Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung eines Erziehers

 

Leitsatz (redaktionell)

Eingruppierung eines Erziehers mit einer zusätzlichen Ausbildung zum Heilpädagogen als Betreuer in einer Wohngruppe von Autisten; Bestätigung der bisherigen Senatsrechtsprechung zur „heilpädagogischen Gruppe”

 

Normenkette

BAT 1975 §§ 22-23

 

Verfahrensgang

LAG Niedersachsen (Urteil vom 09.09.1996; Aktenzeichen 5 (8) Sa 2141/95)

ArbG Hannover (Teilurteil vom 09.08.1995; Aktenzeichen 2 Ca 91/95)

 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 9. September 1996 – 5 (8) Sa 2141/95 – aufgehoben.

2. Die Berufung des Klägers gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 9. August 1995 – 2 Ca 91/95 – wird zurückgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die zutreffende Vergütung des Klägers.

Der am 30. März 1956 geborene Kläger ist staatlich anerkannter Erzieher mit einer zusätzlichen Ausbildung zum Heilpädagogen.

Er trat am 1. Juli 1986 in die Dienste der Gemeinnützigen Gesellschaft zur Förderung Körperbehinderter mbH (im folgenden: Gem. GmbH), deren Betrieb seit dem 1. September 1994 von der Beklagten, einer gemeinnützigen Gesellschaft für integrative Behindertenarbeit, fortgeführt wird.

Gemäß Ziff. 1 des Arbeitsvertrages vom 14. Januar 1987 wurde der Kläger „als Erzieher in der Autisten Wohngruppe angestellt”. Nach Ziff. 2 richtet sich das Dienstverhältnis unter anderem nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) einschließlich der in Frage kommenden Anlagen und den diese ergänzenden und ändernden Tarifverträgen.

Der Kläger erhielt entsprechend Ziff. 3 des Vertrages zunächst Vergütung nach der VergGr. „VI b BAT (Kommunal)” und gemäß Ziff. 9 ab dem 1. Januar 1987 Vergütung nach VergGr. V c BAT.

Seit dem Beginn seiner Tätigkeit ist der Kläger in der Wohngruppe für autistische Jugendliche und Erwachsene in der G. straße eingesetzt, in der sieben Bewohner untergebracht sind. Nach der Konzeption ist es Ziel der Wohngruppe, „… autistischen Menschen einen pädagogisch-therapeutisch beschützenden Rahmen zu geben, um ihnen – soweit es ihr Krankheitsbild zuläßt – ein weitestgehend ‚normales’ Leben außerhalb des Elternhauses zu ermöglichen. …”

Ziele, die schwerpunktmäßig in der Wohngruppe (mit der Voraussetzung/Ergänzung der Förderung/Arbeit in den teilstationären Einrichtungen) angestrebt werden, liegen nach der Konzeption im sozialen und im lebenspraktischen Bereich, im Freizeitbereich und im Bereich der Beziehung zum Elternhaus. Methodisch wird als Grundlage der Betreuung autistischer Menschen in einer Wohngruppe die Schaffung eines einfachen, klar strukturierten und damit überschaubaren Lebensraumes verfolgt.

Die sieben Bewohner werden von vier Erziehern bzw. Erziehern mit heilpädagogischer Zusatzausbildung, drei Erziehungshelfern und zwei Zivildienstleistenden betreut. In der Zeit von Montag bis Freitag werden die Behinderten morgens um 8.30 Uhr von den Betreuern zur Fördergruppe in der V. Straße gebracht und dort bis gegen etwa 14.30 Uhr betreut. Dann werden sie von den Betreuern der Wohngruppe dort abgeholt. In der übrigen Zeit sowie an den Wochenenden, an denen sie nicht zu Besuch bei ihren Eltern sind, leben sie in der Wohngruppe. Dort müssen sie gemeinsam mit den Betreuern ihren Alltag organisieren. Die Bewohner stellen mit der Unterstützung ihrer Betreuer Essenpläne auf, bereiten die Mahlzeiten vor und nehmen diese gemeinsam ein. Sie werden entsprechend ihren Fähigkeiten an Arbeiten im Haushalt beteiligt und gestalten ihre Freizeit. Die Betreuer achten darüber hinaus auf die körperliche Hygiene der Bewohner sowie auf die ordnungsgemäße Einnahme von Medikamenten. Zeiten, in denen die Bewohner außer Haus sind, werden von den Betreuern für Arbeiten genutzt, die mit den Bewohnern nicht möglich sind, wie die Reinigung der Räume und größere Einkäufe. Der Kläger hat über den Zeitraum von zirka drei Wochen ein Arbeitstagebuch geführt, in dem er seinen Arbeitsalltag zusammenfassend, jedoch ohne nähere zeitliche Einteilung der Tätigkeiten geschildert hat.

Mit Datum vom 23. November 1990 gab der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband – Landesverband Niedersachsen e. V. – (DPWV) seinen Mitgliedern in einem Schreiben bekannt, daß der Niedersächsische Sozialminister das Landessozialamt Niedersachsen aufgefordert habe, „die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 4.4.1990 bezüglich der Eingruppierung von Erziehern in der Behindertenhilfe pflegesatzwirksam gegen sich gelten zu lassen”. Somit seien die entsprechenden Erzieher höherzugruppieren.

