Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung nach Einigungsvertrag. mangelnde Eignung
Normenkette
Einigungsvertrag Anl. I Kap. XIX Sachgeb. A Abschn. III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1
Verfahrensgang
Sächsisches LAG (Urteil vom 24.09.1993; Aktenzeichen 3 Sa 65/93 L.) |
ArbG Leipzig (Urteil vom 09.12.1992; Aktenzeichen 18 Ca 6957/92) |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Chemnitz vom 24. September 1993 – 3 Sa 65/93 – aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der Kläger (geboren 1943) ist habilitierter Diplom-Afrikanist und Diplom-Soziologe. Er steht seit 8. September 1971 in einem Arbeitsverhältnis zur Universität …, und zwar zunächst als wissenschaftlicher Assistent, später als Oberassistent, seit 1987 als Dozent. Von 1986 bis 1990 übte der Kläger darüber hinaus die Funktion des „Direktors für internationale Beziehungen” (im folgenden: DIB) an der Universität … aus.
Der Kläger hatte verschiedene ehrenamtliche Funktionen an der Universität … inne, nämlich:
von 1966 bis 1969 |
FDJ-Grundorganisations(GO)sekretär, |
von 1964 bis 1965 und von 1975 bis 1978 |
SED-Parteigruppen-Organisator (PGO), |
von 1966 bis 1969, 1972 bis 1975, 1978 bis 1980 und von 1982 bis 1983 |
Mitglied der GO-Leitung der SED. |
Der Kläger besuchte 1978 die Kreisparteischule und 1986 die Bezirksparteischule.
Mit Schreiben vom 12. August 1992 informierte der Beklagte den Vorsitzenden des Hauptpersonalrats über die Absicht, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristgerecht zu kündigen und den Kläger von seinem Amt als Dozent abzuberufen, da der Kläger durch seine Funktionen und Verhaltensweisen, u.a. seine Berichtstätigkeit über dienstliche Aktivitäten der internationalen Arbeit in den Wissenschaftsbereichen, das politische System der DDR entscheidend mitgetragen und gegen Grundsätze der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit verstoßen habe; der Kläger sei deshalb für eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst nicht geeignet. Der Hauptpersonalrat erhob hiergegen keine Einwände (Schreiben vom 1. September 1992). Hierauf kündigte der Beklagte mit Schreiben vom 4. September 1992 unter Berufung auf Anlage I Kap. XIX Sachgeb. A Abschn. III Ziff. 1 Abs. 4 Nr. 1 des Einigungsvertrages (im folgenden: Abs. 4 Ziff. 1 EV) das Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum 31. Dezember 1992 und berief den Kläger gleichzeitig von seinem Amt als Dozent ab.
Mit seiner gegen die Kündigung und die Abberufung gerichteten Klage hat der Kläger bestritten, als DIB an der Durchsetzung von SED-Zielen beteiligt gewesen zu sein. Er sei lediglich mit der Abwicklung technischer Fragen, wie die Bereitstellung von Valuta, die Unterbringung im Ausland, Reisezeiten usw. betraut worden, während er für die Entscheidung über Reiseanträge gar nicht zuständig gewesen sei. Zwar sei er in seiner Eigenschaft als DIB zu Berichten in dienstlichen Angelegenheiten an das MfS verpflichtet, andererseits aber auch dafür verantwortlich gewesen, daß mit Universitäten der Bundesrepublik (Saarbrücken und München) Kontakte aufgenommen worden seien. Im übrigen sei die Arbeit als DIB auf 5 Jahre befristet gewesen; er habe sich nicht um diese Stelle bemüht.
Zu den wesentlichen Aufgaben des DIB hätten gehört:
- Vertragsgestaltung zwischen der damaligen U. und ausländischen Einrichtungen,
- organisatorische und technische Vorbereitung von Auslandsreisen,
- Planung der Mittel im Zusammenhang mit der Vertragserfüllung der bestehenden Verträge (z.B. bei Wissenschaftleraustausch).
