Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozeßführungsbefugnis der Bundesrepublik Deutschland
Orientierungssatz
Die Entscheidung darüber, ob ein Arbeitnehmer zu den örtlichen Arbeitskräften im Sinne von Art IX Abs 4 oder ob er zum zivilen Begleitpersonal im Sinne von Art I Abs 1b Natotruppenstatut gehören soll, trifft der Entsendestaat kraft seiner Hoheitsbefugnis mit völkerrechtlich bindender Wirkung.
Normenkette
GG Art. 25; ZPO § 280; NATOTrStat Art. IX Abs. 4; NATOTrStat Art. I Abs. 1b; NATOTrStatZAbk Art. 56 Abs. 8
Verfahrensgang
LAG Hamm (Entscheidung vom 16.10.1986; Aktenzeichen 9 (14) Sa 608/86) |
ArbG Minden (Entscheidung vom 27.02.1986; Aktenzeichen 1 Ca 1325/85) |
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer wegen betriebsbedingter Gründe ausgesprochenen fristgerechten KÜndigung. Ihr Zwischenstreit betrifft die Zulässigkeit der Klage im Hinblick auf die Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit und die Prozeßführungsbefugnis der Beklagten.
Der Kläger ist britischer Staatsbürger. Er wohnt zumindest seit 1977 ununterbrochen in der Bundesrepublik. Beklagte ist die Bundesrepublik Deutschland in Prozeßstandschaft für die britischen Streitkräfte und ihr ziviles Gefolge.
Der Kläger war seit 1. Juli 1979 bei einer dem zivilen Gefolge der britischen Streitkräfte zuzuordnenden Dienststelle, die zuletzt die Bezeichnung "The Services Sound and Vision Corporation" (künftig SSVC) führte, als Filmvorführer und Antennenbauer tätig. Das Arbeitsverhältnis kam durch ein vom Kläger angenommenes Angebot der SSVC vom 14. Juni 1979 zustande. Vor dem formellen Beschäftigungsangebot bestätigte das "Headquarters Western Europe" den Inhalt des Vorstellungsgespräches vom 6. Juni 1979. In diesem Schreiben heißt es u.a.:
"Es wird für Sie nötig sein, Beiträge an die
britische Sozialversicherung nach dem in den
jeweils gültigen Bestimmungen festgelegten
Satz zu leisten. Zusätzlich werden Sie Beiträge
an den Pensions- und Lebensversicherungsfonds
der Gesellschaft zahlen müssen, sobald Sie
gemäß den Statuten die Voraussetzungen dazu
erfüllen.
Es wird eine Bedingung Ihres Beschäftigungs-
verhältnisses sein, daß sie sich einverstanden
erklären, an jedem Ort des Landes, an dem Ihre
Dienste benötigt werden, zu arbeiten."
Auf das Arbeitsverhältnis fanden die allgemeinen Bestimmungen und Beschäftigungsbedingungen der SSVC und damit englisches Arbeitsrecht Anwendung. Von den Bezügen des Klägers wurden weder Lohnsteuern an den deutschen Steuerfiskus noch Sozialversicherungsbeiträge an einen deutschen Sozialversicherungsträger abgeführt. Der Kläger hatte für sich und seine Familie die Möglichkeit, medizinische Einrichtungen der britischen Streitkräfte in Anspruch zu nehmen. Er durfte ein Kraftfahrzeug mit britischem Kennzeichen führen und die für die britischen Streitkräfte und deren ziviles Gefolge geschaffenen Einrichtungen für einen zollfreien Einkauf nutzen. Schließlich war er im Besitz einer Identity Card, die nur an Mitglieder des zivilen Gefolges der in der Bundesrepublik stationierten britischen Streitkräfte ausgegeben wird.
Mit Schreiben vom 3. Mai 1985 kündigte die SSVC das Arbeitsverhältnis zum 31. Juli 1985, weil die Stelle des Klägers im Stellenplan gestrichen worden sei. Auf dieses Schreiben erwiderte der Kläger, daß er die Beendigung des Arbeitsverhältnisses akzeptiere. Die ihm gewährte Abfindung in Höhe von 7.276,50 DM nahm er an. Am 7. August 1985 erhob der Kläger Kündigungsschutzklage gegen die SSVC. Diese Klage nahm er mit Schreiben vom 30. September 1985 zurück und reichte am gleichen Tage die vorliegende Klage ein.
