Entscheidungsstichwort (Thema)
Montagebauarbeiten als bauliche Leistungen
Leitsatz (redaktionell)
Hinweise des Senats:
Montageaufsicht und Objektüberwachung als Montagebauarbeiten im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 36 VTV; Erheblichkeit des Bestreitens des von der ZVK vorgetragenen Anteils einer Tätigkeit an der betrieblichen Gesamtarbeitszeit.
Normenkette
TVG § 1 Tarifverträge: Bau
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Urteil vom 10.02.1992; Aktenzeichen 11 Sa 1036/91) |
ArbG Wiesbaden (Urteil vom 28.03.1991; Aktenzeichen 4 Ca 2393/90) |
Tenor
1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 10. Februar 1992 – 11 Sa 1036/91 – wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten der Revision.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte im Zeitraum von Januar 1990 bis Juni 1990 einen Betrieb des Baugewerbes im Sinne der Sozialkassentarifverträge des Baugewerbes unterhalten hat und daher zur Auskunftserteilung an die Klägerin verpflichtet ist.
Die Klägerin ist die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes VVaG (ZVK). Sie ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes. Sie nimmt die Beklagte auf Auskunft nach Maßgabe der Sozialkassentarifverträge des Baugewerbes für den Zeitraum von Januar 1990 bis Juni 1990 über die Zahl der beschäftigten Arbeiter, deren Bruttolohnsumme und die entsprechende Höhe der abzuführenden Beiträge sowie – für den Fall der Nichterfüllung – auf Zahlung einer Entschädigung in Anspruch.
Die ZVK vertritt die Auffassung, im Klagezeitraum sei der Betrieb der Beklagten vom betrieblichen Geltungsbereich des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) erfaßt worden. Dieser hat, soweit vorliegend von Bedeutung, folgenden Wortlaut:
„Betrieblicher Geltungsbereich:
Betriebe des Baugewerbes. Das sind alle Betriebe, die unter einen der nachfolgenden Abschn. I bis IV fallen….
Abschn. II
Betriebe, die, soweit nicht bereits unter Abschn. I erfaßt, nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und einer betrieblichen Einrichtung gewerblich bauliche Leistungen erbringen, die – mit oder ohne Lieferung von Stoffen oder Bauteilen – der Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen.
…
Abschn. V
Zu den in den Abschn. I bis III genannten Betrieben gehören z.B. diejenigen, in denen Arbeiten der nachstehend aufgeführten Art ausgeführt werden:
…
11. Fassadenbauarbeiten;
…
36. Trocken- und Montagebauarbeiten (z.B. Wand- und Deckeneinbau bzw. -verkleidungen), einschließlich des Anbringens von Unterkonstruktionen und Putzträgern;
…”
Die ZVK hat vorgetragen, im Klagezeitraum seien im Betrieb der Beklagten zu mehr als 50 v.H. der betrieblichen Gesamtarbeitszeit Trapezbleche zur Wandverkleidung und Dacheindeckung auf Unterkonstruktionen aus Beton, Holz oder Stahl mittels Fassadenschrauben und Nieten montiert worden. Diese Tätigkeit sei von den bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmern auf Baustellen in und um Dortmund ausgeführt worden.
Die betriebliche Tätigkeit habe ferner zu weniger als 10 v.H. der betrieblichen Gesamtarbeitszeit die Fertigung von Kantteilen umfaßt, die überwiegend zur Herstellung der Unterkonstruktionen für die Montage der Trapezbleche verwendet worden seien. Ferner seien Rinnen angeschlagen und Fallrohre verlegt (6 v.H. der Gesamtarbeitszeit) sowie Vordachkonstruktionen angebracht (4 v.H. der Gesamtarbeitszeit) worden. Die im übrigen zu weniger als 10 v.H. der Gesamtarbeitszeit ausgeübte Montageaufsicht und Objektüberwachung habe sich auf die Durchführung der eigenen Montagearbeiten und nur zu einem geringen Teil auf die Überwachung der von der Beklagten eingesetzten Nachunternehmer bezogen. Soweit Bürotätigkeiten im Umfang von 8 v.H. der betrieblichen Gesamtarbeitszeit angefallen seien, seien diese den baulichen Leistungen zuzurechnen. Die Beklagte habe im übrigen mit Schreiben vom 30. Oktober 1989 mitgeteilt, daß sich ihr Montagebetrieb ausschließlich mit der Montage von Trapezblechen zur Dacheindeckung und Wandverkleidung beschäftige. Diese Tätigkeit sei auch bei der Gewerbeanmeldung angegeben worden.