Bei diesen Aufgaben habe er mit dem Direktor für Kader und Qualifizierung bei der Schaffung einer Auslandskaderreserve zur Erfüllung der abgeschlossenen Verträge mit ausländischen Einrichtungen zusammenzuarbeiten und den personellen Bedarf zu ermitteln gehabt. Ein Kontroll- und Weisungsrecht gegenüber den Sektionen habe er nicht ausgeübt. Die formal dem DIB angegliederte Abteilung „Auslandsstudium” habe einen eigenen Leiter gehabt; dieser und nicht der DIB hätte die Exmatrikulation von ausländischen Studenten vorgenommen. Bei Westreiseanträgen habe der erste Prorektor eine Grundentscheidung getroffen, bevor die Angelegenheit dem Kaderdirektor vorgelegt worden sei. Reiseanträge habe er nicht zögerlich behandelt, was insbesondere auch für die der Oberassistentin Dr. T. gelte. Deren Antrag auf eine Reise nach Oslo sei konstruktiv und unbürokratisch bearbeitet worden, wofür Frau Dr. T. sich bei dem zuständigen Mitarbeiter herzlich bedankt habe. Für ihren Reiseantrag nach Marburg habe die Bearbeitungsfrist nicht gereicht, denn 1989 habe es eine Flut von Anträgen gegeben; in diesem Jahr seien allein 625 Dienstreisen in die Bundesrepublik gewährleistet worden. Ein Antrag der Sektion, der Reise von Frau Dr. T. Priorität einzuräumen, habe nicht vorgelegen.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die Kündigung noch durch die Abberufung vom 4. September 1992 aufgelöst worden sei.
Der Beklagte hat zu seinem Klageabweisungsantrag vorgetragen, dem Kläger fehle wegen seiner langjährigen Funktionsträgerschaft für die SED und seiner Tätigkeit als DIB die persönliche Eignung für eine weitere Tätigkeit im Hochschuldienst. Er habe das SED-System nachhaltig unterstützt und Mitarbeiter und Kollegen durch zögerliche Bearbeitung von Reiseanträgen behindert.
Zu den Aufgaben der GO-Leitung der SED in seiner Sektion der Universität hätte der Einfluß auf die Kaderpolitik, die Durchsetzung der SED-Militärdoktrin, der Einfluß auf staatliche Leitungsfunktionen und das Achten auf straffe Parteidisziplin gehört. Als DIB sei der Kläger Mitglied der ersten Leitungsebene der Universität gewesen, wie sich aus dem Organigramm ergebe. Zwar habe es sich hierbei um eine staatliche Funktion gehandelt, diese sei jedoch in besonderem Maße von politischen Vorgaben bestimmt gewesen, wie sich aus den Dokumenten „Entscheidungsfeld des Direktors für internationale Beziehungen” und „Aufgabenkatalog der Bereiche der ersten Leitungsebene an Universitäten und Hochschulen und Rahmenstruktur” ergebe. Es habe sich um die zentrale Stelle für Auslandsreisen der Hochschulangehörigen gehandelt, wobei eine der Hauptaufgaben die Zusammenarbeit mit dem MfS gewesen sei. Diese Position habe eine weitreichende Identifikation mit dem SED-System vorausgesetzt.
So habe der Kläger versucht, die Teilnahme der wissenschaftlichen Oberassistentin des Fachbereichs Orientalistik und Afrikanistik, Frau Dr. T., an einem wissenschaftlichen Kongreß in Oslo im Juni 1989 zu verhindern, wie aus deren Antrag auf Rehabilitierung vom 17. März 1992 zu entnehmen sei. Ferner habe der Kläger eine Reise von Frau Dr. T. im Oktober 1989 zur Jahrestagung dreier ethnologischer Gesellschaften der BRD und Österreichs in Marburg verhindert. Reiseanträge seien mit Wissen des Klägers nicht beantwortet worden.
