Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifliche Wechselschichtzulage im Pflegedienst
Normenkette
BAT §§ 33a, 15 Abs. 8 Unterabs. 7; BAT SR 2a Nr. 8
Verfahrensgang
LAG Hamburg (Urteil vom 25.02.1993; Aktenzeichen 7 Sa 80/92) |
ArbG Hamburg (Teilurteil vom 31.08.1992; Aktenzeichen 6 Ca 42/92) |
Tenor
1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hainburg vom 25. Februar 1993 – 7 Sa 80/92 – wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten der Revision.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Zahlung einer Wechselschichtzulage für den Zeitraum von Oktober 1989 bis einschließlich September 1991.
Die Klägerin ist als Krankenpflegekraft im Universitätskrankenhaus E. der Beklagten beschäftigt; sie arbeitet seit dem 1. Oktober 1989 mit der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Angestellten im Schichtdienst. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Vorschriften des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) und die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in der für die Beklagte geltenden Fassung kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung Anwendung.
Die Klägerin hat im streitigen Zeitraum von 24 Monaten an 466 Arbeitstagen 76 Nachtschichten mit je 10 Stunden (760 Stunden), 73 Frühschichten mit je 8 Stunden (584 Stunden) und 71 Spätdienste mit je 8 Stunden (568 Stunden) geleistet. Dabei war sie nach einem Schichtplan eingesetzt, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Schichten rund um die Uhr vorsah. Die Parteien sind sich einig, daß die Klägerin durchschnittlich in je fünf Wochen mindestens 40 Stunden Nachtschicht sowie 31,3 Stunden in der Frühschicht und 30,5 Stunden in der Spätschicht abgeleistet hat.
Die Klägerin verlangt die Zahlung der tarifvertraglichen Wechselschichtzulage nach Nr. 8 der SR 2 a BAT bis zum 31. März 1991 und ab 1. April 1991 nach § 33 a BAT in der Höhe von monatlich 150,– DM bis einschließlich Dezember 1990 und 200,– DM ab 1. Januar 1991; insgesamt 4.050,– DM (15 Monate × 150,– DM und 9 Monate × 200,– DM).
Die Vorschrift der SR 2 a Nr. 8 BAT hatte – soweit von Bedeutung – folgenden Wortlaut:
„Zu § 33 – Zulagen –
(1) Die Angestellten im Pflegedienst … erhalten eine Wechselschicht- oder Schichtzulage nach Maßgabe der Absätze 2 bis 4.
(2) Der Angestellte, der ständig nach einem Schichtplan (Dienstplan) eingesetzt ist, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten (§ 15 Abs. 8 Unterabs. 6 Satz 2) vorsieht, und der dabei in je fünf Wochen durchschnittlich mindestens 40 Arbeitsstunden in der dienstplanmäßigen oder betriebsüblichen Nachtschicht leistet, erhält eine Wechselschichtzulage.
(3) Der Angestellte, der ständig Schichtarbeit (§ 15 Abs. 8 Unterabs. 7) zu leisten hat, erhält eine Schichtzulage, wenn
er nur deshalb die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht erfüllt,
aa) …
bb) weil er durchschnittlich mindestens 40 Arbeitsstunden in der dienstplanmäßigen oder betriebsüblichen Nachtschicht nur in je sieben Wochen leistet,
- …
(4) Die Wechselschichtzulage beträgt 150,– DM monatlich. Die Schichtzulage beträgt in den Fällen des
a) Absatzes 3 Buchst. a) 120,– DM … monatlich.”
§ 33 a BAT lautet wie folgt:
„Wechselschicht- und Schichtzulagen
(1) Der Angestellte, der ständig nach einem Schichtplan (Dienstplan) eingesetzt ist, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten (§ 15 Abs. 8 Unterabs. 6 Satz 2) vorsieht, und der dabei in je 5 Wochen durchschnittlich mindestens 40 Arbeitsstunden in der dienstplanmäßigen oder betriebsüblichen Nachtschicht leistet, erhält eine Wechselschichtzulage von 200,– DM monatlich.
(2)…”
§ 15 Abs. 8 Unterabs. 6 BAT bestimmt:
„Wechselschichtarbeit ist die Arbeit nach einem Schichtplan (Dienstplan), der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten vorsieht, bei denen der Angestellte durchschnittlich längstens nach Ablauf eines Monats erneut zur Nachtschicht (Nachtschichtfolge) herangezogen wird. Wechselschichten sind wechselnde Arbeitsschichten, in denen ununterbrochen bei Tag und Nacht, werktags, sonntags und feiertags gearbeitet wird.”