Die ZVK hat beantragt,
- ihr auf dem vorgeschriebenen Formular Auskunft darüber zu erteilen, wieviel Arbeitnehmer, die eine nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung über die Rentenversicherung der Arbeiter (RVO) versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten, in den Monaten Januar 1990 bis Juni 1990 in dem Betrieb der Beklagten beschäftigt wurden sowie in welcher Höhe die lohnsteuerpflichtige Bruttolohnsumme insgesamt für diese Arbeitnehmer und die Beiträge für die Sozialkassen der Bauwirtschaft in den genannten Monaten angefallen sind und
- für den Fall, daß die Beklagte diese Verpflichtung zur Auskunftserteilung innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Urteilszustellung nicht erfüllt, an sie eine Entschädigung in Höhe von 72.000,– DM zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie vertritt die Auffassung, die ZVK habe schon nicht schlüssig dargelegt, daß die im Betrieb arbeitszeitlich überwiegend ausgeführten Arbeiten im Klagezeitraum bauliche Leistungen seien, die unter den VTV fielen.
Die Beklagte hat im übrigen vorgetragen, daß von den Montagearbeiten, die 30 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit in Anspruch nehmen, 20 v.H. auf reine Dacharbeiten und lediglich 10 v.H. auf Wandverkleidungen entfallen seien. Die im Umfang von 21 v.H. der Gesamtarbeitszeit gefertigten Kantteile seien nicht für eigene Montagebauarbeiten verwendet worden. Beim Anschlagen von Rinnen und Verlegen von Fallrohren habe es sich um reine Klempnerarbeiten und bei den Vordachkonstruktionen um reine Stahlarbeiten gehandelt. 28 v.H. der betrieblichen Gesamtarbeitszeit seien auf die Montageaufsicht und Objektüberwachung entfallen, die in erheblichem Umfang für Nachunternehmer durchgeführt worden sei. Die Tätigkeit habe sog. Kommissionsleitern bzw. Kommissionführern oblegen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage unter Aufhebung eines gegen die Beklagte erlassenen Versäumnisurteils abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die ZVK beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Der Betrieb der Beklagten wurde in der Zeit von Januar bis Juni 1990 vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfaßt. Der ZVK steht deshalb der geltend gemachte Auskunftsanspruch zu.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, daß im Betrieb der Beklagten im Klagezeitraum arbeitszeitlich überwiegend Arbeiten i.S. von § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 11 und 36 VTV ausgeführt worden seien. Bei der Montage der Trapezbleche handele es sich um Fassadenbauarbeiten i.S. von § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 11 VTV und um Montagebauarbeiten i.S. von § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 36 VTV. Außerdem seien dies auch bauliche Leistungen i.S. von § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV. Dies sei zwischen den Parteien auch nicht im Streit.
Die ZVK habe ferner schlüssig dargelegt, daß diese Arbeiten arbeitszeitlich überwiegend erbracht worden seien. Diesen Vortrag habe die Beklagte nicht hinreichend substantiiert bestritten. Nach dem Vortrag der Beklagten entfielen 30 v.H. der betrieblichen Gesamtarbeitszeit auf die Montage der Trapezbleche und 28 v.H. auf die Montageleitung sowie die Betreuung von Nachunternehmern. Insoweit habe die Beklagte jedoch nicht dargelegt, daß es sich nicht um bauliche Leistungen handelte. Auch die Montageaufsicht gehöre zu den Montagearbeiten. Soweit sich die Montageaufsicht auf Nachunternehmer bezogen habe, habe die Beklagte nicht vorgetragen, daß diese keine baulichen Leistungen, sondern baufremde Leistungen erbracht hätten. Deshalb sei der Anteil an der betrieblichen Gesamtarbeitszeit, der auf die Montageaufsicht und die Betreuung der Nachunternehmer entfiel (28 v.H.), der Montagetätigkeit hinsichtlich der Trapezbleche (30 v.H.) zuzurechnen, so daß die arbeitszeitlich überwiegende Tätigkeit vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfaßt worden sei.
Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
II. Zutreffend kommt das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis, daß der Betrieb der Beklagten im Klagezeitraum vom betrieblichen Geltungsbereich des allgemeinen Verfahrenstarifvertrages für das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe erfaßt wurde, so daß die Beklagte nach Maßgabe des § 27 VTV zur Auskunft verpflichtet ist.
1. Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß die Beklagte im Klagezeitraum Trapezbleche auf Unterkonstruktionen zur Verkleidung von Wänden und Dächern montierte. Diese Tätigkeit fällt, wie das Landesarbeitsgericht mit Recht ausführt, unter § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 11 und 36 VTV und gehört zudem zu den baulichen Leistungen im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV. Zu den insoweit vom betrieblichen Geltungsbereich erfaßten Tätigkeiten gehört aber entgegen der Auffassung der Beklagten nicht nur deren unmittelbare handwerkliche Ausführung, sondern insbesondere auch ihre Beaufsichtigung bzw. Überwachung. Dies gilt auch dann, wenn zur auftragsgemäßen Fertigstellung der Montagearbeiten vom Auftragnehmer anstelle eigener Arbeitnehmer sog. Nachunternehmer beschäftigt werden, die wiederum selbst bauliche Leistungen erbringen. Das Landesarbeitsgericht hat deshalb zu Recht die als Montageaufsicht bzw. Objektüberwachung sowie Betreuung der Nachunternehmer bezeichnete Tätigkeit den baulichen Leistungen i.S. von § 1 Abs. 2 VTV zugerechnet.
