Entscheidungsstichwort (Thema)
Direktionsrecht des öffentlichen Arbeitgebers. Fortsetzung der Rechtsprechung des Senats 21. November 2002 – 6 AZR 82/01 – AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 63, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen und 21. Januar 2004 – 6 AZR 583/02 – AP MTA-O § 12 Nr. 1, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen
Leitsatz (redaktionell)
1. Das Direktionsrecht erlaubt es dem Arbeitgeber, die Einzelheiten der vom Arbeitnehmer zu erbringenden Arbeitsleistungen einseitig zu bestimmen, soweit diese nicht anderweitig geregelt sind. Sein Umfang bestimmt sich vor allem nach dem Inhalt des Arbeitsvertrags. Es kann einzelvertraglich oder auch durch tarifliche Regelung innerhalb bestimmter Grenzen erweitert werden, soweit nicht zwingendes Recht entgegensteht.
2. Den Angehörigen des öffentlichen Dienstes können i.d.R. durch Arbeitgeberweisung alle Tätigkeiten übertragen werden, die die Merkmale der für sie maßgebenden Vergütungsgruppe des BAT erfüllen.
Normenkette
GewO § 106; BAT Anlage 1b
Verfahrensgang
LAG München (Urteil vom 29.10.2002; Aktenzeichen 6 Sa 819/01) |
ArbG München (Urteil vom 30.07.2001; Aktenzeichen 7a Ca 16377/00) |
Tenor
- Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 29. Oktober 2002 – 6 Sa 819/01 – aufgehoben, soweit es auf die Anschlussberufung des Klägers das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 30. Juli 2001 – 7a Ca 16377/00 – abgeändert und den Beklagten verurteilt hat, den Kläger in der Funktion des stellvertretenden Pflegedienstleiters zu beschäftigen.
- Die Anschlussberufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 30. Juli 2001 – 7a Ca 16377/00 – wird zurückgewiesen.
- Der Kläger hat die Kosten der Anschlussberufung und der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Revision noch über den Widerruf der Bestellung des Klägers zum stellvertretenden Pflegedienstleiter.
Für das seit April 1986 bestehende Arbeitsverhältnis der Parteien gilt der BAT in der für den Bereich der kommunalen Arbeitgeber geltenden Fassung. Der Kläger wurde zum 1. Juli 1995 zum stellvertretenden Pflegedienstleiter im Kreiskrankenhaus München-Pasing bestellt. Nach entsprechender Bewährung erhielt er ab dem 1. Oktober 1998 eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe Kr. X. In der Folgezeit kam es zu erheblichen Spannungen in der Zusammenarbeit zwischen der Pflegedienstleitung und dem Kläger. Daraufhin widerrief der Beklagte im November 2000 dessen Bestellung zum stellvertretenden Pflegedienstleiter. Der Kläger leitet seit dem mehrere Stationen mit 96 Pflegepersonen.
Mit Schreiben vom 5. Dezember 2000 wurde der Kläger wegen einer Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten abgemahnt und mit Schreiben vom 5. April 2001 gem. § 55 Abs. 1 BAT außerordentlich mit einer sozialen Auslauffrist zum 30. September 2001 gekündigt. Daraufhin hat er gegen den aus seiner Sicht durch das Direktionsrecht des Arbeitgebers nicht gedeckten Widerruf seiner Bestellung zum stellvertretenden Leiter des Pflegedienstes geklagt und auch die Abmahnung sowie die außerordentliche Kündigung mit dieser Klage angegriffen. Das Arbeitsgericht hat – mittlerweile rechtskräftig – die außerordentliche Kündigung für unwirksam gehalten und die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte angeordnet.
