.a) Danach ist es nicht zu beanstanden, wenn im Zuge der Erneuerung des Hochschulwesens keine Stellen fortgeführt, sondern alle nach dem Haushalt vorgesehenen Stellen aus dem Kreis der bisherigen Beschäftigten neu besetzt werden (BAG Urteil vom 5. Oktober 1995 – 2 AZR 1019/94 – aaO; dem folgend Senatsurteil vom 13. Juni 1996 – 8 AZR 392/94 – n.v.). Waren die nach der Organisationsentscheidung des Landes vorgesehenen Stellen besetzt und verlief das im Zuge der Besetzung der vorhandenen Stellen erforderliche Auswahlverfahren rechtmäßig, so bestand für die weitere Verwendung der nicht zum Zuge gekommenen Arbeitnehmer kein Bedarf mehr. Seiner Verantwortung für eine willkürfreie, mit dem Grundsatz von Treu und Glauben vereinbare Auswahlentscheidung im Besetzungsverfahren kann sich das Land nicht dadurch entziehen, daß es Besetzungsvorschläge der zuständigen Kommissionen ungeprüft übernimmt. Die jeweilige Auswahlentscheidung ist gleichwohl daraufhin gerichtlich überprüfbar, ob objektiv die Grenzen der §§ 315 Abs. 1, 242 BGB gewahrt wurden (Senatsurteil vom 29. August 1996 – 8 AZR 505/95 – AP Nr. 63 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX, zu B II der Gründe).
b) § 75a in Verbindung mit § 75 Abs. 3 Satz 2 HRG, wonach das Hochschulpersonal, das nicht in ein Amt der neuen Personalstruktur übernommen wird, in seinem bisherigen Dienstverhältnis verbleibt, schafft keinen arbeitsrechtlichen Bestandsschutz zugunsten des vorhandenen Personals. Durch die §§ 75, 75a HRG und die darauf beruhenden Gesetze der Länder ist eine Änderung der nach dem Einigungsvertrag bestehenden kündigungsrechtlichen Situation nicht eingetreten. Die Überleitungsvorschriften stellen insofern lediglich klar, daß bei den weiterbeschäftigten Professoren eine dienstrechtliche Alternative besteht: zum einen Übernahme in die Personalstruktur nach dem Hochschulrahmengesetz und damit verbunden die Einstufung in die Besoldungsgruppe C, zum anderen Verbleiben im bisherigen Dienstverhältnis eines Angestellten. Ob da-
c) Die anderweitige Verwendung setzt danach nicht notwendig einen freien geeigneten Arbeitsplatz voraus. Werden alle Stellen für das wissenschaftliche Personal einschließlich der besetzten Stellen ausgeschrieben, so ist der Arbeitnehmer auf die Bewerbung auf diese Stellen, für die er sich geeignet hält, angewiesen. Eine Kündigung ist unzulässig, wenn der Arbeitnehmer im Rahmen seiner Bewerbungen für eine ausgeschriebene Stelle berücksichtigt werden mußte (Senatsurteil vom 24. April 1997 – 8 AZR 907/94 – n.v., zu II 4c aa der Gründe).
d) Die aufgezeigten Maßstäbe für die Stellenbesetzung bestehen unabhängig davon, ob die ausgeschriebene Stelle mit einer bisherigen Stelle identisch ist oder ob es sich um eine “neue” Stelle mit einem bisher nicht vorhandenen Anforderungsprofil handelt. Allerdings wird die grundsätzliche Eignung anzunehmen sein, wenn sich der Inhaber einer Stelle wieder auf diese bewirbt. Bei der neu strukturierten Stelle eines Wissenschaftlers hat die für die Besetzung zuständige Person oder Kommission einen gerichtlich nur beschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum, ob der Bewerber dem Anforderungsprofil entspricht (Senatsurteil vom 20. März 1997, aaO, zu II 4c der Gründe, m.w.N.).
5. Bei Anwendung dieser Grundsätze muß das Landesarbeitsgericht noch prüfen, ob die Klägerin dem Anforderungsprofil der Professur für “Didaktik der Geographie” genügt hat.
a) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, der Kündigung habe ein mangelnder Bedarf im Sinne von Abs. 4 Ziff. 2 EV zugrunde gelegen. Das Landesarbeitsgericht hat unangefochten festgestellt, eine Dozentenstelle, wie sie an der PH Dresden bestanden habe, sei an der TU Dresden nicht mehr eingerichtet worden. Damit ist der Arbeitsplatz der Klägerin im Zuge der Hochschulerneuerung weggefallen. Der von der Klägerin sowohl an der PH wie an der TU vertretene Lehrstuhl war nicht ihr Arbeitsplatz. Die Vertretung als solche stellt jedenfalls dann keinen Arbeitsplatz mehr dar, wenn die Stelle endgültig anderweitig besetzt werden soll.
