Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufsbezogene Zuwendung für frühere Ballettmitglieder (DDR)

 

Orientierungssatz

Hinweise des Senats:

"Keine Passivlegitimation eines Bundeslandes für Zuwendungsansprüche, wenn der Arbeitnehmer zuletzt bei einer städtischen Einrichtung tätig war."

 

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 15. April 1999 - 2 Sa 247/96 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

 

Tatbestand

Der Kläger ist am 19. April 1943 geboren. Er war vom 1. August 1963 bis zum 31. Juli 1982 zunächst beim Landestheater Altenburg und dann bei den Städtischen Bühnen Erfurt als Ballettänzer beschäftigt. Von den Städtischen Bühnen Erfurt erhielt er vom 1. August 1982 bis zum 31. Dezember 1991 monatlich 505,25 Mark bzw. DM aufgrund der Anordnung über die Gewährung einer berufsbezogenen Zuwendung an Ballettmitglieder in staatlichen Einrichtungen der DDR vom 1. Juli 1983 (AO bbZ). In dieser vom Minister für Kultur der DDR erlassenen und nicht förmlich bekanntgemachten Anordnung heißt es ua.:

"In Verwirklichung des Beschlusses des Ministerrates vom 13. Mai 1976 über die weitere Entwicklung der Schaffensbedingungen der Ballettmitglieder in staatlichen Einrichtungen der DDR wird in Übereinstimmung mit dem Zentralvorstand der Gewerkschaft Kunst folgendes angeordnet:

§ 1

Geltungsbereich

Die Anordnung gilt für alle Tänzerinnen und Tänzer (im folgenden Ballettmitglieder genannt), die ihre Tätigkeit aus alters-, berufsbedingten oder gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben können und sich in einem Arbeits- bzw. Dienstverhältnis zu einem Theater, staatlichen Ensemble bzw. zum Fernsehen der DDR befinden, die dem Ministerium für Kultur, dem Ministerium für Nationale Verteidigung, dem Staatlichen Komitee für Fernsehen der DDR sowie den Räten der Bezirke, Kreise oder Städte unterstehen. ...

§ 2

Berufsbezogene Zuwendung

(1) Alle Ballettmitglieder erhalten nach endgültigem Ausscheiden aus dem Tänzerberuf eine berufsbezogene Zuwendung, die nicht der Besteuerung und der Beitragspflicht zur Sozialversicherung unterliegt.

(3) Die berufsbezogene Zuwendung beträgt 50 % der arbeitsvertraglich festgelegten monatlichen Brutto-Gage als Ballettmitglied auf der Grundlage der Gagentabelle des jeweils zutreffenden RKV der fünf zusammenhängenden verdienstgünstigsten Jahre, höchstens jedoch 800,00 M monatlich.

(6) Die berufsbezogene Zuwendung wird auch bei Ausübung einer anderen Tätigkeit, unabhängig von der Höhe des Einkommens, gewährt.

§ 3

Inanspruchnahme der berufsbezogenen Zuwendung

(1) Die Inanspruchnahme der berufsbezogenen Zuwendung setzt voraus, daß das ausscheidende Ballettmitglied das 35. Lebensjahr vollendet hat und den Tänzerberuf mindestens 15 Jahre auf der Grundlage eines Arbeitsrechtsverhältnisses als Ballettmitglied, unabhängig vom Qualifikationsgrad, ausgeübt hat.

§ 4

Zahlung und Finanzierung

(1) Die berufsbezogene Zuwendung wird von der Einrichtung an das Ballettmitglied gezahlt, zu der es bei Ausscheiden aus dem Tänzerberuf im Arbeitsrechtsverhältnis stand.

(4) Bei Zahlung der Rente nach den Bestimmungen der Sozialversicherung wegen Erreichen der Altersgrenze oder wegen Eintritt der Invalidität übernimmt die weitere Zahlung der berufsbezogenen Zuwendung die Staatliche Versicherung der DDR. Die Unterlagen sind durch die Einrichtungen der Staatlichen Versicherung der DDR zur Verfügung zu stellen.

