Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundrechtsbindung der Tarifvertragsparteien
Leitsatz (redaktionell)
Parallelsache zu den Senatsurteilen vom selben Tage – 6 AZR 129/03 – und – 6 AZR 131/03 –
Normenkette
GG Art. 1 Abs. 3, Art. 3 Abs. 1-3, Art. 5 Abs. 3, Art. 9 Abs. 3, Art. 12 Abs. 1; ArbGG § 45 Abs. 3; HRG § 57b Abs. 3 aF; SGB V § 6 Abs. 1 Nr. 3; TVG §§ 1, 4 Abs. 1; ZPO § 256 Abs. 1; BAT § 3 Buchst. d aF, Buchst. f., Buchst. g, h, n aF
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 16. Januar 2003 – 3 Sa 23/02 – aufgehoben.
2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Reutlingen vom 20. Juni 2002 – 1 Ca 48/02 – wird zurückgewiesen.
3. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Anwendung des Bundes Angestelltentarifvertrags (BAT) auf ihr Arbeitsverhältnis.
Der Kläger ist seit dem 1. April 1970 als Fremdsprachenlektor an einer Universität des beklagten Landes beschäftigt, seit dem 1. Oktober 1976 in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis. In § 1 des Arbeitsvertrags vom 20. Mai 1970 ist vereinbart, dass er im außertariflichen Angestelltenverhältnis eingestellt wird. Gemäß § 3 des Vertrags erhält er Vergütung nach der Vergütungsgruppe II a BAT. Im Übrigen finden auf das Arbeitsverhältnis nur die in § 4 des Arbeitsvertrags genannten Vorschriften des BAT in der jeweils geltenden Fassung Anwendung. Im BAT heißt es:
„§ 3
Ausnahmen vom Geltungsbereich
Dieser Tarifvertrag gilt nicht für
…
g) Lektoren, Verwalter von Stellen wissenschaftlicher Assistenten, wissenschaftliche Hilfskräfte und Lehrbeauftragte an Hochschulen, Akademien und wissenschaftlichen Forschungsinstituten sowie künstlerische Lehrkräfte an Kunsthochschulen, Musikhochschulen und Fachhochschulen für Musik,
…”
Mit Universitätsangestellten, die unter den persönlichen Geltungsbereich des BAT fallen, vereinbart das beklagte Land die Anwendung aller Bestimmungen dieses Tarifvertrags.
Der Kläger hat gemeint, das beklagte Land sei nach dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verpflichtet, auch auf sein Arbeitsverhältnis alle Vorschriften des BAT anzuwenden. Der Ausschluss von Lektoren aus dem Geltungsbereich des BAT nach § 3 Buchst. g BAT verstoße gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und rechtfertige keine unterschiedliche Behandlung.
Der Kläger hat zuletzt beantragt festzustellen, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien seit dem 1. Oktober 1976 durchgängig der BAT in der jeweils geltenden Fassung Anwendung gefunden hat und weiterhin Anwendung findet.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen; das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision begehrt das beklagte Land die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Kläger beantragt, die Revision des beklagten Landes zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des beklagten Landes hat Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Das beklagte Land ist nicht verpflichtet, auf das Arbeitsverhältnis alle Vorschriften des BAT anzuwenden.
A. Die Klage ist zulässig. Ihr fehlt nicht das von § 256 Abs. 1 ZPO vorausgesetzte Feststellungsinteresse. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann die Frage der Geltung eines Tarifvertrags bei entsprechendem Streit der Parteien zum Gegenstand eines Feststellungsantrags gemacht werden (30. Juli 1992 – 6 AZR 11/92 – BAGE 71, 68, 71; 28. März 1996 – 6 AZR 501/95 – BAGE 82,344, 346).
B. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat nach dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz keinen Anspruch auf Anwendung des BAT in seiner vollständigen Fassung.
I. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet dem Arbeitgeber eine sachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage. Bildet der Arbeitgeber Gruppen von begünstigten und benachteiligten Arbeitnehmern, muss die Gruppenbildung sachlichen Kriterien entsprechen (BAG 28. März 1996 – 6 AZR 501/95 – BAGE 82, 344, 346 mwN). Dem genügt die Gruppenbildung des beklagten Landes bei der Anwendung des BAT.
1. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts vereinbart das beklagte Land mit Universitätsangestellten, die unter den persönlichen Geltungsbereich des BAT fallen, im Arbeitsvertrag die Anwendung dieses Tarifvertrags. Wie im öffentlichen Dienst üblich, sorgt das beklagte Land mit der Anwendung des BAT auch auf nicht tarifgebundene Universitätsangestellte für einheitliche Arbeitsvertragsbedingungen. Damit handelt es nach einem konkreten und generalisierenden Prinzip und ist deshalb bei der Anwendung des BAT an den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden (vgl. BAG 26. Januar 1999 – 3 AZR 381/97 – BAGE 90, 377, 381).
2. Der Kläger ist Angestellter und an einer Universität tätig. Er wird dadurch, dass nicht alle, sondern nur die im Arbeitsvertrag genannten Vorschriften des BAT gelten sollen, von der allgemein gültigen Regel der Anwendung des gesamten BAT bei den sonstigen Universitätsangestellten ausgeschlossen. Für ihn gelten nur die im Arbeitsvertrag vereinbarten tariflichen Arbeitsbedingungen.
