Entscheidungsstichwort (Thema)

Befristeter Arbeitsvertrag mit wissenschaftlichem Assistent

 

Leitsatz (redaktionell)

Parallelentscheidung zu – 7 AZR 656/96 –

 

Normenkette

HRG § 47 Abs. 1, § 48 Abs. 1, 3, § 57f S. 2; Hochschulerneuerungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern (HEG MV) § 60

 

Verfahrensgang

LAG Mecklenburg-Vorpommern (Urteil vom 15.01.1997; Aktenzeichen 2 Sa 361/96)

ArbG Rostock (Urteil vom 31.05.1995; Aktenzeichen 11 Ca 80/95)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 15. Januar 1997 – 2 Sa 361/96 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses infolge einer Befristung.

Der Kläger ist Dipl.-Ingenieur. Er war ab dem 1. Januar 1972 an der Ingenieurhochschule für als wissenschaftlicher Assistent im Fachbereich Informationsverarbeitung tätig. Nach Eingliederung der Ingenieurhochschule in die Universität Rostock wurde der Kläger aufgrund des Arbeitsvertrags vom 27. September 1991 als vollzeitbeschäftigter Angestellter von dem beklagten Land weiterbeschäftigt.

Die Universität Rostock wurde 1992 umstrukturiert. In diesem Zusammenhang wies das beklagte Land den Kläger wie andere Arbeitnehmer der Universität Rostock darauf hin, daß bei einem Scheitern der Übernahme mit einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses gerechnet werden müsse. Im Hinblick darauf bewarb sich der Kläger um die Übernahme in ein befristetes Arbeitsverhältnis als wissenschaftlicher Assistent. Daraufhin schlossen die Parteien am 29. September 1992/17. Dezember 1992 einen weiteren Änderungsvertrag. Danach wurde der Kläger ab dem 1. Oktober 1992 als wissenschaftlicher Assistent bis zum 30. September 1995 befristet beschäftigt. Als Befristungsgrund waren §§ 62, 63 Hochschulerneuerungsgesetz (HEG) angegeben. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft vertraglicher Bezugnahme der Bundes-Angestelltentarifvertrag vom 10. Dezember 1992 (BAT-O) Anwendung.

Der Kläger hatte die vereinbarte Befristung für unwirksam gehalten. Es fehle an einem Sachgrund. Auf die im Arbeitsvertrag vereinbarten Befristungsgründe könne sich das beklagte Land aus formalen und inhaltlichen Gründen nicht berufen. Der Abschluß des Zeitvertrages sei durch eine widerrechtliche Androhung einer Kündigung erreicht worden und demzufolge unwirksam.

Der Kläger hat beantragt,

  1. festzustellen, daß zwischen den Parteien über den 30. September 1995 hinaus ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis besteht;
  2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen bis zum rechtskräftigen Abschluß des vorliegenden Rechtsstreits weiterzubeschäftigen.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Es hat die Ansicht vertreten, für das Arbeitsverhältnis gelte der gesetzliche Befristungsgrund des § 60 HEG.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt er sein bisheriges Klageziel. Das beklagte Land beantragt die Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat aufgrund einer wirksamen Befristung am 30. September 1995 geendet. Damit steht dem Kläger auch kein Anspruch auf Weiterbeschäftigung zu.

1. Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht von der Notwendigkeit einer Befristungskontrolle ausgegangen, da dem Kläger durch den Abschluß eines befristeten Arbeitsvertrags im Anschluß an ein unbefristetes Arbeitsverhältnis der für ihn geltende Kündigungsschutz entzogen werden konnte. Das entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, nach der auch die nachträgliche Befristung eines bereits unbefristet bestehenden Arbeitsverhältnisses eines sachlichen Grundes bedarf, um eine unzulässige Umgehung des gesetzlichen Kündigungsschutzes auszuschließen (BAG Urteil vom 24. Januar 1996 – 7 AZR 496/95 – AP Nr. 179 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt).

2. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts folgt die Wirksamkeit der Befristung nicht aus § 60 Abs. 4 Satz 1 HEG, sondern aus § 48 Abs. 3 i.V.m. § 48 Abs. 1 HRG, der abschließend einen gesetzlichen Befristungsgrund für die Arbeitsverhältnisse wissenschaftlicher Assistenten im Sinne des § 47 Abs. 1 HRG regelt.

a) Der Bundesgesetzgeber hat im Rahmen seiner Gesetzgebungszuständigkeit nach Art. 74 Nr. 12 GG für die Arbeits- und Dienstverhältnisse an Universitäten und Forschungseinrichtungen abschließende Befristungsregelungen getroffen (BVerfG Beschluß vom 24. Juni 1996 – 1 BvR 712/86 – BVerfGE 94, 268 = AP Nr. 2 zu § 57 a HRG; BAG Urteil vom 14. Februar 1996 – 7 AZR 613/95 – AP Nr. 4 zu § 57 c HRG). Dazu normiert § 48 Abs. 3 und Abs. 1 HRG im Rahmen der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses für wissenschaftliche und künstlerische Assistenten einen besonderen, funktionsbezogenen Befristungsgrund. Nach § 48 HRG sind die Stellen der wissenschaftlichen und künstlerischen Assistenten entweder in einem Beamtenverhältnis auf Zeit oder in einem Angestelltenverhältnis auf drei Jahre zu befristen. Während dieser Zeit erhalten sie Gelegenheit für weitere wissenschaftliche Qualifizierungen in Lehre und Forschung. Dazu haben sie nach § 47 Abs. 1 HRG wissenschaftliche Dienstleistungen in Forschung und Lehre zu erbringen und neben der eigenen wissenschaftlichen Arbeit Studenten Fachwissen zu vermitteln und in der Anwendung wissenschaftlicher Methoden zu unterweisen. Auf diese Weise können sie ihre besondere Eignung für das Amt eines Professors oder für andere anspruchsvolle Funktionen im Wissenschaftsbereich unter Beweis stellen. Neben der individuellen, im Hinblick auf die weitere Verwendung des Assistenten in Bereichen innerhalb und außerhalb der Hochschule auf Zeit angelegten Förderung soll der zeitlich begrenzte Einsatz von wissenschaftlichen Assisteten die Leistungsfähigkeit der Universitäten erhalten und steigern. Diese Ziele könne nur durch eine zeitlich begrenzte Tätigkeit wissenschaftlicher Assistenten erreicht werden.

b) Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger auch die einem wissenschaftlichen Assistenten nach § 47 Abs. 1 HRG obliegenden Aufgaben erfüllt. Wissenschaftliche Assistenten erbringen nach dieser Vorschrift unselbständige wissenschaftliche Dienstleistungen, die dem Erwerb einer weiteren wissenschaftlichen Qualifikation förderlich sind. Dazu gehört auch, den Studenten Fachwissen und praktische Fertigkeiten zu vermitteln und sie in der Anwendung wissenschaftlicher Methoden zu unterweisen. Der Kläger war zu 40 % seiner Tätigkeit mit Forschungsaufgaben auf dem Gebiet der objektorientierten Methoden in der Software-Technik beschäftigt und hatte im Umfang von 25 % seiner Arbeitszeit Übungen und Laborpraktika in Fachgrundlagen der praktischen Informatik selbständig durchzuführen. Darüber hinaus hatte er studentische Arbeiten im Zusammenhang mit seinen Lehr- und Forschungsaufgaben zu betreuen, wofür er 10 % seiner Arbeitszeit aufwendete. In der verbleibenden Zeit hatte er an der Systemverwaltung einer RIC Workstation RX 6000 mitgewirkt. Danach hat er zwar nicht ausschließlich wissenschaftliche Dienstleistungen erbracht, sondern auch administrative Aufgaben erledigt. Diese Aufgaben haben nach ihrem vom Landesarbeitsgericht festgestellten Umfang und Inhalt seine Tätigkeit jedoch nicht geprägt (vgl. BAG Urteil vom 28. Januar 1998 – 7 AZR 677/96 – zur Veröffentlichung vorgesehen).