Das Arbeitsgericht hat nach dem Klageantrag erkannt, die Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die
Klageabweisung.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung, § 565 ZPO.
Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet: Sowohl für den Streit über die Abberufung wie auch die Kündigung seien die Arbeitsgerichte zuständig. Da auch die Abberufung nach §§ 55 Abs. 2 Nr. 5, 75 Abs. 1 Nr. 2 des Sächsischen Hochschulerneuerungsgesetzes (SHEG) eine persönliche Nichteignung des Hochschullehrers voraussetze, sei nach den gleichen Kriterien zu entscheiden: Eine mangelnde persönliche Eignung im Sinne des Abs. 4 Ziff. 1 EV liege jedoch nicht vor. Die dem Kläger vorgeworfenen ehrenamtlichen Parteifunktionen befänden sich auf unterster Ebene der Parteihierarchie und lägen schon längere Zeit zurück. Seit 1983 habe der Kläger keine Parteiämter mehr ausgeübt. Das Amt des GO-Sekretärs der FDJ von 1966 bis 1969 könne außer Betracht bleiben, da es weit zurückliege. Im übrigen fehle es an genaueren Angaben des Beklagten, welche Aufgaben der Kläger in dem jeweiligen von ihm wahrgenommenen Bereich erfüllt habe. Das gelte auch für die Tätigkeit als Parteigruppenorganisator der SED, die sich im übrigen nicht wesentlich von der eines normalen SED-Mitgliedes abhebe. Der Beklagte habe auch nicht vorgetragen, daß der Kläger durch besonders intensive Parteiarbeit in diesen geringfügigen Parteiämtern aufgefallen wäre.
Auch die Tätigkeit des Klägers als DIB an der Universität … lasse ihn nicht als ungeeignet für eine weitere Dozententätigkeit erscheinen. Der DIB sei für die internationalen Beziehungen der Universität, darunter die Wissenschaftsbeziehungen, die kulturellen Kontakte und das Ausländer- und Auslandsstudium zuständig gewesen. Soweit dem DIB die „politische Betreuung” ausländischer Gäste der Universität sowie die „politisch ideologische Arbeit” mit ausländischen Studenten über tragen gewesen sei, habe es sich um DDR-typische Ausprägungen einer solchen Tätigkeit gehandelt; daß der Kläger ausländische Gäste bzw. ausländische Studenten politisch indoktriniert oder gegebenenfalls gegen sie sogar Repressalien aus politischen Gründen ausgeübt habe, sei vom Beklagten nicht vorgetragen worden. Der Beklagte habe auch nicht bestritten, daß der Kläger für die Exmatrikulation von ausländischen Studenten nicht zuständig gewesen sei. Was die Vorbereitung, Durchführung und Auswertung der Reisetätigkeit angehe, habe der Beklagte nicht deutlich gemacht, worin die Sicherung der politischen und inhaltlichen Vorbereitung sowie die Durchführung aller Reiseaktivitäten und einer kontinuierlichen politischen Arbeit mit den Reisekadern gelegen haben solle. Ohne Erwiderung sei auch der Vortrag des Klägers geblieben, er sei für die Bewilligung von Westreiseanträgen gar nicht zuständig gewesen. Auch der Antrag auf Rehabilitierung der Frau Dr. T. belege nicht, daß der Kläger deren Reiseanträge bewußt verhindert habe; es möge eine verzögerliche Behandlung vorliegen, die der Kläger jedoch plausibel erklärt habe.
II. Dem folgt der Senat nicht in allen Punkten. Die Revision rügt zu Recht eine mangelnde Sachaufklärung zur Aufgabenstellung und Aufgabendurchführung des Klägers als Direktor für internationale Beziehungen von 1986 bis 1990.
