Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung: Sozialarbeiter in der Suchtbehandlung (Adaption)

 

Leitsatz (redaktionell)

Keine Heraushebung der Tätigkeit durch ihre Bedeutung aus derjenigen der VergGr. IV b MTV Ang; Bestätigung der Rechtsprechung des Senats zur Eingruppierung von Sozialarbeitern mit ähnlicher Tätigkeit nach den gleichlautenden Tätigkeitsmerkmalen der Anlage 1 a zum BAT, vgl. zuletzt Urteil des Senats vom 18. Juni 1997 (– 4 AZR 764/95 – AP Nr. 38 zu §§ 22, 23 BAT Sozialarbeiter).

 

Normenkette

Protokollerklärung Nr. 5

 

Verfahrensgang

LAG Hamburg (Urteil vom 13.05.1996; Aktenzeichen H 7 Sa 37/94)

ArbG Hamburg (Urteil vom 14.04.1994; Aktenzeichen 15 Ca 182/93)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 13. Mai 1996 – H 7 Sa 37/94 – aufgehoben.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 14. April 1994 – 15 Ca 182/93 – abgeändert, soweit es der Klage stattgegeben hat:

Die Klage wird vollen Umfangs abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten nach der rechtskräftigen Teilabweisung der Klage durch das Arbeitsgericht noch darüber, ob der Kläger für die Zeit vom 1. Januar 1991 bis 31. Mai 1997 nach der VergGr. III des Manteltarifvertrages für die Angestellten der Mitglieder der Arbeitsrechtlichen Vereinigung Hamburg (MTV Ang) zu vergüten ist.

Der am 21. August 1952 geborene Kläger, seit dem 1. September 1978 staatlich anerkannter Sozialpädagoge, steht seit dem Jahre 1979 in den Diensten der Beklagten, einer Stiftung in Hamburg, die Trägerin von Einrichtungen zur Behandlung von Suchterkrankungen ist. Kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit richtet sich das Arbeitsverhältnis der Parteien nach dem MTV Ang und den diesen ergänzenden Tarifverträgen.

Der Kläger war zunächst in dem Fachkrankenhaus H. der Beklagten in H. tätig, das über 80 Plätze zur stationären Entwöhnungsbehandlung von Alkohol- und Medikamentenabhängigen verfügt, und erhielt anfangs Vergütung nach der VergGr. IV b MTV Ang. In der Zeit vom 18. Februar 1980 bis zum 25. Februar 1983 nahm der Kläger berufsbegleitend an der psychoanalytisch orientierten Weiterbildung zum Sozialtherapeuten teil. Diese vom Gesamtverband für Suchtkrankenhilfe im Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland, Kassel angebotene Ausbildung umfaßt theoretische und praktische Lerninhalte, die in insgesamt rund 600 Ausbildungsstunden vermittelt werden, von denen 330 auf den praktischen Teil entfallen. Er schloß diese Ausbildung am 28. Februar 1983 mit Erfolg ab. Seit dem 1. März 1983 erhielt er Vergütung nach der VergGr. IV a MTV Ang. Seit dem 16. September 1985 ist der Kläger als Sozialtherapeut in dem Sozialtherapeutischen Wohnheim J. (STWJ) der Beklagten in Hamburg tätig. Das Arbeitsverhältnis der Parteien richtet sich seitdem nach dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 3. September 1985, in dem die Parteien die Vergütung des Klägers nach der VergGr. IV a MTV Ang und die Anwendung der ohnehin kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit geltenden Tarifverträge vereinbart haben.

Bei dem STWJ handelt es sich seit 1979 um eine Einrichtung der stationären und ambulanten Nachsorge für suchtkranke Männer. Es ist die einzige Einrichtung dieser Art in Hamburg und als Einrichtung der ambulanten Nachsorge von den Landesversicherungsanstalten anerkannt, während das Verfahren über seine Anerkennung hinsichtlich der stationären Nachsorge/Adaption noch nicht abgeschlossen ist. Nach der Empfehlungsvereinbarung Ambulante Rehabilitation Sucht vom 29. Januar 1991 müssen in Einrichtungen zur Durchführung ambulanter Leistungen zur Rehabilitation auf dem Gebiet der Suchtkrankenarbeit qualifizierte und erfahrene Ärzte, Diplom-Psychologen und Sozialarbeiter/Sozialpädagogen regelmäßig und verantwortlich mitarbeiten (§ 5 Abs. 2). Mindestens drei therapeutische Mitarbeiter, in der Regel Diplom-Psychologen und Sozialarbeiter/Sozialpädagogen, müssen hauptamtlich in der Einrichtung tätig sein (§ 5 Abs. 3). Diese Therapeuten müssen eine geeignete Zusatzausbildung auf psychotherapeutischer Grundlage haben. Als Zusatzausbildung kommen für Therapeuten, die keine Ärzte sind, z.B. die Ausbildung zum Suchtkrankentherapeuten/Sozialtherapeuten, zum Gesprächspsychotherapeuten oder zum Verhaltenstherapeuten in Betracht (§ 5 Abs. 4).

Das therapeutische Personal des STWJ besteht aus sechs Sozialtherapeuten (einschließlich des nach der VergGr. IV a/III MTV Ang vergüteten Heimleiters) und einer auf Honorarbasis mit zwölf Wochenstunden beschäftigten Psychologin. Die notwendige ärztliche Versorgung der Klienten erfolgt durch konsiliarische Mitarbeit einer Ärztin des Fachkrankenhauses H. sowie durch Hinzuziehung niedergelassener Fachärzte.