Mit Schreiben vom 3. Dezember 1990 stellte der Kläger bei seinem damaligen Arbeitgeber, der Gem. GmbH, einen Antrag auf Höhergruppierung nach VergGr. V b Fallgr. 1 k in Verbindung mit der Protokollnotiz Nr. 3 rückwirkend zum 1. Juni 1990. Zur Begründung bezog er sich auf das Urteil des BAG vom 4. April 1990 – 4 AZR 20/90 –. Am 18. Dezember 1990 teilte er dem Geschäftsführer der Gem. GmbH in Ergänzung zu seinem Antrag vom 3. Dezember 1990 folgendes mit:

„… Am 3.12.1990 habe ich einen Antrag auf Höhergruppierung in die Gehaltsstufe BAT V b gestellt. Da dieser Anspruch für mich bereits seit dem 1.7.1986 besteht, liegen damit die Voraussetzungen zur Eingruppierung nach BAT IV b ab dem 1.7.1990 vor (gem. BAT besteht nach 4-jähriger Tätigkeit in der Gehaltsgruppe V b ein Höhergruppierungsanspruch nach IV b).

Ich stelle daher hiermit den Antrag auf Eingruppierung nach BAT IV b rückwirkend ab dem 1.12.1990. …”

Der Kläger erhielt daraufhin ein von dem Geschäftsführer der Gem. GmbH unterzeichnetes Schreiben vom 14. Januar 1991, welches auszugsweise wie folgt lautet:

„… Wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, daß wir Sie mit Wirkung vom 01.07.90 gem. BAT, Anlage 1 a „Angestellte im Erziehungsdienst”, in die Vergütungsgruppe V b/1 k und ab dem 01.12.90 in die Vergütungsgruppe IV b/3 höhergruppiert haben. …”

Am 1. September 1994 wurde über das Vermögen der Gem. GmbH das Konkursverfahren eröffnet. Die Beklagte führt die Einrichtung seitdem fort.

Ab November 1994 erhielt der Kläger nur noch Vergütung nach VergGr. V b BATA/VKA. Der Betriebsrat wurde bei der Durchführung dieser Maßnahme nicht beteiligt. Mit Schreiben vom 25. Januar 1995 sprach die Beklagte, „ohne auf die Rechte korrigierender Rückgruppierung zu verzichten”, dem Kläger eine Kündigung zum 30. Juni 1995 aus und bot ihm an, „… ab dem 01.07.1995 mit gleichem Vertrag, jedoch geänderter Vergütungsgruppe, nunmehr V b, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen. …”. Der Kläger nahm das Änderungsangebot „unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung” an.

Mit seiner Klage vom 15. Februar 1995 wandte sich der Kläger gegen die Änderungskündigung vom 25. Januar 1995. Ferner erstrebte er die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung der Vergütungsdifferenz zwischen der VergGr. V b und IV b BAT für die Monate November 1994 bis Januar 1995 sowie schließlich die Feststellung, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihm ab dem 1. Februar 1995 Vergütung nach VergGr. IV b BAT zu zahlen.

Er hat die Auffassung vertreten, er habe einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf Vergütung nach VergGr. IV b BAT. Durch den Schriftverkehr zwischen den Parteien im Dezember 1990/Januar 1991 sei zumindest eine konkludente Vereinbarung zustande gekommen, nach der die Parteien die VergGr. IV b BAT zum arbeitsvertraglichen Bestandteil gemacht hätten. Diese könne ohne Änderungskündigung nicht wirksam abgeändert werden. Die korrigierende Rückgruppierung sei ferner unwirksam, da sie ohne Beachtung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrates durchgeführt worden sei.

Sein Anspruch ergebe sich auch aus der Besitzstandsklausel in der Übergangsvorschrift des § 6 des Tarifvertrages zur Änderung der Anlage 1 a zum BAT vom 24. April 1991, die dem Angestellten den Erhalt seiner am 31. Dezember 1990 gewährten Vergütung sichere. Er habe zu diesem Zeitpunkt Vergütung nach der VergGr. IV b BAT erhalten, so daß diese Vergütungsgruppe auch nach dem 1. Januar 1991 maßgeblich bleibe. Er übe auch eine heilpädagogische Tätigkeit aus. Aus den von ihm aufgezeigten Tagesabläufen werde deutlich, daß er heilpädagogische Maßnahmen anwende, um die Behinderten individuell zu fördern.

Im übrigen seien für die Darlegungs- und Beweislast die Nachweisrichtlinie RL 91/533/EWG sowie § 2 des Nachweisgesetzes zu seinen Gunsten zu berücksichtigen.

Der Kläger hat – soweit hier von Interesse – zuletzt beantragt,

  1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 848,22 DM brutto nebst 4% Zinsen auf den Nettobetrag seit dem 23. Februar 1995 zu zahlen,
  2. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger vom 1. Februar bis 30. Juni 1995 weiterhin Vergütung nach der VergGr. IV b BAT zu zahlen und den Nettodifferenzbetrag zwischen dem begehrten und dem tatsächlich gezahlten Entgelt ab jeweiliger Fälligkeit mit 4 % zu verzinsen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, eine vertragliche Vereinbarung eines Anspruchs auf Vergütung nach der VergGr. V b/IV b BAT liege nicht vor, da die Parteien sich ausdrücklich auf Tarifrecht gestützt hätten und die Gem. GmbH den Tarifvertrag lediglich habe richtig anwenden wollen. Die zwischen den Parteien gewechselten Schreiben seien Erklärungen darüber, welcher Tarifanforderung die Tätigkeit des Klägers entspreche.

Die Gem. GmbH habe den Tarifvertrag so vollziehen wollen, wie sie ihn unter Berücksichtigung der Auffassung des Sozialministeriums und des Landessozialamts verstanden habe. Das Niedersächsische Sozialministerium habe die höchstrichterliche Rechtsprechung anerkannt und demzufolge den tariflichen Anspruch als erfüllt betrachtet. Dies ergebe sich aus der amtlichen Auskunft des Niedersächsischen Sozialministeriums vom 9. September 1996.

Der Kläger sei, wie alle von der Gem. GmbH in die Vergütungsgruppe IV b eingruppierten Erzieher, irrtümlich übertariflich eingruppiert worden. Er übe keine heilpädagogische Tätigkeit aus, da er in der Wohngruppe nicht mit besonderen, spezifischen Erziehungsformen zur Förderung und Betreuung der Autisten befaßt sei.

