Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergütung eines kirchlichen Mitarbeiters
Leitsatz (amtlich)
Die Bestimmung des § 2 des Tarifvertrags betreffend die Zusatzvereinbarung zum KMT vom 27. April 1993 verstößt gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), soweit sie einem Mitarbeiter der Evangelischen Landeskirche Berlin-Brandenburg aus der früheren Region Ost, dem auf Dauer ein Arbeitsplatz in einem anderen Dienstgebäude seiner Dienststelle zugewiesen wird, das im Gebiet der früheren Region West liegt, nur Anspruch auf eine Zulage zugesteht, durch die die Differenz zwischen der Ostvergütung und der höheren Westvergütung nicht ausgeglichen wird. Die verfassungskonforme Auslegung der Tarifnorm führt dazu, daß dieser Mitarbeiter Anspruch auf die Vergütung hat, die für entsprechende Mitarbeiter der früheren Region West tarifvertraglich vereinbart ist.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1; KirchenG ü. die Synode, die Kirchenleitung und das Konsistorium der Ev. Kirche in Berlin-Brandenburg vom 9. Dezember 1990 (KABl. S. 145) Art. 23 Abs. 3; KirchenG über die tarifvertr. Regelung der Rechtsverh. der in einem privatrechtl Arbeitsverhältnis besch. Mitarbeiter in der Ev. Kirche Berlin-Brandenburg (Tarifvertragsordnung – TVO) vom 16. Dezember 1991 (KABl. S. 162) § 1; Tarifvertragsordnung – TVO vom 16. Dezember 1991 (KABl. S. 162) § 3; Tarifvertrag für die hauptberuflichen Mitarbeiter in der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg (Berlin-West) – KMTH-EKiBB (BlnW) i.d.F. des 4. Änderungstarifvertrags vom 12. Dezember 1990 § 1; Tarifvertrag §§ 86, 95; Tarifvertrag für kirchliche Mitarbeiter in der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg – KMT – vom 27. April 1993 § 1; KMT vom 27. April 1993 §§ 26, 86, 100-101; Vergütungs- und Lohntarifvertrag Nr. 1 zum KMT vom 27. April 1993 Teil W, Nr. 2 zum KMT vom 29. Juni 1994 Teil W; Zusatzvereinbarung zum KMT vom 27. April 1993 § 1; Tarifvertrag betreffend die Zusatzvereinbarung zum KMT vom 27. April 1993 vom 29. September 1993 § 2
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob sich der Vergütungsanspruch der Klägerin seit dem 1. Januar 1992 nach den tarifvertraglichen Vorschriften für die kirchlichen Mitarbeiter in der früheren Region West oder nach den Bestimmungen in der früheren Region Ost der beklagten Landeskirche richtet.
Die im ehemaligen Ostberlin wohnende Klägerin war seit dem 17. Dezember 1979 bei der Berliner Missionsgesellschaft beschäftigt. Die beiden Landeskirchen in Berlin-Brandenburg Region Ost und Region West wurden durch Kirchengesetz vom 9. Dezember 1990 mit Wirkung vom 1. Januar 1991 zusammengeführt. Dieses Kirchengesetz bestimmt in Art. 23:
“
- …
- Im übrigen bleibt das zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Kirchengesetzes geltende kirchliche Recht in seinem bisherigen Geltungsbereich in Kraft. …
- …
”
Das Arbeitsverhältnis der Klägerin wurde auf das Berliner Missionswerk, eine unselbständigen Untergliederung der Beklagten, überführt. Dieses verfügt über Dienstgebäude im ehemaligen Westberlin und im ehemaligen Ostberlin. Die Klägerin wird seit dem 1. September 1991 in dem Dienstgebäude in der …straße im ehemaligen Westberlin beschäftigt.