3. Diese unterschiedliche Behandlung ist jedoch aus sachlichen Gründen gerechtfertigt. Lektoren unterliegen im Gegensatz zu den Universitätsangestellten, mit denen das beklagte Land die Anwendung des BAT vereinbart, nicht dem Geltungsbereich des BAT. § 3 Buchst. g BAT regelt ua., dass dieser Tarifvertrag nicht für Lektoren gilt. Auch bei beiderseitiger Verbandszugehörigkeit fände der BAT nach § 4 Abs. 1 TVG somit keine Anwendung. Nach dem Zweck der Gleichstellungsabrede rechtfertigt das die Ungleichbehandlung.
4. Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht im Wege einer teleologischen Reduktion den Anwendungsbereich des § 3 Buchst. g BAT eingeschränkt und angenommen, der Ausschluss aus dem Geltungsbereich des BAT betreffe nur Lektoren mit einem auf bestimmte Zeit geschlossenen Arbeitsvertrag. Die tarifliche Regelung nimmt jedoch befristet als auch unbefristet beschäftigte Lektoren vom Geltungsbereich des BAT aus.
a) Das folgt schon aus dem Wortlaut der Vorschrift, auf den es für die Tarifauslegung zunächst ankommt (st. Rspr., BAG 11. September 2003 – 6 AZR 323/02 – AP TVG § 4 Nr. 24, zu II 2 b aa der Gründe; 27. Juni 2002 – 6 AZR 209/01 – AP BAT § 29 Nr. 18, zu B II 2 a der Gründe; 27. Juni 2002 – 6 AZR 378/01 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Musiker Nr. 18, zu A IV 1 der Gründe). Der Begriff des Lektors bezeichnet eine bestimmte Tätigkeit im Hochschulbereich. Ein Lektor ist nach allgemeinem Sprachgebrauch eine Lehrkraft an einer Hochschule für bestimmte Fächer und Fertigkeiten, besonders für Einführungskurse und praktische Übungen (vgl. Wahrig Deutsches Wörterbuch 7. Aufl. S. 816; Duden Die deutsche Rechtschreibung 22. Aufl. S. 604). Diese Tätigkeiten betreffen Daueraufgaben der Hochschulen. Sie können sowohl im Rahmen eines unbefristeten wie bei Vorliegen der entsprechenden rechtlichen Voraussetzungen im Rahmen eines befristeten Arbeitsverhältnisses wahrgenommen werden. Insgesamt ist die Beschäftigung in einem befristeten Arbeitsverhältnis für die Tätigkeit eines Lektors weder konstituierend noch ein wesentliches Merkmal. Hätten die Tarifvertragsparteien nur Lektoren aus dem Geltungsbereich des BAT ausschließen wollen, die wie die in § 3 Buchst. f BAT genannten Personen „für einen fest umgrenzten Zeitraum … beschäftigt werden”, hätte ein entsprechender Wille im Wortlaut des § 3 Buchst. g BAT zum Ausdruck kommen müssen.
b) Gegen das vom Landesarbeitsgericht gefundene Auslegungsergebnis spricht auch der tarifliche Zusammenhang. In § 3 Buchst. g BAT werden Angestellte vom Geltungsbereich des BAT ausgenommen, die eine bestimmte Tätigkeit an Hochschulen und Akademien ausüben (BAG 19. März 2002 – 3 AZR 121/01 – AP BetrAVG § 1Gleichbehandlung Nr. 53 = EzA GG Art. 3 Nr. 96; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese BAT Stand Januar 2004 § 3 Erl. 8). Die Tarifvorschrift stellt damit auf den Aufgabenbereich und nicht die Dauer des zugrunde liegenden Vertragsverhältnisses ab. Das bringt auch der durch den 31. Tarifvertrag zur Änderung und Ergänzung des BAT vom 18. Oktober 1973 (Änd.-TV) bewirkte Ausschluss der Hochschullehrer und der wissenschaftlichen Assistenten von dem Geltungsbereich des BAT zum Ausdruck. Diese Beschränkung des persönlichen Geltungsbereichs des BAT war aus Sicht der Tarifvertragsparteien regelungsbedürftig geworden, nachdem dieser Personenkreis auf Grund der zwischenzeitlich ergangenen hochschulrechtlichen Bestimmungen einiger Länder nicht mehr nur im Beamtenverhältnis, sondern auch im Angestelltenverhältnis beschäftigt werden konnte, für das der BAT gegolten hätte, sofern keine über die höchste Vergütungsgruppe des BAT hinausgehende Vergütung bezogen wird (vgl. § 3 Buchst. h BAT). Auch darin kommt der Wille der Tarifvertragsparteien zum Ausdruck, solche Angestellte nicht in den Geltungsbereich des BAT einzubeziehen, die mit der selbständigen oder unselbständigen Wahrnehmung wissenschaftlicher oder künstlerischer Aufgaben im Hochschulbereich betraut sind.
c) Die Entscheidung des Siebten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 15. März 1995 (– 7 AZR 737/94 – BAGE 79, 275, 280), wonach die befristungsrechtliche Legaldefinition des § 57b Abs. 3 HRG aF auch den in § 3 Buchst. g BAT verwandten Begriff des Lektors erfasst, legt die Tarifbestimmung des § 3 Buchst. g BAT nicht abschließend aus. Das Landesarbeitsgericht kann sein Auslegungsergebnis hierauf nicht stützen. Das gilt auch für die Entscheidung des Dritten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 26. Januar 1999 (– 3 AZR 381/97 – BAGE 90, 377, 382). Diese betrifft nicht den Anwendungsbereich des BAT sondern den des Tarifvertrags über die Versorgung der Arbeitnehmer des Bundes und der Länder sowie von Arbeitnehmern kommunaler Verwaltungen und Betriebe (Versorgungs-TV) vom 4. November 1966 und damit einen anderen Sachverhalt. Zur Auslegung des § 3 Buchst. g BAT hat sich der Dritte Senat ausdrücklich nicht geäußert.