Das Arbeitsgericht hat die Entscheidung über die Änderungskündigungsschutzklage gem. § 148 ZPO ausgesetzt und durch Teilurteil die Klage im übrigen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Beklagte zur Zahlung von 848,22 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den Nettobetrag seit dem 23. Februar 1995 an den Kläger verurteilt. Weiter hat es festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger vom 1. Februar bis zum 30. Juni 1995 weiterhin Vergütung nach der VergGr. IV b BAT zu zahlen und den Nettodifferenzbetrag zwischen geschuldetem und tatsächlich gezahltem Entgelt ab jeweiliger Fälligkeit mit 4 % zu verzinsen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

A. Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Mit Recht hat das Arbeitsgericht die hinsichtlich beider Anträge nach der ständigen Rechtsprechung des Senats zulässige Klage abgewiesen. Denn dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Vergütung nach der VergGr. IV b BAT/VKA und somit auch auf Zahlung und Verzinsung der begehrten Vergütungsdifferenzen nicht zu.

I. Ein Anspruch auf Vergütung nach der VergGr. IV b BAT/VKA ergibt sich nicht aus einer arbeitsvertraglichen Vereinbarung der Parteien.

1. Das Landesarbeitsgericht hat einen arbeitsvertraglichen Anspruch des Klägers auf Vergütung aus der VergGr. IV b BAT angenommen. Es hat ausgeführt, die Anträge des Klägers aus Dezember 1990 und die Mitteilung der Gem. GmbH über seine Höhergruppierung stellten nicht den Austausch von Erklärungen dar, die Tätigkeit des Klägers entspreche bestimmten Tarifanforderungen. Die Gem. GmbH habe sich deshalb zu einer Höhergruppierung des Klägers bereit erklärt, weil sie die entsprechende Vergütung pflegewirksam gegenüber dem Niedersächsischen Landessozialamt als Kostenträger habe geltend machen können. Vorausgegangen sei ein Streit des Niedersächsischen Sozialministeriums mit dem Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband über die Respektierung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Begriff der „heilpädagogischen Gruppe”. Dabei sei das Niedersächsische Sozialministerium von der Richtigkeit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts keineswegs unbedingt überzeugt gewesen. Unter diesen Umständen sei die Mitteilung der Gem. GmbH über die Höhergruppierung des Klägers nicht als Ergebnis einer eigenen Prüfung der tarifvertraglichen Bestimmungen zu verstehen. Sie habe sich über die zutreffende Eingruppierung des Klägers auch nicht in einem Irrtum befunden, so daß für eine korrigierende Rückgruppierung kein Raum sei.

2. Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

2.1 Ein Anspruch des Klägers auf Vergütung nach VergGr. IV b BATA/VKA ergibt sich zunächst nicht aus dem schriftlichen Arbeitsvertrag der Parteien. Denn danach hatte er gemäß Ziff. 9 ab dem 1. Januar 1987 Anspruch auf Vergütung nach VergGr. V c BAT.

2.2 Ein vertraglicher Anspruch des Klägers auf Vergütung nach der Vergütungsgruppe ist auch nicht durch den Schriftwechsel der Parteien Ende 1990/Anfang 1991 begründet worden. Zwar ist es rechtlich möglich, daß die Parteien ungeachtet der tariflichen Bestimmungen und des Inhalts ihres schriftlichen Arbeitsvertrages durch konkludentes Verhalten übereingekommen wären, der Kläger solle einen vertraglichen Anspruch auf die begehrte Vergütung erwerben (vgl. Senatsurteil vom 21. April 1982 – 4 AZR 671/79BAGE 38, 291 = AP Nr. 5 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bundesbahn). Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts kann eine solche Vereinbarung jedoch nicht aus den Schreiben der Parteien aus Dezember 1990 und Januar 1991 abgeleitet werden.

2.2.1 Die Auslegung nichttypischer Willenserklärungen ist nach ständiger Rechtsprechung in der Revisionsinstanz nur daraufhin überprüfbar, ob sie gegen gesetzliche Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verstößt oder wesentliche Umstände unberücksichtigt läßt, und ob sie rechtlich möglich ist (vgl. dazu Senatsurteil vom 28. Mai 1997 – 4 AZR 546/95 – AP Nr. 26 zu § 4 TVG Nachwirkung, m.w.N.). Eine uneingeschränkte Überprüfung ist dagegen im Rahmen sogenannter typischer Verträge und Vertragsbestimmungen möglich (BAG Urteil vom 29. Januar 1992 – 5 AZR 266/90 – AP Nr. 104 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten). Typische Klauseln sind Bestimmungen, die nicht auf die besonderen Verhältnisse des einzelnen Falles zugeschnitten sind, sondern für eine Vielzahl von Arbeitsverhältnissen bestimmt sind, formularmäßig verwandt werden (Senatsurteil vom 22. Mai 1985 – 4 AZR 427/83BAGE 48, 351 = AP Nr. 7 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bundesbahn). Vorliegend kann insbesondere das Schreiben der Gem. GmbH nicht als eine solche typische Klausel gewertet werden, so daß die Überprüfung seiner Auslegung sich nach den Regeln für nichttypische Erklärungen richtet.

2.2.2 Selbst die eingeschränkte Überprüfung ergibt, daß die Anträge des Klägers vom 3. und 18. Dezember 1990 und die Mitteilung der Gem. GmbH vom 14. Januar 1991 nicht dahin ausgelegt werden können, der Kläger solle vom Tarifvertrag unabhängig nach der VergGr. IV b BAT vergütet werden.