In einem formularmäßigen Nachtrag Nr. 4 vom 7. Dezember 1993 zum Arbeitsvertrag wurde die Klägerin mit Wirkung vom 1. Januar 1992 in Vergütungsgruppe Vc eingruppiert und dieser Zeitpunkt als Beginn der fünfjährigen Bewährungszeit für den Bewährungsaufstieg in die Vergütungsgruppe Vb bezeichnet. Die nicht gestrichene Fußnote in diesem Nachtrag verweist auf “Anlage 1 zum Tarifvertrag für hauptberufliche Mitarbeiter in der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg (Berlin West) – KMTH-EKiBB (BlnW) –”. Dessen § 1 lautet in der Fassung des 4. Änderungstarifvertrages vom 12. Dezember 1990 u.a.:
“Allgemeiner Geltungsbereich
- Dieser Tarifvertrag gilt für die in der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg (Berlin West) einschließlich ihrer Kirchengemeinden und Kirchenkreise sowie ihrer sonstigen Körperschaften und ihrer Werke hauptberuflich beschäftigten Angestellten und Arbeiter.
- …
”
Mit Wirkung vom 1. Januar 1992 trat das Kirchengesetz über die tarifvertragliche Regelung der Rechtsverhältnisse der in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis beschäftigten Mitarbeiter in der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg (Tarifvertragsordnung – TVO) vom 16. November 1991 (KABl. S. 162) in Kraft. Die vorliegend interessierenden Bestimmungen lauten:
Ҥ 1 Tarifvertragliche Regelung der Arbeitsbedingungen
- In der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg werden die Arbeitsbedingungen der in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis beschäftigten Mitarbeiter tarifvertraglich geregelt. Die mit den Mitarbeitervereinigungen (Gewerkschaften) abgeschlossenen Tarifverträge sind für die Kirchengemeinden, … sowie für deren Werke und rechtlich unselbständige Einrichtungen verbindliches kirchliches Arbeitsrecht, das aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung auch für die Arbeitsverhältnisse der keiner der beteiligten Mitarbeitervereinigungen angehörenden Mitarbeiter gilt …
- …
- Soweit tarifvertragliche Regelungen vorliegen, sind diese den Arbeitsverträgen zugrunde zu legen. …
- …
§ 3 Vorläufige Weitergeltung kirchengesetzlicher und sonstiger Regelungen für die Arbeitnehmer in der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg
- Bis zu einer Regelung gemäß § 1 gelten die bisherigen kirchenrechtlichen Bestimmungen für die Arbeitnehmer in der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg weiter. Dies gilt insbesondere für die Arbeitsvertragsordnung für Mitarbeiter im kirchlichen Dienst vom 28. November 1980 …, die in der sich aus der Anlage zu diesem Kirchengesetz ergebenden Fassung im Gebiet der bisherigen Region Ost vorläufig in Kraft bleibt; die Kirchenleitung wird ermächtigt, in der Zeit bis zum Inkrafttreten neuer Regelungen gemäß § 1 die erforderliche Anpassung dieser Bestimmungen an die Entwicklung der Verhältnisse in der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg durch Rechtsverordnung zu beschließen.
- Sobald die in Absatz 1 genannten bisherigen kirchenrechtlichen Bestimmungen durch tarifvertragliche Regelungen ersetzt werden, gelten diese als Vertragsinhalt der Arbeitsverträge mit den Mitarbeitern in der bisherigen Region Ost. …
- …
”
Aufgrund § 3 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 TVO hat die Kirchenleitung die Rechtsverordnung zur Regelung der Höhe der Vergütungen und Löhne, des Urlaubsgeldes und der Sozialzuwendung für kirchliche Angestellte und Arbeiter(innen) im Bereich der bisherigen Region Ost der Evangelischen Kirchen in Berlin-Brandenburg vom 28. August 1992 (fortan: Rechtsverordnung Ost) beschlossen, die, soweit hier von Interesse, am 1. Januar 1992 in Kraft getreten ist.
