Entscheidungsstichwort (Thema)

Absenkung der Anfangsvergütung für Berufsberater

 

Orientierungssatz

Parallelsache zu BAG Urteil vom 28.1.1987, 5 AZR 163/86.

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 28.04.1986; Aktenzeichen 5 Sa 1620/85)

ArbG Mönchengladbach (Entscheidung vom 09.10.1985; Aktenzeichen 2 Ca 965/85)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte den Klägern eine Vergütung gemäß VergGr. IV a der Anlage 1 der Vergütungsordnung zum MTA (Manteltarifvertrag für die Angestellten der Bundesanstalt für Arbeit) zugesagt hat und hieran nach Aufkündigung der tariflichen Vergütungsordnung gebunden bleibt.

Die Beklagte hat die Kläger am 1. September 1981 eingestellt, um sie als Fachberater in der Arbeitsvermittlung oder in der Berufsberatung auszubilden. Die Ausbildung erfolgte auf der Grundlage des Tarifvertrages zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Beratungsanwärter vom 16. Juni 1972 in der jeweils gültigen Fassung; hierauf wird im Ausbildungsvertrag ausdrücklich Bezug genommen.

Die Kläger hatten sich auf eine Anzeige der Beklagten beworben, in der es u. a. heißt:

"... bieten wir Ihnen ...

nach erfolgreichem Abschluß der Ausbildung die

Übernahme in das unbefristete Angestelltenverhältnis

und eine Bezahlung nach VergGr. IV a

MTA (entspricht dem Bundesangestelltentarifvertrag

- BAT); auch eine Übernahme in das Beamtenverhältnis

ist möglich..."

Nach erfolgreicher dreijähriger Ausbildung der Kläger hat die Beklagte ihnen die Übernahme in das Angestelltenverhältnis ab 1. September 1984 und eine Beschäftigung als Arbeitsberater beim Arbeitsamt M nach VergGr. IV b MTA angeboten.

Das Angebot der Beklagten beschränkte sich auf die Eingruppierung in die VergGr. IV b MTA, weil sie die Vergütungsordnung (Anlage 1 zum MTA) zum 31. März 1984 aufgekündigt hatte. Die Beklagte hat sich damit dem Vorgehen der Tarifgemeinschaft Deutscher Länder und der Bundesrepublik Deutschland angeschlossen, die die Vergütungsordnung zum Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) zum 31. Dezember 1983 aufgekündigt hatten. Das Kündigungsvorgehen beruht auf der durch Art. 30 des Haushaltsbegleitgesetzes 1984 geregelten Absenkung der Eingangsbesoldung im Beamtenrecht. Hierzu bezieht die Beklagte sich ergänzend auf ihren Runderlaß vom 24. Februar 1984.

Als die Beklagte den Klägern entsprechende Arbeitsverträge mit Vergütung nach VergGr. IV b MTA anbot, überreichten sie dem Direktor des Arbeitsamtes M am 3. September 1984 ein vorgefertigtes Schreiben, in dem es u. a. wie folgt heißt:

"...

Ich erkläre hiermit ausdrücklich, daß ich die

zugesicherte Vergütung nach IV a MTA mit Beginn

des Beschäftigungsverhältnisses geltend mache.

Die Unterzeichnung dieses Arbeitsvertrages erfolgt

vorbehaltlich der Entscheidung über die

Rechtmäßigkeit der Eingruppierung.

Dies beinhaltet insbesondere, daß meine Unterschrift

keinen Verzicht auf eine zustehende Eingruppierung

nach IV a MTA ableiten kann.

..."

Daraufhin lehnte der Direktor des Arbeitsamtes aufgrund

einer internen Dienstanweisung der Beklagten den Abschluß eines

Arbeitsvertrages ausdrücklich ab, wenn die Kläger ihren Vorbehalt

aufrecht erhielten. Die hierbei anwesende Personalratsvorsitzende

F hat in ihrem Protokoll den Ablauf des Gesprächs wie folgt

geschildert:

"...

Herr/Frau ... wurde heute nachmittag (14.30 Uhr)

nach Aufnahme des Dienstes als Arbeitsberater/

Berufsberaterin ein unbefristeter Arbeitsvertrag

für eine Angestelltentätigkeit mit der Eingruppierung

in die VergGr. IV b MTA vorgelegt.

Dieser Eingruppierung wurde von Herrn/Frau ...

mit der Vorlage einer schriftlichen Erklärung

widersprochen.