In die stationäre Behandlung werden suchtkranke Männer, die eine stationäre Entwöhnungsbehandlung abgeschlossen haben, aufgenommen. Bei den Suchtbildern handelt es sich hauptsächlich um Alkoholismus, daneben um Medikamentenabhängigkeit und Glücksspielsucht. Nicht aufgenommen werden Männer, die von illegalen Drogen abhängig sind. Insgesamt verfügt das STWJ über 28 stationäre Therapieplätze. Die durchschnittliche Aufenhaltsdauer der stationären Behandlung liegt bei 9,3 Monaten.

Das Angebot der ambulanten Behandlung richtet sich zum einen an Klienten, die nach Beendigung des stationären Aufenthalts im STWJ einer Anschlußbehandlung bedürfen, sowie an solche, die nach Abschluß einer stationären Entwöhnungsbehandlung soweit sozial eingebunden sind, daß zur Stabilisierung der Abstinenz eine ambulante Therapie ausreicht. Die ambulant behandelten Klienten können an sämtlichen Angeboten und Aktivitäten des Hauses teilnehmen.

Zielsetzung und Inhalt der Therapiearbeit im STWJ sind in dessen Konzept aus September 1993 wie folgt beschrieben: Zielsetzung der Arbeit ist die Befähigung der Klienten zur selbständigen, abstinenten Lebensweise. Erreicht werden soll dies durch ein integriertes Angebot von Therapie sowie Beratung, Begleitung und Unterstützung bei der Bewältigung administrativer Schwierigkeiten, der Freizeitgestaltung sowie dem Gemeinschaftsleben der Klienten. Das Bezugstherapeutensystem unterstützt diesen integrativen Ansatz. Die Behandlung der Klienten erfolgt in Einzel- und Gruppentherapie. Die unterschiedlichen Therapieausbildungen der Therapeuten ermöglichen eine differenzierte Behandlung der Klienten. Zusätzlich finden Beratungsgespräche statt, die ausschließlich Fragen der Lebensbewältigung beinhalten. Im einzelnen sind hier Sozialhilfeerklärung und Korrespondenz mit Gerichten und Arbeitsämtern zu nennen. Einen weiten Raum in der Beratung nehmen die z. T. beträchtlichen Schulden der Klienten ein.

Der Schwerpunkt der Tätigkeit des Klägers in der Zeit vom 16. September 1985 bis zum 31. Mai 1997 lag im sozialen und psychotherapeutischen Bereich. Seine Aufgabe bestand darin, im Wege der analytischen Vorgehensweise die ihm zugewiesenen Klienten zu betreuen. Zunächst werden ein Aufnahmegespräch mit diesen durchgeführt und aufgrund dessen und der sich daraus ergebenden Diagnose ein Behandlungsplan erstellt, dem sich dann entweder eine Einzel- oder Gruppentherapie anschließt. Bei Bedarf werden Kriseninterventionen vorgenommen.

Streitig ist zwischen den Parteien, ob die therapeutische Tätigkeit des Klägers rund 70 % seiner Gesamtarbeitszeit ausfüllte, wie er u.a. gestützt auf einen Stellenbeschreibungsentwurf des früheren Heimleiters L. vom 21. Januar 1992 behauptet.

In Zeiten, in denen der Heimleiter und dessen Stellvertreter abwesend waren, übernahm der Kläger die Funktion des diensthabenden Therapeuten. Dessen Aufgaben sind in der von dem früheren Heimleiter L. gefertigten Arbeitsplatzbeschreibung aus April 1982 dargestellt.

Der Kläger hat zunächst die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten erstrebt, ihn ab 1. Januar 1992 nach der VergGr. II a, hilfsweise III MTV Ang zu vergüten. Er hat diese Ansprüche mit Schreiben vom 30. Juni 1992 und 17. September 1992 erfolglos gegenüber der Beklagten geltend gemacht. Im Verlaufe des ersten Rechtszuges hat er in seine Feststellungsklage das Jahr 1991 einbezogen.

Der Kläger, der am 1. Juni 1997 zum Leiter des STWJ bestellt worden ist und seitdem Vergütung nach der VergGr. III MTV Ang erhält, hat die Auffassung vertreten, seine gesamte – frühere – Tätigkeit habe einen einheitlichen Arbeitsvorgang gebildet. Seine Tätigkeit habe – nur dies ist hier noch von Interesse – den Anforderungen der VergGr. III Fallgr. 6/VergGr. IV a Fallgr. 15 der Anlage 1 a zum MTV Ang entsprochen.

Die Erfüllung der Anforderung der besonderen Schwierigkeit durch seine – frühere – Tätigkeit hat der Kläger damit begründet, daß er Suchtmittel-Abhängige nicht im Sinne der Protokollerklärung Nr. 5 Buchst. a beraten, sondern diese behandelt habe. Die Beratung beschränke sich auf die Aufnahme der Problemkonstellation, die Analyse der Bedingungen für Abhängigkeit und die Entwicklung von Bewältigungsstrategien bzw. die Information darüber, an welche Personen, Stellen und Institutionen sich der Abhängige wenden könne. Demgegenüber sei der Behandlungsbegriff wesentlich weiter und umfasse die Planung, Organisierung und Durchführung von Heilungsmaßnahmen, mit welchen der Klient dauerhaft zu einer abstinenten Lebensführung befähigt werden solle. Dessen Behandlung erfolge auf der Grundlage eines wissenschaftlich begründeten Therapiekonzepts. Sie lasse sich vergleichen mit der Tätigkeit, welche üblicherweise von Psychotherapeuten und Medizinern verrichtet werde. Von fachlich ganz erheblich höheren Anforderungen an seine – frühere – Tätigkeit sei bereits deswegen auszugehen, weil die von ihm abgeschlossene dreijährige Zusatzausbildung zum Sozialtherapeuten für ihre Ausübung notwendig gewesen sei und als Einstellungsvoraussetzung für das STWJ von der Beklagten gefordert werde.