1. Was zunächst die Klage auf Abberufung des Klägers angeht, war in der Revisionsbegründung ursprünglich die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte problematisiert worden. Der Beklagte hat jedoch mit Schriftsatz vom 1. Juli 1994 die Rechtsweg-Rüge im Hinblick auf § 17 a Abs. 5 GVG nicht aufrechterhalten. In dieser Bestimmung ist geregelt, daß das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, nicht (mehr) prüft, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist. Dem hat der Beklagte zutreffend Rechnung getragen, so daß nicht mehr zu erörtern ist, ob ursprünglich richtigerweise der Verwaltungsrechtsweg wegen der Klage gegen die Abberufung einzuschlagen gewesen wäre.
2. Da der Kläger als Universitätsdozent und Direktor für internationale Beziehungen dem öffentlichen Dienst in den Beitrittsländern angehörte (Art. 20 Abs. 1 EV), ist die Kündigung zulässig, wenn der Kläger wegen mangelnder persönlicher Eignung nach Abs. 4 Ziff. 1 EV den Anforderungen nicht entspricht. Was die Abberufung des Klägers angeht, gelten die gleichen Voraussetzungen nach §§ 55 Abs. 2 Nr. 5, 75 Abs. 1 Nr. 2 SHEG. Auch eine Abberufung setzt in der hier in Frage kommenden Alternative die persönliche Nichteignung des Hochschullehrers voraus. Hierauf hat bereits das Berufungsgericht zutreffend hingewiesen. Dies wird auch von der Revision nicht weiter problematisiert.
Hinsichtlich einer Kündigung wegen mangelnder persönlicher Eignung im Sinne des Abs. 4 Ziff. 1 EV sind in der einschlägigen Rechtsprechung des Achten und Zweiten Senats des Bundesarbeitsgerichts (u.a. BAG Urteile vom 28. April 1994 – 8 AZR 57/93 – AP Nr. 22 zu Einigungsvertrag Anl. I Kap. XIX; vom 13. Oktober 1994 – 2 AZR 201/93 – AP Nr. 35 zu Einigungsvertrag Anl. I Kap. XIX, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, und vom 13. Oktober 1994 – 2 AZR 261/93 – zur Veröffentlichung vorgesehen) und neuerdings auch vom BVerfG (Beschluß vom 21. Februar 1995 – 1 BvR 1397/93 –) zum Nachweis einer solchen mangelnden Eignung aufgrund besonderer Identifikation mit den grundgesetzfeindlichen Zielen der SED bzw. von Entlastungstatsachen – kurz zusammengefaßt – folgende Grundsätze entwickelt worden:
Die mangelnde persönliche Eignung im Sinne von Abs. 4 Ziff. 1 EV ist eine der Person des Arbeitnehmers anhaftende Eigenschaft, die dann indiziert ist, wenn dieser sich in der Vergangenheit in besonderer Weise mit dem SED-Staat identifiziert hat. Positionen in Staat und Partei, die jemand seinerzeit innegehabt hat, können Anhaltspunkte für eine mangelnde Eignung sein. Allerdings erfordern Bedeutung und Tragweite des Grundrechts auf freie Arbeitsplatzwahl (Art. 12 Abs. 1 GG) und im öffentlichen Dienst ergänzend Art. 33 Abs. 2 GG eine konkrete, einzelfallbezogene Würdigung der Persönlichkeit des Arbeitnehmers, die sein Verhalten nach dem Beitritt der neuen Bundesländer unter Prüfung der Fähigkeit und inneren Bereitschaft einbezieht, seine dienstlichen Aufgaben nach den Grundsätzen der Verfassung glaubwürdig wahrzunehmen (BVerfG Beschluß vom 21. Februar 1995 – 1 BvR 1397/93 –, NZA 1995, 619). Die Beweislast für den Nachweis der mangelnden persönlichen Eignung obliegt dem Arbeitgeber, wobei allerdings die Darlegungslast für be- und entlastendes Vorbringen abgestuft ist: Schon angesichts der Tatsache, daß zahlreiche Personalakten nach der sog. Wende „gesäubert” wurden, würden die Anforderungen an die Darlegungslast des Arbeitgebers überspannt, wenn von ihm ohne konkretes Gegenvorbringen die detaillierte Darlegung verlangt würde, der mit der Umsetzung der grundgesetzfeindlichen SED-Ideologie beauftragte Funktionsträger habe im konkreten Fall die Funktion auch tatsächlich entsprechend diesen Zielen ausgeübt. Wie er im Einzelfall die Funktion tatsächlich ausübte, weiß der belastete Arbeitnehmer in aller Regel weitaus besser. Er hat sich deshalb zu der allgemeinen Funktionsbeschreibung konkret zu äußern. Das Maß der gebotenen Substantiierung von Entlastungsvorbringen hängt ebenfalls davon ab, wie sich die andere Seite darauf einläßt (§ 138 Abs. 2 ZPO). Es bedarf des Vortrages konkreter Entlastungstatsachen unter Benennung geeigneter Beweismittel. Der Arbeitgeber kann dann seine Ermittlungen auf die vorprozessual oder im Prozeß konkretisierten Tatsachen konzentrieren, wobei die Beweislast auch insoweit bei ihm verbleibt.
