Entscheidungsstichwort (Thema)
Abfindung aus einem vom Konkursverwalter mit den Arbeitnehmern eines betriebsratslosen Betriebes vereinbarten „Sozialplan”. Konkursrang. Masseforderung mit vereinbartem Rangrücktritt. entgegenstehende Rechtskraft eines Prozeßurteils
Orientierungssatz
Wird zwischen dem Gläubiger einer bestrittenen Masseforderung und dem Konkursverwalter vereinbart, daß die Forderung ggf. nur im Rang einer Konkursforderung befriedigt wird, so kann das Bestehen dieser Forderung in dem vereinbarten Konkursrang nicht außerhalb des Konkursverfahrens zum Gegenstand einer allgemeinen Feststellungsklage gemäß § 256 Abs. 1 ZPO gemacht werden. Zulässig wäre nur nach entsprechender Anmeldung der Forderung zur Konkurstabelle eine Klage auf Feststellung gemäß § 146 KO.
Normenkette
KO §§ 59, 61, 139, 146; ZPO § 256
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 26. Januar 2001 – 10 Sa 1753/00 – im Kostenausspruch sowie insoweit aufgehoben, als es der Klage stattgegeben hat.
2. Auch insoweit wird die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 23. August 2000 – 4 Ca 311/00 – zurückgewiesen und die Klage abgewiesen.
3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Anspruch auf Zahlung einer Abfindung.
Der Kläger war gewerblicher Arbeitnehmer der I. Handelsgesellschaft mbH & Co. KG, die regelmäßig mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftigte. Ein Betriebsrat bestand nicht. Über das Vermögen der I. wurde am 1. Februar 1994 das Konkursverfahren eröffnet und der Beklagte wurde zum Konkursverwalter bestellt. Dieser kündigte sämtliche Arbeitsverhältnisse und legte den Betrieb still.
Am 29. April 1994 schlossen der Beklagte einerseits und die am 1. Februar 1994 beschäftigten Arbeitnehmer der Gemeinschuldnerin andererseits eine als „Interessenausgleich und Sozialplan” überschriebene Vereinbarung.
Unter der Vereinbarung befinden sich die Unterschrift des Beklagten, die mit dem Zusatz „unter Vorbehalt der gerichtlichen Bestätigung” versehen ist, sowie die Unterschriften sämtlicher Arbeitnehmer der Gemeinschuldnerin, darunter auch die des Klägers. In der Anlage zu dieser Vereinbarung war für den Kläger eine Abfindung von 17.852,96 DM vorgesehen.
Auf einem vom Beklagten vorgefertigten und ihm am 2. Mai 1994 zugeleiteten Formular meldete der Kläger seine „noch ausstehenden Ansprüche nach § 61 Abs. 1 Ziff. 1 aus Sozialplan, DM 17.852,96” zur Konkurstabelle an. Der Beklagte bestritt den Anspruch. Mit Schreiben vom 28. April 1997 teilte der Beklagte dem jetzigen Prozeßbevollmächtigten des Klägers auf dessen Anfrage mit, die Rechtmäßigkeit des Sozialplans werde in einem Musterprozeß gerichtlich geklärt. Sollte obergerichtlich geklärt sein, daß die Belegschaft mit dem Konkursverwalter auch ohne Betriebsrat einen Sozialplan im Konkurs schließen könne, so werde er sämtliche angemeldeten Sozialplanansprüche zur Konkurstabelle anerkennen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht vom 26. Januar 2001 hat der Beklagte erklärt, das zunächst als Musterprozeß begonnene Verfahren sei durch rechtskräftiges Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück beendet worden, weil infolge eines Büroversehens der Prozeßbevollmächtigten des Beklagten die Berufung nicht fristgerecht eingelegt worden sei.
