Leitsatz (amtlich)
fehlende Passivlegitimation des Freistaates für eine Klage eines Ballettänzers auf berufsbezogene Zuwendung.
Verfahrensgang
ArbG Erfurt (Urteil vom 17.04.1996; Aktenzeichen 7 Ca 38/95) |
Tenor
1) Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 17.04.1996, Az.: 7 Ca 38/95, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2) Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der am 19.04.1943 geborene Kläger war in der Zeit vom 01.08.1963 bis 31.07.1982 als Ballettänzer zuletzt an den Städtischen Bühnen E. beschäftigt. Aus altersbedingten Gründen gab er diese Tätigkeit auf. In der Zeit zwischen dem 01.08.1982 und dem 31.12.1991 erhielt er eine berufsbezogene Zuwendung in Höhe von monatlich DM 505,25 von den Städtischen Bühnen E. deren Zahlung ab 01.01.1992 eingestellt wurde.
Mit der vorliegenden am 14.12.1992 beim Sozialgericht E. eingegangenen Klage – der Rechtsstreit wurde durch Beschluß vom 24.08.1994 an das Arbeitsgericht Erfurt verwiesen – macht er gegenüber dem beklagten Freistaat die Weitergewährung der berufsbezogenen Zuwendung über den 31.12.1991 geltend.
Grundlage der Zahlung der berufsbezogenen Zuwendung (im folgenden: bbZ) war die „Anordnung über die Gewährung einer berufsbezogenen Zuwendung an Ballettmitglieder in staatlichen Einrichtungen der DDR” des Ministers für Kultur vom 01.09.1976, sodann die gleichnamige Anordnung vom 01.07.1983 (Bl. 15–17 d. A.), die beide nicht amtlich veröffentlicht worden sind.
In der Anordnung vom 01.07.1983 (bbZ-AO 1983) heißt es u. a. wie folgt:
„§ 1 Geltungsbereich
Die Anordnung gilt für alle Tänzerinnen und Tänzer (im Folgenden Ballettmitglieder genannt), die ihre Tätigkeit aus alters-, berufsbedingten oder gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben können und die sich in einem Arbeitsverhältnis zu einem Theater, staatlichen Ensemble … befinden, die dem Ministerium für Kultur, … sowie den Räten der Bezirke, Kreise oder Städte unterstehen.
§ 2
Alle Ballettmitglieder erhalten nach endgültigem Ausscheiden aus dem Tänzerberuf eine berufsbezogene Zuwendung, …
Abs. 5
Bei Zahlung der Rente nach den Bestimmungen der Sozialversicherung wegen Erreichen der Altersgrenze oder Eintritt der Invalidität wird die berufsbezogene Zuwendung weitergewährt …
§ 3 Ziff. 1
Die Inanspruchnahme der berufsbezogenen Zuwendung setzt voraus, daß das ausscheidende Ballettmitglied das 35. Lebensjahr vollendet hat und den Tänzerberuf mindestens 15 Jahre auf der Grundlage eines Arbeitsrechtsverhältnisses als Ballettmitglied ausgeübt hat.
Ziff. 3
Die Inanspruchnahme der berufsbezogenen Zuwendung setzt die termin- und fristgerechte Beendigung des Arbeitsrechtsverhältnisses als Ballettmitglied nach dem rahmenkollektivvertraglichen Bestimmungen voraus, …
§ 4 Ziff. 1
Die berufsbezogene Zuwendung wird von der Einrichtung an das Ballettmitglied gezahlt, zu der es bei Ausscheiden aus dem Tänzerberuf im Arbeitsrechtsverhältnis stand.
Ziff. 4
Bei Zahlung der Rente nach den Bestimmungen der Sozialversicherung wegen Erreichens der Altersgrenze oder wegen Eintritts der Invalidität übernimmt die weitere Zahlung der berufsbezogenen Zuwendung die Staatliche Versicherung der DDR …
Ziff. 5
Die finanziellen Mittel für die Gewährung der berufsbezogenen Zuwendung sind im Haushaltsplan der entsprechenden Einrichtungen beim Sachkonto 3550 – sonstige Geldzuwendungen – zu planen.
…”
Nach Art. 9 Abs. 2 des Einigungsvertrages vom 31.08.1990 in der Fassung des Einigungsvertragsgesetzes vom 23.09.1990 i. V. mit Kap. VIII Sachgeb. H Abschn. III Ziff. 6 der Anlage II bleibt die Anordnung über die Gewährung einer berufsbezogenen Zuwendung an Ballettmitglieder in staatlichen Einrichtungen vom Juni 1983 mit folgenden Maßgaben in Kraft:
- Die Anordnung ist bis zum 31.12.1991 anzuwenden.
- Von der Anordnung kann für die Zeit bis zum 31.12.1991 durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung abgewichen werden.
Das Gesetz zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebiets vom 31.07.1991 (AAÜG) enthält in der Anlage 1 unter Nr. 17 als Zusatzversorgungssystem die „zusätzliche Altersversorgung der Ballettmitglieder in staatlichen Einrichtungen, eingeführt mit Wirkung vom 01.09.1976”.
Nach § 2 Abs. 2 AAÜG werden die in Versorgungssysteme nach Anlage 1 Nr. 1 bis 22 und Anlage 2 erworbenen Ansprüche und Anwartschaften auf Leistungen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, Alters und Todes zum 31.12.1991 in die Rentenversicherung überführt. Vom 01.01.1992 an sind die Regelungen dieser Versorgungssysteme … nicht mehr anzuwenden.
Nach SGB VI § 252 a Abs. 1 Nr. 4 ist in Anrechnungszeiten auch solche im Beitrittsgebiet nach dem 08.05.1945, in denen der Versicherte eine berufsbezogene Zuwendung an Ballettmitglieder bezogen hat.
Der Kläger ist der Auffassung, sein Anspruch auf bbZ sei mit dem 01.01.1992 nicht in Wegfall geraten, sondern diese Leistung, die in der DDR verfassungsrechtlich geschützt und durch den Einigungsvertrag fortgeschrieben worden sei, sei weiter zu gewähren, da ihr Besitzstand Bes...