Die Auslegung von Willenserklärungen hat vom Wortlaut der Erklärung auszugehen. In einem zweiten Schritt sind die außerhalb des Erklärungsaktes liegenden Begleitumstände in die Auslegung einzubeziehen, die dafür von Bedeutung sind, welchen Willen der Erklärende bei seiner Erklärung gehabt hat und wie der Empfänger dieser Erklärung diese verstanden hat oder verstehen mußte (BAG Urteil vom 6. Februar 1974 – 3 AZR 232/73 – AP Nr. 38 zu § 133 BGB). Bei einer empfangsbedürftigen Erklärung sind nur solche Umstände zu berücksichtigen, die dem Erklärungsempfänger bekannt oder erkennbar waren. Anhaltspunkte für das Gewollte können sich insbesondere aus weiteren Äußerungen der Parteien im Zusammenhang mit der Erklärung, aus im Laufe der Zeit entstandenen Gebräuchen und aus dem Zweck der Erklärung ergeben.

2.2.2.1 Schon dem Wortlaut der Schreiben des Klägers und der Mitteilung der Gem. GmbH kann der Wille der Parteien zur Vereinbarung einer vom Tarifvertrag abweichenden übertariflichen Vergütung der Tätigkeit des Klägers nicht entnommen werden. Mit dem Wortlaut dieser Urkunden hat sich das Landesarbeitsgericht nicht befaßt und damit für die Auslegung wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen. Es hat vielmehr den von ihm angenommenen vertraglichen Anspruch des Klägers im wesentlichen aus Begleitumständen des Schriftwechsels der Parteien abgeleitet.

Mit seinem Antrag vom 3. Dezember 1990 hat der Kläger die „Höhergruppierung nach BAT V b Fallgr. 1 k in Verbindung mit der Protokollnotiz Nr. 3” begehrt und sich dafür ausdrücklich auf das Urteil des Senats vom 4. April 1990 – 4 AZR 20/90 – ZTR 1990, 380 (fälschlich als Urteil des LAG Niedersachsen bezeichnet) bezogen, in welchem dem Kläger jenes Rechtsstreits ein tariflicher Anspruch auf Vergütung nach VergGr. IV b BAT/VKA zuerkannt worden ist. Auch in seinem ergänzenden Antrag vom 18. Dezember 1990 hat der Kläger ausschließlich Höher- bzw. „Eingruppierung nach BAT” begehrt. Ein Antrag des Klägers auf Vergütung unabhängig vom BAT ist beiden Schreiben nicht zu entnehmen. Deutlich ist dagegen seine Ansicht, seine Tätigkeit sei tariflich wie von ihm für richtig gehalten zu bewerten und dementsprechend zu vergüten.

Das Schreiben der Gem. GmbH vom 14. Januar 1991 kann ebenfalls nach seinem Wortlaut nicht als Erklärung gedeutet werden, die Tätigkeit des Klägers solle nunmehr übertariflich vergütet werden. In diesem Schreiben hat die Beklagte dem Kläger mitgeteilt, sie habe ihn „gem. BAT, Anlage 1 a ‚Angestellte im Erziehungsdienst’, in die Vergütungsgruppe V b/1 k und ab dem 01.12.90 in die VergGr. IV b/3 höhergruppiert”. Zwar ist diese Ausdrucksweise nicht korrekt, denn durch die Erfüllung der Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals einer Vergütungsgruppe ist der Angestellte in diese eingruppiert, ohne daß es eines förmlichen Aktes seitens des Arbeitgebers bedarf (vgl. BAG Urteil vom 5. März 1969 – 4 AZR 273/68BAGE 21, 359 = AP Nr. 5 zu § 23 a BAT). Die von der Gem. GmbH gebrauchte Formulierung ist jedoch in der Praxis vielfach üblich und findet sich auch in manchen tarifvertraglichen Einzelbestimmungen. Ein Wille des damaligen Arbeitgebers, die Tätigkeit des Klägers unabhängig von der tarifrechtlichen Eingruppierungsregelung zu vergüten, kann allein aus dieser ungenauen Ausdrucksweise nicht hergeleitet werden. Der Wortlaut des Schreibens enthält für das Auslegungsergebnis des Landesarbeitsgerichts, dem Kläger sei ein vertraglicher Anspruch auf übertarifliche Vergütung eingeräumt worden, keinen Anhaltspunkt. Vielmehr hat die Gem. GmbH die Höhergruppierung ausdrücklich auf der Grundlage der tariflichen Vorschriften vorgenommen und damit zum Ausdruck gebracht, daß sich die Eingruppierung des Klägers nach dem Tarifvertrag richten soll. Eine eigenständige Vergütungsvereinbarung, die dem Kläger unabhängig von dem Vorliegen der tariflichen Voraussetzungen oder dem Fortbestand des Tarifvertrages die Vergütung nach der VergGr. IV b BAT/VKA sichern sollte, war erkennbar nicht gewollt. Eine derartige Vereinbarung wäre auch ungewöhnlich, da im öffentlichen Dienst – und auch bei von der öffentlichen Hand refinanzierten Arbeitgebern wie der Beklagten und ihrer Rechtsvorgängerin – regelmäßig keine übertarifliche Vergütung, sondern nur das gewährt werden soll, was dem Arbeitnehmer tarifrechtlich zusteht (vgl. nur Senatsurteil vom 7. Mai 1986 – 4 AZR 556/83BAGE 52, 33, 49 f. = AP Nr. 12 zu § 4 BAT).

2.2.2.2 Auf das Schreiben des DPWV vom 23. November 1990 an seine Mitglieder, auf das das Landesarbeitsgericht das Zustandekommen einer vertraglichen Vereinbarung eines Anspruchs des Klägers auf übertarifliche Vergütung im wesentlichen gestützt hat, kommt es für die Auslegung der hier behandelten Erklärungen der Parteien nicht an. Für die Auslegung der vom Kläger abgegebenen Erklärungen wäre es nur dann von Bedeutung, wenn dieses Schreiben dem Kläger bekannt war. Dies ist vom Landesarbeitsgericht nicht festgestellt worden. Abgesehen davon spricht sein Inhalt deutlich gegen den Willen der Arbeitgeberseite, Erziehern in der Behindertenhilfe eine übertarifliche Vergütung zuzugestehen.