b) Die bisherige Verwendung der Klägerin war demnach nicht mehr möglich. Als Lehrstuhlvertretung konnte die Klägerin nicht mehr verwendet werden, da die dauerhafte Besetzung des Lehrstuhls anstand.
c) In Betracht kam jedoch eine anderweitige Verwendung der Klägerin als C 3-Professorin für Didaktik der Geographie.
aa) Der Beklagte durfte die Stelle ausschreiben. Die Klägerin war auf eine erfolgreiche Bewerbung angewiesen. Da sie sich um die Stelle beworben hat, war zu prüfen, ob sie berücksichtigt werden mußte.
bb) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts steht einer solchen anderweitigen Verwendung das Fehlen eines Beförderungsanspruches nicht entgegen. Es geht nicht um einen Beförderungsanspruch der Klägerin, sondern darum, ob sie noch “verwendbar” war. Der Arbeitnehmer ist auch dann verwendbar, wenn ein geeigneter höherwertiger Arbeitsplatz für ihn zur Verfügung steht, sofern nicht bei der zu treffenden Auswahlentscheidung ein anderer Arbeitnehmer unter Berücksichtigung von Treu und Glauben den Vorzug verdient. Angesichts des Wegfalls vieler Stellen im öffentlichen Dienst sollten die vorhandenen Stellen nach Möglichkeit mit geeigneten Bewerbern aus der Beschäftigungsstelle besetzt werden. Zudem hatten sich die Anforderungen bei vielen Stellen im öffentlichen Dienst mehr oder weniger grundlegend geändert, weshalb eine anderweitige Verwendung in den verschiedensten Formen erforderlich wurde und nach Möglichkeit auch erfolgen sollte. Im Hochschulbereich wird das besonders deutlich. Die Habilitation zielt gerade auf eine Beschäftigung als Professor ab. Sie ist die wesentliche Eignungsvoraussetzung hierfür. Die Tätigkeit als Hochschuldozent stellt demgegenüber regelmäßig nur ein Durchgangsstadium dar zur Erlangung einer Professur mit höherem Anforderungsprofil. Der Zweck des Einigungsvertrages, notwendige betriebsbedingte Kündigungen zu erleichtern, wird durch diese Auslegung nicht verfehlt. Die Möglichkeit der Ausschreibung aller wissenschaftlichen Stellen und die Auswahl nach Leistungsgesichtspunkten innerhalb der Hochschule geben der Erneuerung des Hochschulwesens hinreichenden Raum.
Dieselben Grundsätze gelten, wenn es um die Besetzung einer geeigneten, auch höherwertigen Beamtenstelle geht. Das Fehlen der weiteren Verwendbarkeit ist Kündigungsvoraussetzung und demgemäß von den Arbeitsgerichten umfassend zu prüfen. Der Arbeitnehmer kann hier nicht auf die Entscheidung der Verwaltungsgerichte verwiesen werden. Damit entscheiden die Arbeitsgerichte aber nicht etwa über die Besetzung einer Beamtenstelle, sondern nur über die Wirksamkeit der Kündigung. Der öffentliche Arbeitgeber kann sich arbeitsrechtlich auch zu einer Weiterbeschäftigung zu den bisherigen Bedingungen entscheiden.
cc) Voraussetzung für eine anderweitige Verwendung der Klägerin als C 3-Professorin war, daß sie dem Anforderungsprofil der Stelle genügte. Hierzu hat das Landesarbeitsgericht keine ausreichenden Feststellungen getroffen. Der Senat kann diese Frage unter Berücksichtigung des gerichtlich nur beschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraums des Entscheidungsträgers nicht selbst entscheiden. Einerseits ist die Klägerin mit vier anderen Bewerbern in die engere Wahl gekommen und zu einem Probevortrag geladen worden. Andererseits war sie mehr für “Methodik des Geographieunterrichts” als für “Didaktik der Geographie” ausgewiesen. Das Landesarbeitsgericht wird aufklären müssen, ob es sich dabei um unterschiedliche Fachgebiete mit verschiedenartigen Eignungsanforderungen handelt. Die Klägerin hat das schon in der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht in Abrede gestellt. Sie war auch bereits einige Zeit mit der Fachdidaktik befaßt. Ebenso werden die nach Schluß der mündlichen Verhandlung mit Schriftsatz vom 14. Oktober 1994 und Schriftsatz vom 18. November 1994 eingereichten Unterlagen zu berücksichtigen sein. Das Landesarbeitsgericht wird nicht davon ausgehen können, daß jeweils nur die drei auf die Besetzungsliste gelangten Bewerber geeignet sind.