Seine Tätigkeit habe sich auch durch ihre Bedeutung aus der VergGr. IV b Fallgr. 16 MTV Ang herausgehoben, da er eine eigenständige Behandlung durchgeführt und somit direkten Einfluß auf den therapeutischen Prozeß und das Behandlungsergebnis gehabt habe. Seine Tätigkeit habe nicht nur Auswirkungen auf den Betroffenen selbst gehabt, sondern auf dessen gesamte Familie, den Arbeitsbereich, die Versichertengemeinschaft und die Gesellschaft. Auch die öffentliche Förderung des STWJ durch die Stadt Hamburg (Drucks. 11/2785 vom 31. Juli 1984 S. 21) spreche für die gesteigerte Bedeutung der von ihm ausgeübten Tätigkeit.

Der Kläger hat sinngemäß beantragt:

  1. Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger mit Wirkung ab 1. Januar 1991 Vergütung nach der VergGr. II a MTV Ang zu zahlen;

    hilfsweise,

    es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger mit Wirkung ab 1. Januar 1991 Vergütung nach der VergGr. III MTV Ang zu zahlen.

  2. Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, die sich aus den VergGr. IV a sowie II a bzw. III MTV Ang ergebenden Vergütungsdifferenzen mit 4 % p.a. ab Rechtshängigkeit und dann jeweils folgender Fälligkeit zu verzinsen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, die Tätigkeit des Klägers habe aus vielen Arbeitsvorgängen bestanden. Dann aber ergebe sich, daß der Anfall der Tätigkeiten des Klägers, die die Anforderungen der besonderen Schwierigkeit und Bedeutung erfüllt hätten, jedenfalls unter 50 % seiner Gesamtarbeitszeit gelegen hätten. Der Kläger sei daher bis zum 31. Mai 1997 zutreffend nach der VergGr. IV a MTV Ang vergütet worden. Seine – frühere – Tätigkeit sei im Vergleich zu anderen sozialtherapeutischen Tätigkeiten nicht als besonders schwierig und bedeutungsvoll anzusehen. Vielmehr gehöre es zum Berufsbild eines Sozialpädagogen, sich mit Menschen zu befassen, die sich in schwierigen Lebenssituationen befänden. Dieser generelle Maßstab treffe auch auf die – frühere – Tätigkeit des Klägers zu. Eine darüber hinausgehende Schwierigkeit oder Bedeutung sei bei dieser Tätigkeit nicht festzustellen. Insbesondere könne nicht zwischen der Beratung von Suchtmittelabhängigen und ihrer Behandlung unterschieden werden. Diese Unterscheidung sei künstlich. Auf die vom Kläger angeführte Zusatzausbildung zum Sozialtherapeuten komme es tarifrechtlich nicht an. Weiter sei zu berücksichtigen, daß der Kläger seinerzeit der laufenden begleitenden Therapiekontrolle durch den therapeutischen Leiter der Anstalt unterstanden habe, was einer „Letztkontrolle” entspreche. Hinsichtlich der besonderen Bedeutung könne nicht auf die unterschiedlichen Beiträge zum Heilerfolg von Suchtmittel-Abhängigen abgestellt werden. Der Berater leiste einen identischen Erfolg.

Das Arbeitsgericht hat unter Abweisung der Klage im übrigen festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger mit Wirkung vom 1. Januar 1991 Vergütung nach der VergGr. III MTV Ang zu zahlen und die Vergütungsdifferenzen ab Rechtshängigkeit bzw. späterer Fälligkeit zu verzinsen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit ihrer Revision beantragt die Beklagte, die Klage in vollem Umfang abzuweisen. Der Kläger beantragt unter Beschränkung seiner Feststellungsanträge auf die Zeit bis zum 31. Mai 1997 die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet.

A. Der Kläger hat für die Zeit vom 1. Januar 1991 bis zum 31. Mai 1997 auch keinen Anspruch auf Vergütung aus der VergGr. III MTV Ang.

I. Der Kläger stützt seine Forderung nicht auf eine vertragliche Anspruchsgrundlage. Er führt insbesondere zur Rechtfertigung seines Anspruches nicht an, die im Arbeitsvertrag der Parteien vom 3. September 1985 getroffene Vereinbarung über die Zahlung von Vergütung nach der VergGr. IV a MTV Ang beinhalte zugleich die vertragliche Zusage von Vergütung nach der VergGr. III MTV Ang nach vierjähriger Bewährung in seiner Tätigkeit.

II. Vielmehr begründet er seine Klage allein damit, ihm stehe ein tariflicher Anspruch auf die geforderte Vergütung zu. Dies ist jedoch nicht der Fall. Die Tätigkeit des Klägers in der Zeit vom 16. September 1985 bis zum 31. Mai 1997 erfüllt nach seinem eigenen Vorbringen nicht die Anforderungen der VergGr. IV a Fallgr. 15 MTV Ang nach den Vergütungsgruppen für Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst, so daß er nicht kraft vierjähriger Bewährung in dieser Vergütungs- und Fallgruppe Anspruch auf die von ihm geforderte Vergütung nach der VergGr. III MTV Ang ab 1. Januar 1991 bis zum 31. Mai 1997 hatte.

1. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit der MTV Ang und die ihn ergänzenden Tarifverträge mit unmittelbarer und zwingender Wirkung Anwendung (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG). Außerdem haben die Parteien deren Geltung arbeitsvertraglich vereinbart.

2. Der vom Kläger noch verfolgte Anspruch setzt voraus, daß mindestens die Hälfte der seine Gesamtarbeitszeit ausfüllenden Arbeitsvorgänge den Tätigkeitsmerkmalen der von ihm in Anspruch genommenen VergGr. III der Anlage 1 a zum MTV Ang in der Fassung des am 1. Januar 1991 in Kraft getretenen Tarifvertrages vom 24. April 1991 entspricht (§ 22 Abs. 2 Unterabs. 2 MTV Ang).

