Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachtschichtzulage, Gleichbehandlung
Normenkette
BGB § 242
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 27. März 1996 – 7 Sa 553/95 – teilweise aufgehoben.
2. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 15. Dezember 1994 – 13/11 Ca 5798/94 – teilweise geändert.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 252,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 14. Juli 1994 zu zahlen.
4. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen. Von den Kosten erster und zweiter Instanz haben der Kläger 95 % und die Beklagte 5 % zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe einer Nachtschichtzulage.
Der Kläger ist seit dem 29. Februar 1990 bei dem beklagten Automobilhersteller als LKW-Fahrer beschäftigt. Er wird auf der Strecke K.-Z. eingesetzt. Bis Ende 1990 fuhr er stets nachts. Er erhielt dafür pro Schicht eine „Nachtschicht-Sonderpauschale” in Höhe von 25,00 DM. Die Zahlung beruhte auf einer Vereinbarung zwischen Geschäftsleitung und Gesamtbetriebsrat, die den Mitarbeitern am 20. März 1990 (im folgenden: Vereinbarung vom 20. März 1990) bekannt gemacht wurde. Die Mitteilung hat folgenden Wortlaut:
„Betrifft:
Erhöhung der Nachtschicht-Sonderpauschale für Lohn- und Gehaltsempfänger (Gehaltsgruppen 1–8) in 3-Schicht-Wechselschicht und Dauernachtschicht
Zwischen Geschäftsleitung, Gesamtbetriebsrat und Betriebsräten haben Gespräche zur Auslegung des § 4 Ziffer 5 (Pausenregelung in 3-Schicht-Betrieben) des Manteltarifvertrages der Metallindustrie NRW vom 29.2.1988 stattgefunden, die zu folgendem Ergebnis geführt haben:
- Es besteht Einigkeit, daß Mitarbeiter in 3-Schicht-Betrieben, insbesondere durch die Nachtschicht, besonderen Belastungen ausgesetzt sind.
- Zum Ausgleich hierfür wird für Mitarbeiter in Nachtschicht (Arbeitsbeginn ab 20.00 Uhr) die Nachtschicht-Sonderpauschale von bisher DM 11/Schicht auf DM 25/Schicht erhöht, wenn in der Nachtschicht mindestens 4.5 Stunden zwischen 20.00 Uhr und 6.00 Uhr gearbeitet werden.
- Diese Regelung gilt für Mitarbeiter (Lohnempfänger und Gehaltsempfänger der Gehaltsgruppen 1–8) in 3-Schicht-Wechselschicht und Dauernachtschicht und findet Anwendung in allen deutschen Standorten der F.-Werke Aktiengesellschaft und der F.-Werke AG & Co KG B.. Die Sonderregelungen für Mitarbeiter im Turnusdienst bleiben davon unberührt.
- Die Gesellschaft ist berechtigt, die Nachtschicht-Sonderpauschale dann zu widerrufen, wenn aus den derzeitig gültigen oder künftigen tarifvertraglichen Regelungen in NRW oder anderen zuständigen Tarifgebieten Ansprüche auf bezahlte Pausen in 3-Schicht-Betrieben oder Nachtschicht geltend gemacht werden. Übrige Anrechnungsmöglichkeiten bleiben unberührt.
- Die vorgenannte Regelung tritt mit Wirkung vom 1. Februar 1990 in Kraft.”
Seit 1991 fahren der Kläger und seine auf derselben Strecke eingesetzten Kollegen im wöchentlichen Wechsel tags und nachts. Der Schichtbeginn ist wöchentlich nach folgendem Rhythmus versetzt:
|
„Schicht |
Beginn |
Ende |
1. |
Woche: Tagschicht |
9.00 Uhr |
zw. 19.00 u. 21.00 Uhr |
2. |
Woche: Nachtschicht |
22.00 Uhr |
zw. 8.00 u. 10.00 Uhr |
3. |
Woche: Tagschicht |
11.00 Uhr |
zw. 21.00 u. 23.00 Uhr |
4. |
Woche: Nachtschicht |
21.00 Uhr |
zw. 7.00 u. 9.00 Uhr |
5. |
Woche: Tagschicht |
10.00 Uhr |
zw. 20.00 u. 22.00 Uhr |
6. |
Woche: Nachtschicht |
22.30 Uhr |
zw. 8.30 u. 20.30 Uhr |
7. |
Woche: Tagschicht |
9.00 Uhr |
zw. 19.00 u. 21.00 Uhr” |
Die Dauer der täglichen Arbeitszeit von 10–12 Stunden hängt u.a. von der Verkehrslage und dem Betriebsablauf im Hafen Z. ab.