II. Das beklagte Land kann die Bereichsausnahme des § 3 Buchst. g BAT als Ordnungskriterium heranziehen. Die Tarifregelung ist wirksam. Die Nichteinbeziehung der Lektoren in den persönlichen Geltungsbereich des BAT ist mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Bei der Vereinbarung des persönlichen Geltungsbereichs eines Tarifvertrags sind die Tarifvertragsparteien zwar nicht unmittelbar an Art. 3 Abs. 1 GG gebunden. Gleichwohl verpflichtet die Schutzpflichtfunktion der Grundrechte auch Tarifvertragsparteien mittelbar zur Beachtung des allgemeinen Gleichheitssatzes. Aus der mittelbaren Bindung der Tarifvertragsparteien an Art. 3 Abs. 1 GG folgen allerdings keine anderen Prüfungsmaßstäbe als sie im Falle einer unmittelbaren Bindung an den allgemeinen Gleichheitssatz heranzuziehen wären.
1. Die Tarifvertragsparteien sind bei der tariflichen Normsetzung nicht unmittelbar grundrechtsgebunden.
a) Das Bundesarbeitsgericht hat zunächst eine unmittelbare Bindung der Tarifvertragsparteien an die Grundrechte angenommen (15. Januar 1955 – 1 AZR 305/54 – BAGE 1, 258; 23. März 1957 – 1 AZR 64/56 – BAGE 4, 133). Es hat seine Auffassung damit begründet, Tarifverträge setzten wegen § 1, § 4 Abs. 1 TVG für die Tarifunterworfenen objektives Recht. Dementsprechend handele es sich um staatliches Recht und damit um Gesetzgebung iSd. Art. 1 Abs. 3 GG. Die Anordnung der normativen Wirkung tariflicher Regelungen berechtige den staatlichen Gesetzgeber nicht dazu, eine Regelungsmacht zu delegieren, die über die eigene grundrechtsgebundene hinausgehe. Da die hoheitliche Gewalt an die Grundrechte gebunden sei, müsse das auch für diejenigen gelten, die kraft staatlicher Delegation rechtssetzungsbefugt seien (Delegationstheorie).
b) Diese Rechtsprechung, an der die einzelnen Senate des Bundesarbeitsgerichts in der Folgezeit ohne nähere Begründung festgehalten haben (Nachweise bei BAG 30. August 2000 – 4 AZR 536/99 – BAGE 95, 277, 283), ist wegen ihres Begründungsansatzes im verfassungsrechtlichen Schrifttum (Jarass/Pieroth GG 7. Aufl. Art. 1 Rn. 31; Rüfner in Isensee/Kirchhof HdbStR Bd. V 2. Aufl. § 117 Rn. 10; Scholz in Maunz-Dürig GG Stand Februar 2004 Art. 9 Rn. 357) wie im arbeitsrechtlichen Schrifttum (ErfK/Dieterich 4. Aufl. GG Einl. Rn. 20 mwN; Wiedemann TVG 6. Aufl. Einl. Rn. 199 ff.; Schiek in Däubler TVG Einl. Rn. 174 ff.; Waltermann FS 50 Jahre Bundesarbeitsgericht S. 913, 914) auf Kritik gestoßen. Nach dem systematischen Zusammenhang der Aufzählung in Art. 1 Abs. 3 GG betreffe die darin angeordnete Grundrechtsbindung allein die staatliche Gewalt und demnach nur Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung. Dazu zählten Tarifvertragsparteien nicht. Eine entsprechende Anwendung des Art. 1 Abs. 3 GG im Sinne der Delegationstheorie scheitere bereits daran, dass die Kompetenz der Tarifvertragsparteien zur Regelung von Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen unmittelbar aus Art. 9 Abs. 3 GG folge und damit nicht vom Staat auf die Tarifvertragsparteien delegiert werden könne.
