Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergütung von Feiertagen - Freischichtenmodell
Orientierungssatz
1. Nach § 1 Abs 1 Satz 1 FeiertagslohnzahlungsG ist für die Arbeitszeit, die infolge eines gesetzlichen Feiertages ausfällt, vom Arbeitgeber den Arbeitnehmern der Arbeitsverdienst zu zahlen, den sie ohne den Arbeitsausfall erhalten hätten.
2. Der Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer in der eisen- und metallerzeugenden und -verarbeitenden Industrie im Lande Rheinland-Pfalz idF vom 12.12.1984 hat die Festlegung der Arbeitszeit rechtswirksam den Betriebspartnern übertragen.
Normenkette
TVG § 1; FeiertLohnzG § 1
Verfahrensgang
LAG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 20.10.1986; Aktenzeichen 7 Sa 321/86) |
ArbG Kaiserslautern (Entscheidung vom 18.02.1986; Aktenzeichen 1 Ca 1530/85) |
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger die an sieben Wochenfeiertagen in den Monaten April bis Juni 1985 ausgefallene Arbeitszeit mit 8 oder 7,7 Stunden je Tag zu vergüten hat. Der Kläger ist bei der Beklagten als Handformer beschäftigt. Die Parteien sind aufgrund ihrer Organisationszugehörigkeit tarifgebunden. Seit dem 1. April 1985 gilt für das Arbeitsverhältnis der Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer in der eisen- und metallerzeugenden und -verarbeitenden Industrie im Lande Rheinland-Pfalz vom 9. September 1959 i. d. F. vom 12. Dezember 1984 (MTV). Dieser Tarifvertrag enthält im Abschnitt II zur Arbeitszeit folgende Regelungen:
Allgemeine Bestimmungen über Arbeitszeit
1. Die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit ohne Pausen beträgt 38,5 Stunden.
Die Arbeitszeit im Betrieb wird im Rahmen des Volumens, das sich aus der für den Betrieb festgelegten wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden im Durchschnitt aller Vollzeitbeschäftigten ergibt, durch Betriebsvereinbarung geregelt. Dabei können für Teile des Betriebes, für einzelne Arbeitnehmer oder für Gruppen von Arbeitnehmern unterschiedliche wöchentliche Arbeitszeiten festgelegt werden.
Die individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit kann zwischen 37 und 40 Stunden (Vollzeitbeschäftigte) betragen. Sie ist den Arbeitnehmern in betriebsüblicher Weise bekanntzugeben.
Die Spanne zwischen 37 und 40 Stunden soll angemessen ausgefüllt werden. Dabei sind die betrieblichen Bedürfnisse zu berücksichtigen.
Wenn keine andere Regelung getroffen wird, beträgt für Vollzeitbeschäftigte die regelmäßige tägliche Arbeitszeit bis zu 8 Stunden.
Vom 1. April 1985 an teilt der Arbeitgeber dem Betriebsrat jeweils monatlich die Zahl der Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen Wochenarbeitszeit zwischen 37 und 40 Stunden und den sich daraus ergebenden Durchschnitt der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit im Betrieb mit.
Weicht der Durchschnitt von 38,5 Stunden ab, so ist mit dem Betriebsrat eine Anpassung unverzüglich zu vereinbaren. ...
2. Die Verteilung der Arbeitsstunden sowie Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen werden mit dem Betriebsrat festgelegt.
Die individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit kann gleichmäßig oder ungleichmäßig auf 5 Werktage (Montag bis Freitag) verteilt werden. Eine davon abweichende Verteilung kann nach Maßgabe der betrieblichen Erfordernisse mit dem Betriebsrat vereinbart werden. Die wöchentliche Arbeitszeit muß im Durchschnitt von 2 Monaten erreicht werden.
Von den 2 Monaten kann mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien abgewichen werden, wenn dies wegen der vollkontinuierlichen Betriebsweise oder kontinuierlichen Arbeitsweise erforderlich ist. ...