Der Kläger hat vorgetragen: Er sei nicht nur als Filmvorführer, sondern auch als Antennenbauer bei der SSVC beschäftigt gewesen. Da diese einen neuen Arbeitnehmer eingestellt habe, der die von ihm bisher ausgeführten Arbeiten übernommen habe, liege der behauptete Arbeitsmangel nicht vor. Die Klage sei nach britischem Recht rechtzeitig erhoben. Da er seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort in der Bundesrepublik Deutschland habe, gehöre er nicht zum zivilen Gefolge. Daher sei gemäß Art. 56 Abs. 8 des Zusatzabkommens zum Nato-Truppenstatut (ZA-NTS) die Klage gegen die Bundesrepublik zu richten.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß sein Arbeitsverhältnis mit der
Firma SSVC, The Services Sound and Vision Corpora-
tion, Company Limited by Guarantee, Headquarters
Western Europe, Kingsley Barracks, M ,
vertreten durch den stellvertretenden Direktor
P B , ebenda, durch deren ordentliche
Kündigung vom 3. Mai 1985, zugegangen am gleichen
Datum, nicht aufgelöst worden ist.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, der Kläger sei als Mitglied des zivilen Gefolges eingestellt worden. Das Arbeitsverhältnis sei auch nach den für diesen Personenkreis maßgeblichen Bestimmungen abgewickelt worden, so daß ein Arbeitsverhältnis im Sinne von Art. 56 Abs. 8 ZA nicht vorliege. Aus diesem Grunde sei sie, die Beklagte, nicht prozeßführungsbefugt. Weiter hat sie vorgetragen, der Kläger sei nur vorübergehend für den Antennenbau angelernt worden. Er habe die dafür notwendigen Leistungen nicht erbracht, so daß es nach Streichung seiner Stelle als Filmvorführer keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr für ihn gegeben habe.
Das Arbeitsgericht hat durch Zwischenurteil die Zulässigkeit der Klage bejaht. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage als unzulässig abgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision des Klägers, mit der er die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erstrebt.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg. Die Klage ist unzulässig. Das Landesarbeitsgericht hat die Prozeßführungsbefugnis der Beklagten zu Recht verneint.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Beklagte habe keine Prozeßführungsbefugnis für den Rechtsstreit, da die Voraussetzungen des Art. 56 Abs. 8 ZA-NTS vorliegend nicht erfüllt seien und diese Vorschrift daher nicht angewandt werden könne. Der Kläger sei durch die Begründung seines Arbeitsverhältnisses unmittelbar Mitglied des zivilen Gefolges geworden. Das ergebe sich bereits aus dem Arbeitsangebot vom 14. Juni 1979 sowie den allgemeinen Bestimmungen und Beschäftigungsbedingungen der SSVC. Das Arbeitsverhältnis sei an britischem Recht ausgerichtet und nach den für die "UK Based Civilians" geltenden britischen Arbeitsbedingungen abgewickelt worden. Dies belegten auch die Aushändigung der Civilian Identity Card, die nur an Mitglieder des die Truppe begleitenden Zivilpersonals ausgegeben werde, die fehlende Abführung von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen an deutsche Institutionen sowie die Inanspruchnahme von Steuer- und Zollvergünstigung durch den Kläger. Der Zuordnung zum zivilen Gefolge stehe nicht entgegen, daß der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet gehabt habe. Während der Dauer seiner beruflichen Tätigkeit habe der Kläger bei der SSVC nach britischem Recht weder Wohnsitz noch dauernden Aufenthalt im Bundesgebiet begründen können.
Dem vom Landesarbeitsgericht gefundenen Ergebnis ist beizupflichten.
II. 1. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für Arbeitssachen ist gegeben. Sie regelt sich mangels besonderer Vorschriften nach den Bestimmungen über die örtliche Zuständigkeit und folgt vorliegend daraus, daß die frühere Beschäftigungseinheit des Klägers ihren Sitz in M, also im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, hat.
2. Nach Art. 56 Abs. 8 in Verbindung mit Abs. 1 ZA beschränkt sich die Prozeßführungsbefugnis der Bundesrepublik auf Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis von zivilen Arbeitskräften bei einer Truppe oder einem zivilen Gefolge. Dagegen besteht sie nicht bei Streitigkeiten, welche das die Truppe einer Vertragspartei begleitende Zivilpersonal im Sinne des Art. I Abs. 1 b NTS betreffen. Der Kläger gehört jedoch zu dem zivilen Begleitpersonal im Sinne der eben genannten Vorschrift.
