Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterlassung von Hafenarbeiten durch Schiffspersonal
Leitsatz (amtlich)
Ein Gesamthafenbetrieb kann von einer Reederei verlangen, daß sie die Ausführung von Hafenarbeiten (hier: Ladungsbefestigungsarbeiten) auf ihrem Schiff während des Be- und Entladevorgangs im Hafen nur von Arbeitern mit Hafenarbeitskarte ausführen läßt.
Normenkette
Gesetz über die Schaffung eines besonderen Arbeitgebers für Hafenarbeiter (Gesamthafenbetrieb) vom 3. August 1950 (BGBl S. 352); BGB §§ 1004, 823 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger verlangen kann, daß die beklagte Reederei für Ladungsbefestigungsarbeiten (Laschen und Entlaschen) nur Arbeiter mit einer Hafenarbeitskarte einsetzt, solange die Schiffe der Beklagten am Kai liegen.
Der Kläger ist das Verwaltungsorgan des Gesamthafenbetriebes Lübeck. Bei diesem handelt es sich um eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien (Lübecker Seehafenbetriebe e.V. und Gewerkschaft ÖTV) zu dem Zweck, eine fortdauernde Beschäftigung der Gesamthafenarbeiter zu erreichen. Die Rechtsgrundlage dafür ist das Gesetz über die Schaffung eines besonderen Arbeitgebers für Hafenarbeiter (Gesamthafenbetrieb) vom 3. August 1950 (BGBl S. 352). Die Vereinbarung der Sozialpartner lautet auszugsweise wie folgt:
Ҥ 2
Der Gesamthafenbetrieb hat stetige Arbeitsverhältnisse für die unständig beschäftigten Hafenarbeiter zu schaffen und insbesondere eine zweckmäßige und gerechte Verteilung der Gesamthafenarbeiter auf die Arbeitsplätze vorzunehmen.
Er ist berechtigt, zur Erreichung dieses Zwekkes in organisatorischer Beziehung Vorschriften zu erlassen, die auch für die Hafeneinzelbetriebe und für die gelegentlich am Hafen arbeitenden Betriebe bindend sind. Insbesondere ist er berechtigt, die Zulassung von Arbeitern zur Hafenarbeit zu beschränken und die Ausübung von Hafenarbeit von dem Besitz einer Hafenarbeitskarte abhängig zu machen.
Der Gesamthafenbetrieb hat nähere Bestimmungen darüber zu erlassen und zu veröffentlichen, welche Betriebe als Hafeneinzelbetriebe und welche Arbeiter als Hafenarbeiter gelten.
- Der Gesamthafenbetrieb hat die Gesamthafenarbeiter im Rahmen der Tarife sozial zu betreuen.
- Der Gesamthafenbetrieb nimmt im Rahmen der vorstehenden Aufgaben den Gesamthafenarbeitern gegenüber die Funktionen eines Arbeitgebers wahr, soweit diese von den Hafeneinzelbetrieben nicht auszuüben sind. Er erläßt die Verwaltungsordnung für den Gesamthafenbetrieb.
…
§ 4
Die Erledigung der laufenden Verwaltungsarbeiten, die durch die in § 2 wahrzunehmenden Aufgaben entstehen, sowie die Einziehung, Verwaltung und Verwendung der Beiträge und Umlagen, werden dem Hafenbetriebsverein Lübeck e. V. übertragen. Der Hafenbetriebsverein hat die laufenden Verwaltungsaufgaben nach den Richtlinien und Anordnungen des Verwaltungsausschusses zu führen.
Der Hafenbetriebsverein Lübeck e. V. kann innerhalb seiner Aufgaben und Befugnisse (§ 2) die für die Erledigung der laufenden Verwaltungsaufgaben des Gesamthafenbetriebes erforderlichen Anordnungen und Weisungen gegenüber den Hafeneinzelbetrieben und Gesamthafenarbeitern erlassen. Der Hafenbetriebsverein e. V. hat seine Verwaltungstätigkeit für den Gesamthafenbetrieb nicht als Erwerbsunternehmen durchzuführen, sondern als gemeinnützige Einrichtung. Im Rahmen der vom Verwaltungsausschuß gegebenen Anordnungen und Weisungen sind die Organe des Hafenbetriebsvereins e. V. selbst verantwortlich.”