3. Für die Eingruppierung des Klägers sind die speziellen Tätigkeitsmerkmale für Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst des Teils II Abschn. F der Anlage 1 a zum MTV Ang in der ab 1. Januar 1991 geltenden Fassung des Tarifvertrages vom 24. April 1991 maßgebend. Diese haben, soweit sie für den Rechtsstreit von Bedeutung sind, folgenden Wortlaut:

Vergütungsgruppe V b

10. Sozialarbeiter/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben. (Protokollerklärung Nr. 1)

Vergütungsgruppe IV b

16. Sozialarbeiter/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben, mit schwierigen Tätigkeiten. – Fußnote 1 –

(Hierzu Protokollerklärungen Nr. 1 und 5)

Vergütungsgruppe IV a

15. Sozialarbeiter/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben, deren Tätigkeit sich durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der Vergütungsgruppe IV b Fallgruppe 16 heraushebt. (Hierzu Protokollerklärung Nr. 1)

Vergütungsgruppe III

7. Sozialarbeiter/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben, deren Tätigkeit sich durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der Vergütungsgruppe IV b Fallgruppe 16 heraushebt, nach vierjähriger Bewährung in Vergütungsgruppe IV a Fallgruppe 15. (Hierzu Protokollerklärung Nr. 1)

Protokollerklärungen:

5. Schwierige Tätigkeiten sind z.B. die

  1. Beratung von Suchtmittel-Abhängigen,
  2. Beratung von HIV-Infizierten oder an AIDS erkrankten Personen,
  3. begleitende Fürsorge für Heimbewohner und nachgehende Fürsorge für ehemalige Heimbewohner,
  4. begleitende Fürsorge für Strafgefangene und nachgehende Fürsorge für ehemalige Strafgefangene,
  5. Koordinierung der Arbeiten mehrerer Angestellter mindestens der Vergütungsgruppe V b.

Die Protokollerklärung Nr. 1 ist für den Rechtsstreit ebensowenig von Bedeutung wie die Fußnote 1 zur VergGr. IV b Fallgr. 16 MTV Ang.

3.1 Ein Arbeitsvorgang i.S.d. § 22 Abs. 2 Unterabs. 2 MTV ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats eine unter Hinzurechnung der Zusammenhangstätigkeiten und bei Berücksichtigung einer sinnvollen, vernünftigen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbare und rechtlich selbständig zu bewertende Arbeitseinheit der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führenden Tätigkeit eines Angestellten (BAGE 51, 59; 51, 282; 51, 356 = AP Nr. 115, 116 und 120 zu §§ 22, 23 BAT 1975; ständige Rechtsprechung des Senats). Dabei bildet die gesamte Tätigkeit des Angestellten nur einen einzigen Arbeitsvorgang, wenn der Aufgabenkreis nicht weiter aufteilbar und nur einer einheitlichen rechtlichen Bewertung zugänglich ist (vgl. Senatsurteile vom 30. Januar 1985 – 4 AZR 184/83 – AP Nr. 101 zu §§ 22, 23 BAT 1975; vom 23. Februar 1983 – 4 AZR 222/80 – BAGE 42, 29 = AP Nr. 70 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Tatsächlich trennbare Tätigkeiten mit unterschiedlicher Wertigkeit können nicht zu einem Arbeitsvorgang zusammengefaßt werden (vgl. Senatsurteil vom 20. Oktober 1993 – 4 AZR 45/93 – AP Nr. 172 zu §§ 22, 23 BAT 1975; Urteil des Senats vom 20. März 1991 – 4 AZR 471/90 – AP Nr. 156 zu §§ 22, 23 BAT 1975).

3.2 Von diesen Grundsätzen sind auch die Vorinstanzen ausgegangen. Sie haben übereinstimmend angenommen, die gesamte Tätigkeit des Klägers mit Ausnahme der in der Klageschrift unter dd) beschriebenen „Übrigen Aufgaben (Gremienarbeit/Öffentlichkeitsarbeit/Anleitung von Praktikantinnen und Zivildienstleistenden/Mitarbeiterbesprechungen etc.)” bilde einen Arbeitsvorgang im Tarifsinne. Diese Bildung der Arbeitsvorgänge ist nur zum Teil zutreffend.

3.2.1 Der Begriff des „Arbeitsvorgangs” ist ein feststehender, abstrakter, von den Tarifvertragsparteien vorgegebener Rechtsbegriff. Seine Anwendung durch die Tatsachengerichte ist in vollem Umfang durch das Revisionsgericht nachprüfbar (Urteil des Senats vom 26. Juli 1995 – 4 AZR 280/94 – AP Nr. 203 zu §§ 22, 23 BAT 1975, m.w.N.). Diese Prüfung ist bei der Bildung von Arbeitsvorgängen stets geboten. Die Bestimmung des Arbeitsvorgangs ist als Rechtsanwendung Sache der Gerichte (Urteil des Senats vom 26. Juli 1995 – 4 AZR 280/94 – aaO, m.w.N.).