2. Diese betriebliche Tätigkeit wurde auch arbeitszeitlich überwiegend im Betrieb der Beklagten durchgeführt.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wird ein Betrieb vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfaßt, wenn von den Arbeitnehmern, bezogen auf den Zeitraum eines Kalenderjahres, arbeitszeitlich überwiegend Tätigkeiten ausgeführt werden, die in § 1 Abs. 2 VTV aufgeführt sind. Auf wirtschaftliche Gesichtspunkte wie Umsatz und Verdienst oder auf handels- oder gewerberechtliche Kriterien kommt es nicht an (BAGE 56, 227, 230 = AP Nr. 88 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau, m.w.N.). Dabei hat die Klägerseite nach den allgemeinen Grundsätzen für die Darlegungs- und Beweislast darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, daß im Betrieb des beklagten Arbeitgebers überwiegend baugewerbliche Tätigkeiten verrichtet werden (BAGE 56, 227, 240 = AP Nr. 88 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau; BAGE 55, 78, 84 = AP Nr. 81 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau; BAG Urteil vom 10. September 1975 – 4 AZR 456/74 – AP Nr. 24 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau).
b) Bei der Beurteilung des Sachvortrags der ZVK nach diesen Grundsätzen hat das Landesarbeitsgericht der Klage mit Recht stattgegeben. Die ZVK hat dargelegt, daß von den Arbeitnehmern der Beklagten im Klagezeitraum arbeitszeitlich überwiegend auf Baustellen in und um Dortmund Trapezbleche auf Unterkonstruktionen zur Wand- und Dachverkleidung montiert worden seien. Dieser Sachvortrag ist schlüssig. Die vorgetragenen Tatsachen hinsichtlich der Art der ausgeführten Arbeiten und ihres Überwiegens an der betrieblichen Gesamtarbeitszeit im maßgebenden Zeitraum rechtfertigen den Schluß, daß der Betrieb vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfaßt wird.
Mit Recht nimmt das Landesarbeitsgericht an, daß das Bestreiten des Sachvortrags der ZVK durch die Beklagte nicht erheblich ist. Die Beklagte wendet gegenüber dem Vortrag der ZVK hinsichtlich des zeitlichen Anteils der Montagearbeiten ein, daß diese nur zu 30 v.H. der betrieblichen Gesamtarbeitszeit angefallen seien, während 28 v.H. der betrieblichen Gesamtarbeitszeit die Montageaufsicht und die Betreuung der Nachunternehmer umfaßt habe. Entgegen der Auffassung der Beklagten folgt daraus jedoch nicht, daß der zeitliche Anteil der vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfaßten Tätigkeiten unter 50 v.H. der Gesamtarbeitszeit liegt.
Die Aufsicht über die eigenen Montagearbeiten ist nämlich hinsichtlich ihres zeitlichen Anteils diesen ebenso zuzurechnen, wie die Überwachung der von Nachunternehmern ausgeführten Arbeiten, die im Zusammenhang mit den Montagearbeiten stehen. Mit Recht führt das Landesarbeitsgericht deshalb aus, daß ein erhebliches Bestreiten des von der ZVK vorgetragenen zeitlichen Anteils der Montagearbeiten nur dann vorgelegen hätte, wenn sich die Betreuung der Nachunternehmer auf Arbeiten bezogen hätte, die nicht vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfaßt werden (vgl. BAG Urteil vom 20. September 1989 – 4 AZR 410/89 – nicht veröffentlicht). Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat die Beklagte aber insoweit nichts vorgetragen. Daraus hat das Landesarbeitsgericht mit Recht gefolgert, daß der Betrieb der Beklagten mit der arbeitszeitlich überwiegenden Tätigkeit vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfaßt wurde.
Es kommt somit nicht mehr darauf an, daß auch die übrigen Tätigkeiten, wie das Anschlagen von Rinnen und Verlegen von Fallrohren, die Erstellung von Vordachkonstruktionen, sowie die Bürotätigkeiten, die mit der Erbringung der baulichen Leistungen im Zusammenhang stehen, Tätigkeiten sind, die von den Tätigkeitsbeispielen des § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 36 VTV bzw. § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV erfaßt werden.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Freitag, Hauck, Dr. Müller-Glöge, Rosendahl, Stabenow
Fundstellen