2.2.2.3 In der Mitteilung der Gem. GmbH vom 14. Januar 1991 an den Kläger hat diese nach allem nur die Rechtsansicht zum Ausdruck gebracht, welche Eingruppierung des Klägers sie damals als zutreffend angesehen hat (vgl. Senatsurteil vom 27. Februar 1980 – 4 AZR 237/78 – AP Nr. 30 zu §§ 22, 23 BAT 1975). An die Äußerung von Rechtsansichten sind die Parteien nicht gebunden. Keine Partei darf daher darauf vertrauen, daß die von ihrem Vertragspartner geäußerte Rechtsansicht sich letztlich als zutreffend erweist.

2.3 Da somit ein vertraglicher Anspruch des Klägers auf Vergütung nach der VergGr. IV b BAT/VKA nicht entstanden ist, bedarf es zur Korrektur der Eingruppierung keiner Änderungskündigung. Die Beklagte ist nicht arbeitsvertraglich gehindert, einseitig eine tarifwidrig zu hohe Vergütung zu korrigieren.

II. Der Kläger hat auch keinen tariflichen Anspruch auf Vergütung nach der VergGr. IV b BAT/VKA. Dazu hat das Landesarbeitsgericht zwar – bei seinem Rechtsstandpunkt konsequent – keine Ausführungen gemacht. Es nimmt jedoch Bezug auf die vom Arbeitsgericht getroffenen Feststellungen, so daß der Senat die Prüfung des tariflichen Anspruchs vornehmen kann und den Rechtsstreit nicht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverweisen muß.

1. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts haben die Parteien einzelvertraglich die Geltung des BAT in der für den Bereich der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände geltenden Fassung unter Berücksichtigung der jeweils in Frage kommenden Anlagen und mit allen künftigen Änderungen vereinbart.

2. Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt damit davon ab, ob zumindest die Hälfte der die Gesamtarbeitszeit des Klägers ausfüllenden Arbeitsvorgänge die Anforderungen der Tätigkeitsmerkmale der VergGr. V b Fallgr. 1 k, VergGr. IV b Fallgr. 3 der Tätigkeitsmerkmale für Angestellte im Erziehungsdienst der Anlage 1 a zum BAT in der bis zum 31. Dezember 1990 geltenden Fassung vom 19. Juni 1970 (BAT a. F.) erfüllt (§ 22 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 BAT/VKA), auf die der Kläger den tariflichen Anspruch allein stützt.

3. Diese haben folgenden Wortlaut:

Vergütungsgruppe V b

1. Sozialarbeiter/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung oder Jugendleiterinnen mit staatlicher Prüfung

k) in geschlossenen (gesicherten) Gruppen oder in Aufnahme-(Beobachtungs)gruppen oder in heilpädagogischen Gruppen,

(Hierzu Protokollerklärungen Nr. 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 9, 10, 14 und 15)

Vergütungsgruppe IV b

3. Sozialarbeiter/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung oder Jugendleiterinnen mit staatlicher Prüfung der VergGr. V b Fallgr. 1 nach vierjähriger Berufsausübung in einer Tätigkeit der VergGr. V b.

(Hierzu Protokollerklärungen Nr. 1, 2, 3 und 15)

Protokollerklärungen

Nr. 3

Erzieher(innen), Kindergärtnerinnen, Hortnerinnen, mit staatlicher Anerkennung als Erzieher oder Kindergärtnerin

werden nach diesem Tätigkeitsmerkmal eingruppiert, wenn sie am 1. April 1970 die in dem Tätigkeitsmerkmal geforderte Tätigkeit ausüben oder ihnen bis zum 31. Dezember 1990 diese Tätigkeit übertragen wird.

4. Diese Merkmale sind für Vergütungsansprüche von Angestellten für die Zeit nach dem 31. Dezember 1990 wegen § 6 des Tarifvertrages zur Änderung der Anlage 1 a zum BAT vom 24. April 1991 von Bedeutung, der – soweit hier einschlägig – folgende Übergangsvorschrift enthält:

§ 6

Übergangsvorschriften für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände

Für die Angestellten, die am 31. Dezember 1990 in einem Arbeitsverhältnis gestanden haben, das am 1. Januar 1991 zu demselben Arbeitgeber fortbestanden hat, gilt für die Dauer dieses Arbeitsverhältnisses folgendes:

1. Hat der Angestellte am 31. Dezember 1990 Vergütung (§ 26 BAT) aus einer höheren Vergütungsgruppe erhalten als aus der Vergütungsgruppe, in der er nach diesem Tarifvertrag eingruppiert ist, wird diese Vergütung durch das Inkrafttreten dieses Tarifvertrages nicht berührt.

5. Das Arbeitsgericht hat zutreffend angenommen, die gesamte Tätigkeit des Klägers stelle einen einzigen Arbeitsvorgang im Sinne des § 22 Abs. 2 BAT dar. Arbeitsergebnis sei die dem Kläger zugewiesene Betreuung und Förderung der in der Autisten-Wohngruppe untergebrachten sieben Behinderten, wobei alle einzelnen Tätigkeiten des Klägers insgesamt diesem Ziel dienten.