Der Verwaltungsausschuß des Gesamthafenbetriebes hat eine am 7. Februar 1986 in Kraft getretene Verwaltungsordnung erlassen, in der es u. a. heißt:
Ҥ 1
Aufgaben und Geltungsbereich
§ 3
Hafenarbeit
§ 6
Hafeneinzelbetriebe
§ 8
Hafenarbeitskarten
(1) Alle im Hafen mit Hafenarbeit beschäftigten Arbeitnehmer müssen im Besitz einer gültigen Hafenarbeitskarte sein.
…”
Die Beklagte ist eine Fährschiffsreederei, deren Schiffe regelmäßig im “Ro/Ro-Verkehr” den Lübecker Hafen anlaufen und am Skandinavien-Kai zum Löschen und Laden festmachen. Dort werden von Sattelschleppern Schwerlasttrailer an Bord der Schiffe gezogen und beim Löschen wieder heruntergefahren. Diese Tätigkeiten werden ausgeführt von Hafenarbeitern einer Stauerei, die Mitglied der von dem Kläger vertretenen Gesamthafenbetriebsgesellschaft ist. Die Schwerlasttrailer werden an Bord in der Weise abgestellt, daß der vordere Teil nach Abkoppelung der Zugmaschine auf ausgefahrenen Stützbeinen steht und der hintere Teil auf der breiten Hinterachse ruht.
Die Beklagte läßt die Verankerung der Trailer (Laschen) durch Schiffspersonal ausführen. Dagegen wendet sich der Kläger in diesem Rechtsstreit.
Der Verwaltungsausschuß des Gesamthafenbetriebes hat in seiner Sitzung am 25. August 1989 entschieden, daß vom 1. September 1989 an die bisher von der Beklagten von Besatzungsmitgliedern durchgeführten Ladungsbefestigungsarbeiten einschließlich des Unterstellens und Entfernens von Böcken unter Trailern nur von Hafenarbeitern mit Hafenarbeitskarte auszuführen sind, solange das Schiff am Kai festgemacht hat.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, diese Ladungsbefestigungsarbeiten seien gemäß § 3 Abs. 1 der VerwO als Hafenarbeit anzusehen, denn sie seien untrennbar mit dem gesamten Be- und Entladevorgang verbunden. Diese Hafenarbeit dürfe nur von Arbeitern mit einer Hafenarbeitskarte und nicht von Besatzungsangehörigen der Beklagten ausgeführt werden, solange das Schiff am Kai liege.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, zu unterlassen, im Gebiet des Lübecker Hafens von der Geniner Straßenbrücke bis zum Molenkopf in Travemünde mit den dazugehörigen Hafenanlagen gewerbliche Arbeitnehmer zum Laschen und Entlaschen von Ladungsgut an Bord von schiffen, einschließlich des Unterstellens oder des Entfernens von Böcken unter Trailern, einzusetzen, solange das Schiff am Kai festgemacht ist, ohne daß die Arbeitnehmer im Besitze einer von dem Kläger ausgestellten gültigen Hafenarbeitskarte sind.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und dazu vorgetragen, das Laschen und Entlaschen der Ladung sei keine Hafenarbeit. Der Beladungsvorgang sei schon mit dem Abstellen des Trailers beendet. Das Laschen sei nicht regelmäßig erforderlich, sondern geschehe unter Verantwortung des Kapitäns nur dann, wenn die Witterungsverhältnisse das erforderten. Außerdem fehle es dem Beschluß des Verwaltungsausschusses des Gesamthafenbetriebes vom 16. August 1988 betreffend das Laschen an Bord der Fährschiffe am Skandinavien-Kai an einer gesetzlichen Grundlage, weil die dafür erforderliche Genehmigung durch die Arbeitsbehörde des Landes Schleswig-Holstein nicht erteilt worden sei.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Die Beklagte will mit ihrer Revision die Abweisung der Klage erreichen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht entschieden, daß die Beklagte den Einsatz von Arbeitnehmern ohne Hafenarbeitskarte zur Durchführung von Ladungsbefestigungsarbeiten unterlassen muß.
I. Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts handelt es sich bei diesen Tätigkeiten um Hafenarbeit. Der Gesamthafenbetrieb sei berechtigt, den Begriff der Hafenarbeit im Sinne des Gesetzes über die Schaffung eines besonderen Arbeitgebers für Hafenarbeiter vom 3. August 1950 in Verb. mit § 3 Abs. 1 der VerwO des Verwaltungsausschusses entsprechend festzusetzen. Von dieser Ermächtigung habe der Verwaltungsausschuß in zulässigem Umfang Gebrauch gemacht und das Laschen der Trailer an Bord der Fährschiffe der Beklagten in den Begriff der Be- und Entladearbeiten einbezogen. Der Vorinstanz sei aus eigener Sachkunde bekannt, daß die Berufskreise, die Hafenarbeiten ausführten, das Seefestmachen der Ladung zur Hafenarbeit zählten solange das Schiff am Kailiege. Es sei zwischen Ladearbeiten, die am Kai erfolgten, und denen, die erst auf See von der Schiffsbesatzung durchgeführt werden, zu unterscheiden. Es könne keinen Vertrauensschutz begründen, daß die Beklagte jahrzehntelang das Laschen und Entlaschen mit eigenem Bordpersonal ausgeführt habe.
II. Im Gegensatz zur Auffassung des Landesarbeitsgerichts läßt sich der von dem Kläger verfolgte Unterlassungsanspruch nicht allein mit dem Begriff der Hafenarbeit auf der Grundlage des Gesetzes über die Schaffung eines besonderen Arbeitgebers für Hafenarbeiter (Gesamthafenbetrieb) vom 3. August 1950 (BGBl S. 352) rechtfertigen. Das vorgenannte Gesetz hat zwar den Vorrang vor der Verwaltungsordnung und der Satzung für den Gesamthafenbetrieb. Die Tarifvertragsparteien können danach nicht etwas als Hafenarbeit bezeichnen, was keine Hafenarbeit im Sinne des Gesetzes ist (BAGE 60, 292, 298 = AP Nr. 4 zu § 1 GesamthafenbetriebsG, zu II 3b der Gründe; BAGE 61, 29, 42 = AP Nr. 5 zu § 1 GesamthafenbetriebsG, zu IV 3 der Gründe). Nach § 1 des Gesamthafenbetriebsgesetzes wird der Gesamthafenbetrieb “von den Betrieben eines Hafens, in denen Hafenarbeit geleistet wird, … gebildet”. Nach § 1 Abs. 2 des vorgenannten Gesetzes umfaßt der Gesamthafenbetrieb “auch Betriebe, die nicht Mitglied des Arbeitgeberverbandes sind, sofern die Betriebe nach Feststellung der obersten Arbeitsbehörde des Landes oder der von ihr bestimmten Stelle im Durchschnitt des dem Abschluß der Vereinbarung vorangegangenen Kalendervierteljahres insgesamt nicht weniger als 50 v.H. der Hafenarbeiter beschäftigt haben”. Daraus ergibt sich, daß der Gesamthafenbetrieb eine Gemeinschaftsgründung der Hafenbetriebe ist zu dem Zweck, nur Gesamthafenarbeiter einzusetzen, wenn die Arbeitskräfte der Hafeneinzelbetriebe dafür nicht ausreichen.
Die Beklagte ist diesem Regelungswerk nicht unmittelbar unterworfen, weil sie kein Hafenbetrieb ist; sondern sie ist eine Reederei, die nicht selbst Hafenarbeiten verrichtet, sondern auf deren Schiffen Hafenarbeiten ausgeführt werden. Allerdings wird die “rollende Ladung” nicht durch die Schiffsbesatzung, sondern von Mitarbeitern einer Stauerei mit Hilfe von Sattelschleppern auf das Schiff gezogen oder vom Schiff heruntergefahren. Die Stauerei ist ein Hafeneinzelbetrieb, der wiederum der Satzung des Gesamthafenbetriebes unterworfen ist.
Das Be- und Entladen der Schiffe der Beklagten mit Trailern ist vom Landesarbeitsgericht zu Recht als Hafenarbeit angesehen worden. Dazu gehören, selbst wenn sie nur gelegentlich erfolgen sollten, schon nach § 3 Abs. 1 der Verwaltungsordnung auch die Ladungsbefestigungsarbeiten, weil sie den Be- und Entladevorgang auf dem Schiff abschließen. Auf den Beschluß vom 16. August 1988 kommt es somit nicht an. Allerdings folgt noch nicht aus der Eigenschaft dieser Verrichtungen als Hafenarbeit, daß der Kläger von der Beklagten verlangen kann, daß sie die Ausführung dieser Tätigkeiten durch Bordpersonal unterläßt und statt dessen diese Tätigkeiten von Arbeitern mit Hafenarbeitskarte von der Stauerei mitausführen läßt.