In dieser Erklärung wird u. a. der Anspruch

auf eine Vergütung nach VergGr. IV a MTA geltend

gemacht.

Im Anschluß hieran wurde von Herrn VR M erläutert,

daß bei Abgabe eines mündlichen oder

schriftlichen Vorbehaltes ein Arbeitsverhältnis

laut Anweisung des LAA NW nicht zustande kommen

kann. Für den Betroffenen würde dies den Eintritt

in Arbeitslosigkeit ab 4.09.84 bedeuten.

Weiterhin führte Herr VR M aus, daß ein Arbeitsverhältnis

nur dann noch zustande kommen

könne, wenn der Vorbehalt vor Unterzeichnung des

Arbeitsvertrages schriftlich widerrufen wird.

Anschließend erfolgte von Herrn/Frau ...

1. die schriftliche Verzichtserklärung des

Vorbehaltes,

2. die Unterzeichnung des Arbeitsvertrages

ohne Vorbehalt.

Die Abgabe der Erklärung und deren Widerruf

erfolgten von Herrn/Frau ... in schriftlicher

Form, um zu gewährleisten, daß diese zur Personalakte

genommen werden.

..."

Die von den Klägern unterzeichnete Verzichtserklärung hat folgenden Wortlaut:

"Vor Abschluß des Arbeitsvertrages zwischen

dem Direktor des Arbeitsamtes M

und mir habe ich den beigefügten Vorbehalt

geltend gemacht.

Vor Abschluß des Arbeitsvertrages wurde ich

über die möglichen Folgen dieses Vorbehaltes

informiert.

Nach dieser Belehrung ziehe ich hiermit meinen

Vorbehalt vom 3.9.84 zurück.

Meine Willenserklärung wurde im Beisein der

Personalratsvorsitzenden, Frau F , abgegeben."

Nach Unterzeichnung des Arbeitsvertrages am 3. September 1984 mit der vereinbarten Eingruppierung in die VergGr. IV b MTA haben die Kläger durch einen Rechtsanwalt mit Schreiben vom 1. Februar 1985 hiergegen "Widerspruch" eingelegt und die rückwirkende Eingruppierung der Kläger in die VergGr. IV a MTA verlangt. Die Kläger sind der Auffassung, daß die Beklagte weiterhin verpflichtet sei, ihnen Vergütung nach VergGr. IV a MTA zu gewähren und haben beantragt,

1. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet

ist, die Kläger rückwirkend ab dem 1.9.1984

und in Zukunft nach der VergGr. IV a MTA zu

vergüten,

2. festzustellen, daß die Beklagte weiter verpflichtet

ist, auf die Differenzbeträge zwischen

der VergGr. IV a MTA zu der jeweils

gezahlten Vergütung nach VergGr. IV b MTA

ab dem jeweiligen 15. des Monats 4 % Zinsen

zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und hält sich nur zur Zahlung der im Arbeitsvertrag vereinbarten Vergütung gemäß VergGr. IV b MTA für verpflichtet.

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die Berufung der Beklagten hiergegen hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit ihrer Revision will die Beklagte die Abweisung der Klage erreichen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision konnte keinen Erfolg haben.

I. Die von den Klägern beantragte Feststellung ist im zuerkannten Umfang begründet, denn sie haben Anspruch auf Vergütung gemäß VergGr. IV a der Vergütungsanordnung Anlage 1 zum MTA ebenso wie auf die Geltendmachung von Prozeßzinsen hinsichtlich der Vergütungsdifferenz (vgl. hierzu BAG Urteil vom 7. Oktober 1981 - 4 AZR 225/79 - BAGE 36, 245 = AP Nr. 49 zu §§ 22, 23 BAT 1975).

II. Die Kläger haben einen Anspruch auf Vergütungsgruppe IV a der Anlage 1 der Vergütungsordnung zum MTA und diesen im Ergebnis auch nicht durch eine hiervon abweichende Vereinbarung im Arbeitsvertrag vom 3. September 1984 wieder verloren.

