Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewährungsaufstieg einer teilzeitbeschäftigten Lehrkraft
Leitsatz (redaktionell)
Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob bei geringfügig beschäftigten Lehrkräften Dienstzeiten voll als Bewährungszeiten anzurechnen sind.
Normenkette
BeschFG 1985 Art. 1 § 2 Abs. 1
Verfahrensgang
LAG Niedersachsen (Urteil vom 13.06.1991; Aktenzeichen 13 Sa 987/90) |
ArbG Wilhelmshaven (Urteil vom 07.05.1990; Aktenzeichen 2 Ca 974/89) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 13. Juni 1991 – 13 Sa 987/90 – in der Kostenentscheidung und insoweit aufgehoben, als es die Klage in Höhe eines Betrags von 937,38 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit dem 1. Januar 1988 abgewiesen hat.
Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wilhelmshaven vom 7. Mai 1990 – 2 Ca 974/89 – wird in vollem Umfang zurückgewiesen.
Die Revision des beklagten Landes gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 13. Juni 1991 – 13 Sa 987/90 – wird zurückgewiesen.
Das beklagte Land hat auch die Kosten der Rechtsmittelinstanzen zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die am 2. November 1939 geborene Klägerin hat die 1. Staatliche Prüfung für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen abgelegt. Seit 1. September 1972 wird sie vom beklagten Land als Grundschullehrerin an der Grundschule D. in J. beschäftigt. Vom 1. September 1972 bis 31. Oktober 1973 leistete sie acht Wochenstunden, vom 1. November 1973 bis 31. Juli 1974 zehn Wochenstunden, vom 1. August 1974 bis 31. August 1978 elf Wochenstunden und seit 1. September 1978 zwölf Wochenstunden. Die wöchentliche Pflichtstundenzahl für entsprechende vollzeitbeschäftigte Lehrkräfte betrug bis 31. Juli 1989 28 Wochenstunden, seit 1. August 1989 betagt sie 27 Wochenstunden. In den zwischen den Parteien abgeschlossenen Arbeitsverträgen haben sie eine Vergütung nach Jahreswochenstunden vereinbart.
Das beklagte Land vergütet nach Eingruppierungserlassen vollzeitbeschäftigte Lehrkräfte an Grund- und Hauptschulen mit der 1. Staatlichen Prüfung für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen nach VergGr. IV a BAT und nach sechsjähriger Bewährung nach VergGr. III BAT.
Die Klägerin macht mit der Klage für die Zeit vom 1. Januar 1987 bis 31. Dezember 1989 Vergütung nach VergGr. III BAT geltend. Sie hat vorgetragen, die Vergütungsvereinbarung nach Jahreswochenstunden verstoße gegen das Beschäftigungsförderungsgesetz. Ihr stehe deshalb anteilige Vergütung eines entsprechend beschäftigten vollzeitbeschäftigten Lehrers zu. Auch die sechsjährige Bewährungszeit für eine Eingruppierung nach VergGr. III BAT habe sie erfüllt.
Die Klägerin hat beantragt,
das beklagte Land zu verurteilen, an die Klägerin 46.425,80 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich aus
14.985,14 DM brutto ergebenden Nettobetrag seit dem 1. Januar 1988,
15.381,33 DM brutto ergebenden Nettobetrag seit dem 1. Januar 1989,
16.060,14 DM brutto ergebenden Nettobetrag seit dem 1. Januar 1990,
zu zahlen.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat vorgetragen, die Klägerin werde wegen ihrer geringen Arbeitszeit, die weniger als die Hälfte der Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Angestellten betrage, nicht vom persönlichen Geltungsbereich des Bundes-Angestelltentarifvertrags erfaßt. Dies rechtfertige hinsichtlich der Bewährung eine unterschiedliche Behandlung gegenüber vollzeitbeschäftigten Angestellten. Im übrigen müsse die Klägerin nach den Eingruppierungserlassen des Landes die Bewährung durch geeignete Unterlagen in der Personalakte nachweisen. Dies sei nicht geschehen. Da die Klägerin anteilige BAT-Vergütung erst seit Inkrafttreten des Beschäftigungsförderungsgesetzes (1. Mai 1985) verlangen könne, sei ferner bei der Berechnung der Vergütung von einem Einstellungsdatum 1. Mai 1985 auszugehen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. In der Berufungsinstanz hat das beklagte Land der Klägerin Vergütung nach VergGr. IV a BAT unter Berücksichtigung eines Einstellungsdatums vom 1. Mai 1985 zugestanden und deshalb nur noch Klageabweisung beantragt, soweit das beklagte Land zur Zahlung von mehr als 34.822,97 DM brutto nebst Zinsen verurteilt worden war.
Das Landesarbeitsgericht hat das beklagte Land zur Zahlung von 45.448,42 DM brutto nebst Zinsen verurteilt und die Klage im übrigen abgewiesen.
Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Das beklagte Land verfolgt mit der von ihm eingelegten Revision seinen in der Berufungsinstanz gestellten Antrag weiter. Beide Parteien beantragen die Zurückweisung der Revision des Prozeßgegners.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit es die Klage abgewiesen hat, und zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Revision des beklagten Landes ist demzufolge unbegründet. Das beklagte Land ist verpflichtet, der Klägerin für die Zeit ab 1. Januar 1987 bis 31. Dezember 1989 46.425,28 DM brutto nebst Zinsen zu zahlen. Denn der Klägerin steht für diesen Zeitraum Vergütung nach VergGr. III BAT zu. Dies entspricht der Vergütung einer entsprechend vollzeitbeschäftigten Lehrkraft. Die erforderliche sechsjährige Bewährungszeit hat die Klägerin am 1. Januar 1987 bereits zurückgelegt. Die rechnerische Höhe der Klageforderung ist zwischen den Parteien unstreitig.
Die zwischen den Parteien getroffene Vergütungsvereinbarung nach Jahreswochenstunden ist seit 1. Mai 1985 wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nichtig (§ 134 BGB). Sie verstößt gegen Art. 1 § 2 Abs. 1 BeschFG 1985. Danach darf der Arbeitgeber einen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer nicht wegen der Teilzeitarbeit gegenüber vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern unterschiedlich behandeln, es sei denn, daß sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen.
Das beklagte Land vergütet vollzeitbeschäftigte Lehrkräfte nach Eingruppierungsrichtlinien, die mit den Lehrkräften einzelvertraglich vereinbart werden. Diese Eingruppierungsrichtlinien sehen eine erheblich höhere Vergütung vor, als sie mit Lehrkräften vereinbart wird, die – wie die Klägerin – nach dem Maß ihrer vereinbarten Arbeitszeit gemäß § 3 q BAT nicht vom Geltungsbereich des BAT erfaßt werden. Die mit der Klägerin vereinbarte erheblich geringere Vergütung nach Jahreswochenstunden ist daher allein wegen ihrer (geringen) Teilzeitarbeit getroffen worden. Hierfür fehlt ein sachlicher Grund. Dies räumt auch das beklagte Land ein, wenn es der Klägerin nunmehr Vergütung nach VergGr. IV a BAT zugesteht.
Da somit seit 1. Mai 1985 keine wirksame Vergütungsvereinbarung der Parteien vorliegt, ist die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen (§ 612 Abs. 2 BGB), d.h. die anteilige übliche Vergütung einer vollbeschäftigten Lehrkraft. Dies ist im vorliegenden Fall im Klagezeitraum die Vergütung nach VergGr. III BAT. Denn der hier maßgebende Eingruppierungserlaß des Kultusministers vom 11. April 1986 sieht für Lehrkräfte an Grund- und Hauptschulen, die die 1. Staatliche Prüfung für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen abgelegt haben, Vergütung nach VergGr. IV a BAT und nach sechsjähriger Bewährung Vergütung nach VergGr. III BAT vor (Anlage 1 Nr. 2). Diese Bewährungszeit hat die Klägerin erbracht.
Soweit der Eingruppierungserlaß nur Lehrkräfte erfaßt, die gemäß § 3 q BAT unter den Geltungsbereich des BAT fallen, wozu die Klägerin wegen ihrer geringen Stundenzahl nicht gehört, und auf die Bewährungszeit nur „Zeiten einer Lehrtätigkeit nach dem BAT” anrechnet (Nr. 3.1) und damit die übrigen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer vom Bewährungsaufstieg ausschließt, ist der Runderlaß unwirksam. Denn der völlige Ausschluß von Arbeitnehmern vom Bewährungsaufstieg, die – wie die Klägerin – eine durchschnittliche regelmäßige Arbeitszeit von weniger als 18 Stunden wöchentlich aufzuweisen haben (§ 3 q BAT a.F.), verstößt gegen das Benachteiligungsverbot des § 2 Abs. 1 BeschFG 1985. Die unterschiedliche Behandlung von Teilzeitkräften, deren Beschäftigungsumfang unterhalb der Grenze des § 3 q BAT a.F. liegt, und Vollzeitbeschäftigten im Hinblick auf den Bewährungsaufstieg erfolgt ausschließlich wegen der Teilzeitarbeit. Auch darin liegt eine sachlich nicht gerechtfertigte Schlechterstellung dieser teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer. Es ist kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, weshalb teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer sich in ihrer Tätigkeit nicht bewähren und deshalb keine höhere Vergütung erzielen könnten.