c) Mit der Weiterentwicklung der Schutzgebotsfunktion der Grundrechte durch das Bundesverfassungsgericht (7. Februar 1990 – 1 BvR 26/84 – BVerfGE 81, 242,255; 19. Oktober 1993 – 1 BvR 567, 1044/89 – BVerfGE 89, 214, 232 ff.) haben auch einzelne Senate des Bundesarbeitsgerichts eine unmittelbare Grundrechtsbindung der Tarifvertragsparteien verneint. Im Hinblick auf den privatautonomen Verbandsbeitritt der Koalitionsmitglieder, mit dem sie ihr Grundrecht aus Art. 9 Abs. 3 GG wahrnehmen, hat der Siebte Senat für die Prüfung berufsfreiheitsbeschränkender tariflicher Altersgrenzenregelungen nicht auf die unmittelbare Grundrechtsgeltung des Art. 12 Abs. 1 GG für die Tarifvertragsparteien, sondern auf die Schutzpflichtfunktion dieses Freiheitsrechts abgestellt und hieraus die Aufgabe der Rechtsprechung abgeleitet, das Grundrecht der Berufsfreiheit mit dem der Koalitionsfreiheit in Konkordanz zu bringen (BAG 25. Februar 1998 – 7 AZR 641/96 – BAGE 88, 118; 31. Juli 2002 – 7 AZR 140/01 – BAGE 102, 65). Dem hat sich im Ergebnis der Vierte Senat auch für das Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG und die grundrechtlichen Differenzierungsverbote des Art. 3 Abs. 2 und Abs. 3 GG angeschlossen (30. August 2000 – 4 AZR 563/99 – BAGE 95, 277, 289; 29. August 2001 – 4 AZR 352/00 – BAGE 99, 31, 37; 29. November 2001– 4 AZR 762/00 – AP GG Art. 3 Nr. 296 = EzA GG Art. 3 Nr. 94). Der Dritte Senat (4. April 2000 – 3 AZR 729/98 – AP TVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 2 = EzA BetrAVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 19) neigt demgegenüber einer differenzierten Auffassung zu. Im Hinblick auf die Freiheitsgrundrechte spreche einiges gegen eine unmittelbare Grundrechtsbindung der Tarifvertragsparteien. Das gelte nicht für das verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgebot, das im Gegensatz zu den Freiheitsgrundrechten eine gerechte Ordnung sichern und Verteilungsgerechtigkeit innerhalb der Gruppe garantieren solle. Es binde als fundamentale Handlungsanleitung jeden Normgeber ungeachtet seiner Legitimationsgrundlage.
d) Der erkennende Senat hat diese Frage wie die übrigen Senate des Bundesarbeitsgerichts zuletzt offen gelassen (vgl. 28. Juni 2001 – 6 AZR 114/00 – BAGE 98, 175;31. Januar 2002 – 6 AZR 36/01 – EzA GG Art. 3 Nr. 95; 26. Juni 2001 – 9 AZR 244/00 – BAGE 98, 114). Er hat allerdings darauf abgestellt, dass der allgemeine Gleichheitssatz als Teil der objektiven Wertordnung von Tarifvertragsparteien bei ihrer Rechtssetzung zu beachten sei, mithin eine ungeschriebene Grenze der Tarifautonomie bildet. Daran anknüpfend vertritt der erkennende Senat nunmehr die Ansicht, dass die Tarifvertragsparteien nicht unmittelbar grundrechtsgebunden sind. Sie sind keine Staatsgewalt iSd. Art. 1 Abs. 3 GG, der lediglich Gesetzgebung, Rechtsprechung und vollziehende Gewalt bindet. Dazu zählen Tarifvertragsparteien als Vereinigungen privaten Rechts nicht. Die Delegationstheorie kann eine unmittelbare Grundrechtsbindung nicht begründen. Mit § 1, § 4 Abs. 1 TVG hat der Staat keine Befugnis zur Regelung arbeitsrechtlicher Beziehungen delegiert. Diese Vorschriften gestalten eine den Tarifvertragsparteien nach Art. 9 Abs. 3 GG ohnehin zustehende Regelungsbefugnis aus und schützen lediglich die durch Kollektivvertrag gefundene Einigung durch die Zuerkennung einer normativen Wirkung vor individualrechtlichen Abweichungen (BVerfG 1. März 1979 – 1 BvR 532, 533/77, 419/78 u. 1 BvL 21/78 – BVerfGE 50, 290, 309;2. März 1993 – 1 BvR 1213/85 – BVerfGE 88, 103, 115; Dieterich FS WiedemannS. 229, 235; Waltermann FS 50 Jahre Bundesarbeitsgericht S. 913, 914 mwN; Jarass/Pieroth GG 7. Aufl. Art. 9 Rn. 35).
2. Allerdings verpflichtet die Schutzpflichtfunktion der Grundrechte dazu, den einzelnen Grundrechtsträger vor einer unverhältnismäßigen Beschränkung seiner Freiheitsrechte und einer gleichheitswidrigen Regelbildung auch durch privatautonom legitimierte Normsetzung zu bewahren.
a) Tarifvertragsparteien sind als Vereinigungen privaten Rechts ihrerseits Träger des Grundrechts aus Art. 9 Abs. 3 GG. Als solche gestalten sie die Rechte und Pflichten der tarifunterworfenen Arbeitnehmer weitgehend autonom. Das ist wesentlicher Teil der durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Betätigungsfreiheit der Tarifvertragsparteien (BVerfG 26. Juni 1991 – 1 BvR 779/85 – BVerfGE 84, 212, 224).