1. Der Vergütungsanspruch der Kläger beruhte zunächst auf der tariflichen Vergütungsordnung in der bis zum 31. März 1984 maßgebenden Fassung, denn sie hat kraft tariflicher Nachwirkung für die Kläger auch nach Aufkündigung durch die Beklagte weitergegolten. Die Beklagte hat ihre Kündigungen zwar rechtswirksam zum 31. März 1984 ausgesprochen und konnte sie auf die Vergütungsordnung beschränken, wie sich aus § 71 Abs. 2 MTA ergibt (BAG Beschlüsse vom 3. Dezember 1985 - 4 ABR 7/85 - und - 4 ABR 60/85 - AP Nr. 1 und 2 zu § 74 BAT). Die Vergütungsordnung wirkte aber zugunsten der Kläger in der bis zum 31. März 1984 geltenden Fassung nach (§ 4 Abs. 5 TVG).

2. Allerdings erstreckte sich die Nachwirkung nicht auf Arbeitsverhältnisse, die im Nachwirkungszeitraum neu begründet worden sind (BAG Urteil vom 29. Januar 1975 - 4 AZR 218/74 - BAGE 27, 22 = AP Nr. 8 zu § 4 TVG Nachwirkung, m. w. N.). Wer erst im Nachwirkungszeitraum eingestellt worden ist, nimmt an der Nachwirkung eines aufgekündigten Tarifvertrages nicht mehr teil. Hingegen wirkt der aufgekündigte Tarifvertrag für solche Arbeitnehmer, die sich noch vor der Aufkündigung in einem Ausbildungsverhältnis befunden haben, das sich kraft tariflicher Regelung erst im Nachwirkungszeitraum in ein Arbeitsverhältnis umwandelt (BAG Urteil vom 19. Januar 1962 - 1 AZR 147/61 - BAGE 12, 194 = AP Nr. 11 zu § 5 TVG, zu III der Gründe).

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt, denn nach § 17 Abs. 1 TV-Beratungsanwärter geht das Ausbildungsverhältnis automatisch in ein Angestelltenverhältnis über, sofern nicht ein tariflich wirksamer Beendigungstatbestand vorliegt. Das ist hier unstreitig nicht der Fall. Das Ausbildungsverhältnis war hier sogar noch vor Aufkündigung der Vergütungsordnung schon wie ein Arbeitsverhältnis ausgestaltet. Es gelten nämlich für den Beratungsanwärter dieselben Rahmenbedingungen wie später im Arbeitsverhältnis (vgl. hierzu BAG Urteil vom 20. Januar 1977 - 3 AZR 523/75 - AP Nr. 1 zu § 1 TVG Ausbildungsverhältnis, zu II 1 der Gründe). Ein Beratungsanwärter erhält bereits bis zu 85 v. H. des Gehalts eines Berufsberaters der VergGr. IV a MTA, die die Beklagte den Klägern jetzt versagt, dazu Verheirateten- und Ortszuschlag, Weihnachtszuwendungen, Beihilfen, Reise- und Umzugskostenvergütung sowie Trennungsgeld (§§ 8, 11, 12, 13). Bei Arbeitsunfähigkeit hat der Anwärter Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung (§ 9). Weiter hat er Anspruch auf Versicherung zum Zwecke einer zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung (§ 14). Danach ist das Ausbildungsverhältnis einem Angestelltenverhältnis bei der Bundesanstalt vorgeschaltet. Bei dieser speziellen Ausformung charakterisiert sich das Ausbildungsverhältnis der Beratungsanwärter als eine besondere Art des Vorbereitungsdienstes für eine spätere Tätigkeit bei der Bundesanstalt und läßt eine so enge Verflechtung zwischen Ausbildungsverhältnis und beabsichtigtem Arbeitsverhältnis deutlich werden, daß das Ausbildungsverhältnis als bindender Vorvertrag für ein späteres Arbeitsverhältnis angesehen werden kann und damit den Regeln des Arbeitsrechts - mit Ausnahme des Berufsbildungsgesetzes - unterstellt werden muß (BAG Urteil vom 20. Januar 1977 - 3 AZR 523/75 - AP Nr. 1 zu § 1 TVG Ausbildungsverhältnis, zu II 1 der Gründe). Hiernach sind die Kläger bei Übernahme ins Arbeitsverhältnis im Nachwirkungszeitraum nicht neu eingestellt worden mit der Folge, daß die Vergütungsordnung in der bis zum 31. März 1984 geltenden Fassung auch nach Aufkündigung der Vergütungsordnung durch die Beklagte zu ihren Gunsten aufgrund tariflicher Nachwirkung weitergegolten hat.