Die Beklagte und der Verband kirchlicher Mitarbeiter Berlin-Brandenburg e.V. – Gewerkschaft Kirche und Diakonie – sowie die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft haben den Tarifvertrag für kirchliche Mitarbeiter in der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg – KMT – vom 27. April 1993 vereinbart. Dieser Tarifvertrag ist, soweit hier von Interesse, am 1. Januar 1993 in Kraft getreten (vgl. § 101 KMT). Gleichzeitig sind die entsprechenden Abschnitte und Vorschriften des KMTH-EKiBB (BlnW) außer Kraft getreten. § 1 KMT bestimmt:
“Allgemeiner Geltungsbereich
- Dieser Tarifvertrag gilt für die in der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (Angestellte und Arbeiter(innen)) – im folgenden als Mitarbeiter bezeichnet – der Kirchengemeinden, … der Landeskirche sowie deren Werke und rechtlich unselbständigen Einrichtungen. Ausgenommen von der Geltung dieses Tarifvertrages sind die in § 3 genannten Mitarbeiter.
- …
- Soweit in den nachfolgenden Vorschriften nichts anderes bestimmt ist, gelten sie einheitlich für die Mitarbeiter aus den beiden früheren, seit dem 1. Januar 1991 wieder miteinander vereinigten Regionen der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenbung. Die Übergangsbestimmungen zu den betroffenen Vorschriften enthalten von diesen abweichende vorübergehend geltende Regelungen für Mitarbeiter in der bisherigen Region Ost der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg. …
”
Nach § 26 Abs. 4 KMT werden Einzelheiten der Vergütung durch besonderen Tarifvertrag vereinbart. Dieser Tarifvertrag über die Höhe der Vergütungen und Löhne besteht aus einem Teil W (Vergütung für die Mitarbeiter im Bereich der früheren Region West) und entsprechend der Übergangsbestimmung zu § 26 Abs. 4 KMT aus einem Teil O (Vergütung für die Mitarbeiter im Bereich der früheren Region Ost).
Außerdem enthält § 100 KMT folgende Bestimmung:
“Ergänzende Regelung für Sonderfälle
Zu diesem Tarifvertrag wird eine Zusatzvereinbarung für die Fälle getroffen, in denen Mitarbeiter aus der einen früheren Region einen Arbeitsplatz im Bereich der anderen früheren Region übernommen haben.”
Diese Zusatzvereinbarung wurde ebenfalls am 27. April 1993 abgeschlossen. In ihrem § 1 Abs. 3 Satz 1 heißt es:
“Ist eine landeskirchliche Dienststelle in mehreren Dienstgebäuden untergebracht, die teils im Gebiet der früheren Region Ost, teils im Gebiet der früheren Region West liegen, hat die nachträgliche Zuweisung eines Arbeitsplatzes in einem anderen Dienstgebäude auch dann keinen Einfluß auf das anzuwendende – vorübergehend regional unterschiedliche – Tarifrecht, wenn dieses Dienstgebäude, in dem der Mitarbeiter seine Beschäftigung fortsetzt, in der anderen früheren Region liegt. …”
Im Hinblick auf das Urteil des erkennenden Senats vom 30. Juli 1992 (– 6 AZR 11/92 –) kündigte die Arbeitnehmerseite diese Zusatzvereinbarung noch am 27. April 1993 zum 31. Mai 1993. Durch Tarifvertrag vom 29. September 1993 wurde aber die Zusatzvereinbarung mit Wirkung vom 1. Juni 1993 wieder in Kraft gesetzt. § 2 dieses Tarifvertrags lautet:
“Die in § 1 Abs. 3 der Zusatzvereinbarung genannten Mitarbeiter (innen) erhalten, wenn sich ihre Bezüge nach den besonderen Tabellen und Vergütungssätzen im Sinne der Übergangsbestimmung zu § 26 Abs. 4 KMT in Verbindung mit dem Teil O des Vergütungs- und Lohntarifvertrages Nr. 1 vom 27. April 1993 oder des an seine Stelle tretenden künftigen Vergütungs- und Lohntarifvertrages bemessen, eine Zulage in Höhe der Hälfte der Differenz zwischen den jeweiligen Beträgen des Ortszuschlags der Stufe 1 nach dem Teil O und nach dem Teil W des Vergütungs- und Lohntarifvertrages.
…”
Die Klägerin machte im 3. Quartal 1992 schriftlich einen Anspruch auf Vergütung nach dem KMTH-EKiBB (BlnW) geltend. Die Beklagte lehnte diesen Anspruch der Klägerin mit Schreiben vom 29. Oktober 1992 ab.