III. Dazu bedarf es vielmehr einer besonderen Rechtsgrundlage, die sich im Streitfall aus der entsprechenden Anwendung des § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB in Verb. mit § 823 Abs. 1 BGB (Schutz des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb) ergibt.
1. Es ist anerkannt, daß § 1004 BGB nicht nur einen Anspruch des Eigentümers auf Unterlassung der Beeinträchtigungen seines Rechts gewährt, sondern daß diese Vorschrift über ihren Wortlaut hinaus zum Schutz absoluter Rechte im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB entsprechend angewandt wird. Dazu rechnet auch als “sonstiges Recht” im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB der Schutz gegen Eingriffe in den ausgeübten und ausgerichteten Gewerbebetrieb, wenn keine andere Rechtsgrundlage dafür gegeben ist (BGHZ 105, 346, 350). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
2. Die Beklagte greift unmittelbar in den von dem Kläger vertretenen Gewerbebetrieb (Gesamthafenbetrieb) ein, indem sie für die dem Gesamthafen vorbehaltenen Hafenarbeiten ihre Schiffsbesatzung einsetzt, solange das Schiff im Hafen Lösch- und Ladearbeiten ausführt. Der Schutz des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB umfaßt alles, was den wirtschaftlichen Wert des Betriebes ausmacht, also Bestand, Erscheinungsform, Umfang der Tätigkeit und Kundenstamm (vgl. u.a. Palandt/Thomas, BGB, 51. Aufl., § 823 Rz 19). Das gilt jedenfalls dann, wenn der Kläger – wie hier – für eine gleichmäßige Beschäftigung der von ihm betreuten Hafenarbeiter kraft Gesetzes sorgen muß und dafür Anspruch auf Ausführung aller Hafenarbeiten durch seine Leute hat. Das ist anders, als wenn die Beklagte unter mehreren Anbietern von Hafenarbeiten wählen könnte. Der Kläger hat vielmehr Anspruch auf Ausführung aller Hafenarbeiten in seinem Bereich zur Sicherung seines Fortbestandes zum Schutze der Hafenarbeiter.
Der Anwendung dieser Grundsätze zum Schutze des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes steht nicht entgegen, daß der Gesamthafenbetrieb keine eigene Rechtspersönlichkeit hat. Die durch die Grundsätze des Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb geschützte Organisationsstruktur kommt auch einer BGB-Gesellschaft und demzufolge einer Arbeitsgemeinschaft zu (BGH Beschluß vom 24. April 1990 – VI ZR 358/89 – VersR 1990, 1283, 1284, zu 3a der Gründe). Der Kläger vertritt eine vergleichbare Organisationsform, bei der wie in einer Arbeitsgemeinschaft die Hafenbetriebe zusammengeschlossen sind, um Hafenarbeiten nur durch die bei ihm beschäftigten Arbeiter mit Hafenarbeitskarte auszuführen.
3. Die weiteren Voraussetzungen für den aus § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1 BGB hergeleiteten Unterlassungsanspruch sind gegeben:
Die Beklagte handelt schuldhaft, denn sie setzt sich über die entgegenstehende Anordnung des Klägers hinweg, nur Arbeiter mit einer Hafenarbeitskarte für die Ladungsbefestigungsarbeiten einzusetzen. Außerdem ist eine Wiederholungsgefahr gegeben, weil die Beklagte sich auch in Zukunft weigert, die Ladungsbefestigungsarbeiten entsprechend ausführen zu lassen und statt dessen dafür ihre Besatzungsangehörigen einsetzt.
Der Senat hat nicht darüber zu entscheiden, wann und in welchem Umfang solche Ladungsbefestigungsarbeiten überhaupt erforderlich sind. Es war nur zu klären, ob die Beklagte dafür ihr Bordpersonal einsetzen darf. Das ist – wie vorstehend dargelegt – nicht der Fall.
Unterschriften
Dr. Thomas, Dr. Gehring, Dr. Olderog, Dr. Koffka, Hecker
Fundstellen
NZA 1992, 710 |
RdA 1992, 224 |