Entscheidungsstichwort (Thema)
Übertarifliche “Eingruppierung” einer Schulsekretärin. Gleichbehandlung
Normenkette
BGB §§ 242, 315
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 14. Oktober 1997 – 6 Sa 589/97 – aufgehoben.
2. Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die zutreffende Vergütung der Klägerin, die den von ihr verfolgten Anspruch im Revisionsverfahren allein noch auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz stützt.
Die am 19. März 1943 geborene Klägerin ist seit dem 1. August 1983 als teilzeitbeschäftigte Schulsekretärin an dem Staatlichen K…-Gymnasium B… beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis der Parteien liegt der schriftliche Arbeitsvertrag vom 1. August 1983 zugrunde. In dessen § 2 ist bestimmt, daß sich das Arbeitsverhältnis unter anderem nach den Vorschriften des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) vom 23. Februar 1961 und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen richtet. § 4 des Arbeitsvertrages lautet: “Die Angestellte wird gemäß § 22 BAT in Vergütungsgruppe VII eingruppiert”. Zwei Nachträge zu diesem Arbeitsvertrag hatten jeweils lediglich eine Verkürzung der Arbeitszeit der Klägerin – auf nunmehr 17,75 Stunden in der Woche – zum Inhalt.
Neben der Klägerin sind an dem K…-Gymnasium B… noch die Schulsekretärin C… mit 17,5 Wochenstunden und die Schulsekretärin K… mit 17,75 Wochenstunden beschäftigt. Alle drei Schulsekretärinnen üben “gleiche bzw. gleichartige” Tätigkeiten aus.
Die Angestellte C… erhält seit Jahren Vergütung nach der VergGr. VIb BAT, während die Angestellte K… nach der VergGr. VII BAT vergütet wurde. Nach dieser vergütet der Beklagte generell die Schulsekretärinnen mit Ausnahme der sog. Erstkräfte, die Vergütung nach der VergGr. VIb BAT erhalten. Ende Februar 1994 beantragten die Klägerin und ihre Kollegin K… ihre “Höhergruppierung von BAT VII nach BAT VIb gemäß § 23a BAT”. Der Schulleiter des K…-Gymnasiums befürwortete diese Anträge. Nachdem die Klägerin auf die Bitte des Beklagten am 14. Oktober 1994 eine Arbeitsplatzbeschreibung vorgelegt hatte, lehnte dieser die Anträge der Klägerin – mit Schreiben vom 24. Mai 1995 – und ihrer Kollegin K… ab. Mit Schreiben vom 17. Mai 1996 teilte er der Angestellten K… dann mit, sie werde “mit Wirkung vom 01.01.1995 nach Vergütungsgruppe VIb BAT höhergruppiert”. Mit ihrer im Januar 1997 erhobenen Klage erstrebt die Klägerin die Feststellung, daß der Beklagte verpflichtet sei, sie – ebenfalls – ab 1. Januar 1995 nach der VergGr. VIb BAT zu vergüten und die Nettodifferenzen zur VergGr. VII BAT ab Rechtshängigkeit zu verzinsen.
Die Klägerin hat zur Begründung ihrer Klage zum einen ausgeführt, ihre Tätigkeit entspreche den Anforderungen der VergGr. VIb Fallgr. 1a des Allgemeinen Teils der Anlage 1a zum BAT, und zum anderen geltend gemacht, sie habe kraft des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes Anspruch auf die geforderte Vergütung. Denn ihre Kolleginnen C… und K… erledigten exakt die gleichen Arbeiten wie sie selbst. Eine sog. “Erstkraft”, die nach Absprache mit dem Schulleiter mit der Koordinierung der Sekretariatsarbeiten betraut sei, gebe es an dem K… Gymnasium nicht. Erst recht sei nicht eine der Mitarbeiterinnen gegenüber einer anderen weisungsbefugt. Fehlende Haushaltsmittel – Nichtvorhandensein einer weiteren Stelle der VergGr. VIb BAT – könnten die Ungleichbehandlung bei der Vergütung nicht sachlich rechtfertigen.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, daß der beklagte Landkreis verpflichtet ist, an sie ab dem 1. Januar 1995 Vergütung nach der VergGr. VIb BAT zu zahlen und die rückständigen Nettodifferenzbeträge zwischen den VergGr. VII BAT und VIb BAT ab 24. Januar 1997 jeweils mit 4 % zu verzinsen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, die Tätigkeit der Klägerin erfülle nicht die tariflichen Anforderungen des von ihr genannten Tätigkeitsmerkmals der VergGr. VIb BAT. Auch auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz könne die Klägerin ihren Anspruch nicht mit Erfolg stützen. Denn er – der Beklagte – vergüte grundsätzlich sämtliche Schulsekretärinnen nach der VergGr. VII BAT, ausgenommen die sog. “Erstkräfte” an größeren Schulen. Aus einer fehlerhaften Eingruppierung anderer Mitarbeiter könne die Klägerin keine Rechte herleiten. Eine willkürliche Ungleichbehandlung liege nicht vor.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Revision zugelassen. In den Entscheidungsgründen ist dazu ausgeführt, die Rechtssache habe im Hinblick auf den gleichbehandlungsrechtlichen Aspekt grundsätzliche Bedeutung; darauf beruhe die Zulassung der Revision. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihren Feststellungsantrag weiter. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Urteils des Landesarbeitsgerichts und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Landesarbeitsgericht hat noch festzustellen, ob der Beklagte bei der Besetzung der vorhandenen Stellen der VergGr. VIb BAT mit Schulsekretärinnen, die nicht die Tätigkeit einer “Erstkraft” ausüben, nach einem von ihm durchgängig beachteten Prinzip verfährt und ob richtigerweise danach auch die Klägerin ab 1. Januar 1995 nach dieser Vergütungsgruppe zu vergüten ist. Dies kann der Senat aufgrund der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht abschließend beurteilen.