3. Soweit die Revision rügt, das Landesarbeitsgericht habe die vom Kläger wahrgenommenen Funktionen als FDJ-GO-Sekretär, SED-Parteigruppenorganisator und Mitglied der GO-Leitung der SED zu Unrecht als unbeachtlich angesehen, greift diese Rüge allerdings nicht durch.
a) Soweit sie sich zunächst auf die Funktion als FDJ-GO-Sekretär bezieht, fällt auf, daß die Revision nicht einmal auf die Argumentation des Berufungsgerichts eingeht, die FDJ-Tätigkeit 1966 bis 1969 könne außer Betracht bleiben, weil sie zu weit zurückliege. Diese Argumentation steht in Übereinstimmung mit der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts, das ebenfalls einer weit zurückliegenden FDJ-Sekretärtätigkeit (Senatsurteil vom 30. März 1995 – 2 AZR 764/93 – n.v., zu II 5 a bb der Gründe) oder einem weit zurückliegenden Besuch der Kreisparteischule (Senatsurteil, a.a.O., zu II 5 b bb der Gründe) keine Bedeutung beigemessen hat. Es fehlt insofern auch jeder nähere Vortrag, ob es sich dabei um eine ehrenamtliche oder hauptamtliche Tätigkeit handelte und mit welchen Zielsetzungen sie verbunden war; schon die Mitgliedschaft in der FDJ gehörte zum politischen Alltag der DDR (Senatsurteil vom 31. Mai 1995 – 2 AZR 750/93 – n.v., zu II 5 der Gründe). Im übrigen läßt der Kläger mit einigem Recht gegenüber dem Revisionsvorbringen anmerken, daß es sich bei der FDJ-Tätigkeit nicht im eigentlichen Sinne um eine Parteifunktion, sondern um eine gesellschaftliche Funktion handelte.
b) Soweit die Revision auf die Tätigkeit des Klägers als SED-Parteigruppenorganisator verweist und diese Funktion als der eines Schulparteisekretärs vergleichbar ansieht, ist das weder im früheren Tatsachenvorbringen konkretisiert, noch mit der Revision belegt worden. Die Darstellung, der PGO habe ein Bindeglied zwischen SED und Universität bilden und die Zielvorstellungen der SED an der Hochschule durchsetzen sollen, ist zu allgemein. Sie läßt nicht erkennen, worin das besondere parteipolitische Engagement dieser Funktion konkret liegen soll. Für die Tätigkeit als PGO läßt sich dem SED-Statut (VI Ziff. 61 b) nur entnehmen, daß eine Parteigruppe „zur Leitung der Arbeit” ein Mitglied wählt. Inwiefern es sich bei dieser Tätigkeit um eine herausgehobene Position handelt, wird damit nicht ersichtlich. Abgesehen davon hat der Beklagte auch hinsichtlich dieser Funktion nicht näher vorgetragen, welcher politisch-ideologische Einfluß damit regelmäßig verbunden gewesen sei. Es liegt insofern auch kein näherer Bezug zu der im übrigen ebenfalls weit zurückliegenden Tätigkeit des Klägers 1964/65 und später 1975/78 vor. Die erste Tätigkeit lag unstreitig noch vor Aufnahme seiner Arbeit an der Universität. In welchem Zusammenhang die Zweitperiode als PGO zu sehen ist (in welcher Tätigkeit? in welchem Institut?) und wem gegenüber (Studenten? Arbeitskollegen?), welche Einflußmöglichkeiten bestanden, ist nicht dargestellt.