Da der Runderlaß vom 11. April 1986 nur bestimmt, daß Zeiten, in denen die Lehrkraft mindestens die Hälfte der für sie verbindlichen Unterrichtsstunden erteilt hat, voll anzurechnen sind (Nr. 3.1 des Erlasses) und insoweit auf die vergleichbare Vorschrift des § 23 a. Nr. 6 BAT nicht verweist, besteht für die Teilzeitbeschäftigten mit einer geringeren Stundenzahl – wie die Klägerin – eine Lücke. Diese kann im Sinne des Erlasses mit einer vergleichbaren pauschalen Regelung geschlossen werden. Wenn bei Lehrkräften mit mindestens der Hälfte der Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Angestellten Zeiten des Beschäftigungsverhältnisses voll auf die Bewährungszeit angerechnet werden, ist es zumindest gerechtfertigt, daß bei Lehrkräften, deren Arbeitszeit weniger als die Hälfte eines vollzeitbeschäftigten Lehrers beträgt, die Beschäftigungszeiten mit der Hälfte auf die Bewährungszeit anzurechnen sind. Eine solche Regelung hat auch der Kultusminister des Landes Nordrhein-Westfalen in Ziff. 8.1 seines Runderlasses vom 20. November 1981 getroffen (vgl. hierzu LAG Köln, Urteil vom 5. Juli 1991 – 13/10 Sa 72/91 –, LAGE § 2 BeschFG 1985 Nr. 10). Danach hat die seit 1. September 1972 bei dem beklagten Land beschäftigte Lehrerin ihre sechsjährige Bewährungszeit nach zwölf Jahren am 31. August 1984 vollendet. Es kann mithin dahingestellt bleiben, ob im Hinblick auf das Diskriminierungsverbot des Art. 119 EWG-Vertrag die Dienstzeit der Klägerin möglicherweise in vollem Umfang auf ihre Bewährungszeit anzurechnen ist.
Auch wenn der Runderlaß über die Eingruppierung der Lehrkräfte in der damals geltenden Fassung erst mit Inkrafttreten des Beschäftigungsförderungsgesetzes ab 1. Mai 1985 wegen des Diskriminierungsverbots nach § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung fand, konnte die Klägerin die Bewährungszeit bereits in einer Zeit vor dem 1. Mai 1985 erfüllen, da der Runderlaß nur an die Ausübung einer bestimmten Tätigkeit und die Bewährung während eines bestimmten Zeitraums anknüpft. Diese Tätigkeiten können auch in Zeiten erbracht werden, die vor dem Zeitpunkt liegen, in dem der Runderlaß erstmals auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung fand. Darin liegt keine unzulässige Rückwirkung von Bewährungszeiten (vgl. BAG Urteil vom 25. September 1991 – 4 AZR 33/91 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). Auch im Sinne des § 23 a Nr. 1 BAT, der gemäß Nr. 3.3 des Runderlasses entsprechend anwendbar ist, hat die Tätigkeit der Klägerin vor dem 1. Mai 1985 den Merkmalen der VergGr. IV a BAT entsprochen, in der sie sich bewährt hat. Entsprechendes gilt für die Berechnung der Lebensaltersstufen. Die Klägerin ist seit 1. September 1972 bei dem beklagten Land beschäftigt. Dieser Zeitpunkt ist bei der Berechnung der Vergütung als Einstellungszeitpunkt zu berücksichtigen.
Der Eingruppierung der Klägerin nach VergGr. III BAT steht auch nicht Nr. 3.4 des Eingruppierungserlasses entgegen. Danach muß zwar die Bewährung durch geeignete Unterlagen in der Personalakte nachgewiesen werden. Dieser Bestimmung kann aber mit dem Landesarbeitsgericht nur eine behördeninterne Bedeutung beigemessen werden. Sie ist als Anweisung des Kultusministers an die für die Fachaufsicht zuständigen Behörden zu verstehen, entsprechende Feststellungen zu treffen. Die Bewährung als solche hängt nicht von der Beibringung entsprechender Unterlagen ab. Insoweit reicht es aus, daß die Klägerin im vorliegenden Fall unbestritten vorgetragen hat, daß sie sich in ihrer Tätigkeit bewährt hat und das beklagte Land ihre Tätigkeit nicht beanstandet hat.
Die Vergütungsansprüche der Klägerin sind weder nach § 70 BAT verfallen noch gemäß § 242 BGB wegen unzulässiger Rechtsausübung verwirkt. Darauf beruft sich das beklagte Land in der Revisionsinstanz auch nicht mehr. Der Senat kann deshalb auf seine bisherige Rechtsprechung zu diesen Fragen verweisen (vgl. BAG Urteil vom 23. Oktober 1991 – 4 AZR 500/90 –, nicht veröffentlicht, mit weiteren Nachweisen).
Das beklagte Land hat gemäß §§ 91, 97 ZPO als unterlegene Partei auch die Kosten der Rechtsmittelinstanzen zu tragen.
Unterschriften
Schaub, Schneider, Dr. Etzel, Dr. Koffka, H. Hauk
Fundstellen