1. Ob der Klägerin ein tariflicher Anspruch auf die von ihr geforderte Vergütung zusteht, ist vom Senat nicht zu prüfen. Denn dieser Streitgegenstand ist nach der Revisionsbegründung der Klägerin, mit der diese lediglich die Rechtsanwendung des Landesarbeitsgerichts betreffend den Anspruch auf Gleichbehandlung als fehlerhaft rügt, nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens. Geht es um die Anwendung verschiedener Normen auf verschiedene Sachverhalte – Tätigkeit, die bestimmte tarifliche Anforderungen erfüllt, einerseits und Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern mit gleicher Tätigkeit hinsichtlich ihrer Vergütung andererseits –, die beide für sich betrachtet zu demselben Zahlungsanspruch zu führen vermögen, so liegen verschiedene Streitgegenstände oder Ansprüche i.S.d. Zivilprozeßordnung vor (z.B. Beschluß des Senats vom 4. September 1996 – 4 AZN 104/96 – AP Nr. 23 zu § 64 ArbGG 1979). Beschränkt der Revisionskläger seine Revision auf einen Anspruch im prozessualen Sinne, ist das angefochtene Urteil nur hinsichtlich seiner Entscheidung über diesen revisionsrechtlich zu prüfen. Davon geht auch die Klägerin aus.
2. Die bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ermöglichen nicht die Entscheidung, ob die Klägerin gegenüber dem Beklagten kraft des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes Anspruch auf die von ihr geforderte Vergütung hat.
2.1 Nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz ist es dem Arbeitgeber verwehrt, einzelne oder Gruppen von Arbeitnehmern ohne sachlichen Grund von allgemein begünstigenden Regelungen im Arbeitsverhältnis auszuschließen und schlechter zu stellen. Dieser Grundsatz gebietet, Gleiches gleich und Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln. Er ist dann verletzt, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache sich ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund für eine Differenzierung nicht finden läßt (z.B. Urteil des Senats vom 16. April 1997 – 4 AZR 653/95 – AP Nr. 35 zu § 72 ArbGG 1979, m.w.N.).
Zwar hat bei der Festlegung der Vergütung der Grundsatz der Vertragsfreiheit Vorrang vor dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Dies gilt aber nur für individuell vereinbarte Arbeitsentgelte. Dagegen beansprucht der Gleichbehandlungsgrundsatz nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts uneingeschränkt Geltung, wenn der Arbeitgeber Leistungen nach einem erkennbaren und generalisierenden Prinzip festlegt (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, z.B. Urteil des Senats vom 16. April 1997 – 4 AZR 653/95 – aaO).
Da im Falle der Geltung eines Tarifvertrages für die Parteien des Arbeitsverhältnisses bei der Erfüllung der Anforderungen eines tariflichen Eingruppierungsmerkmals der Vergütungsanspruch des Angestellten bereits aus der tariflichen Vergütungsregelung folgt, kann der Gleichbehandlungsgrundsatz nur im außer- oder übertariflichen Bereich eine Rolle spielen.
2.2 Der Senat kann nicht abschließend entscheiden, ob die Voraussetzungen für den Anspruch der Klägerin auf eine übertarifliche Vergütung in Höhe derjenigen nach VergGr. VIb BAT ab 1. Januar 1995 erfüllt sind.
2.2.1 Mit Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, auf die Gruppe derjenigen Schulsekretärinnen, die tatsächlich die Tätigkeit einer “Erstkraft” auszuüben haben, die also nach dem Verständnis der Klägerin in Absprache mit dem Schulleiter mit der Koordinierung von Sekretariatsaufgaben betraut sind, könne die Klägerin zur Begründung ihres Anspruchs auf gleiche Vergütung nicht mit Erfolg verweisen. Zwar könnte deren Vergütung nach der VergGr. VIb BAT übertariflich sein, was der Beklagte selbst nicht ausschließt. Da die Klägerin aber streitlos nicht die Tätigkeit einer Erstkraft in dem von ihr definierten Sinn auszuüben hat, fehlt es an der Voraussetzung des gleichen Sachverhalts für den Anspruch auf gleiche Vergütung wie diejenige dieser Vergleichsgruppe.