b) Mit der Unterwerfung unter geltendes und künftiges Tarifrecht sind die Arbeitsvertragsparteien der Gestaltungsmacht der Tarifvertragsparteien nicht schrankenlos ausgeliefert. Deren Regelungsbefugnis findet ihre Grenze in entgegenstehendem zwingenden Gesetzesrecht. Denn die Tarifvertragsparteien haben nur ein Normsetzungsrecht, jedoch kein Normsetzungsmonopol. Deshalb ist der staatliche Gesetzgeber grundsätzlich im Bereich des Arbeitsrechts zur Regelung von Angelegenheiten mit zwingender Wirkung auch für die Tarifvertragsparteien berechtigt, wenn er sich hierbei auf Grundrechte Dritter oder anderer mit Verfassungsrang ausgestatteter Rechte berufen kann und die Tarifautonomie nicht im Übermaß beschränkt (BVerfG 24. April 1996 – 1 BvR 712/86 – BVerfGE 94, 268, 284; 3. April 2001 – 1 BvL 32/97 – BVerfGE 103, 293; BAG 31. Juli 2002 – 7 AZR 140/01 – BAGE 102, 65 mwN). Dazu zählen etwa einfachrechtliche Diskriminierungsverbote, die die Tarifvertragsparteien dazu anhalten, bei der tariflichen Normsetzung einfachrechtliche Konkretisierungen des allgemeinen Gleichheitssatzes zu beachten, wie das etwa bei den Benachteiligungsverboten wegen Teilzeit oder Befristung der Fall ist (BAG 11. Dezember 2003– 6 AZR 64/03 – AP TzBfG § 4 Nr. 7 = EzA TzBfG § 4 Nr. 8, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; 15. Oktober 2003 – 4 AZR 606/02 – AP BeschFG 1985 § 2 Nr. 87 = EzA TzBfG § 4 Nr. 7, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).
c) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist die Grundrechtsgewährung nicht auf die bloße Abwehr staatlicher Eingriffe beschränkt. Darüber hinaus verpflichtet sie den Staat dazu, die Rechtsordnung in einer Weise zu gestalten, dass die einzelnen grundrechtlichen Gewährleistungen wirksam werden können (7. Februar 1990 – 1 BvR 26/84 – BVerfGE 81, 242, 255; 6. Februar 2001 – 1 BvR 12/92 – BVerfGE 103, 89, 100). Insoweit trifft den Staat eine Schutzpflicht, einer Grundrechtsverletzung durch andere Grundrechtsträger entgegenzuwirken. Das gilt gleichermaßen für die Freiheitsgrundrechte wie für die Gleichheitsrechte (Heun in Dreier GG Art. 3 Rn. 58 und Dreier in Dreier aaO Vorb. Rn. 65; ErfK/Dieterich 4. Aufl. Einl. GG Rn. 38 ff.). Dementsprechend verpflichtet die Schutzfunktion der Grundrechte die Rechtsprechung dazu, solchen Regelungen die Durchsetzung zu verweigern, die zu gleichheitswidrigen Differenzierungen führen (ErfK/Dieterich 4. Aufl. Art. 3 GG Rn. 26) oder eine unangemessene Beschränkung eines grundrechtlichen Freiheitsrechts zur Folge haben (vgl. BAG 25. Februar 1998 – 7 AZR 641/96 – BAGE 88, 118).
3. Die Feststellung, dass der allgemeine Gleichheitssatz wegen der Schutzpflichtfunktion der Grundrechte auch von den Tarifvertragsparteien bei der von ihnen zu verantwortenden Regelbildung zu beachten ist, führt bei der Prüfung ihrer Vereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu anderen Prüfungsmaßstäben, als sie im Falle einer unmittelbaren Grundrechtsbindung heranzuziehen wären. Das gilt unabhängig davon, ob es sich um die Regelung materieller Arbeitsbedingungen oder um solche zur Festlegung des persönlichen Geltungsbereichs eines Tarifvertrags handelt.
a) Im Bereich der Freiheitsgrundrechte verpflichtet deren Schutzfunktion die Gerichte dazu, kollidierende Grundrechtspositionen in einer Weise in Einklang zu bringen, mit der keine unverhältnismäßige Beschränkung des jeweiligen Freiheitsgrundrechts verbunden ist. In diesem Sinne ist bei den Freiheitsrechten regelmäßig das jeweils betroffene Freiheitsrecht mit dem des Art. 9 Abs. 3 GG im Wege praktischer Konkordanz zum Ausgleich zu bringen. Ein bestimmtes Ergebnis ist dabei nicht vorgegeben (ErfK/Dieterich 4. Aufl. GG Einl. Rn. 38 ff. mwN). Der Ausgleich darf das eine Freiheitsrecht weder im Übermaß beschränken (Übermaßverbot) noch das andere völlig vernachlässigen (Untermaßverbot).
b) Gleichheitsrechte haben keine den Freiheitsrechten entsprechende Gewährleistung, die im Wege einer Konkordanz ausgleichsfähig wäre. Der allgemeine Gleichheitssatz ist Ausdruck des Gerechtigkeitsgedankens im Grundgesetz und fundamentales Rechtsprinzip (BVerfG 31. Mai 1988 – 1 BvL 22/85 – BVerfGE 78, 232, 248). Er zielt darauf ab, eine Gleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Sachverhalten sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Regelbildung auszuschließen (WiedemannTVG 6. Aufl. Einl. Rn. 214; ErfK/Dieterich 4. Aufl. GG Art. 3 Rn. 11). Aus der Notwendigkeit gerichtlichen Eingreifens zum Schutz vor gleichheitswidriger Benachteiligung folgt dann zwangsläufig eine einheitliche Prüfung unabhängig davon, ob die Diskriminierung auf staatlichem Handeln beruht oder auf eine durch privatautonomen Verbandsbeitritt legitimierte Normsetzung zurückgeht. Das gilt trotz des von Art. 9 Abs. 3 GG vorausgesetzten Verhandlungsgleichgewichts und der Sachnähe der Tarifvertragsparteien, die Störungen der kollektiven Vertragsmechanismen zu Lasten einzelner Koalitionsmitglieder nicht völlig ausschließen (vgl. ErfK/Dieterich 4. Aufl. GG Einl. Rn. 57).