3.2.2 Zuzustimmen ist dem Landesarbeitsgericht darin, daß die Behandlungstätigkeit des Klägers, also die Therapiearbeit mit den ihm anvertrauten Klienten, und die von ihm in der Klageschrift unter dd) aufgeführten „übrigen Aufgaben” verschiedene Arbeitsvorgänge im Tarifsinne bilden; der Kläger mißversteht die Ausführungen des angefochtenen Urteils zum Arbeitsvorgang, wenn er diesen entnimmt, das Landesarbeitsgericht habe seine gesamte Tätigkeit als „einzigen großen Arbeitsvorgang” bewertet. Maßgebliches Kriterium bei der Bildung von Arbeitsvorgängen ist nach der ständigen Senatsrechtsprechung das jeweilige Arbeitsergebnis einer Tätigkeit (z.B. Urteil des Senats vom 21. Februar 1990 – 4 AZR 603/89 – AP Nr. 7 zu §§ 22, 23 BAT Krankenkassen). Dient eine Tätigkeit verschiedenen Arbeitsergebnissen, bildet sie keinen einheitlichen Arbeitsvorgang im Tarifsinne. Die Therapiearbeit des Klägers führt zu einem anderen Arbeitsergebnis als die unter dem Oberbegriff „übrige Tätigkeiten” in der Klageschrift aufgeführten Tätigkeiten: Die Therapiearbeit des Klägers soll die ihm anvertrauten Klienten zu einer selbständigen, abstinenten Lebensweise befähigen. Demgegenüber sollen die Gremien- und Öffentlichkeitsarbeit des Klägers zu anderen Arbeitsergebnissen führen: Erstere ist auf die Entwicklung von Konzepten auf dem Gebiet der Suchtkrankenarbeit gerichtet, letztere darauf, die Öffentlichkeit über die Arbeit des STWJ ins Bild zu setzen.

Hingegen kann der Senat nicht beurteilen, ob die Therapiearbeit des Klägers, die streitlos den weitaus größten Teil seiner Gesamtarbeitszeit belegt, einen Arbeitsvorgang im Tarifsinne bildet, wie die Vorinstanzen übereinstimmend angenommen haben, oder ob diese aus mehreren Arbeitsvorgängen besteht. Denn es fehlt bereits am Vorbringen des Klägers dazu, wie die Aufgabenverteilung auf die – den Leiter des Wohnheims inbegriffen – sechs Sozialtherapeuten im STWJ gestaltet ist. So ist beispielsweise unklar, ob es eine Aufgabenteilung nach stationär und ambulant behandelten Klienten gibt, ob – mit oder ohne derartige Zuständigkeitsverteilung – den Therapeuten jeweils die umfassende Betreuung eines festen Personenkreises von der Aufnahme bis zur Beendigung der Therapie übertragen ist oder ob die Betreuung eines Klienten durch mehrere Therapeuten geschieht, die sich entweder bei allen in Betracht kommenden Betreuungstätigkeiten abwechseln oder jeweils nur für bestimmte Aufgaben (Aufnahmegespräch, Supervision etc.) zuständig sind. Für eine solche an den Arbeitsinhalten orientierte Zuständigkeitsverteilung spricht die Feststellung im Urteil des Landesarbeitsgerichts, der Schwerpunkt der Tätigkeit des Klägers habe im sozialen und psychotherapeutischen Bereich gelegen. Bei der Bildung von Arbeitsvorgängen ist auf den konkreten Aufgabenbereich des Angestellten abzustellen. Für diesen ist festzustellen, welchen Arbeitsergebnissen die Tätigkeit eines Angestellten dient. Hierbei sind alle Einzeltätigkeiten eines Angestellten, die zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führen, zusammenzufassen, wobei insbesondere auch die Zusammenhangstätigkeiten zu berücksichtigen sind (Urteil des Senats vom 24. August 1983 – 4 AZR 302/83 – BAGE 43, 250 = AP Nr. 79 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Die dafür erforderlichen Tatsachen für die Therapiearbeit des Klägers sind von den Vorinstanzen nicht festgestellt.

Ob die anderen, in der Klageschrift unter dem Oberbegriff „übrige Aufgaben” zusammengefaßten Tätigkeiten des Klägers, zu denen nach seiner dortigen Darstellung auch die Öffentlichkeits- und Gremienarbeit gehören, einen Arbeitsvorgang im Tarifsinne bilden oder aus zwei oder noch mehr Arbeitsvorgängen bestehen, kann dahinstehen. Denn sie belegen nach seinen Zeitangaben in der Klageschrift zusammen nur ca. 5 %, nach denen in seinem Schriftsatz vom 15. November 1995 zusammen nur 8,3 % seiner Gesamtarbeitszeit. Von Bedeutung für seine Eingruppierung in die VergGr. IV a Fallgr. 15/VergGr. III Fallgr. 7 MTV Ang wären sie aber nur, wenn sie mindestens die Hälfte seiner Gesamtarbeitszeit belegen würden.

3.3 Obwohl der Senat daher außerstande ist, selbst die Bildung der Arbeitsvorgänge für die den weitaus größten Teil seiner Gesamtarbeitszeit ausfüllende Therapiearbeit des Klägers vorzunehmen, bedarf es nicht der Zurückverweisung des Rechtsstreits. Denn dem Kläger steht bei jedem denkbaren Zuschnitt der Arbeitsvorgänge in diesem Aufgabengebiet für die Zeit vom 1. Januar 1991 bis 31. Mai 1997 kein Anspruch auf Vergütung nach der VergGr. III MTV Ang gegenüber der Beklagten zu.

4. Die Tätigkeitsmerkmale der vom Kläger für sich in Anspruch genommenen VergGr. IV a Fallgr. 15/VergGr. III Fallgr. 7 MTV Ang bauen auf der VergGr. IV b Fallgr. 16 MTV Ang auf, die ihrerseits die Erfüllung der Anforderungen der VergGr. V b Fallgr. 10 MTV Ang voraussetzt. Zunächst müssen die Voraussetzungen der Ausgangsgruppe erfüllt sein. Anschließend sind jeweils die weiteren Merkmale der darauf aufbauenden höheren Vergütungsgruppe zu prüfen (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. z.B. Senatsurteil vom 24. September 1980 – 4 AZR 727/78 – BAGE 34, 158 – AP Nr. 36 zu §§ 22, 23 BAT 1975; Senatsurteil vom 17. August 1994 – 4 AZR 644/93 – AP Nr. 183 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Dabei genügt eine pauschale Überprüfung, soweit die Parteien die Tätigkeit des Angestellten als unstreitig ansehen und die/der Beklagte die Tätigkeitsmerkmale als erfüllt erachtet (vgl. z.B. Senatsurteil vom 6. Juni 1984 – 4 AZR 203/82 – AP Nr. 91 zu §§ 22, 23 BAT 1975; Senatsurteil vom 17. August 1994 – 4 AZR 644/93 – aaO).