2.2.2 Vom Vorliegen der Voraussetzung gleichliegender Sachverhalte geht das Landesarbeitsgericht hingegen im Verhältnis der Klägerin zu ihren an ihrer Schule beschäftigten Kolleginnen C… und K… aus, die die gleichen Tätigkeiten wie die Klägerin verrichten. Insoweit nimmt das Landesarbeitsgericht an, mit der Vergütung dieser Schulsekretärinnen nach der VergGr. VIb BAT habe der Beklagte noch keine allgemeine betriebliche Ordnung geschaffen, die die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes rechtfertigen würde. Dem Arbeitgeber sei es nicht verwehrt, einzelne Arbeitnehmer zu begünstigen.
2.2.3 Diese Ausführungen halten der Revision nicht stand.
2.2.3.1 Zweifelhaft ist zum einen, ob die Klägerin zur Begründung ihres Anspruchs auf Gleichbehandlung hinsichtlich ihrer Vergütung mit Recht auf die Schulsekretärin C… verweisen kann, wovon das Landesarbeitsgericht ausgeht. Denn nach dem festgestellten Sachverhalt ist nicht ausgeschlossen, daß diese – anders als die Klägerin und die Schulsekretärin K… – einen vertraglichen Anspruch auf übertarifliche Vergütung nach der VergGr. VIb BAT hat. Dann gäbe es am K…-Gymnasium B… keine im Vergleich zur Klägerin begünstigte Gruppe.
2.2.3.2 Zum anderen aber greift das Landesarbeitsgericht zu kurz, wenn es davon ausgeht, die Gruppe der Schulsekretärinnen ohne die Tätigkeit einer Erstkraft, aber mit Vergütung nach VergGr. VIb BAT bestehe nur aus den Schulsekretärinnen C… und K…. Der eigene Vortrag der Beklagten deutet daraufhin, daß die Vergleichsgruppe aus einer größeren Personenzahl besteht, denn die Beklagte hat ausgeführt, die Abgrenzung zwischen Schulsekretärinnen in der VergGr. VII BAT und solchen in der VergGr. VIb BAT sei “nicht personenbezogen, sondern stellenbezogen”. Dies bedeute, “daß in jeder Schule mit mehreren Schulsekretärinnen ungefähr eine ganze Stelle nach VergGr. VIb BAT vergütet wird”. Daraus folgt, daß es beim Beklagten neben dem K…-Gymnasium B… weitere Schulen gibt, an denen mehrere Teilzeitkräfte auf einer Stelle der VergGr. VIb BAT geführt werden. Es liegt nahe, daß diese – wenn überhaupt – nur zum Teil die Tätigkeit einer Erstkraft ausüben. Zweifelhaft ist die Ausübung von Erstkafttätigkeit insbesondere, wenn sich diese Teilzeitkräfte nicht tageweise, im Schichtdienst o. ä. abwechseln. Aus wievielen Personen dieser auf vorhandenen Stellen der VergGr. VIb BAT geführte, nicht die Tätigkeit einer Erstkraft ausübende Personenkreis besteht, ist von dem dafür darlegungsbelasteten Beklagten (vgl. BAG Urteil vom 19. August 1992 – 5 AZR 513/91 – AP Nr. 102 zu § 242 BGB Gleichbehandlung) nicht dargetan. Die Begründung des Beklagten gegenüber seinem Personalrat, aus welchem Grund der Beklagte die Schulsekretärin K… der Klägerin vorgezogen habe, läßt darauf schließen, daß der Beklagte seine Entscheidung auf der Grundlage eines durchgängig beachteten Prinzips getroffen hat. Dessen präziser Inhalt ist ebenfalls vom Beklagten nicht vorgetragen.
2.2.3.3 Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht aber auch nicht geprüft, ob der Beklagte gegen den im Rahmen der Ermessensausübung nach § 315 Abs. 1 BGB anzuwendenden arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen hat. Diese Prüfung liegt vor allem deshalb nahe, weil die Klägerin und die Schulsekretärin K… zugleich und vergebens ihre “Höhergruppierung” beantragt hatten und der Schulsekretärin K… die höhere Bezahlung erkennbar ohne Rücksicht auf die Tarifmerkmale der VergGr. VIb BAT rückwirkend zuerkannt worden ist. Dabei hat der Beklagte zumindest gegenüber dem von ihm beteiligten Personalrat Kriterien für seine Entscheidung zwischen der Klägerin und der Schulsekretärin K… zugrunde gelegt, deren Vorhandensein streitig ist.
3. Nach alledem war der Rechtsstreit zur Aufklärung dieser Tatsachen an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.
Unterschriften
Schliemann, Friedrich, Bott, E. Gotsche, Wehner
Fundstellen
Haufe-Index 2628905 |
ZTR 1999, 379 |