Die Beklagte hat zunächst ihre Zahlungspflicht in Höhe von 1.440,– DM anerkannt. Dabei ist sie davon ausgegangen, daß sie monatlich eine Schichtzulage in Höhe von 120,– DM brutto zu zahlen habe, wobei der Klägerin allerdings als teilzeitbeschäftigter Halbtagskraft lediglich 60,– DM monatlich zustünden. Insoweit ist die Beklagte durch Anerkenntnisurteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 6. Mai 1992 (– 6 Ca 42/92 –) zur Zahlung von 1.440,– DM brutto nebst Zinsen verurteilt worden. Das Landesarbeitsgericht hat der Klägerin weitere 2.610,– DM zuerkannt. Die Beklagte wendet sich in der Revision gegen diese Verurteilung insoweit, als sie die Zahlungspflicht in Höhe von weiteren 1.440,– DM brutto nebst Zinsen überschreitet (also 1.170,– DM). Sie legt dabei die Rechtsprechung des Senats zugrunde wonach auch Teilzeitkräfte die Schichtzulage in voller Höhe beanspruchen können.
Die Klägerin ist der Auffassung, ihr stehe die volle tarifliche Wechselschichtzulage zu. Sie arbeite mindestens 40 Arbeitsstunden in der dienstplanmäßigen oder betriebsüblichen Nachtschicht.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte über das Anerkenntnisurteil vom 6. Mai 1992 hinaus zur Zahlung weiterer 2.610,– DM brutto zuzüglich 4 % Zinsen seit dem 1. Dezember 1991 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Zahlungsklage über das Anerkenntnisurteil vom 6. Mai 1992 hinaus in vollem Umfange abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, der Klägerin stehe die Wechselschichtzulage nach § 33 a Abs. 1 BAT nicht zu; sie werde nicht gleichmäßig in den verschiedenen Schichten eingesetzt, da sie weniger als 40 Stunden in je fünf Wochen in den Früh- und Spätschichten geleistet habe.
Mit ihrer Revision erstrebt die Beklagte die Aufhebung des Urteils des Berufungsgerichts insoweit, als es die Beklagte – über das Anerkenntnisurteil vom 6. Mai 1992 hinaus – zur Zahlung von mehr als 1.440,– DM brutto verurteilt hat und die Klage in diesem Umfang abzuweisen. Die Klägerin bittet, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Die Klägerin hat für die Zeit von Oktober 1989 bis einschließlich September 1991 einen Anspruch auf Zahlung der Wechselschichtzulage nach Nr. 8 SR 2 a (bis zum 31. März 1991) bzw. § 33 a BAT (ab 1. April 1991) in Höhe von monatlich 150,– DM (bis zum 31. Dezember 1990) bzw. 200,– DM (ab 1. Januar 1991), also für 15 Monate in Höhe von je 150,– DM und für neun Monate in Höhe von je 200,– DM, so daß ihr insgesamt 4.050,– DM brutto zustehen. Abzüglich der durch Teilanerkenntnisurteil vom 6. Mai 1992 des Arbeitsgerichts Hamburg (– 6 Ca 42/92 –) bereits zugesprochenen 1.440,– DM stehen der Klägerin daher – wie das Landesarbeitsgericht zutreffend entschieden hat – weitere 2.610,– DM brutto zu.
1. Keine Bedenken bestehen gegen die Zulässigkeit der Revision. Zwar hat die Beklagte gegen das am 25. Februar 1993 verkündete Urteil des Landesarbeitsgerichts mit den Schriftsätzen vom 22. Februar 1994 und 25. Mai 1994 zweifach Revision eingelegt. Da eine Partei von einem Rechtsmittel innerhalb offener Rechtsmittelfrist mehrfach Gebrauch machen kann und eine wirksame Revisionseinlegung vorliegt, wenn ein Rechtsmittel den gesetzlichen Zulässigkeitserfordernissen genügt (BAG Urteil vom 16. August 1991 – 2 AZR 241/90 – AP Nr. 2 zu § 15 SchwbG 1986), sind die weiteren Rechtsmittelschriftsätze, durch die das Rechtsmittel nochmals eingelegt worden ist, gegenstandslos. Es ist nur ein Rechtsmittel anhängig (BAG, a.a.O.; BAG Beschluß vom 13. September 1972, BAGE 24, 432 = AP Nr. 8 zu § 519 b ZPO).
2. In der Sache bleibt die Revision der Beklagten jedoch ohne Erfolg. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht ausgeführt, die Klägerin erfülle die Voraussetzungen für die Zahlung der beanspruchten Wechselschichtzulage. Sie werde nach einem Schichtplan eingesetzt, durch den ihr Arbeitszeiten rund um die Uhr in den Früh-, Spät- und Nachtschichten zugewiesen würden. Der Schichtplan sehe einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten vor, wobei die Klägerin durchschnittlich längstens nach Ablauf eines Monats erneut zur Nachtschicht herangezogen werde. Die Klägerin habe in der Regel in je fünf Wochen durchschnittlich mindestens 40 Arbeitsstunden in der Nachtschicht geleistet.
Das Landesarbeitsgericht hat damit zutreffend die tariflichen Voraussetzungen für den Anspruch auf Zahlung der Wechselschichtzulage bejaht.