3. Die Anstellungs- und Arbeitsbedingungen, insbesondere auch die Arbeitsschutzbedingungen, der bei einer Truppe oder einem zivilen Gefolge beschäftigten zivilen Arbeitnehmer (Ortskräfte) bestimmen sich nach dem Recht des Aufnahmestaates. Solche zivilen Arbeitnehmer gelten in keiner Beziehung als Mitglieder der Truppe oder des zivilen Gefolges (Art. IX Abs. 4 NTS). Art. I Abs. 1 b NTS umschreibt den Begriff des zivilen Gefolges. Danach ist "Ziviles Gefolge" das die Truppe einer Vertragspartei begleitende Zivilpersonal, das bei den Streitkräften dieser Vertragspartei beschäftigt ist, soweit es sich nicht um Staatenlose handelt oder um Staatsangehörige eines Staates, der nicht Partei des Nordatlantikvertrages ist, oder um Staatsangehörige des Staates, in welchem die Truppe stationiert ist, oder um Personen, die dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Aus dieser Bestimmung ergibt sich, daß nicht alle die Truppe begleitenden und bei ihr beschäftigten Zivilpersonen den Status eines Mitglieds des zivilen Gefolges haben oder haben müssen. Ausgenommen sind vielmehr, wie sich aus der Vorschrift unmittelbar ergibt, Staatenlose, Angehörige von Staaten, die nicht Mitglied des Nordatlantik-Paktes sind, die Staatsangehörigen des Aufnahmestaates und diejenigen Staatsangehörigen der Paktstaaten, die im Aufnahmestaat selbst ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Daher ist bei den zivilen Arbeitskräften zu unterscheiden zwischen den örtlichen Arbeitskräften im Sinne von Art. IX Abs. 4 NTS sowie dem zivilen Begleitpersonal im Sinne des Art. I Abs. 1 b NTS, mag es zum zivilen Gefolge gehören oder nicht (BAGE 48, 81, 91 = AP Nr. 1 zu Art. I Nato-Truppenstatut, zu B III 2 der Gründe).
Die Entscheidung darüber, ob ein Arbeitnehmer zu den örtlichen Arbeitskräften im Sinne von Art. IX Abs. 4 NTS oder ob er zum zivilen Begleitpersonal im Sinne von Art. I Abs. 1 b NTS gehören soll, trifft der Entsendestaat kraft seiner Hoheitsbefugnis mit völkerrechtlich bindender Wirkung. Das hat der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts durch Beschluß vom 12. Februar 1985 - 1 ABR 3/83 - mit ausführlicher Begründung klargestellt (BAGE 48, 81, 92 ff. = AP Nr. 1 zu Art. I Nato-Truppenstatut, zu B III 3 der Gründe). Dem schließt sich der erkennende Senat an.
4. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, die von der Revision nicht mit Verfahrensrügen im Sinne des § 554 Abs. 3 Nr. 3 b ZPO angegriffen worden und daher für den Senat nach § 561 Abs. 2 ZPO bindend sind, hat der Kläger mit seiner Arbeitgeberin die Geltung britischen Rechts vereinbart. Das Arbeitsverhältnis ist demgemäß auch nach den für "UK Based Civilians" geltenden britischen Arbeitsbedingungen abgewickelt worden. Von seinem Arbeitseinkommen wurden keine Steuern an den deutschen Steuerfiskus und keine Sozialversicherungsbeiträge an einen deutschen Sozialversicherungsträger abgeführt. Weiter hatte der Kläger die Möglichkeit, ein Kraftfahrzeug mit britischem Kennzeichen zu führen und die für die britischen Streitkräfte und deren ziviles Gefolge geschaffenen Einrichtungen für einen zollfreien Einkauf zu nutzen. Ferner verfügte er über einen besonderen Ausweis, der ihn als Mitglied des zivilen Gefolges der in der Bundesrepublik stationierten britischen Streitkräfte legitimierte. Schließlich konnte der Kläger für sich und seine Familie auch die medizinischen Einrichtungen der britischen Streitkräfte in Anspruch nehmen. Alle diese Umstände machen deutlich, daß der Kläger nach der Entscheidung seiner Einstellungsbehörde zu dem zivilen Begleitpersonal im Sinne des Art. I Abs. 1 b NTS gehören sollte. Dann aber kann der Kläger nicht gleichzeitig, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, der Gruppe der örtlichen Arbeitskräfte im Sinne des Art. IX Abs. 4 NTS zugerechnet werden.
Gehört der Kläger aber nicht zu dem Personenkreis, für dessen Rechtsstreitigkeiten gegen seinen Arbeitgeber die Bundesrepublik in Prozeßstandschaft für den Entsendestaat handeln kann, ist seine gegen die Bundesrepublik erhobene Klage unzulässig. Bei diesem rechtlichen Ergebnis bedarf es keiner weiteren Prüfung der Frage, ob für den Rechtsstreit die deutsche Gerichtsbarkeit (Art. 56 Abs. 8 Satz 1 ZA-NTS) zu bejahen ist (vgl. zu der Reihenfolge der Prozeßvoraussetzungen nur Jauernig, Zivilprozeßrecht, 22. Aufl., § 33 Anm. V 6).
Dr. Thomas Dr. Gehring Dr. Olderog
Pallas Krebs
Fundstellen