III. Die Kläger haben jedoch ihren Anspruch hierauf zunächst durch eine abweichende Regelung im Arbeitsvertrag vom 3. September 1984 wieder verloren. In § 4 dieses Arbeitsvertrages haben die Parteien nämlich ausdrücklich vereinbart, daß die Kläger nicht Vergütung nach VergGr. IV a, sondern nur nach VergGr. IV b MTA erhalten.

1. Der Vertragswortlaut ist eindeutig und läßt keine abweichende Auslegung zu. Jedoch ist nach § 133 BGB bei der Auslegung einer Willenserklärung der wirkliche Wille zu erforschen. Das bedeutet, daß nicht nur auf den Wortlaut abzustellen ist, sondern alle Begleitumstände zu würdigen sind, die für die Frage, welchen Willen der Beteiligte bei seiner Erklärung erkennbar gehabt hat, von Bedeutung sind (BAGE 22, 424, 426 = AP Nr. 33 zu § 133 BGB). Die Kläger haben zwar zunächst vor Abschluß dieses Arbeitsvertrages erklärt, daß sie auf ihren Anspruch auf Vergütung nach VergGr. IV a MTA nicht verzichten wollten. Die Unterzeichnung des Arbeitsvertrages erfolge vorbehaltlich der Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Eingruppierung. Diesen Vorbehalt haben die Kläger dann aber fallenlassen müssen, weil die Beklagte den Abschluß der Arbeitsverträge davon abhängig gemacht hat, daß sie ihren Vorbehalt vom 3. September 1984 zurückziehen. Unter Berücksichtigung dieser Begleitumstände haben die Kläger damit aber erklärt, daß sie mit der vereinbarten VergGr. IV b MTA notgedrungen einverstanden sind.

2. Die Parteien konnten die nur noch nachwirkenden Tarifnormen durch andere Abmachungen ersetzen, und zwar auch zum Nachteil der Kläger; denn gemäß § 4 Abs. 5 TVG sind nachwirkende Tarifnormen abdingbar (BAGE 29, 182, 186 f. = AP Nr. 4 zu § 4 BAT; BAGE 27, 22, 26 = AP Nr. 8 zu § 4 TVG Nachwirkung).

IV. Die Kläger haben sodann aber mit Schreiben vom 1. Februar 1985 ihren Verzicht auf den Vorbehalt vom 3. September 1984 rechtswirksam angefochten. Hierzu war eine Anfechtungserklärung nötig (§ 143 BGB). Diese ist in ihren Worten zu erblicken, daß sie gegen die von ihnen abverlangte Verzichtserklärung "Widerspruch" eingelegt haben und rückwirkend die VergGr. IV a MTA beanspruchen.

Die Kläger sind auch zur Anfechtung ihrer Erklärung auf Verzicht des Vorbehaltes nach § 123 BGB berechtigt, denn die Beklagte hatte sie mit einer widerrechtlichen Drohung hierzu gezwungen: Wie sich aus dem unstreitigen Ablauf des Gesprächs nach der Gesprächsnotiz der Personalratsvorsitzenden F ergibt, erklärte der Leiter des Arbeitsamtes M, Verwaltungsrat M, auf Weisung der Beklagten: Wenn die Kläger nicht auf ihren schriftlichen Vorbehalt verzichteten, dann würde die Beklagte mit ihnen keinen Arbeitsvertrag abschließen und sie würden folglich ab 4. September 1984 arbeitslos sein.

Hierin liegt eine Drohung seitens der Beklagten: Die Kläger sollten nämlich zwischen zwei Übeln wählen. Entweder sollten sie sich mit einer niedrigeren Vergütungsgruppe (IV b MTA) zufrieden geben oder sie wären nach Beendigung ihrer dreijährigen Ausbildung arbeitslos geworden und hätten die Ausbildungskosten zurückzahlen müssen.