Von diesen Grundsätzen ist das Landesarbeitsgericht ausgegangen. Es hat näher begründet, daß die Therapiearbeit des Klägers sowohl die Anforderungen der VergGr. V b Fallgr. 10 MTV Ang als auch diejenigen der VergGr. IV b Fallgr. 16 MTV Ang erfüllt. Diesen zutreffenden Ausführungen, mit denen auch die Beklagte einig geht, schließt sich der Senat an.

5. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts entspricht die Therapiearbeit des Klägers jedoch nicht den Anforderungen der VergGr. IV a Fallgr. 15 MTV Ang, denn sie hebt sich nicht durch ihre Bedeutung aus der VergGr. IV b Fallgr. 16 MTV Ang heraus. Ob die Anforderung der „besonderen Schwierigkeit” durch die Tätigkeit des Klägers erfüllt ist, kann somit dahinstehen.

5.1 Die Prüfung, ob die tariflichen Voraussetzungen für die Eingruppierung des Klägers in die VergGr. IV a Fallgr. 15 MTV Ang erfüllt sind, ist nicht etwa deshalb entbehrlich, weil die Parteien in dem Arbeitsvertrag vom 3. September 1985 die Weiterbeschäftigung des Klägers ab 16. September 1985 „nach Vergütungsgruppe IV a der Anlage 1 a MTV Angestellte” vereinbart haben. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats begründen die bisherige Eingruppierung und die Vergütung des Angestellten weder einen Beweis noch eine Vermutung dafür, daß die von ihm auszuübende Tätigkeit tatsächlich den Merkmalen der vereinbarten Vergütungs- und Fallgruppe entsprochen hat. Der Arbeitgeber kann vielmehr einwenden, daß dies nicht der Fall ist, insbesondere wenn der Angestellte eine höhere Vergütung kraft Bewährungsaufstiegs daraus fordert (z.B. Senatsurteil vom 28. März 1979 – 4 AZR 446/77 – AP Nr. 19 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Der Kläger nimmt dazu selbst keinen gegenteiligen Rechtsstandpunkt ein. Insbesondere hat er die Begründung seines Anspruchs weder auf das Nachweisgesetz noch auf die Nachweisrichtlinie gestützt.

5.2 Die Eingruppierungsmerkmale für Sozialarbeiter/Sozialpädagogen des Teils II Abschn. F der Anlage 1 a zum MTV Ang stimmen mit denjenigen für diese Berufsgruppe in der Anlage 1 a zum BAT überein. Deshalb kann für ihre Auslegung die Rechtsprechung des Senats zu den Anforderungen dieser Eingruppierungsmerkmale nach dem BAT zugrunde gelegt werden.

5.2.1 Hinsichtlich ihrer Bedeutung verlangt das Heraushebungsmerkmal der VergGr. IV a Fallgr. 15 MTV Ang, daß sich die Tätigkeit des Sozialarbeiters deutlich wahrnehmbar aus derjenigen der VergGr. IV b Fallgr. 16 MTV Ang heraushebt. Mit dem Merkmal der „Bedeutung” sind die Auswirkungen seiner Tätigkeit angesprochen. Die gesteigerte Bedeutung kann sich aus der Art oder Größe des Aufgabenkreises sowie aus der Tragweite für den innerdienstlichen Bereich und für die Allgemeinheit ergeben (BAGE 51, 59, 90 f. = AP Nr. 115 zu §§ 22, 23 BAT 1975; Senatsurteil vom 29. September 1993 – 4 AZR 690/92 – AP Nr. 7 zu §§ 22, 23 BAT Sozialarbeiter; ständige Rechtsprechung des Senats).

5.2.2 Bei diesem Tatbestandsmerkmal handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Die revisionsrechtliche Prüfung ist deshalb darauf beschränkt, ob das Landesarbeitsgericht vom zutreffenden Rechtsbegriff ausgegangen ist, ob es diesen bei der Subsumtion beibehalten hat, ob ihm bei seiner Anwendung Verstöße gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze unterlaufen sind und ob es alle entscheidungserheblichen Tatumstände berücksichtigt hat (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. aus jüngerer Zeit Urteil vom 4. August 1993 – 4 AZR 511/92 – AP Nr. 38 zu § 1 TVG Tarifverträge: Einzelhandel; Urteil vom 1. März 1995 – 4 AZR 8/94 – AP Nr. 19 zu §§ 22, 23 BAT Sozialarbeiter).

5.2.3 Nach diesem Prüfungsmaßstab erweisen sich die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts als rechtsfehlerhaft. Es ist zwar vom zutreffenden Rechtsbegriff der Anforderung der „Bedeutung” ausgegangen, hat diesen jedoch bei der Subsumtion wieder verlassen und außerdem dabei gegen Denkgesetze verstoßen.