Dabei ist das Arbeitsgericht ersichtlich von dem vom Senat entwickelten Begriff des Arbeitsvorganges ausgegangen. Danach ist unter einem Arbeitsvorgang eine unter Hinzurechnung der Zusammenhangstätigkeiten und bei Berücksichtigung einer sinnvollen, vernünftigen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbare und rechtlich selbständig zu bewertende Arbeitseinheit der zu einem bestimmten Ergebnis führenden Tätigkeit eines Angestellten zu verstehen (vgl. etwa BAGE 51, 356, 360 = AP Nr. 120 zu §§ 22, 23 BAT 1975, m.w.N.). Dementsprechend ist die gesamte Tätigkeit des Klägers als einziger großer Arbeitsvorgang anzusehen. Arbeitsergebnis sind nicht jeweils die einzelnen Tätigkeiten des Klägers in der Arbeit mit den Behinderten. Alle Einzeltätigkeiten dienen einem Arbeitsergebnis, nämlich der Betreuung der ihm anvertrauten sieben Behinderten seiner Wohngruppe. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats zur Tätigkeit von Gruppenbetreuern (vgl. nur Senatsurt. vom 10. Juli 1996 – 4 AZR 139/95 – AP Nr. 29 zu §§ 22, 23 BAT Sozialarbeiter).

6. Obwohl der Kläger die subjektiven Anforderungen der VergGr. V b Fallgr. 1 k BAT a. F. nicht erfüllt, da er weder Sozialarbeiter/Sozialpädagoge mit staatlicher Anerkennung noch Jugendleiter mit staatlicher Prüfung ist, kann er als Erzieher nach der Protokollerklärung Nr. 3 nach diesem Tätigkeitsmerkmal eingruppiert werden, wenn ihm bis zum 31. Dezember 1990 diese Tätigkeit übertragen worden ist. Dies trifft für den Kläger zu, der seit dem 1. Juni 1986 als Erzieher in der Wohngruppe beschäftigt ist.

7. Er ist aber nicht in einer „heilpädagogischen Gruppe” im Sinne dieses Tätigkeitsmerkmals tätig.

7.1 Der Begriff der „heilpädagogischen Gruppe” ist im BAT nicht definiert. Zu seiner Bestimmung ist in erster Linie auf den Wortsinn zurückzugreifen. Dieser richtet sich nach dem Begriff der Heilpädagogik, wie er sich aus dem Sprachgebrauch der beteiligten Fachkreise ergibt. Danach ist, wie der Senat in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, unter einer heilpädagogischen Tätigkeit eine solche zu verstehen, die mit besonderen, spezifischen Erziehungsformen die Förderung und Betreuung behinderter Menschen umfaßt (Senatsbeschluß vom 3. Dezember 1985 – 4 ABR 80/83BAGE 50, 241 = AP Nr. 31 zu § 99 BetrVG 1972; Senatsurteile vom 6. Dezember 1989 – 4 AZR 450/89 – AP Nr. 148 zu §§ 22, 23 BAT 1975; vom 4. April 1990 – 4 AZR 20/90 – ZTR 1990, 380, 381; vom 26. Mai 1993 – 4 AZR 383/92 – AP Nr. 4 zu § 12 AVR Caritasverband; vom 14. September 1994 – 4 AZR 589/93 – n.v.; vom 20. September 1995 – 4 AZR 459/94 – n.v.). Dabei kann sich die heilpädagogische Förderung nicht auf einzelne Lebensbereiche des Behinderten beschränken, sondern muß in einem umfassenden Sinn seine gesamte Persönlichkeit zum Gegenstand haben (vgl. Senatsurteil vom 4. April 1990 – 4 AZR 20/90 – aaO).

Daß für eine heilpädagogische Tätigkeit nicht die übliche erzieherische Tätigkeit mit Behinderten ausreicht, sondern die Anwendung spezifischer Erziehungsformen erforderlich ist, ergibt sich auch aus dem Regelungszusammenhang des BAT. Dieser enthält nämlich mehrere Bestimmungen, in denen ausdrücklich die Eingruppierung von Mitarbeitern, die als Erzieher in einer Gruppe von Behinderten arbeiten, in die VergGr. V c BAT vorgesehen ist. Eine solche Eingruppierung ist enthalten etwa in der VergGr. V c Fallgr. 1 e/VergGr. VI b Fallgr. 2 e BAT a. F. In diese Vergütungsgruppe sind eingruppiert Erzieher(innen), Kindergärtnerinnen und Hortnerinen in Gruppen von körperlich, seelisch oder geistig gestörten oder gefährdeten oder schwer erziehbaren Kindern oder Jugendlichen. Allen diesen Tätigkeiten ist gemeinsam, daß sie von pädagogisch qualifizierten Personen in der Betreuung von Behinderten ausgeübt werden und pädagogischen Charakter haben. Die in den genannten Fallgruppen zu VergGr. V c BAT a. F. enthaltenen, auf genau umschriebene Einzeltätigkeiten bezogenen Eingruppierungsbestimmungen wären gegenstandslos, wenn die von den dort angeführten Personen ausgeübte pädagogische – und damit fördernde – Betreuung Behinderter ohne weiteres zugleich als heilpädagogische Tätigkeit zu qualifizieren wäre. Wenn die Tätigkeit der Betreuer nämlich eine heilpädagogische ist, handelt es sich bei der betreuten Gruppe um eine heilpädagogische Gruppe mit der Folge, daß Betreuer mit den genannten Qualifikationen entgegen den dort enthaltenen ausdrücklichen Vorgaben nicht in VergGr. V c, sondern in VergGr. V b oder IV b BAT a. F. einzugruppieren wären (Senatsurt. vom 20. September 1995 – 4 AZR 459/94 – aaO).

Dies gilt ebenfalls für den hier vorliegenden Fall der Betreuung auch erwachsener Behinderter (vgl. dazu etwa Senatsurteil vom 26. Mai 1993 – 4 AZR 358/92 – AP Nr. 2 zu § 12 AVR Caritasverband). Deren Betreuung kann ebenfalls zum Aufgabenbereich eines Erziehers gehören (Senatsurteil vom 20. Februar 1991 – 4 AZR 377/90 – ZTR 1991, 296). Diesbezüglich kann etwa auf die Protokollerklärung Nr. 3 zu Teil II Abschnitt G der Anlage 1 a zum BAT/VKA in der ab 1. Januar 1991 geltenden Fassung verwiesen werden, nach der „als entsprechende Tätigkeit von Erzieherinnen … auch die Betreuung von über 18jähigen Personen (z.B. in Einrichtungen für Behinderte im Sinne des § 39 BSHG oder für Obdachlose)” gilt.