c) Gleiches gilt für die Rüge der Revision zur Tätigkeit des Klägers als Mitglied der GO-Leitung der SED. Auch wenn es sich dabei nicht um eine Parteitätigkeit auf unterster, sondern angeblich „auf der dritten Ebene” handelte (Revisionsbegründung Seite 5), so läßt das ohne näheren Bezug zu der konkreten beruflichen Tätigkeit des Klägers wiederum nicht erkennen, welche Einflußmöglichkeiten der Kläger hatte. Auch hierauf hat schon das Berufungsgericht (Berufungsurteil S. 10, 11) – ebenso wie auch das Arbeitsgericht – zutreffend hingewiesen. Auch das Bundesarbeitsgericht (vgl. Urteile vom 17. Februar 1994 – 8 AZR 68/93 – n.v., zu III 3 der Gründe und vom 30. März 1995 – 2 AZR 764/93 – n.v., zu II 5 b aa der Gründe) hat in der bloßen Eigenschaft als Mitglied der Leitung der SED-Grundorganisation keine Indizwirkung für mangelnde persönliche Eignung gesehen.
4. Die Revision macht schließlich geltend, das vom Kläger 1986 bis 1990 ausgeübte Amt eines DIB sei politisch-ideologisch ausgerichtet gewesen und habe zur ersten Leitungsebene der U. gehört und der Kläger sei als DIB für die politisch-ideologische Arbeit mit ausländischen Studenten und die Sicherung der politischen Arbeit mit den Reisekadern verantwortlich gewesen, ebenso wie dafür, im Sinne der SED-Ideologie die Reisefreiheit der Bürger einzuschränken.
Mit diesem Vorbringen hat sich das Landesarbeitsgericht nur teilweise auseinandergesetzt, hat allerdings angenommen, der Kläger sei für die Exmatrikulation ausländischer Studenten ebensowenig zuständig gewesen wie für die Bewilligung von Westreiseanträgen. Demnach hätte der Kläger jedenfalls etwa für die Sanktion einer Exmatrikulation bei nicht parteikonformen ausländischen Studenten keine Kompetenz gehabt und hätte – schon mangels Zuständigkeitsbereichs – auch nicht, wie die Revision allgemein geltend macht, entsprechend der SED-Ideologie zur Einschränkung der Reisefreiheit von DDR-Bürgern in den Westen beitragen können.
Nach dem vom Beklagten vorgelegten Urkundenmaterial („Entscheidungsfeld des DIB”) erstreckt sich indessen die Verantwortung des DIB auf die Koordinierung, Kontrolle und Analyse aller Maßnahmen der … Universität auf dem Gebiet der internationalen Beziehungen, darunter der Wissenschaftsbeziehungen, insbesondere mit Freundschaftsuniversitäten, der kulturellen Kontakte und des Ausländer- und Auslandsstudiums. Er trägt die Verantwortung für die Leitung des Kollektivs des Direktorates und für die Lösung der politisch-ideologischen und wissenschaftlich-fachlichen Aufgaben aller Mitarbeiter sowie deren Qualifikation. Zu diesem Verantwortungsbereich und der nachfolgenden Hauptaufgabenbeschreibung, die zumindest teilweise im Widerspruch zu dem vom Kläger beschriebenen Aufgabenkatalog steht, fehlt es jedoch an ausreichenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, um abschließend beurteilen zu können, ob der Kläger mit dieser Tätigkeit nicht doch in einer herausragenden Funktion an der Umsetzung der SED-Ziele beteiligt war. So gehörte nach der Aufgabenschilderung des Beklagten u.a. zu den Hauptaufgaben des Klägers
- Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Planung, Vorbereitung, Durchführung und Auswertung von Auslandsaufenthalten der Angehörigen der … Universität.