5.2.3.1 Das Landesarbeitsgericht verweist zur Begründung seiner Auffassung, die Tätigkeit des Klägers erfülle das Tatbestandsmerkmal der herausgehobenen „Bedeutung”, u.a. darauf, die Betreuung Suchtmittel-Abhängiger stelle nach der zutreffenden Auffassung des Arbeitsgerichts weitaus höhere Anforderungen an den Angestellten als lediglich die Beratung dieser Personen. Damit stützt es sich insoweit auf einen Umstand, auf den es für das Heraushebungsmerkmal der „besonderen Schwierigkeit” ankommt, nicht hingegen für dasjenige der „Bedeutung”. Für letzteres kommt es auf die Auswirkungen der Tätigkeit des Sozialarbeiters an.

Über diese ist nichts damit ausgesagt, daß seine Tätigkeit an ihn erhöhte fachliche Anforderungen stelle.

5.2.3.2 Dem Landesarbeitsgericht kann auch nicht darin gefolgt werden, erst die Betreuungs – im Gegensatz zur Beratungstätigkeit – führe im Erfolgsfalle beim Abhängigen zu seiner Abstinenz und damit einer besseren Lebensqualität sowie zu verringerten Kosten im Gesundheitswesen. Diesen Ausführungen liegt ein Denkfehler zugrunde. Das Landesarbeitsgericht verkennt, daß auch allein eine erfolgreiche Beratung eines Suchtmittel-Abhängigen dieselben positiven Auswirkungen haben kann wie – in einem späteren Stadium – dessen Behandlung. Dies ist der Ansatz der Präventivmedizin, die sich u.a. damit befaßt, Krankheiten im frühestmöglichen Stadium zu erkennen (Frühdiagnostik) und deren Ausbreitung zu verhindern. Die Prävention spielt bei der Behandlung von Suchterkrankungen eine bedeutsame Rolle, wie sich auch aus dem vom Kläger vorgelegten Bericht über die Hilfen für Alkohol- und Medikamentenabhängige und -gefährdete in Hamburg vom 31. Juli 1984 (Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft, Drucksache 11/2785) ergibt. Man unterscheidet in der Medizin zwischen primärer, sekundärer und tertiärer Prävention (Roche, Lexikon Medizin, 1984, Stichwort: „Prävention”). Damit sind die Verhinderung der Entstehung einer Krankheit, ihre Erkennung und Therapie in einem möglichst frühen Stadium sowie die Begrenzung bzw. der Ausgleich von Krankheitsfolgen gemeint (vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 258. Aufl., Stichwort „Prävention”). In der präventiven Arbeit mit Suchtmittelabhängigen Erwachsenen kommt sekundärpräventiven Maßnahmen ein deutlich größerer Stellenwert zu als im Jugend- und Kinderbereich (Suchtbericht des Drogenbeauftragten aus Mai 1994, S. 47, Anl. K 21 zum genannten Schriftsatz des Klägers). Mit der Darstellung des Klägers, die Beratung von Suchtmittel-Abhängigen verfolge keinen therapeutischen Ansatz, sondern könne im Ergebnis mit begleitender Fürsorge nur die Motivation schaffen, sich einer Therapie zu unterziehen, ist die Arbeit der ambulanten Beratungsstellen für alkohol- und medikamentenabhängige und -gefährdete Menschen nicht vollständig erfaßt. Die Beratung dieses Personenkreises schließt die Erstellung einer psychosozialen Diagnose und die Entwicklung eines Therapieplans ein. Teil der Beratung ist erforderlichenfalls ferner, die Durchführung einer stationären oder teilstationären Therapie in Einzel- oder Gruppenarbeit vorzubereiten (Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg Drucksache 11/2785 S. 15). Eine erfolgreiche Beratung im Stadium sekundärer Prävention hat dieselben positiven Auswirkungen auf den Klienten, seine Familie und die Allgemeinheit wie eine im späteren Krankheitsstadium durchgeführte erfolgreiche Therapie.

Sozialarbeiter, die auf präventiven Arbeitsfeldern ihres Berufes tätig sind, vertreten zum Verhältnis der Bedeutung präventiver und therapeutischer Sozialarbeit gemeinhin denn auch das Gegenteil dessen, was der Kläger und das Landesarbeitsgericht für richtig halten: Sie begründen die herausgehobene Bedeutung ihrer Tätigkeit, verglichen mit derjenigen von Sozialarbeitern in stationären Einrichtungen, im Sinne der VergGr. IV a Fallgr. 15 MTV Ang gerade damit, durch ihre Tätigkeit könnten vielfach stationäre Therapien in kostenaufwendigen Sondereinrichtungen oder gar stationäre Unterbringungen in Heimen vermieden werden (vgl. die Entscheidungen des Senats vom 25. September 1996 – 4 AZR 195/95 – AP Nr. 31 zu §§ 22, 23 BAT Sozialarbeiter sowie vom 24. September 1997 – 4 AZR 431/96 – ZTR 1998, 79 = EzBAT §§ 22, 23 BAT F. 1 VergGr. IV b).

5.2.3.3 Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts, „die Bedeutung der Einrichtung” ergebe „sich erst durch die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit, nämlich die Therapie von in der Regel Alkoholkranken”, beinhalten einen Zirkelschluß, wenn es mit der Bedeutung der Einrichtung die Erfüllung des Heraushebungsmerkmals der Bedeutung durch die Tätigkeit des Klägers begründen will.

5.2.3.4 Die sonstigen vom Landesarbeitsgericht für sein abweichendes Ergebnis aufgeführten Umstände überzeugen nicht. Die Auswirkungen der Tätigkeit des Klägers auf den Klienten, seine Familie und die Allgemeinheit reichen nicht über diejenigen hinaus, die die in der Protollerklärung Nr. 5 Buchst. a bis d beschriebenen Beispielstätigkeiten der VergGr. IV b MTV Ang haben. Mit dem Hinweis des Landesarbeitsgerichts auf den weitaus verbreiteteren Mißbrauch legaler Drogen im Vergleich zu demjenigen illegaler Drogen ist über die herausgehobene Bedeutung der Behandlung von Menschen, die von Drogen der erstgenannten Gruppe abhängig sind, nichts ausgesagt, denn die Tarifvertragsparteien unterscheiden nicht danach, ob die Suchtmittel-Abhängigen von legalen oder illegalen Drogen abhängig sind.