(5) Die finanziellen Mittel für die Gewährung der berufsbezogenen Zuwendung sind im Haushaltsplan der entsprechenden Einrichtungen beim Sachkonto 3550 - Sonstige Geldzuwendungen - zu planen.

§ 5

Inkrafttreten

(1) Diese Anordnung tritt am 1. Juli 1983 in Kraft. Sie ist den betroffenen Einrichtungen und Personen in ihrem Geltungsbereich in geeigneter Weise bekanntzumachen.

(2) Gleichzeitig tritt die Anordnung vom 1. September 1976 über die Gewährung einer berufsbezogenen Zuwendung an Ballettmitglieder in staatlichen Einrichtungen der DDR außer Kraft."

Die Einstellung der Zahlungen zum 31. Dezember 1991 erfolgte auf der Grundlage der Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H (gesetzliche Rentenversicherung) Abschn. III Nr. 6 zum Einigungsvertrag:

"Folgendes Recht der Deutschen Demokratischen Republik bleibt mit folgenden Maßgaben in Kraft:

6. Anordnung über die Gewährung einer berufsbezogenen Zuwendung an Ballettmitglieder in staatlichen Einrichtungen vom Juni 1983

mit folgenden Maßgaben:

a) Die Anordnung ist bis zum 31. Dezember 1991 anzuwenden.

b) Von der Anordnung kann für die Zeit bis zum 31. Dezember 1991 durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung abgewichen werden."

Die erforderlichen Gelder für die monatlichen Rentenzahlungen an den Kläger wurden den Städtischen Bühnen der Stadt Erfurt zunächst vom Kultusministerium der DDR, dann vom beklagten Freistaat zur Verfügung gestellt.

Der Kläger hat den Standpunkt eingenommen, die Einstellung der Zahlung der berufsbezogenen Zuwendung sei ungerechtfertigt. Er hat zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger als berufsbezogene Zuwendung gesamtschuldnerisch

1. Für die Zeit vom 1. Januar 1992 bis zum 29. Februar 1996 insgesamt 25.262,50 DM nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Betrag seit dem 1. Januar 1992 und

2. ab dem 1. August 1996 laufend monatlich 505,25 DM zu zahlen unter zuzüglicher Berücksichtigung der Anpassung des Zahlbetrages ab dem 1. Juli 1990 nach den für die gesetzliche Rentenversicherung festgesetzten Anpassungssätzen.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es ist der Auffassung, es sei für den geltend gemachten Anspruch nicht passivlegitimiert. Im übrigen sei die Einstellung der Zahlungen zum 31. Dezember 1991 auch zu Recht erfolgt.

Der Kläger hatte zunächst vor dem Sozialgericht die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, die Stadt Erfurt und den Freistaat Thüringen verklagt. Nachdem das Kreisgericht den Rechtsweg zu den Sozialgerichten insgesamt für zulässig erklärt hatte, hat nur der beklagte Freistaat hiergegen Beschwerde eingelegt, die zwar vom Thüringer Landesarbeitsgericht zurückgewiesen worden ist. Auf die weitere Beschwerde des beklagten Freistaates hat das Bundessozialgericht jedoch den Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Erfurt verwiesen, das die Klage abgewiesen hat. Die Berufung des Klägers ist vom Landesarbeitsgericht zurückgewiesen worden. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Anträge in der Sache weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen. Dabei kommt es im vorliegenden Rechtsstreit nicht einmal darauf an, ob der entstandene Anspruch des Klägers auf eine berufsbezogene Zuwendung aufgrund der Regelung in der Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H (gesetzliche Rentenversicherung) Abschn. III Nr. 6 zum Einigungsvertrag mit dem 31. Dezember 1991 erloschen ist (vgl. hierzu Senat 24. März 1998 - 3 AZR 384/97 - BAGE 88, 216; 29. August 2000 - 3 AZR 588/97 - nv.). Die Klage ist jedenfalls deshalb unbegründet, weil für einen etwaigen Anspruch des Klägers auf berufsbezogene Zuwendung nicht der beklagte Freistaat einstehen muß.