- Gewährleistung einer auf die Bedürfnisse der … Universität abgestimmten Einladungspolitik, u.a. durch Sicherstellung der politischen und kulturellen Betreuung ausländischer Gäste der … Universität,
- politisch-ideologische Arbeit mit ausländischen Studierenden, Absolventen und Aspiranten.
Nach dem vom Beklagten vorgelegten „Entscheidungsfeld” hatte der Kläger auch entsprechende Entscheidungsbefugnisse. Ob diese in der Wirklichkeit so ausgeübt wurden, ist unklar. Daß der DIB, wie die Revision geltend macht, an hervorgehobener Position mitverantwortlich dafür war, die Reisefreiheit der Bürger allgemein einzuschränken, bleibt in Bezug auf die Tätigkeit des Klägers, nach dessen Vortrag im Jahre 1989 allein 2.611 Auslandsdienstreisen von Angehörigen der U. über das Direktoriat für Internationale Beziehungen technisch realisiert wurden, ebenfalls unaufgeklärt.
Den konkreten Vorwurf, den der Beklagte in den Tatsacheninstanzen erhoben hat, nämlich der Kläger sei für die schleppende, schikanöse Bearbeitung der Reisewünsche der nicht zur SED gehörenden Oberassistentin Dr. T. verantwortlich gewesen, hat das Berufungsgericht allerdings dahin zu entkräften versucht, nach dem eigenen Vorbringen des Beklagten habe der Kläger deren Reiseanträge nach Oslo und Marburg jedenfalls nicht bewußt verhindert; es möge eine zögerliche Behandlung vorgekommen sein; der Kläger habe plausible Gesichtspunkte vorgetragen, die vom Beklagten nicht widerlegt worden seien. Der Kläger hatte dazu in der Berufungserwiderung vorgetragen, er sei selbst nicht Sachbearbeiter der Anträge von Frau Dr. T. gewesen, sondern diese seien in einer dafür zuständigen Abteilung des Direktorats bearbeitet worden; es sei eine Unterstellung, daß er Frau Dr. T. in ihrer Reisetätigkeit beeinträchtigt habe; für Dienstreisen in sog. nichtsozialistische Länder sei eine Bestätigung durch das Direktorat für Kader und Qualifizierung erforderlich gewesen, bevor die Reiseunterlagen zur weiteren Bearbeitung nach Berlin geschickt worden seien. Die Ursachen der von Frau Dr. T. festgestellten Verzögerungen in der Bestätigung ihres Reisekaderstatus seien vom Direktorat für internationale Beziehungen nicht zu vertreten; Frau Dr. T. bestätige dies indirekt durch ihr Zugeständnis, daß sich Stellenwert und Rolle der Kaderabteilung ihrer Kenntnis entzögen. Auch zu diesem Vorbringen fehlt eine Würdigung des Landesarbeitsgerichts ebenso wie zu der Frage, ob nicht auch dann von einer Verantwortlichkeit des Klägers auszugehen ist, wenn er nicht selbst Sachbearbeiter der Anträge war.
Der Kläger hatte weiter geltend gemacht, die Osloreise sei vorbereitet worden, obwohl die angeführten Probleme die Angelegenheit komplizierten und die vom Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen gesetzten Bearbeitungsfristen längst nicht mehr eingehalten werden konnten; dies zeuge eher von einer konstruktiven und unbürokratischen Verfahrensweise im Direktorat für internationale Beziehungen, wobei sich Frau Dr. T. bei der zuständigen Mitarbeiterin auch durch ein kleines Geschenk ausdrücklich bedankt habe. Der Reiseantrag nach Marburg sei nicht bearbeitet worden, weil die Bearbeitungsfrist nicht ausgereicht habe; zu jener Zeit habe dem Direktorat eine Flut von Dienstreiseanträgen in die BRD vorgelegen, die die Bearbeitungskapazität der Einrichtung überfordert habe; so seien 1989 625 Dienstreisen in die BRD vom Direktorat gewährleistet worden, so daß die Einhaltung der Bearbeitungsfristen zwingend geworden sei; ein Antrag der Sektion, die Reise von Frau Dr. T. prioritär zu bearbeiten, habe nicht vorgelegen. Traf dieser Sachvortrag zu, würde dies allerdings insoweit für eine Entlastung des Klägers sprechen.
Da alle diese Umstände unaufgeklärt sind, kommt es auf die mit der Revision erhobene formelle Rüge nicht mehr an, wäre Frau Dr. T. zu dem die Vorwürfe herabspielenden Sachvortrag des Klägers vernommen worden, hätte sich herausgestellt, daß diese verharmlosenden Herabspielungen unzutreffend seien und tatsächlich der Kläger aus ideologischen Motiven heraus die Ausreisewünsche von Frau Dr. T. behindert habe. Insofern wird allerdings der Beklagte unter Auseinandersetzung mit dem klägerischen Vortrag konkret vorzutragen haben, was Frau Dr. Taube dem angeblich entgegenzusetzen habe.
Der Beklagte verweist schließlich zu Recht auf die vom Kläger selbst eingeräumten Kontakte zum MfS. Dazu hatte der Kläger sich schon der Personalkommission der Universität … gegenüber laut Protokoll vom 10. April 1992 dahin geäußert, es habe sich um dienstliche, vielen Leuten zugängliche Vorgänge gehandelt, und zwar in Bezug auf bestimmte Länder, zu westdeutschen Partneruniversitäten usw. Er habe es jedenfalls abgelehnt, während seiner Auslandsreisen Aufgaben für das MfS zu übernehmen, er habe seine Auslandskontakte nicht für solche Dinge benutzen wollen. Auch mit diesem wechselseitigen Parteivorbringen hat sich das Landesarbeitsgericht nicht weiter auseinandergesetzt und auch nicht abgewogen, inwiefern daraus auf ein Eintreten für die SED-Ideologie geschlossen werden könne.
Das Landesarbeitsgericht wird letztlich zu berücksichtigen haben, daß der Kläger nach der sog. Wende sein Dozentenamt für die Universität … bei deren Erneuerungsprozeß auch unter den Bedingungen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung weiter ausgeübt hat, ohne daß der Beklagte bezogen auf diese Tätigkeit bisher konkrete Mängel angeführt hat; im Gegenteil: Der Kläger hat vorgetragen, er habe – ausgewiesen im Studienführer der Universität … – noch über den Ablauf der Kündigungsfrist (31. Dezember 1992) hinaus bis zum Ende des Wintersemesters 1992/93 Lehrveranstaltungen in den Fächern Afrikanistik und Entwicklungssoziologie gehalten und bis Ende März 1993 in diesen Fächern Prüfungen abgenommen. Das wirft sogar die Frage auf, ob nicht im Hinblick auf § 625 BGB bei etwa vorbehaltloser Weiterbeschäftigung – dazu liegt weder in der Berufungs- noch in der Revisionsinstanz eine definitive Stellungnahme der Parteien vor –, die Kündigung hinfällig geworden ist. Auf jeden Fall wäre aber zu berücksichtigen, wenn sich der Kläger nach der Wende an dem Erneuerungsprozeß unter Verpflichtung auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung der BRD beteiligt hat (vgl. dazu u.a. Senatsurteil vom 11. Mai 1995 – 2 AZR 749/94 – n.v., zu II 2 d der Gründe und Beschluß des BVerfG vom 21. Februar 1995, a.a.O.).
Unterschriften
Bitter, Bröhl, Fischermeier, Nielebock, Bartz
Fundstellen