c) Bei der Festlegung des persönlichen Geltungsbereichs eines Tarifvertrags erzwingen weder koalitionsspezifische Erwägungen noch das Fehlen von Prüfungsmaßstäben den Vorrang des Art. 9 Abs. 3 GG vor Art. 3 Abs. 1 GG. Vielmehr gelten die vom Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung entwickelten Prüfungskriterien, die hinreichend Raum für die Berücksichtigung der grundrechtlichen Gewährleistung des Art. 9 Abs. 3 GG lassen.
aa) Gestützt auf die Urteile vom 30. August 2000 und vom 29. August 2001 (– 4 AZR 563/99 – BAGE 95, 277, 282 ff.; – 4 AZR 352/00 – BAGE 99, 31, 36) geht allerdings der Vierte Senat davon aus, dass die Tarifvertragsparteien bei der Festlegung des persönlichen Geltungsbereichs eines Tarifvertrags wegen der Besonderheiten der tarifvertraglichen Einigung sowie der mangelnden Klarheit und Transparenz des anzuwendenden Überprüfungsmaßstabs nicht unmittelbar an Art. 3 Abs. 1 GG gebunden seien. Vielmehr seien sie bis zur Grenze der Willkür berechtigt, in eigener Selbstbestimmung den Geltungsbereich ihrer Tarifregelungen festzulegen. Diese Grenze sei erst überschritten, wenn die Differenzierung auch im persönlichen Geltungsbereich unter keinem Gesichtspunkt plausibel erklärbar sei (BAG 30. August 2000 – 4 AZR 563/99 – BAGE 95, 277, 289). Demgegenüber haben der Fünfte (18. Juni 1997 – 5 AZR 259/96 – BAGE 86, 136, 141) und der erkennende Senat (28. März 1996 – 6 AZR 501/95 – BAGE 82, 344, 347 f.) des Bundesarbeitsgerichts bei der Prüfung, ob die Tarifvertragsparteien nach § 3 Buchst. d BAT aF ABM-Kräfte oder nach § 3 Buchst. n BAT aF die gem. § 6 Abs. 1 Nr. 3 SGB V versicherungsfreien Studenten vom Geltungsbereich des BAT ausnehmen konnten, die jeweiligen Tarifregelungen unmittelbar an Art. 3 Abs. 1 GG gemessen und darauf abgestellt, ob die Tarifvertragsparteien im Wesentlichen gleich liegende Sachverhalte ohne sachlichen Grund unterschiedlich behandelt haben (BAG 18. Juni 1997 – 5 AZR 259/96 – BAGE 86, 136, 141; 28. März 1996 – 6 AZR 501/95 – BAGE 82, 344, 347 f.).
bb) Tarifvertragsparteien sind nur mittelbar an die Grundrechte gebunden. Das gilt unabhängig davon, ob sie materielle Arbeitsbedingungen in einem Tarifvertrag regeln oder die Entscheidung treffen, bestimmte Arbeitnehmergruppen nicht in den Geltungsbereich eines Tarifvertrags einzubeziehen. Die Schutzpflichtfunktion der Grundrechte lässt nach Inhalt und Gegenstand keine Beschränkungen der daraus folgenden Anforderungen entsprechend der Art der koalitionsspezifischen Betätigung zu.
cc) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts folgt allein aus der Ungleichbehandlung vergleichbarer Fallgruppen noch keine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG. Ein darauf bezogener Verstoß liegt erst vor, wenn die Ungleichbehandlung nicht in ausreichendem Maß gerechtfertigt werden kann. Hierfür stellt das Bundesverfassungsgericht differenzierte Anforderungen (Einzelheiten bei: Bryde Jura 1999, 36; Jarass NJW 1997, 2545). Sie bestimmen sich nach dem jeweiligen Regelungsgegenstand und den jeweiligen Differenzierungsmerkmalen und reichen vom bloßen Willkürverbot hin bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse. Eine strengere Prüfung ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungesgerichts bei einer Ungleichbehandlung von Personengruppen geboten. Dabei geht es um die Ungleichbehandlung personenbezogener Merkmale, die dadurch gekennzeichnet ist, dass die Benachteiligten den begünstigenden Sachverhalt in ihrer Person nicht oder nur schwer erfüllen können, wie das etwa bei der Differenzierung zwischen Arbeitern und Angestellten der Fall ist (30. Mai 1990 – 1 BvL 2/83 ua. – BVerfGE 82, 126, 146). Bei einer personenbezogenen Ungleichbehandlung ist der Gleichheitssatz verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Demgegenüber verstößt eine sachverhaltsbezogene Ungleichbehandlung nur dann gegen Art. 3 Abs. 1 GG, wenn sie willkürlich ist, weil sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache oder sonstwie einleuchtender Grund für die jeweilige Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt (BVerfG 11. Januar 1995 – 1 BvR 892/88 – AP GG Art. 3 Nr. 209 = EzA GG Art. 3 Nr. 44; ErfK/Dieterich 4. Aufl. Art. 3 GG Rn. 33 mwN).