Demnach erfordert die zu einer höheren Eingruppierung führende Tätigkeit in einer heilpädagogischen Gruppe mehr als die mit der Arbeit von Erziehern in Behindertengruppen zwangsläufig verbundene pädagogische Einwirkung. Es genügt hierfür nicht, daß diese pädagogische Arbeit in Formen erfolgt, die auf die besonderen Belange Behinderter zugeschnitten sind, denn dies ist schon Grundvoraussetzung jeder den VergGr. VI b bzw. V c BAT a. F. zugeordneten pädagogischen Arbeit in Behindertengruppen. Der Senat hat dementsprechend eine heilpädagogische Tätigkeit und damit eine heilpädagogische Gruppe bei Betreuung von behinderten oder sonst kranken Menschen gleich welcher Altersgruppe nur bei bestimmten spezifischen Erziehungsformen angenommen (Senatsurteile vom 26. Mai 1993 – 4 AZR 358/92 – aaO, – 4 AZR 382/92 – und – 4 AZR 383/92 – AP Nr. 3 und 4 zu § 12 AVR Caritasverband). Hinzukommen muß somit, daß die individuelle und umfassende Förderung eines jeden Behinderten nach seiner spezifischen Behinderung und Persönlichkeit im Vordergrund der Betreuungsarbeit in der Gruppe steht (Senatsurteil vom 17. August 1994 – 4 AZR 636/93 – n.v.).

7.2 Diesen Anforderungen genügt die vom Kläger geleistete Betreuung nicht.

7.2.1 Nach den Feststellungen des Arbeitsgerichts, auf die das Landesarbeitsgericht Bezug genommen hat, ist es Aufgabe des Klägers, als einer der Betreuer in der Wohngruppe den Behinderten ein familienähnliches Umfeld zu schaffen. Vordergründig werden die im Lebensalltag regelmäßig anfallenden Aufgaben bewältigt und auch pflegerische Tätigkeiten ausgeübt. Worin die demgegenüber weitergehenden heilpädagogischen Aufgaben liegen sollen, ist nicht erkennbar. Der Kläger selbst hat vorgetragen, aufgrund der besonderen Behinderung der Autisten gehe der gesamte pädagogische und heilpädagogische Ansatz dahin, diesen Behinderten Unterweisungen im lebenspraktischen Bereich zu geben. Die Schaffung eines familienähnlichen Umfeldes und die Bewältigung der im Lebensalltag anfallenden Aufgaben einschließlich derjenigen der Anleitung zum Leben im sozialen Umfeld sind jedoch Aufgaben, die ein Erzieher behinderter Jugendlicher oder Erwachsener ebenso erfüllen muß. Zwar kann zugunsten des Klägers unterstellt werden, daß er bei seiner Arbeit auch Maßnahmen ergreift, die auf die Gesamtpersönlichkeit des einzelnen Behinderten gerichtet sind und damit zumindest teilweise heilpädagogischen Charakter haben. Nach dem vom Arbeitsgericht festgestellten Sachverhalt, der auch das Arbeitstagebuch des Klägers umfaßt, können solche Maßnahmen aber allenfalls einen geringen Teil der in der Wohngruppe des Klägers geleisteten Betreuungsarbeit ausmachen und ihr daher nicht das Gepräge geben.

7.2.2 Soweit der Kläger sich zur Frage der Darlegungs- und Beweislast darauf stützt, die Beklagte hätte nachzuweisen, daß die Arbeit mit autistisch Behinderten Erziehertätigkeit und nicht heilpädagogische Tätigkeit sei, führt dies zu keinem anderen Ergebnis.

7.2.2.1 Zwar unterscheidet sich nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Verteilung von Darlegungs- und Beweislast in einem Eingruppierungsrechtsstreit wegen korrigierender Rückgruppierung von derjenigen eines Eingruppierungsrechtsstreits ohne Rückgruppierungsproblematik (BAG Urteile vom 28. Mai 1997– 10 AZR 383/95 – n.v.; vom 11. Juni 1997 – 10 AZR 724/95-AP Nr. 6 zu § 20 BMT-G II; vgl. dazu Senatsurteil vom 8. Oktober 1997 – 4 AZR 167/96 – AP Nr. 2 zu § 23 b BAT).

Danach ist der Arbeitgeber nach wie vor grundsätzlich berechtigt, eine irrtümlicherweise vorgenommene Eingruppierung zu korrigieren. Will er jedoch einen irrtümlich zu hoch eingruppierten Arbeitnehmer in die zutreffende niedrigere Vergütungsgruppe korrigierend zurückgruppieren, muß er zunächst darlegen, welcher Irrtum ihm bei der ursprünglich vorgenommenen Eingruppierung unterlaufen ist. Er muß vortragen, warum und inwieweit seine bisherige Bewertung der Tätigkeit fehlerhaft war und deshalb korrigiert werden muß, wenn sich der Arbeitnehmer darauf beruft, die Tätigkeiten und ihr Umfang hätten sich nicht geändert.

Danach wird die volle Darlegungslast für das Vorliegen der Merkmale der begehrten Vergütungsgruppe wieder dem Arbeitnehmer zugewiesen. Dieser muß darlegen, daß er die für sich beanspruchten Tätigkeitsmerkmale unter Einschluß der darin vorgesehenen Qualifizierungen erfüllt.