c) Das Vorliegen dieses Befristungsgrundes wird auch nicht durch das Fehlen der dienstrechtlichen Einstellungsvoraussetzungen in Frage gestellt. Nach § 47 Abs. 3 Satz 1 HRG wird für die Einstellung des wissenschaftlichen Assistenten neben der Erfüllung der allgemeinen dienstrechtlichen Voraussetzungen in den Ingenieurwissenschaften ein qualifizierter Abschluß des wissenschaftlichen Studiums gefordert. Diese Voraussetzungen hat der Kläger mit Erreichen des akademischen Grades eines Diplom-Ingenieurs nachgewiesen.

3. Die die bundesgesetzlichen Bestimmungen des § 48 HRG umsetzenden Regelungen des § 60 Abs. 4 HEG Mecklenburg-Vorpommern, nach der die Arbeitsverhältnisse wissenschaftlicher Assistenten auf drei Jahre zu befristen sind, entspricht den Vorgaben des Hochschulrahmengesetzes und ist deshalb mit Bundesrecht vereinbar.

Nach § 72 Abs. 1 Satz 3 HRG in der durch die Anl. I Kap. XVI Sachgeb. A Abschn. II Ziff. 2 e des Einigungsvertrages vorgegebenen Fassung hatten die neuen Bundesländer bis zum 2. Oktober 1993 den Vorschriften des HRG entsprechende Landeshochschulgesetze zu erlassen. Demzufolge waren auch die für die Personalstruktur maßgebenden Bestimmungen des HRG in das jeweilige Landesrecht zu übernehmen und ggf. auszufüllen. Dazu gehören Regelungen über die vom HRG vorgegebenen Personalkategorien und die weitere Vorgabe, die Rechtsverhältnisse von wissenschaftlichen und künstlerischen Assistenten (§ 47 HRG) kraft Gesetzes zu befristen (Plander, NZA 1993, 1057, 1065). Nach § 48 Abs. 1 HRG werden wissenschaftliche Assistenten für die Dauer von drei Jahren zu Beamten auf Zeit ernannt. Sie können aber auch nach § 48 Abs. 3 HRG in einem befristeten Angestelltenverhältnis beschäftigt werden. Mit der Neufassung des HEG vom 18. März 1992 hat der Landesgesetzgeber Mecklenburg-Vorpommern von der durch das HRG eröffneten Möglichkeit, die Rechtsverhältnisse der wissenschaftlichen Assistenten als Beamte auf Zeit zu regeln, keinen Gebrauch gemacht. Vielmehr hat er für diesen Personenkreis ausschließlich privatrechtliche Dienstverhältnisse auf Zeit vorgesehen. Das läßt § 48 Abs. 3 HRG zu.

4. Der Befristung des Arbeitsverhältnisses steht auch § 57 f Satz 2 HRG nicht entgegen. Danach können im Beitrittsgebiet erst nach dem 3. Oktober 1993 die Arbeitsverhältnisse von wissenschaftlichen Mitarbeitern im Sinne des § 53 HRG nach den Grundsätzen der §§ 57 a ff. HRG befristet werden. Diesem Personenkreis gehört der Kläger als wissenschaftlicher Assistent im Sinne des § 47 HRG jedoch nicht an.

