Leitsatz (redaktionell)
1. Eine fristgemäße Kündigung, die vom Arbeitgeber vor Ablauf er ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses ausgesprochen wird, kann gemäß BGB § 134 (Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot), BGB § 138 (Sittenwidrigkeit) und unter Umständen gemäß BGB § 242 (Verstoß gegen Treu und Glauben) rechtsunwirksam sein.
2. Das Diskriminierungsverbot des GG Art 3 Abs 3 ist ein Verbotsgesetz im Sinne des BGB § 134. Unter das Verbot fällt auch die Benachteiligung des Arbeitnehmers wegen seiner politischen Anschauung, die in der Mitgliedschaft bei einer politischen Partei ihren Ausdruck findet. Gegen das Verbot der Benachteiligung wegen der Zugehörigkeit zu einer politischen Partei verstößt eine Kündigung nur dann, wenn sie gerade wegen und nur wegen dieses Grundes erklärt wird.
3. Ob GG Art 5 Abs 1 über das Grundrecht der freien Meinungsäußerung als Verbotsgesetz im Sinne des BGB § 134 zu verstehen ist, bleibt unentschieden. Dieses Grundrecht findet gemäß GG Art 5 Abs 2 im Bereich des Arbeitsrechts seine Schranken in den Grundregeln über das Arbeitsverhältnis. Der Arbeitnehmer darf bei Ausübung des Grundrechts nicht den Interessen des Arbeitgebers zuwiderhandeln oder diese beeinträchtigen. Eine solche Zuwiderhandlung ist gegeben, wenn durch die Meinungsäußerung das Arbeitsverhältnis konkret berührt wird.
4. Nicht sittenwidrig ist eine Kündigung, die darauf gestützt wird, daß der Arbeitnehmer im Landtagswahlkampf sich mit dem Inhalt eines von ihm verteilten Parteiblattes identifiziert hat, in dem der Berufsstand seines Arbeitgebers im allgemeinen und der Arbeitgeber selbst diskriminiert und in der Meinung der Öffentlichkeit herabgesetzt wird.
5. Kündigungsgründe, die als Gründe in der Person oder im Verhalten des Arbeitnehmers oder als dringende betriebliche Erfordernisse zu werten sind, können außerhalb der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes auf dem Weg über BGB § 242 nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung führen.
Verfahrensgang
LAG München (Entscheidung vom 10.09.1971; Aktenzeichen 2 Sa 688/71) |
Fundstellen
BAGE 24, 438 |
BAGE, 438 |
DB 1972, 2356 |
NJW 1973, 77 |
BetrR 1973, 29 |
RdA 1973, 60 |
SAE 1973, 157 |
WM IV 1973, 401 |
AP § 134 BGB, Nr 2 |
AR-Blattei, ES 1020 Nr 136 |
AR-Blattei, Kündigungsschutz Entsch 136 |
ArbuR 1973, 218 |
EzA § 1 KSchG, Nr 25 |
JZ 1973, 375 |
JuS 1973, 190 |
MDR 1973, 167 |
PraktArbR KSchG § 13 Abs 3, Nr 48 |