3. Soweit die Beklagte vorträgt, der Klägerin stehe die Wechselschichtzulage nicht zu, weil sie nicht gleichmäßig in den verschiedenen Schichten eingesetzt sei und insbesondere in jeweils fünf Wochen weniger als 40 Stunden in den Früh- und Spätschichten geleistet habe, führt das zu keiner anderen Beurteilung.
a) Nach der Rechtsprechung des Senats ist ein annähernd gleichmäßiger Einsatz des Angestellten in den verschiedenen Schichten nicht Voraussetzung für die Zahlung der Wechselschichtzulage. Der Senat hat dies in seinem Urteil vom 13. Oktober 1993 (– 10 AZR 294/92 – AP Nr. 2 zu § 33 a BAT) ausgeführt und im einzelnen begründet sowie in späteren Entscheidungen vom 18. Mai 1994 (– 10 AZR 391/93 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen) und vom 14. September 1994 (– 10 AZR 598/93 – n.v.) bestätigt. Dabei ist der Senat davon ausgegangen, daß ein solches Erfordernis im BAT keine Stütze findet. Ausgehend vom Wortlaut des BAT und dem wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien, wie er in den tariflichen Regelungen seinen Niederschlag gefunden hat, ergebe sich, daß der BAT in den §§ 33 a und 15 einen – wenn auch nur annähernd – gleichmäßigen Einsatz des Angestellten in den verschiedenen Schichtdiensten nicht verlange. Auch vom Sinn und Zweck der tariflichen Regelung her sei ein gleichmäßiger Einsatz des Angestellten nicht erforderlich. Soweit in der Kommentarliteratur davon ausgegangen werde, die Heranziehung des Angestellten zu allen Schichten müsse in etwa gleichgewichtig sein (Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, BAT, Stand August 1994, § 33 a Erl. 2; Uttlinger/Breier/Kiefer/Hofmann, BAT, Stand Dezember 1994, § 33 a Erl. 2; Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr, BAT, Stand Dezember 1994, § 33 a Rz 7) könne das weder dem Begriff der Wechselschichtarbeit noch dem Sinn und Zweck der tariflichen Regelung in § 33 a BAT entnommen werden. Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht von dieser Rechtsprechung, an der der Senat festhält, ausgegangen.
b) Außerdem erfüllt die Klägerin auch das Erfordernis eines annähernd gleichmäßigen Einsatzes in allen Schichten. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, an die der Senat gemäß § 561 Abs. 2 ZPO gebunden ist, hat die Klägerin im streitigen Zeitraum 76 Nachtdienste mit insgesamt 760 Stunden, 73 Frühschichten mit insgesamt 584 Stunden und 71 Spätdienste mit insgesamt 568 Stunden geleistet, sie war damit zu 39,75 % ihrer Arbeitszeit in der Nachtschicht, zu 30,54 % in der Frühschicht und zu 29,71 % in der Spätschicht tätig. Dies entspricht einem annähernd gleichmäßigen Einsatz in den verschiedenen Schichten.
c) Für die weitere von der Beklagten angeführte Voraussetzung, daß der Angestellte auch in der Früh- und Spätschicht mindestens 40 Arbeitsstunden geleistet haben muß, bietet der Tarifvertrag keine Anhaltspunkte. Weder aus seinem Wortlaut, noch aus seinem Sinn und Zweck bzw. dem tarifvertraglichen Gesamt Zusammenhang läßt sich ein solches Erfordernis entnehmen. § 33 a Abs. 1 BAT schreibt lediglich für die Nachtschicht mindestens 40 Arbeitsstunden vor, für die übrigen Dienste sind Mindestarbeitsstunden nicht genannt. Ein solches Erfordernis entspricht auch nicht dem Sinn und Zweck der tariflichen Regelung. Mit der Wechselschichtzulage sollen die besonderen Erschwernisse durch den Wechsel der verschiedenen Arbeitsschichten abgegolten werden, wobei zusätzlich ein bestimmtes Volumen in der Nachtschicht tariflich vorgeschrieben wird. Dem entspricht es, wenn die Klägerin das vorgeschriebene Nachtdienstvolumen erfüllt und im übrigen regelmäßig in den anderen Schichten tätig ist. Daß darüber hinaus der Einsatz des Angestellten in den anderen Schichten (Früh- und Spätschicht) mindestens ebenfalls mit 40 Arbeitsstunden, wie der Einsatz in der Nachtschicht, erfolgen muß, ist daher weder dem Tarifvertrag zu entnehmen noch – wie das Landesarbeitsgericht ausgeführt hat – sachgemäß. Das zeigt sich schon daran, daß dann die Zahlung der Wechselschichtzulage von einer bestimmten Mindestarbeitszeit des Angestellten abhängig wäre, was sich dem BAT nicht entnehmen läßt.
Da die Vorinstanzen den Anspruch der Klägerin auf die Wechselschichtzulage damit zu Recht zuerkannt haben, erweist sich die Revision der Beklagten als unbegründet. Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der erfolglosen Revision zu tragen.
Unterschriften
Matthes, Dr. Freitag, Hauck, Brose, Paul
Fundstellen