Seit der Umstellung, also ab 1991, erhält der Kläger pro Nachtschicht nur noch eine Zulage von 11,00 DM. In 3-Schicht-Wechselschicht-Bereichen beschäftigte Mitarbeiter erhalten die Zulage von 25,00 DM pro Nachtschicht auch dann, wenn sie nur in 2-Schicht-Wechselschicht arbeiten.
Der Kläger hat in den Vorinstanzen Weiterzahlung der Zulage in Höhe von 25,00 DM ab 1991 verlangt. In der Revisionsinstanz verlangt er den Unterschiedsbetrag zwischen 25,00 DM und 11,00 DM nur noch für die in der Zeit vom 16. Mai bis zum 30. Juni 1994 geleisteten 18 Nachtschichten in rechnerisch unstreitiger Höhe von 252,00 DM. Der Kläger hat vorgetragen: Sein Anspruch ergebe sich aus der Betriebsvereinbarung vom 20. März 1990. Diese finde sowohl auf Arbeitnehmer in 3-Schicht, als auch auf solche in Wechselschicht und in Dauernachtschicht Anwendung. Zumindest stünden die Belastungen, denen er durch seine Wechselschichten ausgesetzt sei, den Belastungen gleich, die in der Betriebsvereinbarung vom 20. März 1990 vorausgesetzt würden. Im übrigen hat sich der Kläger auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gestützt, da auch die anderen nur im 2-Schicht-Betrieb arbeitenden Arbeitnehmer weiter 25,00 DM erhielten.
Soweit noch von Interesse, hat der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 252,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 14. Juli 1994 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen: Mit der Umstellung der Z.-Tour auf eine 2-Schicht-Wechselschicht seien die Voraussetzungen für die Zahlung der erhöhten Nachtschicht-Sonderpauschale von 25,00 DM pro Schicht entfallen. Daß in den 3-Schicht-Wechselschicht-Bereichen die Mitarbeiter auch bei Arbeiten in der 2-Schicht-Wechselschicht 25,00 DM pro Nachtschicht erhielten, beruhe auf einer Einigung mit dem Betriebsrat und habe seinen Grund darin, daß diese Mitarbeiter weiter verpflichtet blieben, bei Bedarf in 3-Schicht-Wechselschicht zu arbeiten; überdies werde ihr bei einem Wechsel zu 3-Schicht-Wechselschicht-Arbeit die Auswahl erleichtert und der Betriebsrat brauche nicht jeweils neu angehört zu werden.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung weiterer 252,00 DM für die in der Zeit vom 16. Mai bis zum 30. Juni 1994 geleisteten 18 Nachtschichten.
I. Wie die Vorinstanzen zutreffend ausgeführt haben, ergibt sich der Anspruch des Klägers auf Zahlung der Nachtschicht-Sonderpauschale in Höhe von 25,00 DM pro Schicht nicht aus der Vereinbarung vom 20. März 1990. Diese sieht in Ziff. 3 eine Zahlung in dieser Höhe nur an „Mitarbeiter … in 3-Schicht-Wechselschicht und Dauernachtschicht” vor. Dasselbe ergibt sich aus dem Betreff der Vereinbarung, wo ebenfalls nur von 3-Schicht-Wechselschicht und Dauernachtschicht die Rede ist. Das bedeutet: Nur die Mitarbeiter, die tatsächlich in 3-Schicht-Wechselschicht und in Dauernachtschicht tätig sind, sollen einen Anspruch auf die Pauschale von 25,00 DM haben. Der Kläger arbeitete aber in 2-Schicht-Wechselschicht.
II. Der Anspruch ergibt sich aber entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.
1. Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen seiner Arbeitnehmer, die sich in vergleichbarer Lage befinden, gleichzubehandeln. Er verbietet nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung. Er gilt auch für freiwillige Leistungen. Danach ist es dem Arbeitgeber verwehrt, in seinem Betrieb einzelne oder Gruppen von Arbeitnehmern ohne sachlichen Grund von allgemein begünstigenden Regelungen auszunehmen oder sie schlechter zu stellen. Die Leistungsvoraussetzungen müssen so abgegrenzt werden, daß nicht sachwidrig oder willkürlich ein Teil der Arbeitnehmer von den Vergünstigungen ausgeschlossen wird. Die Ungleichbehandlung verschiedener Arbeitnehmergruppen bei freiwilligen Leistungen ist dann mit dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar, wenn die Unterscheidung nach dem Zweck der Leistung gerechtfertigt ist. Die Prüfung des sachlichen Grundes für eine Ausnahme von allgemein begünstigenden Leistungen muß sich an deren Zwecken orientieren (ständige Rechtsprechung, vgl. BAG Urteil vom 8. März 1995 – 5 AZR 869/93 – AP Nr. 123 zu § 242 BGB Gleichbehandlung).