Im September 1997 erhob der Kläger vor dem Arbeitsgericht Osnabrück – 1 Ca 554/97 – Klage mit dem Antrag, eine Forderung von 17.852,96 DM aus dem Sozialplan zur Konkurstabelle festzustellen, hilfsweise, die Forderung aus der Vereinbarung vom 29. April 1994 im Rang einer Masseschuld zur Konkurstabelle festzustellen. Das Bundesarbeitsgericht wies die Klage durch Urteil vom 21. September 1999 (– 9 AZR 912/98 – AP SozplKonkG § 1 Nr. 1 = EzA BetrVG 1972 § 112 Nr. 105) ab.
Mit der vorliegenden, am 30. Mai 2000 erhobenen Klage hat der Kläger von dem Beklagten Zahlung der Abfindung von 17.852,96 DM als Masseschuld begehrt. Das Konkursverfahren ist nach wie vor nicht beendet, die Höhe der Konkursquote steht noch nicht fest. Der Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Parteien hätten die Zahlung einer Abfindung im Wege einer einzelvertraglichen Abrede vereinbart, wenn ihnen bekannt gewesen wäre, daß ein Sozialplan ohne Betriebsrat auch im Konkurs nicht geschlossen werden könne. Die Arbeitnehmer hätten für ihre langjährige Mitarbeit und für den Verlust des Arbeitsplatzes entschädigt werden sollen. Der Abfindungsanspruch sei nicht verjährt. Jedenfalls handele der Beklagte treuwidrig, wenn er sich auf die Einrede der Verjährung berufe.
Der Kläger hat beantragt,
- den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 17.852,96 DM nebst 8 % Zinsen seit dem 2. Juni 2000 zu zahlen.
und zweitinstanzlich hilfsweise,
festzustellen, daß dem Kläger eine Abfindung von 17.852,96 DM im Range des § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO zusteht, die unter dem Vorbehalt des § 4 SozplKonkG steht.
Der Beklagte hat zu seinem Klageabweisungsantrag geltend gemacht, die Parteien hätten ausschließlich einen Sozialplan abschließen wollen. Dies ergebe sich daraus, daß er die Vereinbarung vom 29. April 1994 nur unter dem „Vorbehalt der gerichtlichen Bestätigung” unterzeichnet habe. Sozialplanansprüche würden im Konkurs anders als allgemeine Abfindungsansprüche behandelt. An eine individualrechtliche Vereinbarung hätten die Parteien daher nicht gedacht.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht nach dem Hilfsantrag des Klägers erkannt, die Abweisung der Klage hinsichtlich des Hauptantrags dagegen bestätigt. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte die uneingeschränkte Klageabweisung.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist begründet. Die Klage war auch im Hilfsantrag abzuweisen.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Geltendmachung der Abfindung als Masseforderung stehe die Rechtskraft der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 21. September 1999 (aaO) nicht entgegen. Die Parteien hätten einen einzelvertraglichen Abfindungsanspruch mit Rangrücktritt vereinbart. Diese Vereinbarung sei wirksam und der Vorbehalt einer „gerichtlichen Überprüfung” bedeutungslos. Weil das Konkursverfahren allerdings noch nicht abgeschlossen sei und die Konkursquote nicht feststehe, könne nur ein Feststellungsurteil entsprechend dem Hilfsantrag ergehen. Verjährt sei die Forderung nicht, weil die regelmäßige Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB von 30 Jahren einschlägig sei.
II. Dem folgt der Senat nicht.
1. Da der Kläger keine Revision eingelegt hat, steht nur noch sein Hilfsantrag im Streit. Insoweit geht es nach der übereinstimmenden Auffassung des Klägers und des Landesarbeitsgerichts nicht um eine Konkursforderung, deren Feststellung zur Konkurstabelle gemäß § 146 KO iVm. § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO begehrt wird, sondern um die Feststellung eines Masseanspruchs im Sinne von § 59 Abs. 1 Nr. 1 KO, also eine Feststellung im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO ohne konkursrechtliche Besonderheiten.