1. Allerdings berechtigt nur eine "widerrechtliche" Drohung gemäß § 123 BGB zur Anfechtung der erzwungenen Vereinbarung. Eine Drohung kann unter verschiedenen Voraussetzungen widerrechtlich sein: Entweder ist die angedrohte Handlung selbst widerrechtlich (Widerrechtlichkeit des Mittels) oder es wird ein widerrechtlicher Erfolg angestrebt (Widerrechtlichkeit des Zweckes) oder das Verhältnis von Mittel und Zweck sind widerrechtlich (MünchKomm-Kramer, BGB, 2. Aufl., § 123 Rz 35; Staudinger/Dilcher, BGB, 12. Aufl., § 123 Rz 56-62; RGRK-Krüger-Nieland, BGB, 12. Aufl., § 123 Rz 42-46). Ein widerrechtlicher Erfolg wird hiernach nur dann erstrebt, wenn der Drohende etwas begehrt, was ihm nicht zusteht (Staudinger/Dilcher, aaO, § 123 Rz 60). Das war der Fall, denn keine Partei des Arbeitsvertrages ist verpflichtet, eine die tarifliche Nachwirkung ablösende Abrede zu ihrem Nachteil zu treffen (Wiedemann/Stumpf, TVG, 5. Aufl., § 4 Rz 196). Kommt es zu keiner Einigung, so kann jede Partei versuchen, durch Änderungskündigung zum Ziel zu kommen (Wiedemann/Stumpf, aaO).

2. Die Kläger haben aber mit Schreiben vom 1. Februar 1985 ihren Verzicht auf den Vorbehalt vom 3. September 1984 rechtswirksam angefochten (§ 143 BGB). Die Anfechtung haben sie mit den Worten erklärt, daß sie gegen die ihnen abverlangte Verzichtserklärung "Widerspruch" einlegen und rückwirkend die Vergütungsgruppe IV a MTA beanspruchen.

Hierfür braucht der Anfechtungsberechtigte nicht das Wort "anfechten" zu verwenden. Es genügt, wenn er in anderer Weise deutlich zum Ausdruck bringt, daß er das Rechtsgeschäft rückwirkend beseitigen will (BGH Urteil vom 28. September 1954 - 1 ZR 180/52 - MdR 1955, 25). Das haben die Kläger mit ihrem "Widerspruch" und der Forderung auf rückwirkende Eingruppierung in VergGr. IV a MTA erklärt.

3. Die rechtswirksame Anfechtungserklärung der Kläger hat ihren Verzicht auf den Vorbehalt vor Abschluß des Arbeitsvertrages vom 3. September 1984 rückwirkend gemäß § 142 Abs. 1 BGB beseitigt, denn eine Anfechtung gemäß § 123 BGB wegen rechtswidriger Drohung wirkt ausnahmsweise auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts zurück (vgl. BAG Urteil vom 29. August 1984 - 7 AZR 34/83 - AP Nr. 27 zu § 123 BGB, zu II 3 der Gründe). Hierdurch blieb der Vorbehalt gegen die Absenkung der Eingangsvergütung noch vor Abschluß des Arbeitsvertrages erhalten. Die Vereinbarung über die Vergütung gemäß VergGr. IV b MTA im Arbeitsvertrag kann unter diesen Umständen nicht für sich allein betrachtet werden. Nach § 133 BGB muß das Gericht bei der Auslegung einer Willenserklärung den wirklichen Willen erforschen. Das bedeutet, daß nicht nur auf den Wortlaut abzustellen ist, sondern alle Begleitumstände zu würdigen sind, die für die Frage, welchen Willen der Beteiligte bei seiner Erklärung gehabt hat, von Bedeutung sind (BAGE 22, 424, 426 = AP Nr. 33 zu § 133 BGB). Ein Verzicht des Arbeitnehmers ist nach der Lebenserfahrung im allgemeinen nicht zu vermuten. Deshalb muß sich aus dem Wortlaut und den Begleitumständen klar ergeben, daß und in welchem Umfang der Arbeitnehmer ihm bekannte oder mögliche Ansprüche aufgibt (BAG Urteil vom 20. August 1980 - 5 AZR 759/78 - AP Nr. 3 zu § 9 LohnFG m. w. N.).

Insoweit haben die Kläger mit ihrem Vorbehalt vom 3. September 1984 gerade nicht endgültig mit Abschluß des Arbeitsvertrages auf eine Vergütung nach VergGr. IV a MTA verzichten wollen. Das haben sie ausdrücklich erklärt und nur unter diesem Vorbehalt den Arbeitsvertrag unterzeichnet. Das muß die Beklagte gegen sich gelten lassen mit der Folge, daß kraft tarifvertraglicher Nachwirkung gemäß § 4 Abs. 5 TVG die Kläger Anspruch auf Vergütung nach VergGr. IV a MTA haben.

Dr. Thomas Dr. Gehring Dr. Olderog

ist durch Urlaub an der

Unterschrift verhindert

Dr. Thomas

Fischer Nitsche

 

Fundstellen

Dokument-Index HI440087

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