dd) Wird eine bestimmte Gruppe von Arbeitnehmern gegenüber vergleichbaren Arbeitnehmergruppen nicht in den Geltungsbereich eines Tarifvertrags zur Regelung allgemeiner Arbeitsbedingungen einbezogen, handelt es sich um eine unterschiedliche Behandlung von Personengruppen, für die der strengere Prüfungsmaßstab des Art. 3 Abs. 1 GG gilt. Dessen Prüfprogramm muss der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie Rechnung tragen (Wiedemann TVG 6. Aufl. Einl. Rn. 221; Schiek in Däubler TVG Einl. Rn. 298). Dieses Grundrecht gewährleistet den Tarifvertragsparteien zur Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen eine eigenständige Regelungsbefugnis. Dazu zählt in erster Linie die Festlegung von Löhnen und der materiellen Arbeitsbedingungen. Dem liegt die Auffassung des Verfassungsgesetzgebers zugrunde, dass gerade Tarifvertragsparteien in Bezug auf die Arbeitsbedingungen die jeweiligen Interessen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern angemessener zum Ausgleich bringen als der Staat (BVerfG 27. April 1999 – 1 BvR 2203/93 ua. – AP GG Art. 9 Nr. 88). Deshalb erfasst die Tarifautonomie nicht nur die Entscheidung über den Regelungsinhalt tariflicher Normen, sondern deckt auch einen entsprechenden Regelungsverzicht (Wißmann FS Dieterich S. 683, 684). In der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist aus diesem Grunde anerkannt, dass den Tarifvertragsparteien eine Einschätzungsprärogative in Bezug auf die tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen zukommt. Sie sind nicht dazu verpflichtet, die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen (18. Januar 2001 – 6 AZR 492/99 – AP BAT § 52 Nr. 8 = EzA GG Art. 3 Nr. 92; 30. Juli 1992 – 6 AZR 11/92 – BAGE 71, 68, 75).
ee) Die Entscheidung über den persönlichen Geltungsbereich eines Tarifvertrags betrifft die Abschlussfreiheit der Tarifvertragsparteien. Sie müssen in eigener Verantwortung darüber befinden können, für welchen Beschäftigtenkreis das von ihnen gefundene Verhandlungsergebnis sachgerecht ist. Beziehen sie eine bestimmte Arbeitnehmergruppe nicht in den Geltungsbereich eines Tarifvertrags über die Regelung allgemeiner Arbeitsbedingungen ein, verzichten sie insoweit auf eine ihnen mögliche Normsetzung. Es handelt sich um eine Nicht-Regelung in dem Sinne, dass notwendige Vertragsinhalte für eine bestimmte Arbeitnehmergruppe nicht normiert werden und keineswegs um eine Negativ-Regelung in dem Sinne eines RegelAusnahmeverhältnisses für tarifliche Leistungen (BAG 30. August 2000 – 4 AZR 563/99 – BAGE 95, 277, 292). Eine solche Nicht-Regelung beruht auf der von Art. 9 Abs. 3 GG gedeckten Einschätzungsprärogative der Tarifvertragsparteien, nach der diese Tarifregelung in ihrer Gesamtheit oder Teilen für die betroffene Arbeitnehmergruppe nicht sachgerecht ist. Der bloße Verzicht auf eine Normsetzung und eine darauf beruhende Ungleichbehandlung verfolgt für sich gesehen aber kein eigenständiges Regelungsziel, das strukturell einer Verhältnismäßigkeitsprüfung im Sinne einer Zweck-Mittel-Relation zugänglich ist (vgl. Heun in Dreier GG Art. 3 Rn. 25). In einem solchen Fall wird den Anforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes genügt, wenn bei typisierender Betrachtung der jeweiligen Gruppen sachbezogene Gruppenunterschiede erkennbar sind und deshalb eine Nichteinbeziehung der betreffenden Arbeitnehmergruppe in den persönlichen Geltungsbereich eines Tarifvertrags gerechtfertigt ist. Dabei können – soweit erkennbar – auch typische Sachzwänge der kollektiven Vertragsform sowie koalitionsspezifische Interessen berücksichtigt werden (BAG 30. August 2000 – 4 AZR 563/99 – BAGE 95, 277, 290; Dieterich FS Wiedemann S. 229, 240).
4. Die Nichteinbeziehung der Lektoren in den persönlichen Geltungsbereich des BAT ist mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Die Gruppe der Lektoren ist bei typisierender Betrachtung durch Merkmale gekennzeichnet, die ihre Nichteinbeziehung in den persönlichen Geltungsbereich des BAT rechtfertigen.