5. Das beklagte Land kann sich auf den Befristungsgrund des § 48 HRG berufen, auch wenn er im Arbeitsvertrag der Parteien nicht benannt worden ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats hängt die Wirksamkeit einer Befristung nicht davon ab, daß der Befristungsgrund vertraglich vereinbart oder bei Vertragsschluß mitgeteilt wird (BAG Urteil vom 8. Dezember 1988 – 2 AZR 308/88BAGE 60, 282, 287 = AP Nr. 6 zu § 2 BeschFG 1985, zu 2 der Gründe). Besondere gesetzliche oder tarifliche Formvorschriften, die eine Angabe des Befristungsgrundes zur Wirksamkeitsvoraussetzung einer Befristung machen, liegen nicht vor. Der BAT-O enthält keine der SR 2 y BAT entsprechende Formvorschrift. Der unzutreffende Hinweis im Arbeitsvertrag auf die §§ 62, 63 HEG ist deshalb ohne Bedeutung.

6. Der Kläger kann den Abschluß des befristeten Arbeitsvertrages nicht nach § 123 BGB anfechten. Er hat die Anfechtungsfrist des § 124 BGB nicht gewahrt. Darüber hinaus liegen die Anfechtungsvoraussetzungen nach dieser Vorschrift nicht vor. Deshalb kommt auch kein Schadensersatzanspruch nach den Grundsätzen eines Verschuldens bei Vertragsschluß in Betracht.

a) Nach § 124 Abs. 1 BGB kann die Anfechtung einer nach § 123 BGB anfechtbaren Willenserklärung nur binnen Jahresfrist erfolgen. Im Falle einer widerrechtlichen Drohung beginnt die Anfechtungsfrist mit dem Ende der Zwangslage. Das ist aus der subjektiven Sicht des Bedrohten zu beurteilen. Vorliegend hat die vom Kläger empfundene Zwangslage zum Abschluß eines befristeten Arbeitsvertrages jedenfalls mit Unterzeichnung des Arbeitsvertrags im Dezember 1992 geendet. Auf das Anfechtungsrecht nach § 123 BGB hat sich der Kläger jedoch erstmals durch Schriftsatz vom 9. November 1996 und damit verspätet berufen. Auch eine in der Klageerhebung liegende Anfechtung wäre verspätet. Die Klage ist am 7. April 1995 eingereicht und am 25. April 1995 zugestellt.

b) Der Kläger hat auch nicht die Voraussetzungen einer wirksamen Anfechtung nach § 123 BGB dargelegt. Zwar kann die Ankündigung einer Kündigung oder einer sonstigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Drohung im Sinne des § 123 BGB sein (BAG Urteil vom 24. Januar 1985 – 2 AZR 317/84 – AP Nr. 8 zu § 1 TVG Tarifverträge: Einzelhandel). Die Drohung ist jedoch erst dann widerrechtlich, wenn ein verständiger Arbeitgeber eine Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen dürfte. Für den Ausschluß der Widerrechtlichkeit ist es nicht erforderlich, daß die in Aussicht gestellte Kündigung sich auch bei einer Prüfung im arbeitsgerichtlichen Verfahren als wirksam erweisen würde (BAG Urteil vom 30. September 1993 – 2 AZR 268/93BAGE 74, 281 = AP Nr. 37 zu § 123 BGB m. Anm. Boemke). Das Vorbringen des Klägers läßt die Widerrechtlichkeit einer Drohung nicht erkennen. Im Hinblick auf die bevorstehende und nach dem Einigungsvertrag unumgängliche Anpassung der Personalstrukturen der Universität Rostock fehlt es an Anhaltspunkten für eine rechtlich zu mißbilligende Vorgehensweise des beklagten Landes. Aus diesem Grund kommt auch ein Anspruch auf Rückgängigmachung des befristeten Arbeitsvertrages nach den Grundsätzen eines Verschuldens bei Vertragsschluß nicht in Betracht.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Dörner zugleich für den verhinderten Richter Prof. Dr. Steckhan, Schmidt, Koch, Jubelgas

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1251979

Dieser Inhalt ist unter anderem im TVöD Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?