Der Kläger hat – soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse – beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, ihn in der Funktion des stellvertretenden Pflegedienstleiters zu beschäftigen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage auf Beschäftigung in der Funktion des stellvertretenden Pflegedienstleiters abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Anschlussberufung des Klägers das Endurteil des Arbeitsgerichts abgeändert und den Beklagten verurteilt, den Kläger in der Funktion des stellvertretenden Pflegedienstleiters zu beschäftigen. Mit seiner Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist begründet. Sie führt zur entsprechenden Aufhebung des Urteils des Landesarbeitsgerichts und zur Zurückweisung der Anschlussberufung des Klägers. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Beschäftigung als stellvertretender Pflegedienstleiter. Seine Berufung in diese Funktion wurde am 17. November 2000 wirksam widerrufen. Der Widerruf ist durch das Direktionsrecht des Arbeitgebers gedeckt.
- Das Direktionsrecht erlaubt es dem Arbeitgeber, die Einzelheiten der vom Arbeitnehmer zu erbringenden Arbeitsleistungen einseitig zu bestimmen, soweit diese nicht anderweitig geregelt sind. Sein Umfang bestimmt sich vor allem nach dem Inhalt des Arbeitsvertrages. Es kann einzelvertraglich oder auch durch tarifliche Regelung innerhalb bestimmter Grenzen erweitert werden, soweit nicht zwingendes Recht entgegensteht (vgl. § 106 GewO; siehe auch: BAG 10. November 1992 – 1 AZR 185/92 – AP LPVG NW § 72 Nr. 6; 30. August 1995 – 1 AZR 47/95 – AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 44 = EzA BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 14; 24. April 1996 – 4 AZR 976/94 – AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 49 = EzA BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 17; 21. November 2002 – 6 AZR 82/01 – AP BGB Direktionsrecht § 611 Nr. 63, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).
- In § 1 des Arbeitsvertrages vom 21. November 1985 haben die Parteien bezüglich der Tätigkeit des Klägers vereinbart, dass dieser ab dem 1. April 1986 als Angestellter auf unbestimmte Zeit beim Kreiskrankenhaus München-Pasing in der Vergütungsgruppe Kr. VI eingestellt wird. Damit haben die Parteien den im öffentlichen Dienst üblichen Formulararbeitsvertrag geschlossen. Danach wird der Arbeitnehmer regelmäßig nicht für die Ausübung einer bestimmten Tätigkeit eingestellt, sondern für einen allgemein umschriebenen Aufgabenbereich, der durch die Nennung der Vergütungsgruppe konkretisiert wird. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts erstreckt sich das Direktionsrecht des Arbeitgebers im öffentlichen Dienst deshalb auf alle Tätigkeiten, die die Merkmale der Vergütungsgruppe erfüllen, für die der Arbeitnehmer eingestellt worden ist. Danach können dem Arbeitnehmer grundsätzlich auch andere Tätigkeiten zugewiesen werden, soweit sie den Merkmalen dieser Vergütungsgruppe entsprechen. Unerheblich ist, ob aus der einschlägigen Fallgruppe dieser Vergütungsgruppe ein Bewährungsaufstieg in eine höhere Vergütungsgruppe möglich ist oder nicht (BAG 30. August 1995 – 1 AZR 47/95 – AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 44 = EzA BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 14; 24. April 1996 – 4 AZR 976/94 – AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 49 = EzA BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 17).
- Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts haben die Parteien auf der Grundlage des Bestellungsschreibens nicht vereinbart, die Einsatzmöglichkeiten des Klägers auf die Funktion eines stellvertretenden Pflegedienstleiters zu beschränken. Einen solchen Erklärungswillen lässt das Bestellungsschreiben nicht erkennen. Es dient ersichtlich dazu, lediglich die tariflichen Voraussetzungen für die Zuweisung einer solchen Tätigkeit zu schaffen, die eine ausdrückliche Anordnung für die Bestellung verlangen.
- Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die mit der Funktion des stellvertretenden Pflegedienstleiters verbundenen Zuständigkeiten und Aufgaben gingen über die Tätigkeitsmerkmale der Vergütungsgruppen Kr. IX und X der Anlage 1b zum BAT deutlich hinaus, womit mit der Übertragung dieser Tätigkeit die Arbeitsverpflichtung des Klägers verändert bzw. erweitert worden sei, findet in den arbeitsvertraglichen Abmachungen der Parteien keine Stütze. Den Angehörigen des öffentlichen Dienstes können in der Regel durch Arbeitgeberweisung alle Tätigkeiten übertragen werden, die die Merkmale der für sie maßgebenden Vergütungsgruppe des BAT erfüllen. Die Tätigkeit des Klägers als stellvertretender Pflegedienstleiter und als Abteilungsleiter ohne diese zusätzliche Funktion erfüllt die Merkmale der Vergütungsgruppe Kr. X. Als Abteilungsleiter mehrerer Stationen ist der Kläger nach fünfjähriger Bewährung in der Fallgruppe 3 der Vergütungsgruppe Kr. IX in die Vergütungsgruppe Kr. X Fallgruppe 5 gelangt. Seine Tätigkeit als stellvertretender Pflegedienstleiter ändert weder die Vergütungsgruppe noch die Fallgruppe, denn auch als ständiger Vertreter der Pflegedienstleiterin steigt er nach fünfjähriger Bewährung in der Vergütungsgruppe Kr. IX Fallgruppe 5 in die Vergütungsgruppe Kr. X Fallgruppe 5 auf. Als stellvertretender Pflegedienstleiter übte er keine Tätigkeit nach der Vergütungsgruppe Kr. X Fallgruppe 3 aus. Darunter fallen nur ständige Vertreter von Pflegedienstleitern in der Vergütungsgruppe Kr. IX Fallgruppe 1. Die Pflegedienstleiterin des Kreiskrankenhauses München-Pasing zählt dazu nicht. In der dortigen Einrichtung sind deutlich weniger als 600 Pflegepersonen beschäftigt. Vorliegend hat sich mit dem Entzug der Funktion als stellvertretender Pflegedienstleiter nicht die Fallgruppe der entsprechenden Vergütungsgruppe verändert. Eine höhere Wertigkeit der Funktion der stellvertretenden Pflegedienstleitung, die der Kläger inne hatte, kann daher nicht angenommen werden. Die Tarifvertragsparteien haben die Tätigkeiten jeweils als gleichwertig angesehen.
- Der Kläger kann sich auch nicht auf die Entscheidungen des Bundesarbeitsgericht vom 30. August 1995 (– 1 AZR 47/95 – AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 44 = EzA BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 14) und vom 24. April 1996 (– 4 AZR 976/94 – AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 49 = EzA BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 17) berufen. Soweit darin das Direktionsrecht den Entzug einer Funktion nicht gedeckt hat, ging es jeweils um eine Zuweisung von nicht gleichwertigen Tätigkeiten, welche die Tätigkeitsmerkmale einer niedrigeren Vergütungsgruppe erfüllten und nur auf dem Umweg über den Bewährungsaufstieg zum Erhalt der bisherigen Vergütungsgruppe führten. Dabei wurde zur Bestimmung der Gleichwertigkeit grundsätzlich auf die auf den Betrieb abgestellte Verkehrsauffassung und das sich daraus ergebende Sozialbild abgestellt. Das orientiert sich jedoch bei Anwendung eines tariflichen Vergütungssystems in der Regel an diesem System. Vorliegend bewertet das Tarifgefüge in der Anlage 1b zum BAT (Vergütungsordnung für Angestellte im Pflegedienst) die Tätigkeit des Pflegepersonals mit Unterstellung mehrerer Stationen als gleichwertig mit der Tätigkeit eines stellvertretenden Pflegedienstleiters bei weniger als 600 beschäftigten Pflegepersonen. Sie kann deshalb von ihrem Sozialprestige her nicht als geringerwertig empfunden werden.
Unterschriften
Schmidt, Dr. Armbrüster, Brühler, Wendlandt, Oye
Fundstellen