dd) Sofern die grundsätzliche Eignung der Klägerin bestand, kann sich der Beklagte nicht darauf berufen, die auf die Besetzungsliste gesetzten Bewerber seien besser qualifiziert und besser beurteilt worden; denn es handelte sich sämtlich um externe Bewerber. Die Kündigung eines an sich geeigneten Bewerbers im Hinblick auf die bessere Qualifikation eines anderen Bewerbers kommt nur in Betracht, wenn beide Bewerber bereits an der Hochschule tätig sind und deswegen eine Auswahl unter ihnen zur Besetzung der Stelle erforderlich wird (siehe oben 4b). Die Auswahl unter Einbeziehung externer Bewerber ist keine Auswahl im Rahmen einer Bedarfskündigung nach Abs. 4 Ziff. 2 EV. Die weitere Verwendbarkeit des Arbeitnehmers darf deshalb nicht allein im Hinblick auf externe Bewerber verneint werden. Unstreitig war die Klägerin aber die einzige Bewerberin aus Sachsen.
III. Die Sache ist nicht aus anderen Gründen zur Endentscheidung reif (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Ob die Rüge der Revision, die Klägerin habe schon in der Klagschrift eine fehlerhafte Beteiligung des Personalrats behauptet und diese Rüge im weiteren Verfahren nicht aufgegeben, zulässig und begründet ist, bedarf keiner Entscheidung. Auch eine zulässige und begründete Rüge würde nur zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht führen. Die Klägerin darf aber im erneuten Berufungsverfahren ohnehin wieder eine fehlerhafte Beteiligung der Personalvertretung geltend machen. Der Senat kann nach dem festgestellten Sachverhalt nicht entscheiden, die Kündigung sei gemäß § 78 Abs. 3 SächsPersVG in Verbindung mit § 108 Abs. 2 BPersVG rechtsunwirksam. Das Landesarbeitsgericht hat sich mit der Frage der Beteiligung des Personalrats nicht befaßt und keine abschließenden Feststellungen getroffen. Soweit die Revision rügt, der Personalrat sei nicht über die derzeitige Tätigkeit der Klägerin, die Dauer ihres Beschäftigungsverhältnisses und ihre Situation als Alleinerziehende unterrichtet worden, kann das der Senatsentscheidung jedenfalls nicht zugrunde gelegt werden (vgl. § 561 Abs. 1 ZPO). Zwar hat der Beklagte das Anhörungsschreiben vom 4. Oktober 1993 bereits mit der Klagerwiderung vom 14. Januar 1994 zur Akte gereicht. Das Landesarbeitsgericht hat aber nicht festgestellt, eine darüber hinausgehende Unterrichtung des Personalrats sei nicht erfolgt.
Der Senat sieht von weiteren Hinweisen ab, da nicht absehbar ist, ob es auf die Wirksamkeit der Kündigung nach Personalvertretungsrecht überhaupt ankommt und welche Feststellungen das Landesarbeitsgericht im erneuten Berufungsverfahren hierzu treffen wird. Zu den für den Ausspruch der Kündigung maßgeblichen Gründen zählt freilich nicht, ob der Ruf an den erstplazierten Bewerber bereits erteilt war oder ob die schon beschlossene Berufung nach Vertretung der Professur erst bevorstand. Auch die Angabe der Rechtsnormen, die der Kündigung zugrundeliegen, zählt nicht zu der erforderlichen Unterrichtung.
IV. Sofern das Landesarbeitsgericht die Wirksamkeit der Kündigung wieder bejaht, wird es auch die maßgebliche Kündigungsfrist prüfen müssen. Für ordentliche Kündigungen gemäß Abs. 4 EV, die nach dem 2. Oktober 1992 im Geltungsbereich des BAT-O ausgesprochen wurden, gelten nicht die Kündigungsfristen des § 55 AGB-DDR, sondern die des § 53 Abs. 2 BAT-O (BAG Urteil vom 26. Mai 1994 – 6 AZR 27/94 – BAGE 77, 45 = AP Nr. 1 zu § 53 BAT-O). Den Parteien ist daher Gelegenheit zum Vortrag zu geben, ob das Arbeitsverhältnis dem BAT-O unterlag.
V. Sofern das Landesarbeitsgericht zur Unwirksamkeit der Kündigung gelangt, wird es auch über den Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung entscheiden müssen, wenn die Klägerin diesen Antrag weiterverfolgt. Die Klägerin hat darzulegen, was sie unter “amtierende Leiterin des Lehrstuhls” versteht. Ein vertragliches Recht der Klägerin auf dauerhafte Vertretung des Lehrstuhls ist bisher nicht ersichtlich. Fehlt es an einer vertraglichen Grundlage in diesem Sinne, so kann der Beklagte die Lehrstuhlvertretung ohne Rücksicht auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses der Klägerin jederzeit neu regeln.
Unterschriften
Ascheid, Dr. Wittek, Mikosch, R. Iskra, Umfug
Fundstellen
Haufe-Index 884920 |
NZA 1998, 259 |
AP, 0 |
PersR 1997, 498 |