2. Gleichzeitig wird allerdings vom Kläger und dem Landesarbeitsgericht für diesen Abfindungsanspruch die Vereinbarung eines Rangrücktritts auf den Rang einer Konkursforderung gemäß § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO angenommen. Damit ist ihre Argumentation widersprüchlich:
a) Geht man von der Wirksamkeit einer solchen Rangrücktrittsvereinbarung aus (so wohl BAG 21. September 1999 aaO), wäre die Rechtsfolge, daß die Forderung ihre Eigenschaft als Masseforderung auf Grund der Vereinbarung verliert und zur Konkursforderung wird, die nur zur Konkurstabelle angemeldet werden und gemäß § 146 KO festgestellt werden könnte. Auf Grund der genannten Entscheidung des 9. Senats stünde dann aber bindend fest, daß der Kläger eine solche Forderung nicht gemäß § 139 KO zur Konkurstabelle angemeldet bzw. im Prüfungstermin angegeben hat (vgl. BAG aaO zu B II der Entscheidungsgründe). Die Anmeldung als Sozialplanforderung gem. §§ 2, 4 SozplKonkG iVm. § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO genügt insoweit nicht (vgl. BAG aaO). Daß der Kläger die Forderung nach der Entscheidung des 9. Senats entsprechend zur Konkurstabelle angemeldet hätte, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt und ist auch ansonsten nicht ersichtlich. Selbst wenn man den Hilfsantrag, entgegen der erklärten Intention des Klägers, als Feststellungsantrag im Sinne von § 146 KO auffassen würde, wäre deshalb die Klage weiterhin aus den im Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 21. September 1999 (aaO) genannten Gründen unzulässig (vgl. zur entgegenstehenden Rechtskraft eines Prozeßurteils BGH 6. März 1985 – IV b ZR 76/83 – NJW 1985, 2535).
b) Eine Feststellung des Abfindungsanspruchs als Masseforderung gemäß § 59 KO ohne Rangrücktritt hat der Kläger, jedenfalls im Hilfsantrag, eindeutig nicht begehrt. Gemäß § 308 Abs. 1 ZPO kann deshalb eine solche Feststellung auch nicht getroffen werden.
c) Das Landesarbeitsgericht und der Kläger halten offenbar trotz der angenommenen wirksamen Vereinbarung eines Rangrücktritts auf die Stufe des § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO eine Feststellung der Forderung außerhalb des § 146 KO gemäß § 256 ZPO für möglich. Ein darauf gerichteter Feststellungsantrag und eine solche Feststellung sind jedoch konkursrechtlich unzulässig: Entweder ist die Vereinbarung des Rangrücktritts wirksam und zieht die Forderung, die ohne die Vereinbarung des Rangrücktritts Masseforderung wäre, auf die mindere Stufe einer Konkursforderung; dann bleibt nur die Anmeldung zur Konkurstabelle und bei Bestreiten der korrekt angemeldeten Forderung die Klage auf Feststellung gemäß § 146 KO. Oder die Vereinbarung des Rangrücktritts ist unwirksam mit der Folge, daß der Anspruch als Masseforderung gegen den Beklagten geltend zu machen ist; dann hat die Geltendmachung aber ohne die Einschränkung des Rangs gemäß § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO zu erfolgen. Insoweit ist die Klage hier rechtskräftig abgewiesen worden. Ein Zwischending – Geltendmachung als Masseforderung trotz Rangrücktritts auf den Rang einer Konkursforderung im Sinn von § 61 KO – läßt die Konkursordnung nicht zu. So verstanden ist der Hilfsantrag genauso unzulässig wie ein Antrag auf Feststellung zur Konkurstabelle trotz abweichender Anmeldung nach § 139 KO gemäß § 146 Abs. 4 KO (vgl. insoweit BAG 21. September 1999 aaO).
III. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Freitag, Fischermeier, Marquardt, Staedtler, N. Schuster
Fundstellen
ARST 2002, 220 |
FA 2003, 95 |
KTS 2002, 746 |
NZA 2002, 999 |
NJOZ 2003, 1198 |