Für die Geltendmachung von Ansprüchen bestimmt § 86 KMTH-EKiBB (BlnW):
“Ausschlußfristen
- Ansprüche aus dem Arbeitsvertrag müssen innerhalb einer Ausschlußfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden. Die Frist beginnt jedoch frühestens mit der Aushändigung des Arbeitsvertrages oder des Nachtrages zum Arbeitsvertrag. …
- Für den gleichen Tatbestand reicht die einmalige Geltendmachung der Ansprüche aus, um die Ausschlußfrist auch für später fällig werdende Ansprüche unwirksam zu machen.
”
§ 86 KMT vom 27. April 1993 enthält eine hinsichtlich Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 und der Maßgeblichkeit der Aushändigung des Arbeitsvertrags wortgleiche Regelung der Ausschlußfristen.
Die Klägerin, die nicht Mitglied einer der an den genannten Tarifverträgen beteiligten Gewerkschaften ist, hat die Auffassung vertreten, sie habe bereits aufgrund des Nachtrags Nr. 4 zu ihrem Arbeitsvertrag einen Anspruch auf Vergütung nach dem KMTH-EKiBB (BlnW). Es sei auch sachlich nicht gerechtfertigt und damit willkürlich, daß die Tarifbestimmungen eine Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern nach räumlicher Herkunft zuließen. Im kirchlichen Bereich könne nichts anderes gelten als im öffentlichen Dienst. Auch dort müsse bei einer dauernden Beschäftigung im Westteil Berlins “Westvergütung” gezahlt werden. Ihr Anspruch ergebe sich auch aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz. Eine neu eingestellte, ebenfalls wie sie im ehemaligen Ostberlin wohnende Kollegin erhalte “Westvergütung”.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, daß sie
- für den Zeitraum vom 1. Januar 1992 bis zum 31. Dezember 1992 nach den vergütungsrechtlichen Bestimmungen des Tarifvertrages für hauptberufliche Mitarbeiter in der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg (Berlin-West) – KMTH-EKiBB – zu vergüten gewesen sei,
- für den Zeitraum vom 1. Januar 1993 bis zum 30. Juni 1994 nach den Bestimmungen des Teils W des Vergütungs- und Lohntarifvertrages Nr. 1 zum Tarifvertrag für kirchliche Mitarbeiter in der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg (KMT) vom 27. April 1993 zu vergüten gewesen sei,
- für den Zeitraum seit dem 1. Juli 1994 nach den Bestimmungen des Teils W des Vergütungs- und Lohntarifvertrages Nr. 2 zum KMT vom 29. Juni 1994 zu vergüten sei.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, das Arbeitsverhältnis richte sich nach den Bestimmungen der TVO vom 16. November 1991 und der tarifvertraglichen Zusatzvereinbarung vom 27. April 1993. Deshalb stehe der Klägerin der erhobene Anspruch nicht zu. Mit der Zusatzvereinbarung sei gerade beabsichtigt gewesen, eine Ungleichbehandlung unter den Mitarbeitern aus dem Beitrittsgebiet zu vermeiden. Der Fall der von der Klägerin namentlich bezeichneten Kollegin sei ein Sonderfall, auf den die Klägerin sich nicht berufen könne.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte weiterhin ihren Antrag auf Klageabweisung. Die Klägerin bittet, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht der Klage stattgegeben.
I. Die Klägerin hat gegen die Beklagte für den Zeitraum vom 1. Januar 1992 bis zum 31. Dezember 1992 einen Anspruch auf Vergütung nach dem KMTH-EKiBB (BlnW) und ab dem 1. Januar 1993 einen Anspruch auf Vergütung nach den Bestimmungen des jeweiligen Teils W der Vergütungs- und Lohntarifverträge zum KMT.
1. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet für das Jahr 1992 der KMTH-EKiBB (BlnW) Anwendung.
a) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß die fehlende Tarifgebundenheit der Klägerin unerheblich ist und es darauf, ob der Nachtrag Nr. 4 zum Arbeitsvertrag einen einzelvertraglichen Anspruch der Klägerin begründen würde, nicht ankommt. Die Anwendung des KMTH-EKiBB (BlnW) ergibt sich aus § 1 Abs. 3 Satz 1 TVO vom 16. November 1991 i. V. m. dem Arbeitsvertrag der Parteien.
Die Beklagte hat in der am 1. Januar 1992 in Kraft getretenen TVO vom 16. November 1991, die die TVO vom 18. November 1979 abgelöst hat, und damit durch Kirchengesetz, bestimmt, daß die Arbeitsbedingungen der privatrechtlich angestellten Mitarbeiter tarifvertraglich geregelt werden (§ 1 Abs. 1 Satz 1 TVO). Aufgrund dieser kirchengesetzlichen Regelung galt für das Arbeitsverhältnis der Klägerin ab 1. Januar 1992 der KMTH-EKiBB (BlnW). Dieser wurde erst mit Ablauf des 31. Dezember 1992 durch den KMT abgelöst. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß die Beklagte durch die kirchengesetzliche Bestimmung in § 1 Abs. 1 Satz 2 TVO eine Bindung eingegangen ist, die sie verpflichtete, die tarifvertraglichen Regelungen des KMTH-EKiBB (BlnW) auf das Arbeitsverhältnis mit der nicht tarifgebundenen Klägerin anzuwenden.
b) Nach § 1 Abs. 1 KMTH-EKiBB (BlnW) galt dieser Tarifvertrag für die in der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg (Berlin West) einschließlich ihrer Kirchengemeinden … und ihrer Werke hauptberuflich beschäftigten Angestellten und Arbeiter. Diese Voraussetzungen erfüllte die Klägerin.
aa) Die Klägerin war seit September 1991 beim Berliner Missionswerk, einer unselbständigen Untergliederung der Beklagten, im Westteil Berlins hauptberuflich beschäftigt. Ihr Arbeitsplatz befand sich somit seit diesem Zeitpunkt im räumlichen Geltungsbereich des KMTH-EKiBB (BlnW).
bb) Entgegen der Auffassung der Beklagten fand im Jahr 1992 auf das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht die Rechtsverordnung Ost vom 28. August 1992 Anwendung.
Zu Unrecht hat das Arbeitsgericht gemeint, der KMTH-EKiBB (BlnW) habe nur Arbeitnehmer erfaßt, “die schon immer im Westteil Berlins gearbeitet haben” und dies mit dem Hinweis auf Art. 23 Abs. 3 des Kirchengesetzes vom 9. Dezember 1990 und des § 3 TVO begründet. In der erstgenannten Bestimmung ist geregelt, daß das bisher geltende kirchliche Recht in seinem Geltungsbereich in Kraft bleibt. Die andere Vorschrift bestimmt die vorläufige Weitergeltung der bisherigen Regelungswerke in den Gebieten der jeweiligen Regionen. Beide Bestimmungen legen aber nicht fest, welches Regelungswerk gilt, wenn ein Arbeitnehmer aus der einen Region einen Arbeitsplatz in der anderen übernommen hat.
Das Arbeitsverhältnis der Klägerin fällt seit dem 1. September 1991 nicht mehr in den Geltungsbereich der späteren Rechtsverordnung Ost. Die Anwendung dieser Rechtsverordnung auf das Arbeitsverhältnis der schon damals auf Dauer im räumlichen Geltungsbereich des KMTH-EKiBB (BlnW) beschäftigten Klägerin verstieße gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Die Klägerin würde allein deshalb anders behandelt als die übrigen Arbeitnehmer, für die dieser Tarifvertrag galt, weil sie vorher im Beitrittsgebiet beschäftigt wurde. Dafür gibt es entgegen der Auffassung der Beklagten keinen sachlich einleuchtenden Grund. Insoweit verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf seine hier entsprechend geltenden Ausführungen im Urteil vom 30. Juli 1992 (BAGE 71, 68, 74 f. = AP Nr. 1 zu § 1 TVAng Bundespost, zu B II 3b der Gründe).
c) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Anspruch der Klägerin für das Jahr 1992 nicht verfallen.