3. Aus Anlaß der Neufestsetzung der Arbeitszeit wird die Auslastung der betrieblichen Anlagen und Einrichtungen nicht vermindert. Bei einer Differenz zwischen Betriebsnutzungszeit und der Arbeitszeit für die einzelnen Arbeitnehmer kann der Zeitausgleich auch in Form von freien Tagen erfolgen. Dabei muß zur Vermeidung ..."
Zwischen der Beklagten und ihrem Betriebsrat wurde am 12. März 1985 eine Betriebsvereinbarung über die Arbeitszeit abgeschlossen. In dieser Betriebsvereinbarung ist, soweit es für den vorliegenden Rechtsstreit interessiert, über die Arbeitszeit folgendes bestimmt:
"§ 2 Arbeitszeit
- Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit
ohne Pause beträgt weiterhin 40 Stunden
pro Woche.
- Der Ausgleich zur tariflichen wöchentlichen
Arbeitszeit von 38,5 Stunden wird in Form
von ganzen Tagen genommen. Für 1985 - 6 Tage
und für 1986 - 9 Tage.
- Ein Zeitguthaben entsteht nicht bei Krankheit
und unbezahlter Freistellung. Sollten die Ta-
rifparteien hierzu eine andere Regelung tref-
fen, oder die Rechtsprechung allgemein eine
andere Meinung vertreten, schließt sich die
Firma H & M dem unverzüglich an.
- Die freien Tage müssen bis zum Ende des Kalen-
derjahres abgebaut sein. Sie werden aus be-
triebsbedingten Gründen zwischen der Betriebs-
leitung in Absprache mit dem Gruppenführer und
dem einzelnen Mitarbeiter von Fall zu Fall fest-
gelegt. Persönliche Wünsche sind angemessen zu
berücksichtigen.
- Freie Tage müssen eingehalten und können nicht
durch Bezahlung abgegolten werden.
- Die Vergütung für Zeitguthaben wird an freien
Tagen verrechnet, um ein gleichmäßiges Monats-
einkommen zu erreichen."
Die Beklagte hat für sieben Wochenfeiertage dem Kläger die Vergütung für jeweils 7,7 Stunden gewährt. Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Beklagte müsse die ausgefallene Arbeitszeit von 8 Stunden vergüten. Er hat den der Höhe nach unstreitigen Unterschiedsbetrag von 35,97 DM brutto im vorliegenden Verfahren geltend gemacht. Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, der Kläger erhalte für den Feiertag 8 Stunden vergütet. 7,7 Stunden habe sie nach § 2 letzter Absatz der Betriebsvereinbarung wie für jeden geleisteten Arbeitstag bezahlt. Die Vergütung für 0,3 Stunden werde entsprechend der getroffenen Regelung angespart und als Entgelt an den festgelegten freien Tagen ausgezahlt.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen. Mit der Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
Dem Kläger steht nach § 1 Abs. 1 Satz 1 FeiertagslohnzahlungsG für die an den Wochenfeiertagen ausgefallene Arbeitszeit die Vergütung für jeweils 8 Stunden zu.
I. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 FeiertagslohnzahlungsG ist für die Arbeitszeit, die infolge eines gesetzlichen Feiertages ausfällt, vom Arbeitgeber den Arbeitnehmern der Arbeitsverdienst zu zahlen, den sie ohne den Arbeitsausfall erhalten hätten. Zweck dieser gesetzlichen Regelung ist sicherzustellen, daß der Arbeitnehmer bei einem durch einen Feiertag bedingten Arbeitsausfall keinen Lohnausfall erleidet. Er wird lohnmäßig so gestellt, als ob kein Feiertag gewesen wäre. Das bedeutet, daß der Arbeitnehmer in einer Woche mit einem Feiertag bei gleichbleibender Entlohnung einen Tag weniger arbeitet als in einer Woche ohne Feiertag (BAGE 18, 213, 215 = AP Nr. 20 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG, zu 1 der Gründe). Dabei ist entscheidend allein die für das einzelne Arbeitsverhältnis maßgebende Arbeitszeitregelung, die für den Feiertag gegolten hätte, wenn dieser ein Arbeitstag gewesen wäre. Auf die Möglichkeit, einen Verdienstausfall dadurch zu vermeiden, daß am Feiertag ausgefallene Arbeitszeit vor- oder nachgearbeitet wird, darf der Arbeitnehmer nicht verwiesen werden (BAGE 19, 92, 95 = AP Nr. 21 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG, zu 3 b der Gründe; BAGE 42, 324, 327 = AP Nr. 39 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG, zu I 2 der Gründe m.w.N.). Diesen Gesichtspunkt läßt Buchner (BB 1988, 1245, 1248) außer acht, wenn er meint, dem Feiertagslohnzahlungsgesetz würde dadurch genügt, daß der Arbeitnehmer den Ausgleich für die fehlenden 0,3 Stunden durch entsprechend zeitliches Hinausschieben der Freischicht, d.h. die entsprechende Gelegenheit zu vergüteter Tätigkeit wieder hereinholen könne. Nach der Rechtsprechung ist andererseits erforderlich, daß der Feiertag die alleinige Ursache für den Arbeitsausfall gewesen ist (BAGE 38, 255, 257 = AP Nr. 36 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG, zu 2 der Gründe). Jedoch kann der Arbeitgeber sich der gesetzlichen Verpflichtung aus § 1 FeiertagslohnzahlungsG nicht dadurch entziehen, daß er für den Feiertag von vornherein keine Arbeit einplant (BAG Urteil vom 26. März 1985 - 3 AZR 239/83 - AP Nr. 47 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG, zu I 1 der Gründe).
II. Auf der Grundlage der vorstehend wiedergegebenen Rechtsprechung zur Auslegung des § 1 Abs. 1 Satz 1 FeiertagslohnzahlungsG steht dem Kläger für die von April bis Juni 1985 an sieben Wochenfeiertagen ausgefallene Arbeitszeit die Bezahlung für je 8 Stunden zu. Dies ergibt sich im einzelnen aus folgenden Erwägungen:
1. Die Dauer der vom Kläger einzuhaltenden Arbeitszeit ergibt sich aus der Betriebsvereinbarung vom 12. März 1985. Danach galt für ihn eine individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 38,5 Stunden. Zugleich war jedoch festgelegt, daß die Arbeitszeit weiterhin von Montag bis Freitag täglich 8 Stunden und wöchentlich 40 Stunden beträgt.
Diese Festlegung der Arbeitszeit konnte durch die Betriebspartner wirksam getroffen werden, weil der Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer in der eisen- und metallerzeugenden und -verarbeitenden Industrie im Lande Rheinland-Pfalz i.d.F. vom 12. Dezember 1984 die Festlegung der Arbeitszeit rechtswirksam den Betriebspartnern übertragen hat. Hierzu verweist der Senat auf den Beschluß des Ersten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 18. August 1987 - 1 ABR 30/86 - (AP Nr. 23 zu § 77 BetrVG 1972, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt), dem er sich schon in seinem Urteil vom 2. Dezember 1987 - 5 AZR 602/86 - (DB 1988, 1224 = NZA 1988, 538, auch zur Aufnahme in die Amtliche Sammlung bestimmt) angeschlossen hatte (zustimmend ebenfalls der Achte Senat in dem Urteil vom 7. Juli 1988 - 8 AZR 198/88 - AP Nr. 23 zu § 11 BUrlG, zur Aufnahme in die Amtliche Sammlung bestimmt).
Der Manteltarifvertrag erlaubt die Festlegung der Arbeitszeit so, wie es durch die Betriebsvereinbarung vom 12. März 1985 geschehen ist. Aus § 2 Ziff. 1 in Verb. mit § 2 Ziff. 3 MTV ergibt sich, daß die individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit zwischen 37 und 40 Stunden betragen kann, die Auslastung der betrieblichen Anlagen und Einrichtungen aus Anlaß der Neufestsetzung der Arbeitszeit nicht vermindert wird und bei einer Differenz zwischen Betriebsnutzungszeit und der Arbeitszeit für die einzelnen Arbeitnehmer der Zeitausgleich auch in Form von freien Tagen erfolgen kann.