Lektoren vermitteln den Studierenden an einer Hochschule in bestimmten Fächern praktische Fertigkeiten und Kenntnisse. Sie sind dabei typischerweise in den semesterbezogenen Lehrbetrieb einer Hochschule einbezogen und damit dem Wissenschaftsbereich der Hochschule funktional zugeordnet. Ihre Lehrtätigkeit kann reichen von einem repetitionsartigen Unterricht oder einer praktischen Unterweisung in berufliche Fertigkeiten bis hin zu dem eigenverantwortlichen Einbringen eigener, neuer Erkenntnisse (BVerfG 29. Mai 1973 – 1 BvR 424/71 und 325/72 – BVerfGE 35, 79,140). Soweit Lektoren im Rahmen ihrer Lehrtätigkeit an der Sicherung und Ausweitung des Erkenntnisstandes einer wissenschaftlichen Disziplin mitwirken, nehmen sie ihrerseits an der grundrechtlichen Gewährleistung des Art. 5 Abs. 3 GG teil. Denn wissenschaftlich in diesem Sinne ist jede Tätigkeit, die nach Aufgabenstellung und anzuwendender Arbeitsmethode darauf angelegt ist, neue Erkenntnisse zu gewinnen und zu verarbeiten, um den Erkenntnisstand der jeweiligen wissenschaftlichen Disziplin zu sichern oder zu erweitern (vgl. BVerwG 7. Oktober 1988 – 6 P 30/85 – BVerwGE 80,265 mwN). Das Freiheitsrecht des Art. 5 Abs. 3 GG steht jedem zu, der wissenschaftlich tätig ist oder tätig werden will (BVerfG 29. Mai 1973 – 1 BvR 424/71 und 1 BvR 325/72 – BVerfGE 35, 79). In der Regel werden Lektoren ihre Lehrtätigkeit im Einvernehmen mit dem für ihr Fach bestellten Hochschullehrer ausüben (Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr BAT Stand April 2004 § 3 Rn. 17a). Sie unterliegen dabei den Weisungen des verantwortlichen Wissenschaftlers und haben die von ihnen zu vermittelnden Lerninhalte an dem Inhalt seiner Lehrveranstaltungen auszurichten. Dementsprechend kommt ihrer beruflichen Tätigkeit eine wesentliche inhaltliche Unterstützungsfunktion in Bezug auf eine typische wissenschaftliche Lehrtätigkeit zu. Die Nichteinbeziehung der Lektoren in den Geltungsbereich des BAT erklärt sich demnach aus der strukturellen, zeitlichen wie inhaltlichen Einbindung ihrer geschuldeten Arbeitsleistung in einen durch Art. 5 Abs. 3 GG geschützten Bereich, die bei den übrigen angestellten Arbeitnehmern mit anderen Aufgabeninhalten fehlt.
III. Trotz der unterschiedlichen Auffassungen einzelner Senate zu Grund und Umfang der Bindung der Tarifvertragsparteien an den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bei der Festlegung des persönlichen Geltungsbereichs eines Tarifvertrags zur Regelung allgemeiner Arbeitsbedingungen bedarf es keiner Anrufung des Großen Senats nach § 45 Abs. 3 ArbGG. Die Auffassungsunterschiede sind nicht tragend.
Soweit der Vierte Senat in den Entscheidungen vom 24. April 1985 (– 4 AZR 457/83 – BAGE 48, 307, 310) und vom 30. August 2000 (– 4 AZR 563/99 – BAGE 95,277, 289 ff.) angenommen hat, bei der Festlegung des persönlichen Geltungsbereichs eines Tarifvertrags ginge das Grundrecht der Koalitionsfreiheit dem allgemeinen Gleichheitssatz vor, war diese Auffassung nicht entscheidungserheblich. In beiden Fällen hat der Vierte Senat in einer Hilfsbegründung die tarifvertragliche Bereichsausnahme am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG geprüft und das Vorliegen sachlich einleuchtender Gründe für die von den Tarifvertragsparteien vorgenommene Differenzierung bejaht. Die Entscheidung des Vierten Senats, in der er seine zur Grundrechtsbindung der Tarifvertragsparteien geäußerte Rechtsauffassung aus der Entscheidung vom 24. April 1985 (aaO) wiederholt, betraf eine Eingruppierungsfrage. Zudem hat der Vierte Senat in der späteren Entscheidung vom 10. April 1991 (– 4 AZR 479/90 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 141 = EzA TVG § 4 Bauindustrie Nr. 59) die Ausgrenzung der leitenden Angestellten aus den Regelungen der Sozialkassentarifverträge wegen Vorliegens sachlicher Differenzierungsgründe für Rechtens gehalten. Ebenfalls nicht tragend ist die Abweichung zum Urteil des Fünften Senats, der in der Entscheidung vom 18. Juni 1997 (– 5 AZR 259/96 – BAGE 86, 136, 141) die Nichteinbeziehung der ABM-Kräfte in den Geltungsbereich des BAT nach § 3 Buchst. d BAT aF unmittelbar am Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gemessen, aber die Ungleichbehandlung aus sachlichen Gründen für gerechtfertigt gehalten hat. Der erkennende Senat weicht auch nicht tragend von der Entscheidung des Dritten Senats vom 4. April 2000 (– 3 AZR 729/98 – AP TVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 2 = EzA BetrAVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 19) ab. Soweit der Dritte Senat darin ausdrücklich eine unmittelbare Bindung der Tarifvertragsparteien an Art. 3 Abs. 1 GG angenommen hat, führt das gegen- über der vom erkennenden Senat angenommen mittelbaren Grundrechtsbindung in Bezug auf den allgemeinen Gleichheitssatz nicht zu anderen Prüfmaßstäben. Die Entscheidung des Dritten Senats vom 26. Januar 1999 (– 3 AZR 381/97 – BAGE 90, 377,382) zum Ausschluss der Lektoren von der betrieblichen Altersversorgung gibt zu einer Anrufung des Großen Senats ebenfalls keinen Anlass. Diese Entscheidung ist zu einer anderen Rechtsfrage ergangen. Die vom Dritten Senat zu beurteilende Bereichsausnahme betraf den Ausschluss von Lektoren von den Leistungen der tariflichen Zusatzversorgung und nicht die Nichteinbeziehung dieser Arbeitnehmergruppe in den persönlichen Geltungsbereich eines Tarifvertrags zur Regelung allgemeiner Arbeitsbedingungen.
Unterschriften
Schmidt, Dr. Armbrüster, Brühler, Wendlandt, Oye
Fundstellen