Nach der nicht gekündigten Vorschrift des § 86 Abs. 1 KMTH-EKiBB (BlnW) begann die sechsmonatige Ausschlußfrist frühestens mit der Aushändigung des Arbeitsvertrages oder des Nachtrags zum Arbeitsvertrag zu laufen. Daß der Klägerin ein schriftlicher Arbeitsvertrag ausgehändigt wurde, wird von der Beklagten weder behauptet noch ist dies sonst den Feststellungen zu entnehmen. Den Nachtrag Nr. 4 hat die Klägerin erst am 7. Dezember 1993 erhalten. Die Klageerhebung am 24. März 1994 war somit rechtzeitig.
2. Ab dem 1. Januar 1993 hat die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Vergütung nach den Bestimmungen des Teils W des Vergütungs- und Lohntarifvertrags Nr. 1 und ab dem 1. Juli 1994 nach den Bestimmungen des Teils W des Vergütungs- und Lohntarifvertrags Nr. 2 zum KMT. Aus § 1 Abs. 3 Satz 1 der Zusatzvereinbarung zum KMT vom 27. April 1993 folgt nichts anderes. Dies ergibt die verfassungskonforme Auslegung des § 2 des diese Zusatzvereinbarung betreffenden Tarifvertrags vom 29. September 1993.
a) Seit dem 1. Januar 1993 findet der in diesem Zeitpunkt in Kraft getretene KMT vom 27. April 1993 Anwendung, der den KMTH-EKiBB (BlnW) abgelöst hat. Dies ergibt sich aus der kirchengesetzlichen Regelung des § 1 Abs. 3 Satz 1 TVO vom 16. November 1991.
b) Das Arbeitsverhältnis der Parteien unterfällt dem Geltungsbereich des KMT (§ 1 Abs. 1 Satz 1). Die Klägerin ist beim Berliner Missionswerk, einer rechtlich unselbständigen Einrichtung der Beklagten, als Angestellte beschäftigt.
Nach § 1 Abs. 3 KMT gelten die Vorschriften des Tarifvertrags einheitlich für die Mitarbeiter beider früheren Regionen, soweit nicht einzelne Bestimmungen für die Mitarbeiter der früheren Region Ost Übergangsvorschriften enthalten. Da die Klägerin seit September 1991 im Bereich der früheren Region West beschäftigt ist, gelten die abweichenden Übergangsbestimmungen für Mitarbeiter der bisherigen Region Ost für sie nicht. Sie hat daher Anspruch auf Vergütung nach Teil W der Vergütungs- und Lohntarifverträge Nr. 1 und Nr. 2 zum KMT.
c) Die nach § 26 Abs. 4 KMT ergangene Übergangsbestimmung steht dem Anspruch der Klägerin auf Vergütung nach Teil W der Vergütungs- und Lohntarifverträge nicht entgegen. Sie gilt für die Klägerin nicht. In dieser Übergangsbestimmung ist vereinbart, daß für Mitarbeiter im Bereich der früheren Region Ost der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg bis zur Vereinheitlichung der Vergütungs- und Lohnbeträge besondere Tabellen und Vergütungssätze, die ebenfalls tarifvertraglich vereinbart werden, gelten. Die dort geregelten Vergütungssätze sind niedriger als die Vergütung nach Teil W der genannten Tarifverträge.
Die Übergangsbestimmung knüpft in ihrem Wortlaut (“für Mitarbeiter im Bereich der früheren Region Ost”) an eine Beschäftigung im Gebiet der früheren Region Ost an. Die Klägerin ist aber seit September 1991 im Bereich der früheren Region West beschäftigt. Diese Wortlautauslegung entspricht dem Willen der Tarifvertragsparteien. Dies ist aus § 100 KMT zu schließen. Diese Bestimmung sieht eine Zusatzvereinbarung für die Fälle vor, in denen Mitarbeiter aus der einen früheren Region einen Arbeitsplatz im Bereich der anderen früheren Region übernommen haben. Dies zeigt, daß der Fall der Klägerin von der Übergangsbestimmung nicht erfaßt wird. Andernfalls hätte es der Regelung in § 100 KMT nicht bedurft.