2. Daraus folgt, daß für den Kläger ab dem 1. April 1985 eine tägliche Arbeitszeit von 8 Stunden und eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden verbindlich waren. An den sieben Feiertagen von April bis Juni 1985 hätte der Kläger ebenfalls eine Arbeitszeit von 8 Stunden ableisten müssen. An diesen Tagen hat der Kläger nur deshalb nicht gearbeitet, weil es sich um gesetzliche Wochenfeiertage handelte. Das ist zwischen den Parteien unstreitig. Die Beklagte hat sich deshalb für verpflichtet angesehen, die Vergütung für diese Tage zu zahlen. Sie hat aber zu Unrecht den Lohn nur für 7,7 Stunden gewährt. Der Kläger hätte an allen sieben Tagen eine Arbeitszeit von 8 Stunden gehabt. Diese Arbeitszeit ist durch den Feiertag ausgefallen und von der Beklagten zu entgelten. Zu den allgemeinen Einwendungen gegen die Ansicht, daß der Feiertag mit der ausgefallenen Arbeitszeit zu vergüten ist, verweist der Senat auf seine Ausführungen in dem zur Veröffentlichung bestimmten Urteil vom 14. Dezember 1988 - 5 AZR 692/87 -.
III. Den Anspruch, die an den Feiertagen ausgefallene Arbeitszeit mit je 8 Stunden zu vergüten, hat die Beklagte nicht erfüllt. Sie hat geltend gemacht, wegen eines Anteils von 0,3 Stunden je Feiertag gewähre sie dem Kläger bezahlte Freizeit. Damit erhalte der Kläger letztlich für den Feiertag ebenso wie für die geleisteten Arbeitstage die Bezahlung für 8 Stunden. Eine dahingehende Feststellung läßt sich jedoch nicht treffen und ist auch vom Landesarbeitsgericht nicht belegt worden.
1. Nach der Festlegung der Zahl der freien Tage für das Jahr 1985 kann nicht davon ausgegangen werden, daß für die an den Feiertagen ausgefallene Arbeitszeit 0,3 Stunden gutgebracht wurden. Die Beklagte müßte Feiertage und Urlaubstage hinsichtlich der jeweils unbezahlt gebliebenen 0,3 Stunden durch entsprechende bezahlte Freizeit ausgleichen. Für die Ermittlung der freien Tage könnten dann auf das Jahr berechnet nur die Samstage und Sonntage unberücksichtigt bleiben. Für 261 Tage zu je 0,3 Stunden ergäbe sich dann ein Freizeitguthaben von 78,3 Stunden. Geht man von 7,7 Stunden täglicher Arbeitszeit aus, so ergeben sich daraus 10,16 freie Tage. Die Betriebsvereinbarung sieht jedoch für das Jahr 1985 nur neun freie Tage vor. Daraus folgt, daß für Feiertage und Urlaubstage kein bezahltes Freizeitguthaben in die Berechnung der freien Tage eingeflossen ist. Das wird auch aus der Rechnung des Landesarbeitsgerichts deutlich, das lediglich die tatsächlich gearbeiteten Arbeitstage (211) in Ansatz bringt, um das Freizeitguthaben zu errechnen, dann allerdings nur auf 63,3 Stunden oder 8,22 Tage kommt, die mit dem entsprechenden Entgelt zum Ausgleich erforderlich seien.
2. Unter diesen Umständen kann dahingestellt bleiben, ob und inwieweit die von der Beklagten in Anspruch genommene Regelung auch deshalb dem Begehren des Klägers nicht entgegengesetzt werden kann, weil Freizeitguthaben nach der tariflichen Regelung nur aus tatsächlich erbrachter Arbeitsleistung entstehen (vgl. dazu das zur Veröffentlichung bestimmte Urteil vom 14. Dezember 1988 - 5 AZR 692/87 - zu einer gleichlautenden tariflichen Regelung).
Dr. Thomas Dr. Gehring Dr. Olderog
Dr. Florack Buschmann
Fundstellen