Entscheidungsstichwort (Thema)
Lehrgesellenzulage bei vorübergehender Ausübung einer Lehrmeistertätigkeit
Normenkette
Tarifvertrag über das Lohngruppenverzeichnis des Bundes zum MTB II (jetzt: MTArb) § 4 Abs. 1, § 2 Abs. 4; Sonderverzeichnis 2a zum Lohngruppenverzeichnis Lohngruppe 9 Fallgruppe 8 a
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 22. Mai 1997 – 14 Sa 2388/96 – aufgehoben.
2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Celle vom 30. September 1996 – 2 Ca 220/96 – wird zurückgewiesen.
3. Der Kläger trägt auch die Kosten der Berufung und der Revision.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Zahlung der Lehrgesellenzulage nach § 4 Abs. 1 des Tarifvertrages über das Lohngruppenverzeichnis (TV LohngrV) zum Manteltarifvertrag für Arbeiter des Bundes (MTB II).
Der Kläger ist bei der Beklagten als Flugbetriebsmechaniker beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden der MTB II (jetzt MTArb) und die diesen ergänzenden Tarifverträge kraft Vereinbarung Anwendung. Seit dem 17. Juni 1991 ist der Kläger als Lehrgeselle in der Ausbildungswerkstatt im Bereich der Standortverwaltung F… tätig. Dabei ist er in die Lohngruppe 9 Fallgr. 8a SV 2a TV LohngrV eingestuft und erhält eine Lehrgesellenzulage gemäß § 4 Abs. 1 TV LohngrV in Höhe von 387,53 DM brutto monatlich. Mit Übertragungsverfügung vom 15. Juni 1995 ist dem Kläger mit Wirkung vom 27. April 1995 die Tätigkeit eines Lehrmeisters in der Ausbildungswerkstatt bis zur Wiederbesetzung des entsprechenden frei gewordenen Dienstpostens übertragen worden. Für die Dauer dieser Tätigkeit erhält der Kläger gemäß § 2 Abs. 4b TV LohngrV eine Zulage in Höhe von 10 % des Monatstabellenlohns seiner Lohngruppe. Die Zulage beträgt 383,73 DM brutto.
Neben der Tätigkeit als Lehrmeister übt der Kläger weiterhin auch die Tätigkeit eines Lehrgesellen aus. Der zeitliche Anteil dieser Tätigkeit ist zwischen den Parteien streitig.
Mit Schreiben vom 13. Oktober 1995 hat die Beklagte die Auffassung vertreten, daß die Voraussetzungen für die Zahlung der Lehrgesellenzulage wegen der zeitlich überwiegenden Tätigkeit als Lehrmeister nicht mehr vorliegen würden und hat wegen der über den 25. Mai 1995 hinaus zunächst weitergezahlten Lehrgesellenzulage mit der Lohnabrechnung November 1995 für die Zeit von Mai bis Oktober 1995 einen Betrag von insgesamt 2.021,88 DM einbehalten.
Der Kläger hat dagegen die Auffassung vertreten, daß ihm ein Anspruch auf die Zahlung der Lehrgesellenzulage auch während der Dauer der vorübergehenden Übertragung der Tätigkeit eines Lehrmeisters zustehe, da durch den Entzug der Lehrgesellenzulage sein allgemeiner Lohnstand verschlechtert werde.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.796,94 DM brutto zu zahlen,
2. die Beklagte zu verurteilen, ab Januar 1996 dem Kläger die Lehrgesellenzulage nach § 4 Abs. 1 Tarifvertrag Lohngruppe 6 in Höhe von derzeit monatlich 387,53 DM brutto zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, für die Dauer der Übertragung der überwiegend ausgeübten Tätigkeit eines Lehrmeisters entfalle der Anspruch auf Zahlung der Lehrgesellenzulage, da dieser Anspruch seinerseits eine überwiegende Tätigkeit als Lehrgeselle erfordere.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. In der Berufungsinstanz hat der Kläger beantragt, festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihm über den 24. Mai 1995 hinaus, die Lehrgesellenzulage nach § 4 Abs. 1 TV LohngrV zu zahlen. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter. Der Kläger bittet um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt unter Aufhebung der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts zur Zurückweisung der Berufung des Klägers.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, dem Kläger stehe die Lehrgesellenzulage zu, weil er in der Lohngruppe 9 Fallgruppe 8a SV 2a TV LohngrV eingereiht sei und Lehrgesellentätigkeit ausübe. Unerheblich sei, daß der zeitliche Anteil unter 50 % seiner Gesamtarbeitszeit liege. Ein bestimmter zeitlicher Anteil der Lehrgesellentätigkeit werde tariflich nicht vorausgesetzt.