d) Die auf dieser Bestimmung beruhende Zusatzvereinbarung vom 27. April 1993 führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Dies gilt nicht nur für die von der Arbeitnehmerseite sogleich wieder gekündigte ursprüngliche Fassung, nach der das Überwechseln eines Arbeitnehmers in eine andere Region vergütungsrechtlich unerheblich sein sollte, sondern auch für die mit Wirkung vom 1. Juni 1993 in Kraft gesetzte endgültige Fassung der Zusatzvereinbarung, die in Fällen wie dem vorliegenden einen Anspruch auf eine die Vergütungsdifferenz nicht ausgleichende Zulage begründet.
§ 2 des Tarifvertrags betreffend die Zusatzvereinbarung, der diese Zulage für die in § 1 Abs. 3 Satz 1 der Zusatzvereinbarung geregelten Tatbestände vorsieht, ist verfassungskonform dahingehend auszulegen, daß allenfalls Fälle zeitlich befristeter, aus besonderem Anlaß (z. B. Erprobung, Fortbildung) erfolgter nachträglicher Zuweisung eines Arbeitsplatzes in einem anderen in der früheren Region West gelegenen Dienstgebäude erfaßt werden, nicht dagegen Fälle, in denen ein Arbeitnehmer, wie nach den bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts die Klägerin, auf nicht absehbare Zeit in einem in der früheren Region West gelegenen Dienstgebäude beschäftigt ist. Andernfalls verstieße § 2 des Tarifvertrags betreffend die Zusatzvereinbarung gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
aa) Machen die Kirchen von der auch ihnen zustehenden Tarifautonomie Gebrauch, so sind sie als Tarifvertragsparteien an die Grundrechte gebunden. Das Bundesarbeitsgericht hat in ständiger Rechtsprechung angenommen, daß die Kirchen das Grundgesetz und die für alle geltenden Gesetze zu beachten haben, wenn sie sich zur Regelung ihrer Angelegenheiten in weltlicher Weise weltlicher Mittel bedienen, wie es beispielsweise beim Abschluß arbeitsrechtlicher Vereinbarungen der Fall ist (BAGE 30, 247, 252 f. = AP Nr. 2 zu Art. 140 GG, zu A 3 der Gründe; siehe auch von Mangoldt/Klein/von Campenhausen, GG, 3. Aufl., Art. 140 Rz 134).
Die Tarifvertragsparteien haben im Rahmen der ihnen durch Art. 9 Abs. 3 GG eingeräumten Tarifautonomie die Befugnis, für ihre Mitglieder die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu regeln. Hierbei steht ihnen zwar grundsätzlich ein weiter Regelungsspielraum zur Verfügung. Gleichwohl bestehen bei der tariflichen Normsetzung verfassungsrechtliche Grenzen der Regelungsbefugnis. Die Tarifvertragsparteien haben insbesondere Art. 3 GG zu beachten, der es verbietet, in einem Tarifvertrag gleiche Sachverhalte unterschiedlich zu behandeln (BAGE 71, 68, 73 = AP, aaO, zu B II 3a aa der Gründe, m.w.N.). Eine gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßende Ungleichbehandlung ist anzunehmen, wenn sich für die vorgenommene Differenzierung ein vernünftiger, aus der Natur der Sache sich ergebender oder sonstwie einleuchtender Grund nicht finden läßt, wenn also für eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Betrachtungsweise die Regelung als willkürlich anzusehen ist (BVerfGE 1, 14, 52). Die Tarifvertragsparteien haben weitgehende Gestaltungsfreiheit. Sie brauchen nicht die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Lösung zu wählen. Es genügt vielmehr, wenn sich für die getroffene Regelung ein sachlich vertretbarer Grund ergibt (BVerfGE 3, 58, 135).