7.2.2.2 Die Anwendung dieser Grundsätze führt nicht zum Erfolg der Klage. Über die Tätigkeit des Klägers als Erzieher in der Autisten-Wohngruppe besteht zwischen den Parteien kein Streit. Nach dem unstreitigen Sachverhalt verrichtet er erzieherische Tätigkeiten. Aus dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien ergibt sich nicht, was die heilpädagogische Qualität seiner Tätigkeit ausmachen soll. Die Art seiner Tätigkeit hat er – unter Bezug auf die von ihm vorgelegte Unterlagen – mit nicht mehr ergänzungsbedürftigem Inhalt vorgetragen. Letztlich geht es um Fragen der Bewertung seiner Tätigkeit, um deren rechtliche Würdigung. Beweislastfragen stellen sich in diesem Fall nicht. Diese sind erst dann von Bedeutung, wenn es dem Gericht nicht gelingt, das Vorliegen der für oder gegen den geltend gemachten Anspruch sprechenden Tatsachen festzustellen, also ein non liquet vorliegt. Die Beklagte muß auch nicht etwa dafür, daß der Kläger heilpädagogische Tätigkeiten nicht ausübt, nach den Regeln des Beweises sog. negativer Tatsachen vortragen. Nachdem sie ihrer Obliegenheit genügt hat, wäre es Sache des Klägers gewesen darzulegen, daß er das für sich beanspruchte Tätigkeitsmerkmal erfüllt. Da das Arbeitsgericht ihn auf diesbezüglich fehlenden Vortrag hingewiesen, er aber in der Berufungsinstanz dazu nicht weiter vorgetragen hat, ist davon auszugehen, daß er der Auffassung ist, die von ihm dargestellte Tätigkeit sei heilpädagogische Tätigkeit.

7.2.2.3 Aus dem Nachweisgesetz und der Nachweisrichtlinie ergibt sich nichts anderes.

Das Nachweisgesetz ist am 21. Juli 1995 in Kraft getreten. Die Eingruppierungsmitteilung der Gem. GmbH an den Kläger vom 14. Januar 1991 liegt weit vor diesem Zeitpunkt.

Die Frist zur Umsetzung der Richtlinie 91/533/EWG (Abl. EG Nr. L 288 S. 32 = EAS A 3330) – Nachweisrichtlinie – vom 14. Oktober 1991 lief am 30. Juni 1993 ab. Durch die verspätete Umsetzung mit Gesetz vom 20. Juli 1995 kam es zur unmittelbaren Geltung der Richtlinie im Bereich des öffentlichen Dienstes ab 1. Juli 1993 (LAG Hamm Urteil vom 9. Juni 1994 – 17 Sa 166/94 – LAGE § 625 BGB Nr. 4). Die Tätigkeit bei der Beklagten gehört jedoch nicht zum öffentlichen Dienst.

8. Die Beklagte verstößt mit der von ihr vorgenommenen Rückgruppierung des Klägers weder gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) noch gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Beides klingt in den Ausführungen des Klägers an, er würde nach der damaligen Rechtsprechung des Senats – gemeint das Urteil des Senats vom 4. April 1990 – 4 AZR 20/90 – ein obsiegendes Urteil erwirkt haben, wenn er den Anspruch auf Vergütung nach der VergGr. IV b BAT a. F. seinerzeit gerichtlich geltend gemacht hätte; wenn er davon abgesehen und auf die arbeitgeberseitige Vergütungszusage vertraut habe, dürfe er verglichen mit einem nach einem gerichtlichen Eingruppierungsverfahren obsiegenden Kläger nicht benachteiligt werden.

Diese Ausführungen vermögen weder unter dem einen noch unter dem anderen rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch des Klägers auf Vergütung nach VergGr. IV b BAT/VKA zu begründen.

8.1 Der Kläger bewertet die Eingruppierungsmitteilung der Gem. GmbH falsch, wenn er sie als „arbeitgeberseitige Zusage” bezeichnet. An eine arbeitgeberseitige rechtsgeschäftliche Willenserklärung wäre die Beklagte – bei Annahme durch den Kläger – auch 1995 noch vertraglich gebunden gewesen. Bei der Mitteilung vom 14. Januar 1991 handelt es sich jedoch – wie ausführlich begründet worden ist – nicht um eine arbeitgeberseitige rechtsgeschäftliche Zusage, sondern um die Mitteilung, welche Eingruppierung des Klägers die Gem. GmbH seinerzeit für tarifgerecht hielt. Eine solche dem Angestellten mitgeteilte Rechtsansicht darf der Arbeitgeber korrigieren.

8.2 Der vom Kläger angedeutete Verstoß der Beklagten gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz liegt bereits deshalb nicht vor, weil dieser die unterschiedliche Behandlung gleichliegender Sachverhalte voraussetzt. Die rechtskräftige Feststellung des Vergütungsanspruchs eines Angestellten ist ein anderer Sachverhalt als das Absehen von der gerichtlichen Geltendmachung des Vergütungsanspruchs durch den Angestellten im Vertrauen auf den Fortbestand einer vom Arbeitgeber mitgeteilten Rechtsansicht zu seiner zutreffenden Eingruppierung. Welche Rechtsfolgen ein Verstoß der Beklagten gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz für den Klageanspruch haben könnte, bedarf daher keiner Erörterung.

9. Unerheblich ist, daß die Beklagte den Betriebsrat bei der Rückgruppierung des Klägers nicht beteiligt hat. Die Verletzung des Mitbestimmungsrechts kann einen Anspruch auf die höhere Vergütung nicht begründen (vgl. z.B. Urteil des Senats vom 30. Mai 1990 – 4 AZR 74/90BAGE 65, 163 = AP Nr. 31 zu § 75 BPersVG; dem folgend der Zehnte Senat, Urteil vom 11. Juni 1997 – 10 AZR 724/95 – aaO).

B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91, § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Schliemann, Friedrich, Bott, Brocker, J. Ratayczak

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1127004

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