Diesen Ausführungen vermag der Senat nicht zu folgen.
II. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Lehrgesellenzulage. Gemäß § 4 Abs. 1 TV LohngrV erhalten Arbeiter der Lohngruppe 9 Fallgruppe 8a des Sonderverzeichnisses 2a (SV 2a LohngrV) für die Dauer der Ausübung der Lehrgesellentätigkeit eine Zulage.
Lohngruppe 9 Fallgruppe 8a SV 2a LohngrV lautet:
“Arbeiter der Lohngruppe 4 Fallgruppe 1 oder 2 des Allgemeinen Teils, die in technischen Schulen oder in Ausbildungswerkstätten für Auszubildende im Sinne des MTV für Auszubildende vom 6. Dezember 1974 in der jeweiligen Fassung bei der Erteilung des theoretischen Unterrichts sowie mit der Unterweisung beim praktischen Unterricht beschäftigt werden und daneben handwerksmäßige Arbeiten verrichten (Lehrgesellen)”.
Zur Lehrgesellentätigkeit im Sinne dieser Tarifnorm gehört damit, daß der Arbeiter sowohl bei der Erteilung des theoretischen Unterrichts sowie mit der Unterweisung beim praktischen Unterricht beschäftigt wird und daneben handwerksmäßige Arbeiten verrichtet. Er muß somit auf allen diesen drei Einzelgebieten tätig sein. Diese Arbeiten müssen zeitlich mindestens die Hälfte der Gesamtarbeitszeit in Anspruch nehmen, wobei nicht erforderlich ist, daß die Unterrichtstätigkeit einen bestimmten Anteil der Arbeitszeit erreichen muß (vgl. BAG Urteil vom 27. November 1985 – 4 AZR 433/84 – AP Nr. 8 zu § 9 MTB II, dort noch abgestellt auf die überwiegende Arbeitszeit). Dabei wird die Zulage für die Dauer der Ausübung der Lehrgesellentätigkeit gezahlt. Nimmt die Tätigkeit zeitlich weniger als die Hälfte der Gesamtarbeitszeit in Anspruch, entfällt die Zulage.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß der Kläger auch nach der vorübergehenden Übertragung der Tätigkeit eines Lehrmeisters weiter Lehrgesellentätigkeit ausübt. Der Kläger hat allerdings in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am 22. Mai 1997 auf der Grundlage einer detaillierten Tätigkeitsbeschreibung unter Berücksichtigung der ausgewiesenen Zeitanteile erklärt, daß der zeitliche Anteil der Lehrgesellentätigkeit von ihm auf 20 bis 25 % geschätzt wird. Dies reicht für einen Anspruch auf die Lehrgesellenzulage gemäß § 4 TV LohngrV nicht aus. Der Entzug der Lehrgesellenzulage ab dem 25. Mai 1995 war daher rechtlich nicht zu beanstanden. Da die Lehrgesellenzulage auch nicht zum allgemeinen Lohnstand zählt (vgl. BAG Urteil vom 27. November 1985, aaO), trat durch die Übertragung der höherwertigen Tätigkeit und dem damit verbundenen rechtlich möglichen Teilentzug der Lehrgesellentätigkeit keine Verschlechterung des allgemeinen Lohnstandes ein.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91, § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Freitag, Dr. Jobs, Hauck, Bacher, Peters
Fundstellen
Haufe-Index 2629071 |
ZTR 1998, 513 |