bb) Eine Ungleichbehandlung zu Lasten der Klägerin ist gegeben, und war auch, wenn man die abmildernde Regelung in der wieder in Kraft gesetzten Fassung der Zusatzvereinbarung berücksichtigt. Auch dann erhält die in der früheren Region West arbeitende Klägerin eine niedrigere Vergütung als die im gleichen Dienstgebäude beschäftigten Kollegen, deren Arbeitsplatz sich schon vorher dort befand. Durch die Zulagengewährung nach § 2 des Tarifvertrags vom 29. September 1993 ist das “Sonderopfer” der Klägerin, wie das Berufungsgericht zutreffend bemerkt hat, nur gemildert, nicht aber beseitigt worden. Ein sachlicher vertretbarer Grund für diese ungleiche Behandlung ist nicht erkennbar. Auch hier kann der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf seine Ausführungen im Urteil vom 30. Juli 1992 (BAGE 71, 68, 76 f. = AP, aaO, zu B II 3b cc der Gründe) verweisen.
cc) § 2 des Tarifvertrags betreffend die Zusatzvereinbarung ist verfassungskonform dahin auszulegen, daß er für Fälle wie den vorliegenden, in denen der Arbeitsplatz dauerhaft in ein Dienstgebäude in der ehemaligen Region West verlegt worden ist, nicht gilt.
Eine Bestimmung ist nur dann verfassungswidrig und deshalb ungültig, wenn sie nicht verfassungskonform ausgelegt werden kann. Eine solche Auslegung ist allerdings nur möglich, wenn sie sich nicht über die Grenzen hinwegsetzt, die sich aus dem möglichen Wortsinn, dem Zweck und dem Bedeutungszusammenhang der Norm ergeben (Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl., S. 339 bis 343). Diese Voraussetzungen liegen vor.
Aus § 1 Abs. 2 Satz 1 der Zusatzvereinbarung ergibt sich, daß Mitarbeiter, die von einem Arbeitgeber in der früheren Region Ost eingestellt und beschäftigt wurden und ab einem späteren Zeitpunkt im Bereich der früheren Region West beschäftigt werden, sich nur dann mit “Ostvergütung” begnügen müssen, wenn es sich um einen vorübergehenden “Westeinsatz” handelt. Hieraus folgt, daß bei nicht absehbarer Dauer der Beschäftigung in diesen Fällen, die sich von denen des Absatzes 3 dadurch unterscheiden, daß die Beschäftigung in der ehemaligen Region West nicht in einem Dienstgebäude derselben Dienststelle stattfindet, “Westvergütung” zu zahlen ist. Nichts anderes kann für den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 3 Satz 1 der Zusatzvereinbarung gelten. Auch diese Bestimmung ist daher verfassungskonform dahin auszulegen, daß bei dauerndem Einsatz in der ehemaligen Region West die dort geltende Vergütungsregelung anzuwenden ist. Eine unterschiedliche Höhe der Vergütung läßt sich allenfalls dann rechtfertigen, wenn mit einer nur vorübergehenden Beschäftigung bestimmte Zwecke verfolgt werden, z. B. Einarbeitung, Fortbildung. Der Senat verweist insoweit auf seine bisherige Rechtsprechung, wo er dies als rechtlich zulässig in Erwägung gezogen, jedoch noch nicht abschließend entschieden hat (vgl. BAGE 68, 71, 78 = AP, aaO, zu B II 3b dd der Gründe a.E., und BAG Urteil vom 1. Juni 1995 – 6 AZR 922/94 – AP Nr. 5 zu § 1 BAT-O, zu II 2c der Gründe, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Auch der vorliegende Fall veranlaßt nicht zu einer abschließenden Stellungnahme.
e) Die Beklagte kann sich auch hier nicht auf den Verfall des Anspruchs berufen. Nach § 86 KMT reicht die einmalige Geltendmachung der Ansprüche, die im 3. Quartal 1992 erfolgt ist, für den gleichen Tatbestand aus, um die Ausschlußfrist auch für später fällig werdende Ansprüche unwirksam zu machen.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Peifer, Dr. Armbrüster, Steinhäuser, Schwarck
Richter Dr. Freitag befindet sich im Erholungsurlaub und kann daher nicht unterzeichnen.
Dr. Peifer
Fundstellen