I. Nach § 4 Abs. 1, Abs. 5 AO bbZ war Schuldner der Zuwendung die Einrichtung, zu der das Ballettmitglied bei Ausscheiden aus dem Tänzerberuf im Arbeitsverhältnis stand. Das Kultusministerium der früheren DDR hatte die Aufwendungen dieser Einrichtung lediglich zu refinanzieren. Eine Möglichkeit für das ausgeschiedene Ballettmitglied, das Kultusministerium der früheren DDR unmittelbar in Anspruch zu nehmen, sieht die AO bbZ nicht vor. Letzte Arbeitgeberin des Klägers waren die Städtischen Bühnen der Stadt Erfurt. Sie haben auch bis zum 31. Dezember 1991 die monatlichen Zuwendungen an den Kläger gezahlt, wobei der beklagte Freistaat der Einrichtung diese Zahlungen erstattete.

II. Ginge man mit dem Kläger davon aus, daß die Ansprüche aus der AO bbZ nicht mit dem 31. Dezember 1991 erloschen sind, wären nach § 4 Abs. 1 AO bbZ weiterhin die städtischen Bühnen Erfurt oder deren Trägerin, die Stadt Erfurt, Schuldnerinnen des Zuwendungsanspruchs. Ob der beklagte Freistaat dann im Verhältnis zur früheren Arbeitgeberin auch weiterhin erstattungspflichtig wäre, hatte der Senat nicht zu entscheiden. Für eine unmittelbare Haftung des Beklagten dem Kläger gegenüber ist eine rechtliche Grundlage nicht erkennbar.

1. Der Kläger kann sich hierfür nicht auf eine ihn unmittelbar begünstigende Verwaltungsentscheidung des Kultusministeriums der früheren DDR stützen, für die der beklagte Freistaat als denkbarer Funktionsnachfolger in Anspruch genommen werden könnte. Es mag sein, daß Voraussetzung für die Auszahlung der Zuwendung eine Verwaltungsentscheidung des Kultusministeriums der früheren DDR gegenüber dem dann zur Auszahlung verpflichteten letzten Arbeitgeber war. Einer solchen Entscheidung gegenüber dem Kläger bedurfte es jedoch nach der AO bbZ nicht. Der Kläger hat eine entsprechende hoheitliche Gestaltungserklärung des Kultusministeriums auch weder für sich selbst noch für die von seinen Prozeßbevollmächtigten in Parallelprozessen vertretenen Klägerinnen und Kläger konkret behauptet oder gar vorlegen können.

Sein Anspruch richtete sich nach dem Wortlaut und dem erkennbaren Sinn und Zweck der Anordnung allein danach, ob er deren Voraussetzungen erfüllte. In diesem Fall konnte er von seinem letzten Arbeitgeberbetrieb die Zahlung der berufsbezogenen Zuwendung verlangen. Daß das Vorliegen dieser Voraussetzungen durch das refinanzierungspflichtige Ministerium überprüft und gegebenenfalls bestätigt wurde, spricht nicht gegen diese Bewertung.

2. Am Ergebnis ändert sich auch dann nichts, wenn man die Zuwendungen nach der AO bbZ auch für die Zeit bis zum Eintritt in das gesetzliche Rentenverhältnis als Leistungen eines Zusatz- und Sonderversorgungssystems der früheren DDR ansähe, das zum 31. Dezember 1991 geschlossen worden wäre, wobei die darin erworbenen Ansprüche und Anwartschaften in die gesetzliche Rentenversicherung zu überführen gewesen wären. Bei einer solchen sozialversicherungsrechtlichen Behandlung der Zuwendungen nach der AO bbZ während des aktiven Arbeitslebens wäre bis zu der insoweit noch nicht erfolgten Überführung in die gesetzliche Rentenversicherung die Bundesrepublik Deutschland als Rechtsnachfolgerin in die Sonder- und Zusatzversorgungssysteme der früheren DDR und nicht der beklagte Freistaat einstandspflichtig (vgl. hierzu BVerfG 28. April 1999 - 1 BvL 32/95 ua. - BVerfGE 100, 1, 33 f.).

III. Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Revision nach § 97 ZPO zu tragen.

Reinecke Kremhelmer Bepler

Der ehrenamtliche Born

Richter Dr. Schiele ist aus

dem Amt ausgeschieden.

Reinecke

 

Fundstellen

Dokument-Index HI610900

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