5.3 Trotz dieser Fehler war der Rechtsstreit nicht zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Aufgrund der Sachverhaltsfeststellungen des Landesarbeitsgerichts kann der Senat in der Sache selbst entscheiden. Der Senat hat für Eingruppierung von Sozialarbeitern, die Suchtmittel-Abhängige behandeln, angenommen, die Behandlung/Therapie von Suchtmittel-Abhängigen – wie auch diejenige von HIV-Infizierten oder an AIDS erkrankten Personen – könne mit der Beratung dieser Personengruppen verglichen werden (Urteile des Senats vom 22. März 1995 – 4 AZR 71/94 – AP Nr. 194 zu §§ 22, 23 BAT 1975; vom 14. Juni 1995 – 4 AZR 246/94 – AP Nr. 202 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Das führt zur Einordnung dieser Behandlungstätigkeit ihrer Bedeutung nach in die VergGr. IV b MTV Ang (Urteile des Senats vom 10. Juli 1996 – 4 AZR 139/95 – und vom 6. August 1997 – 4 AZR 891/95 – AP Nr. 29, 40 zu §§ 22, 23 BAT Sozialarbeiter). Dies hat der Senat bereits für eine Reihe unterschiedlicher Fallgestaltungen entschieden. Die Entscheidung des Senats vom 22. März 1995 (– 4 AZR 71/94 – aaO) betrifft die Eingruppierung eines graduierten Sozialarbeiters, der in einem Institut für Jugendpsychiatrie und Heilpädagogik in der sogenannten Drogenentwöhnungsbehandlung tätig war. Dort werden nach klinischem Entzug Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 16 bis 25 Jahren (männlich und weiblich) mit stoffgebundenen Suchterkrankungen (u.a. Medikamente und Alkohol) aufgenommen. Es wird – wie im Falle der Arbeit des STWJ – eine Drogenentwöhnungsbehandlung durchgeführt, die eine erfolgreiche Entzugsbehandlung voraussetzt. Die Entscheidung des Senats vom 14. Juni 1995 (– 4 AZR 246/94 – aaO) befaßt sich mit der Eingruppierung eines Sozialarbeiters, der im Suchtbereich einer Klinik auf einer Rehabilitationsstation für langzeitig chronisch Suchtkranke mit multimorbiden Krankheitsverläufen tätig war. Die letzte unmittelbar einschlägige Entscheidung des Senats stammt vom 18. Juni 1997 (– 4 AZR 764/95 – AP Nr. 38 zu §§ 22, 23 BAT Sozialarbeiter). In ihr war die Eingruppierung eines Angestellten, der sowohl über die Ausbildung zum Sozialarbeiter als auch über den Abschluß als Diplom-Pädagoge verfügt, streitig. Der Kläger jenes Rechtsstreits war auf einer Therapiestation des Zentralkrankenhauses B. eingesetzt, auf der Patienten betreut werden, die überwiegend alkohol- und medikamentensüchtig sind und unter ausgeprägten neurotischen und Persönlichkeitsstörungen leiden, daneben auch spielsuchtige Patienten. Das Aufgabenspektrum der Station reicht von Entgiftungs-/Motivationsbehandlungen, Kriseninterventionen bis zu kurz- und mittelfristigen Therapie- und Entwöhnungsbehandlungen. In der erstgenannten Entscheidung scheiterte der Erfolg der auf Zahlung der Vergütung nach der VergGr. IV a MT-An – das einschlägige Eingruppierungsmerkmal entspricht demjenigen der Fallgr. 15 der VergGr. IV a MTV Ang – an der Nichterfüllung der Anforderung der besonderen Schwierigkeit der Tätigkeit. Der Senat hielt daneben auch die Erfüllung des Heraushebungsmerkmals der „Bedeutung” für zweifelhaft, ohne darauf aber für die Entscheidung abzustellen. In den beiden anderen Entscheidungen hat der Senat das Heraushebungsmerkmal der Bedeutung durch die Tätigkeit der Kläger nicht als erfüllt angesehen. Auf den Streitfall übertragen bedeutet diese Rechtsprechung, an der der Senat festhält, daß auch die Therapietätigkeit des Klägers, die weitgehend mit derjenigen der Kläger der dargestellten Streitsachen übereinstimmt, nicht der Anforderung der herausgehobenen Bedeutung im Sinne der VergGr. IV a Fallgr. 15 MTV Ang entspricht.

6. Ob die Gremien- und Öffentlichkeitsarbeit des Klägers die Anforderung des Heraushebungsmerkmals der Bedeutung erfüllt, kann dahinstehen. Denn diese Tätigkeiten füllen nicht mindestens die Hälfte der Gesamtarbeitszeit des Klägers aus, gleichgültig, ob sie einen oder mehrere Arbeitsvorgänge im Tarifsinne bilden.

7. Der Kläger kann daher mangels Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen der VergGr. IV a Fallgr. 15 MTV Ang durch seine Tätigkeit als Sozialtherapeut in der Zeit ab 16. September 1985 auch nicht kraft Bewährungsaufstiegs ab 1. Januar 1991 aus dieser in die VergGr. III Fallgr. 7 MTV Ang aufgestiegen sein.

B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Schliemann, Friedrich, Bott, Brocker, J. Ratayczak

 

Fundstellen

Haufe-Index 1127002

ZTR 1998, 558

Dieser Inhalt ist unter anderem im TVöD Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge