Entscheidungsstichwort (Thema)
Annahmeverzug und Änderungskündigung
Leitsatz (redaktionell)
Hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer statt einer gemäß dem ultima-ratio-Prinzip erforderlichen Änderungskündigung (§§ 2, 15 KSchG) eine Beendigungskündigung ausgesprochen, die mithin sozial ungerechtfertigt ist, so kommt der Arbeitgeber - jedenfalls im Regelfall - in Annahmeverzug, wenn er dem Arbeitnehmer nicht die ursprünglich geschuldete Arbeit anbietet.
Verfahrensgang
LAG Hamburg (Entscheidung vom 10.02.1993; Aktenzeichen 8 Sa 55/92) |
LAG Hamburg (Entscheidung vom 10.02.1993; Aktenzeichen 8 Sa 10/92) |
ArbG Hamburg (Entscheidung vom 19.06.1992; Aktenzeichen 9 Ca 20/92) |
ArbG Hamburg (Entscheidung vom 11.12.1991; Aktenzeichen 9 Ca 328/91) |
Tatbestand
Die Klägerin war seit Oktober 1976 als Dekorateurin bei der Beklagten bzw. ihren Rechtsvorgängern beschäftigt, und zwar zuletzt gegen eine Grundvergütung von monatlich 2.911,32 DM brutto. Für die von der Beklagten geführten 8 Schuhgeschäfte ist ein Betriebsrat gewählt, dem die Klägerin seit April 1990 als Mitglied angehört. Mit Schreiben vom 21. März 1990 sprach die Beklagte zum 30. September 1990 eine Kündigung mit der Begründung aus, die Dekorationsabteilung werde aus Kostengründen aufgelöst. Wegen dieser Kündigung führten die Parteien einen Rechtsstreit (ArbG Hamburg - 9 Ca 95/90 - = LAG Hamburg - 8 Sa 96/90 -; im folgenden: Vorprozeß), in dem die Kündigung in beiden Instanzen mit der Begründung für unwirksam erklärt worden ist, vor einer Beendigungskündigung habe der Klägerin eine andere Tätigkeit im Unternehmen der Beklagten angeboten werden müssen; außerdem wurde die Beklagte zur Weiterbeschäftigung der Klägerin verurteilt. Ab 1. Oktober 1990 wurde die Klägerin im Verkauf beschäftigt. Mit Schreiben vom selben Tage hatte die Klägerin darauf hingewiesen, aus dem Urteil im Vorprozeß ergebe sich nicht, daß sie als Verkäuferin arbeiten müsse, sondern lediglich, daß die Dekoration ab dem 1. Oktober 1990 aufgelöst sei; wenn die Beklagte sie ins Alster-Einkaufszentrum (AEZ) als Verkäuferin versetzt habe, so geschehe dies ohne Zustimmung des Betriebsrates, der diese Versetzung nach § 101 BetrVG untersagen lassen könne; vorbehaltlich "der Klärung des Prozesses" werde sie die Arbeit als Verkäuferin aufnehmen. Am 2. Oktober 1990 beantragte die Beklagte beim Betriebsrat die Zustimmung zur Versetzung der Klägerin. Unter dem 8. Oktober 1990 antwortete der Betriebsrat, die Anhörung zur Versetzung sei nicht ordnungsgemäß, weil weder der vorgesehene Arbeitsplatz bezeichnet noch die beabsichtigte Eingruppierung mitgeteilt worden sei; außerdem verlangte der Betriebsrat eine Stellenausschreibung; vorsorglich verweigerte er unter Hinweis auf diese Unterlassung seine Zustimmung, und zwar auch mit der Begründung, die Klägerin erleide durch ihren Einsatz als Verkäuferin Qualifikationsverluste in ihrem Beruf als Dekorateurin; außerdem fielen nach wie vor Dekorationsarbeiten an. Die Beklagte teilte am 10. Oktober 1990 mit, die Klägerin werde in ihren Filialen im Verkauf eingesetzt. Ferner wurde unter dem 11. Oktober 1990 die neu eingerichtete Stelle ausgeschrieben. Der Betriebsrat hielt seine Zustimmungsverweigerung hinsichtlich der Versetzung der Klägerin aufrecht. Die Beklagte hat daraufhin beim Arbeitsgericht Hamburg ein Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG eingeleitet und einen Antrag nach § 100 Abs. 2 Satz 3 BetrVG gestellt (- 9 BV 16/90 - ArbG Hamburg = - 8 TaBV 2/92 - LAG Hamburg). Die Rechtsbeschwerde gegen den die Zustimmung des Betriebsrats ersetzenden Beschluß des LAG Hamburg ist inzwischen durch Beschluß des Bundesarbeitsgerichts vom 10. August 1993 - 1 ABR 22/93 - zurückgewiesen und der Antrag nach § 100 BetrVG für erledigt angesehen worden.
Die Klägerin hatte bereits unter dem 6. Oktober 1990 mitgeteilt, ihre Tätigkeit im Verkauf sei rechtswidrig, solange der Betriebsrat der Versetzung nicht zugestimmt habe; sie sehe sich daher außerstande, ihre Tätigkeit im Verkauf fortzuführen, stelle aber jederzeit ihre Arbeitskraft zur Verfügung. Ab 9. Oktober 1990 war die Klägerin sodann für längere Zeit arbeitsunfähig krank. Ab August 1991 bot sie ihre Dienste der Beklagten wieder an, jedoch ausdrücklich nur als Dekorateurin. Sie bestand auf dem Einsatz als Dekorateurin, solange ihr nicht wirksam eine Änderungskündigung ausgesprochen worden sei. Mit Schreiben vom 20. Dezember 1991 sprach die Beklagte daraufhin eine Änderungskündigung zum 30. Juni 1992 aus, verbunden mit dem Angebot, die Klägerin als Verkäuferin in der Filiale AEZ einzusetzen. Im vorliegenden Prozeß hat die Klägerin die Unwirksamkeit dieser Änderungskündigung geltend gemacht. Gegen das insoweit klageabweisende Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 10. Februar 1993 - 8 Sa 55/92 - hat die Klägerin kein Rechtsmittel eingelegt. Auch der ursprüngliche Streit der Parteien um zwei der Klägerin unter dem 30. Dezember 1991 und 3. Januar 1992 erteilte Abmahnungen, zu deren Rücknahme und Entfernung aus der Personalakte die Beklagte verurteilt worden ist, ist - mangels Rechtsmittel der Beklagten - nicht in der Revisionsinstanz angefallen.
Die Klägerin hat die Grundvergütung zunächst für die Monate August bis November 1991 mit dem Gesamtbetrag von 11.845,28 DM brutto (richtig: 11.645,28 DM) geltend gemacht, worauf sie sich erhaltene 271,-- DM Krankengeld anrechnen läßt; ferner beansprucht sie 104,-- DM vermögenswirksame Leistungen sowie 91,70 DM netto Fahrgeld. In dem ursprünglichen Parallelverfahren (- 8 Sa 55/92 - LAG Hamburg) hat die Klägerin die Klage auf Gehaltszahlung einschließlich vermögenswirksamer Leistungen für den Zeitraum von Dezember 1991 bis April 1992 erweitert, und zwar mit dem Gesamtbetrag von 14.556,60 DM brutto nebst 130,-- DM vermögenswirksame Leistungen. Wegen der Verurteilung zur Zahlung von 1.344,50 DM brutto Weihnachtsgeld und 1.344,50 DM brutto Urlaubsgeld hat die Beklagte ebenfalls kein Rechtsmittel eingelegt.
Die Klägerin hat - soweit für die Revisionsinstanz noch von Belang - geltend gemacht, vor Ausspruch einer Änderungskündigung sei sie nicht verpflichtet gewesen, die Arbeit als Verkäuferin aufzunehmen, da auch der Betriebsrat ihrer Versetzung ausdrücklich widersprochen habe. Die Beklagte befinde sich deshalb im Annahmeverzug, zumal sie ihre Arbeit als Dekorateurin angeboten habe. Die kurzfristige Tätigkeit als Verkäuferin habe sie ausdrücklich nur unter Vorbehalt aufgenommen. Im übrigen sei es angesichts des weiteren Anfalls von Dekorationsarbeiten willkürlich, sie nicht mit derartigen Arbeiten zu beschäftigen. Da die Beklagte das rückständige Gehalt nicht gezahlt habe, mache sie im übrigen ein Zurückbehaltungsrecht geltend.
Die Klägerin hat beantragt,
in - 8 Sa 10/92 -
die Beklagte zu verurteilen, an sie, die Kläge-
rin, 11.845,28 DM brutto sowie 104,-- DM vermö-
genswirksame Leistungen und 91,70 DM netto abzüg-
lich 271,-- DM zuzüglich 12,25 % Zinsen aus dem
sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit dem
4. Dezember 1991 zu zahlen;
in - 8 Sa 55/92 -
die Beklagte zu verurteilen, an sie 14.556,60 DM
brutto nebst 130,-- DM vermögenswirksame Leistun-
gen zuzüglich 12,25 % Zinsen aus dem sich hieraus
ergebenden Nettobetrag seit dem 15. Februar 1992
zu zahlen.
Die Beklagte hat mit ihrem Klageabweisungsantrag geltend gemacht, die Klägerin sei verpflichtet, als Verkäuferin zu arbeiten, zumal sie im Vorprozeß ihre Bereitschaft zu einer solchen Tätigkeit erklärt habe, ebenso wie im Schreiben vom 1. Oktober 1990. Folgerichtig habe die Klägerin ihre Arbeit auch als Verkäuferin am 1. Oktober 1990 aufgenommen. Des Ausspruchs einer Änderungskündigung habe es nicht bedurft. Schließlich habe die Klägerin aufgrund einer vorläufigen Maßnahme nach § 100 BetrVG als Verkäuferin tätig werden müssen.
Das Arbeitsgericht hat jeweils nach den Zahlungsanträgen erkannt und im wesentlichen zur Begründung ausgeführt, die Beendigungskündigung im Vorprozeß sei zwar wegen Vorrangs einer Änderungskündigung unwirksam gewesen, damit sei die Klägerin aber nicht vor Ausspruch einer Änderungskündigung zur Tätigkeit als Verkäuferin verpflichtet gewesen, zumal sie hierzu ihre grundsätzliche Bereitschaft nicht erklärt habe. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Urteile der Vorinstanz insoweit abgeändert und die Klagen abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Urteile. Der Senat hat die ursprünglich getrennten Rechtsstreite zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist begründet. Der Klägerin stehen die noch im Streit stehenden Ansprüche gemäß §§ 615, 293 f. BGB zu.
I. Das Landesarbeitsgericht hat seine entgegenstehenden Entscheidungen im wesentlichen wie folgt begründet: Die Klägerin habe keine Vergütungsansprüche für die Zeit von August 1991 bis April 1992, weil kein Annahmeverzug der Beklagten vorgelegen habe. Die Klägerin habe nämlich die Tätigkeit einer Verkäuferin geschuldet, habe diese Leistung aber nicht angeboten. Aufgrund des Urteils im Vorprozeß ergebe sich, daß die Beklagte angesichts der Auflösung der Dekorationsabteilung zum 30. September 1990 die Klägerin nicht mehr als Dekorateurin habe beschäftigen können, so daß das Leistungsurteil die Verpflichtung der Beklagten zur Weiterbeschäftigung der Klägerin als Verkäuferin beinhaltet habe. Dieses Ziel habe die Klägerin zumindest in zweiter Linie erstrebt. Die Klägerin habe auch immer argumentiert, sie könne zumindest als Verkäuferin weiterbeschäftigt werden. Als Konsequenz aus dem Kündigungsschutzrechtsstreit habe die Klägerin deshalb im vorhinein in eine Vertragsänderung als Verkäuferin eingewilligt. Deshalb sei auch für eine Änderungskündigung kein Raum mehr. Ferner komme hinzu, daß die Klägerin sich am 1. Oktober 1990 mit ihrer Beschäftigung als Verkäuferin einverstanden erklärt habe, wenn auch nur vorbehaltlich einer Entscheidung im Beschlußverfahren über die Zustimmungsersetzung. Mit ihrem Widerruf vom 6. Oktober 1990 habe sie sich in Widerspruch zu ihrem eigenen früheren Verhalten gesetzt (§ 242 BGB). Schließlich habe die Beklagte die Ersetzung der Zustimmung zur Versetzung beantragt und gleichzeitig fristgemäß den Antrag nach § 100 BetrVG gestellt, so daß sie die Klägerin vorläufig in den Bereich Verkauf habe versetzen können. Diese vorläufige personelle Maßnahme sei rechtmäßig, bis im Beschlußverfahren eine rechtskräftige Entscheidung zu Lasten des Arbeitgebers ergangen sei.
II. Dem folgt der Senat nicht.
1. Das Berufungsurteil unterliegt im Umfang der Anfechtung, nämlich wegen der Vergütungsansprüche nach § 615 BGB, durch die Revision der uneingeschränkten Nachprüfung. Nach § 72 Abs. 1 ArbGG findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts zugelassen worden ist. Nach dem Tenor des angefochtenen Urteils ist die Revision uneingeschränkt zugelassen worden. Im letzten Absatz der Entscheidungsgründe hat das Landesarbeitsgericht ausgeführt, die Kammer habe die Revision gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen, weil fraglich sei, ob der Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Stillegung der Betriebsabteilung kündigen könne, wenn das Direktionsrecht für eine Versetzung nicht reiche und der nach § 15 KSchG geschützte Arbeitnehmer nicht die erforderliche Einwilligung gebe.
Das Landesarbeitsgericht hat damit nicht deutlich gemacht, es wolle die Revision etwa nur beschränkt auf die Wirksamkeit der Änderungskündigung zulassen und die - weil zeitlich vor der Änderungskündigung liegenden - Verzugsansprüche nicht zum Gegenstand eines eventuellen Rechtsmittels machen. Ausgehend von der Auffassung des Landesarbeitsgerichts, es bedürfe angesichts des Vorprozesses gar keiner Änderungskündigung, spricht schon viel dafür, daß das Landesarbeitsgericht die Problematik der Änderungskündigung, wegen der es ausdrücklich die Revision zugelassen hat, im Zusammenhang mit den nach dem Vorprozeß geltend gemachten Verzugsansprüchen gesehen hat. Dafür spricht auch, daß es im ursprünglichen Parallelverfahren - 8 Sa 10/92 -, in dem es nur um Annahmeverzugsansprüche geht, ebenfalls die Revision - ohne nähere Begründung - zugelassen hat.
Letztlich braucht dem aber nicht weiter nachgegangen zu werden, denn eine Beschränkung der Revisionszulassung auf die Wirksamkeit der Änderungskündigung hätte aus Gründen der Rechtsmittelklarheit eindeutig aus dem angefochtenen Urteil (- 8 Sa 55/92 -) hervorgehen müssen, wie in der Rechtsprechung allgemein anerkannt ist (Senatsurteile vom 19. März 1959 - 2 AZR 402/55 - BAGE 7, 290, 294 = AP Nr. 8 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers, zu I 1 der Gründe, und vom 19. Mai 1983 - 2 AZR 454/81 - n.v., zu A I der Gründe; siehe ferner BAG Urteil vom 6. Juni 1984 - 7 AZR 451/82 - AP Nr. 16 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, zu I der Gründe; vgl. auch BGH Urteile vom 17. Dezember 1954 - II ZR 24/59 - und vom 18. Dezember 1968 - VIII ZR 12/67 - LM Nr. 38 a und 68 zu § 546 ZPO). So hat auch der Senat entschieden (Urteil vom 6. September 1990 - 2 AZR 165/90 - AP Nr. 47 zu § 615 BGB), habe das Landesarbeitsgericht die Revision laut Urteilstenor unbeschränkt zugelassen und verhalte sich die Begründung der Zulassung nur zu einem Teil der Streitgegenstände, so sei aus Gründen der Rechtsklarheit im Zweifel von einer unbeschränkten Zulassung des Rechtsmittels auszugehen. Dies gilt nach dem Vorhergesagten auch vorliegend.
2. Das Landesarbeitsgericht hat die Abweisung der Gehaltsansprüche damit begründet, die Klägerin hätte ihre Leistung als Verkäuferin anbieten müssen; zwar sei der Arbeitsvertrag noch nicht geändert gewesen, im Vorprozeß habe die Klägerin aber um den Erhalt des Arbeitsplatzes und um Weiterbeschäftigung als Dekorateurin gekämpft, in zweiter Linie aber auch um Weiterbeschäftigung im Verkauf. Mit dem Obsiegen im Vorprozeß habe sie das letztere Ziel erreicht, worin sie auch mit Schreiben vom 1. Oktober 1990 eingewilligt habe, während ihr Widerruf mit Schreiben vom 6. Oktober 1990 unbeachtlich sei. Wenn auch der Betriebsrat der Versetzung der Klägerin noch nicht zugestimmt habe, so habe doch die Beklagte den Antrag nach § 100 BetrVG gestellt und sei deshalb bis zur Entscheidung dieser betriebsverfassungsrechtlichen Frage zum Einsatz der Klägerin als Verkäuferin befugt gewesen.
a) Die Revision rügt demgegenüber, das Landesarbeitsgericht habe zu Unrecht die Voraussetzungen des § 615 BGB verneint und habe u. a. das Schreiben vom 1. Oktober 1990 fälschlich dahin ausgelegt, sie, die Klägerin, habe vorbehaltlos einer Arbeit als Verkäuferin zugestimmt.
b) Die Rüge der Verletzung des § 615 BGB greift durch. Die Beklagte befand sich entgegen der Meinung des Landesarbeitsgerichts in Annahmeverzug, weil sie der Klägerin nach deren Obsiegen im Vorprozeß nicht die allein von ihr geschuldete Arbeit als Dekorateurin zugewiesen hat. Zu einer Tätigkeit als Verkäuferin war die Klägerin individualrechtlich - dies ist klar von der kollektivrechtlichen Ebene zu unterscheiden (vgl. die entsprechenden Ausführungen des Ersten Senats im Beschluß vom 10. August 1993 in dem Verfahren zwischen der Beklagten und deren Betriebsrat, aaO, zu B II 2 b der Gründe) - nicht verpflichtet.
Wie der Senat mehrfach entschieden hat (Senatsurteile vom 9. August 1984 - 2 AZR 374/83 - BAGE 46, 234 = AP Nr. 34 zu § 615 BGB; vom 21. März 1985 - 2 AZR 201/84 - AP Nr. 35, aaO, und vom 19. April 1990 - 2 AZR 591/89 - BAGE 65, 98 = AP Nr. 45, aaO), gerät der Arbeitgeber im Falle einer unwirksamen Kündigung in Annahmeverzug, wenn er dem Arbeitnehmer nicht einen funktionsfähigen Arbeitsplatz vorgehalten und Arbeit zugewiesen hat, damit der Arbeitnehmer die geschuldete Arbeitsleistung erbringen kann.
aa) Zwar hat die Beklagte der Klägerin Arbeit zugewiesen, aber nicht die von dieser geschuldete. Nachdem die Klägerin im Vorprozeß um die Kündigung vom 21. März 1990 obsiegt und ihre Weiterbeschäftigung als Dekorateurin erstritten hatte, hätte die Beklagte die Klägerin im streitbefangenen Zeitraum vertragsgemäß einsetzen müssen. Vertraglich war die Klägerin im streitbefangenen Zeitraum nur zur Tätigkeit als Dekorateurin verpflichtet, worauf sie sich vorprozessual (im Schriftsatz ihres Prozeßbevollmächtigten vom 19. August 1991) auch berufen hat, ohne daß die Beklagte diese Vertragssituation bestritten hat. Sie hat lediglich - ebenfalls vorprozessual - (Schreiben ihrer Prozeßbevollmächtigten vom 20. August 1991) geltend gemacht, die Klägerin habe im Vorprozeß ihre Zustimmung zur Weiterbeschäftigung im Verkauf gegeben. Das hat die Klägerin in Abrede gestellt (Schreiben ihrer Prozeßbevollmächtigten vom 30. August 1991): Sie habe im Vorprozeß sich nur auf die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Verkauf berufen und lediglich ihre Bereitschaft zu einer solchen Tätigkeit - vorbehaltlich ihrer Rechte im Rahmen einer Änderungskündigung - bekundet; mangels bisherigem Ausspruch einer Änderungskündigung sei sie nicht verpflichtet, eine Änderung ihrer Arbeitsbedingungen hinzunehmen; sie werde zwar eine Änderungskündigung unter Vorbehalt annehmen, aber deren Rechtfertigung überprüfen lassen, zumal noch Dekorationsarbeiten bei der Beklagten anfielen.
bb) Etwas anderes hat auch das Berufungsgericht nicht festgestellt (§ 561 ZPO), insbesondere nicht, die Klägerin habe etwa vorbehaltlos ihre Zustimmung zum Wechsel in den Verkauf erteilt. Inwiefern die Verurteilung zur Weiterbeschäftigung nur "in erster Linie" eine solche als Dekorateurin, "in zweiter Linie" aber auch eine solche als Verkäuferin (auf welcher Arbeitsstelle? zu welchen Konditionen?) beinhalten soll, wird vom Landesarbeitsgericht nicht näher begründet. Das ist auch nicht begründbar, weil "Weiterbeschäftigung" - im Anschluß an die Rechtsprechung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts (Beschluß vom 27. Februar 1985 - GS 1/84 - AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht) - eben die Beschäftigung in der bisherigen Tätigkeit meint, während es bei einer andersartigen, neuen Tätigkeit logischerweise nicht um Weiterbeschäftigung geht (siehe BAGE 48, 122, 142 ff. = AP, aaO, zu C II 1 a und b der Gründe). Auch dies rügt die Revision zu Recht, die ferner zutreffend darauf hinweist, aus dem Schreiben der Klägerin vom 1. Oktober 1990 ergebe sich ebenfalls nichts anderes. Auch das Landesarbeitsgericht (Entscheidungsgründe Seite 12 Mitte) geht insoweit von einem Vorbehalt der Klägerin, allerdings hinsichtlich des Verfahrens nach § 99 BetrVG aus. Es kann dahingestellt bleiben, ob auch die diesbezügliche Rüge zutreffend ist, der Vorbehalt beziehe sich tatsächlich auf einen eventuellen Änderungsschutzprozeß. Es genügt hier festzustellen, daß die Klägerin im Schreiben vom 1. Oktober 1990 einer Änderung ihres Arbeitsvertrages jedenfalls nicht vorbehaltlos und eindeutig mit der Folge zugestimmt hat, ab 1. Oktober 1990 eine Verkaufstätigkeit auszuüben; ein Einverständnis für die vorherige Zeit ab 1. August 1990, also für die Monate August und September 1990, behauptet die Beklagte im übrigen selbst nicht einmal konkret. Auch dies indiziert, daß die Beklagte aufgrund des verlorenen Vorprozesses schlicht und einfach davon ausging, die Klägerin ohne weiteres, also ohne Änderung des Vertrages und ohne Beteiligung des Betriebsrats, als Verkäuferin einsetzen zu können, was aber rechtlich unzutreffend ist.
cc) Aufgrund dieser Sachlage kann nämlich nicht davon ausgegangen werden, schon vor Ausspruch einer Änderungskündigung sei die Klägerin zu einer Tätigkeit entsprechend dem Änderungsbegehren verpflichtet gewesen. Das würde - im Wege eines Kurzschlusses - im Nachhinein zu einer unzulässigen Korrektur des Fehlers führen, daß die Beklagte nicht von Anfang an eine Änderungskündigung ausgesprochen hat. Tatsächlich hatte sie ohne Rücksicht auf das ultima-ratio-Prinzip, das in § 15 Abs. 5 KSchG eine besondere Ausprägung erfahren hat (vgl. KR-Etzel, 3. Aufl., § 15 KSchG Rz 18, 127, 128; Hueck/von Hoyningen-Huene, KSchG, 11. Aufl., § 15 Rz 165, 170; Stahlhacke/Preis, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 5. Aufl., Rz 634 f., 993, 994), der Klägerin eine Beendigungskündigung statt einer Änderungskündigung als dem milderen Mittel, das der Klägerin auch die Erhaltung des Betriebsratsamtes sicherte, ausgesprochen. Hierauf hat das Arbeitsgericht in seinem, die Verzugsansprüche zusprechenden Urteil zutreffend hingewiesen. So hat auch der Senat in einem ähnlich gelagerten Fall (Urteil vom 13. August 1992 - 2 AZR 22/92 - AP Nr. 32 zu § 15 KSchG 1969, zu II 3 a der Gründe) entschieden, solange trotz Stillegung des Betriebes - vorliegend einer Betriebsabteilung - eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit - in jenem Fall in einem anderen Betrieb des Unternehmens - bestehe, stelle sich für ein Betriebsratsmitglied die betriebsbedingte Kündigung nicht als die ultima-ratio dar, d. h. sie sei nicht durch betriebliche Erfordernisse bedingt. Der Senat hat in dieser Entscheidung ausdrücklich auch auf § 15 Abs. 5 KSchG hingewiesen, der nach dem ultima-ratio-Prinzip vorrangig die anderweitige Weiterbeschäftigung verlange. Demnach ist im Vorprozeß zutreffend die von der Beklagten gewählte Beendigungskündigung für unwirksam erklärt worden, allerdings ohne daß damit rechtskräftig eine Änderung der Arbeitsbedingungen festgestellt wäre. Die Rechtskraft der Vorprozeßentscheidung beschränkt sich vielmehr auf den Ausspruch, daß die Beendigungskündigung vom 21. März 1990 rechtsunwirksam ist (sogenannte punktuelle Streitgegenstandstheorie, ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. u.a. Senatsurteil vom 12. Juni 1986 - 2 AZR 426/85 - AP Nr. 17 zu § 4 KSchG 1969, zu B I der Gründe; KR-Friedrich, 3. Aufl., § 4 KSchG Rz 225, m.w.N.).
Soweit die Klägerin sich im Vorprozeß auf die Möglichkeit einer Beschäftigung als Verkäuferin berufen hat, geschah das in Wahrnehmung berechtigter, prozessualer Interessen, und zwar u.a. um auf die Notwendigkeit einer Änderungskündigung hinzuweisen, die eine Annahme der Änderung zumindest unter Vorbehalt ermöglicht hätte. Dagegen kann ihren Äußerungen vorliegend ein rechtsgeschäftlicher Erklärungswille (vgl. dazu bereits oben), gerichtet auf Änderung des Dekorateurvertrages in einen Verkäufervertrag, nicht beigemessen werden. Auch die Beklagte hat ein derartiges Angebot im Vorprozeß weder gemacht, noch etwa angenommen, wie ihr Klageabweisungsantrag in jenem Prozeß deutlich zeigt: Die Beklagte hat damit die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und nicht etwa seine Änderung angestrebt. Darin unterscheidet sich auch die vorliegende Fallkonstellation - über die in der Revisionsverhandlung diskutiert wurde - maßgeblich von derjenigen, die der Entscheidung vom 27. September 1984 (BAGE 47, 26 = AP Nr. 8 zu § 2 KSchG 1969) zugrunde liegt. Denn in jenem Fall hatte der Arbeitgeber noch während des Prozesses dem Arbeitnehmer ein Angebot zu geänderten Bedingungen gemacht. Außerdem hatte der Arbeitnehmer seinerzeit vorbehaltlos die später angebotene Änderung abgelehnt und nur erklärt, er wäre auf die geänderten Bedingungen eingegangen, wenn sie ihm vor oder mit der Kündigung gemacht worden wären. Nur deshalb hat der Senat dies in jenem Fall für erheblich und für die Beurteilung der sozialen Rechtfertigung der ausgesprochenen Beendigungskündigung für wesentlich gehalten (Leitsatz 3). Derartige Erklärungen der Parteien liegen hier nicht vor, so daß sich auch die Prüfung erübrigt, ob bei derartigen nachträglichen und widersprüchlichen Erklärungen insoweit an dieser Rechtsprechung (vgl. dazu die Kritik von von Hoyningen-Huene in Anm. zu AP Nr. 8, aaO; Hillebrecht, ZfA 1991, 87, 114) überhaupt festzuhalten ist.
dd) Im übrigen ergab sich aus dem Weiterbeschäftigungsausspruch des Vorprozeßurteils im Gegenteil, daß jedenfalls bis zur Rechtskraft desselben die Klägerin als Dekorateurin zu beschäftigen war. Für die Zeit danach hätte die Klägerin mangels individualrechtlicher Änderung ihres Arbeitsvertrages sogar einen Beschäftigungsanspruch als Dekorateurin geltend machen können. Insofern beruft sich die Beklagte selbst auch nicht (mehr) darauf, etwa befugt gewesen zu sein, den Arbeitsvertrag der Parteien in diesem entscheidenden Punkt einseitig aufgrund Direktionsrechts ändern zu können, was rechtlich auch nicht ohne Änderungskündigung oder Änderungsvertrag möglich gewesen wäre (vgl. zur Abgrenzung eines Direktionsrechts von der notwendigen Änderungskündigung: KR-Rost, 3. Aufl., § 2 KSchG Rz 45, 46 mit Rechtsprechungsnachweisen; siehe auch LAG Köln Urteil vom 26. Oktober 1984 - 6 Sa 740/84 - NZA 1985, 258, das lediglich die Versetzung einer Verkäuferin von der Kinder- in die Herrenabteilung noch als durch das Direktionsrecht gedeckt angesehen hat, während das Landesarbeitsgericht Düsseldorf Urteil vom 31. Januar 1973 - 12 Sa 1030/72 - BB 1973, 1489, bei Zuweisung einer anderen Tätigkeit vom Gegenteil ausgegangen ist).
c) Ob der Klägerin darüberhinaus ein Zurückbehaltungsrecht wegen Nichtbeteiligung des Betriebsrates bei einer notwendigen Versetzung (§ 95 Abs. 3, § 99 BetrVG) zustand, was jedenfalls bis zur vorläufigen Maßnahme nach § 100 BetrVG im Oktober 1990 kaum zweifelhaft sein dürfte, kann dahingestellt bleiben. Die später veranlaßte, in betriebsverfassungsrechtlicher Hinsicht nachträglich als wirksam erkannte Versetzung der Klägerin in die Verkaufsabteilung konnte sich im Verhältnis der Parteien individualrechtlich solange nicht auswirken, als nicht deren Vertrag geändert war (vgl. insoweit zum Nebeneinander von Änderungskündigung und mitbestimmter Versetzung insbesondere Senatsurteil vom 30. September 1993 - 2 AZR 283/93 - zur Veröffentlichung vorgesehen). Letzteres ist erst aufgrund Änderungskündigung vom 20. Dezember 1991 mit Wirkung zum 30. Juni 1992 geschehen, wirkt sich also für den vorliegend streitigen, davorliegenden Verzugszeitraum nicht aus. Auch der Ausgang des betriebsverfassungsrechtlichen Beschlußverfahrens (Beschluß des BAG vom 10. August 1993 - 1 ABR 22/93 -) ist für den Senat nach dem Vorhergesagten nicht vorgreiflich und beseitigt die vorzeitigen Verzugsfolgen nicht.
3. Da die Klägerin nach ihrer Erkrankung ihre Arbeitskraft als Dekorateurin ausdrücklich angeboten, die Beklagte sie aber nicht vertragsgemäß eingesetzt hat, wobei es in ihrem Risikobereich liegt, ob sie das wegen Auflösung der Dekorationsabteilung faktisch nicht mehr konnte, ist sie in Annahmeverzug geraten (§§ 615, 293, 295 BGB). Sie schuldet daher der Klägerin ab 1. August 1991 die vertragsgemäße Vergütung von monatlich 2.911,32 DM brutto, und zwar einschließlich der geltend gemachten vermögenswirksamen Leistungen (104,-- und 130,-- DM), des Fahrgeldes (91,70 DM) und des von der Beklagten nicht bestrittenen Zinsanspruchs. Insoweit sind daher die erstinstanzlichen Urteile wieder herzustellen.
Hillebrecht Bitter Bröhl
Dr. Bartz Röder
Fundstellen
Haufe-Index 438087 |
BB 1994, 1714 |
BB 1994, 1714-1716 (LT1) |
BB 1994, 868 |
DB 1994, 2401-2402 (LT1) |
DStR 1994, 873 (K) |
NJW 1994, 2846-2848 (LT1) |
BuW 1994, 363 (T) |
BetrVG, (47) (LT1) |
WiB 1994, 872 (LT) |
EWiR 1994, 545 (L) |
JR 1994, 440 |
JR 1994, 440 (L) |
NZA 1994, 840 |
NZA 1994, 840-843 (LT1) |
AP § 2 KSchG 1969 (LT1), Nr 32 |
AR-Blattei, ES 60 Nr 42 (LT1) |
EzA-SD 1994, Nr 9, 18-20 (LT1) |
EzA § 615 BGB, Nr 80 (LT1) |
EzBAT § 53 BAT Annahmeverzug, Nr 3 (LT1) |