2. Für den vorliegenden Fall ergibt sich daraus folgendes:
a) Die Beklagte zahlt die Nachtschicht-Sonderpauschale in Höhe von 25,00 DM nicht nur an Mitarbeiter, die tatsächlich in 3-Schicht-Wechselschicht arbeiten, sondern auch an solche, die zwar in 2-Schicht-Wechselschicht arbeiten, aber in – wie das Landesarbeitsgericht formuliert hat – „3-Schicht-Wechselschicht-Bereichen” tätig sind. Auf die Dauer der tatsächlichen Tätigkeit in 2-Schicht-Wechselschicht kommt es hier nicht an. Auch Mitarbeiter, die schon längere Zeit nur in zwei Schichten arbeiten, erhalten die Zulage in voller Höhe.
Die Verpflichtung dazu ergibt sich – wie bereits dargelegt – nicht aus der Vereinbarung vom 20. März 1990. Diese betrifft nur Mitarbeiter, die tatsächlich in 3-Schicht-Wechselschicht und Dauernachtschicht arbeiten, nicht Mitarbeiter, die nur den sog. „3-Schicht-Wechselschicht-Bereichen” zugeordnet sind. Die Beklagte hat nicht behauptet, daß sie sich aufgrund der Vereinbarung vom 20. März 1990 zur Zahlung der Pauschale von 25,00 DM auch an die Mitarbeiter in diesen Bereichen verpflichtet hielt. Die Zahlung erfolgte also nicht aufgrund der Vereinbarung vom 20. März 1990, wohl aber in Anlehnung an sie. Sie erfolgte auch nicht aufgrund individueller Vereinbarungen.
b) Die Beklagte hat somit eine allgemeine Regel aufgestellt. Nach dieser Regel erhalten Mitarbeiter des K. Betriebes der Beklagten, die in 2-Schicht-Wechselschicht arbeiten, die Pauschale von 25,00 DM, wenn sie in den sog. 3-Schicht-Wechselschicht-Bereichen tätig sind und es sich um Nachtschichten im Sinne von Ziff. 2 der Vereinbarung vom 20. März 1990 handelt. Dieser Anspruch besteht nur solange, wie die Beklagte diese Zulage aufgrund der Vereinbarung vom 20. März 1990 an Mitarbeiter zahlt, die tatsächlich in 3-Schicht-Wechselschicht oder in Dauernachtschicht arbeiten.
„3-Schicht-Wechselschicht-Bereiche” sind nach dem Vortrag der Beklagten solche Bereiche, in denen die Arbeitnehmer, auch wenn sie gerade in 2-Schicht-Wechselschicht arbeiten, mit der Verpflichtung belastet sind, jederzeit wieder in 3-Schicht-Wechselschicht zu arbeiten. Die auf der Route K.-Z. eingesetzten Fahrer gehören nach Ansicht der Beklagten nicht dazu.
c) Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Nichtanwendung dieser Regel auf den Kläger und die anderen Fahrer auf der Strecke nach Z. sei nicht willkürlich, weil diese nicht der Belastung unterlägen, jederzeit wieder in drei Schichten arbeiten zu müssen. Dieser Auffassung folgt der Senat nicht.
Das Landesarbeitsgericht hat nicht beachtet, daß der Kläger im Anspruchszeitraum aufgrund seines Arbeitsvertrages ohnehin verpflichtet war, bei entsprechender Weisung jederzeit wieder in Dauernachtschicht zu arbeiten. Die Unterscheidung danach, ob der Mitarbeiter auf Verlangen des Arbeitgebers in 3-Schicht-Wechselschicht oder aber in Dauernachtschicht zu arbeiten hat, ist nicht gerechtfertigt. Die Belastung des Klägers und der anderen in 2-Schicht-Wechselschicht arbeitenden Fahrer durch die Nachtschichten ist nicht geringer als die der in 2-Schicht-Wechselschicht arbeitenden Arbeitnehmer, die in den sog. „3-Schicht-Wechselschicht-Bereichen” eingesetzt werden.
Der Kläger war ursprünglich in Dauernachtschicht tätig. Die Beklagte übte ihr Weisungsrecht aus, als sie für den Kläger bei Umstellung des Fahrbetriebes auf 2-Schicht-Wechselschicht neue Arbeitszeiten festlegte. Daß das Arbeitsverhältnis aus diesem Anlaß – ausdrücklich oder stillschweigend – geändert worden wäre, hat die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Beklagte nicht vorgetragen. Somit war und ist die Beklagte – vorbehaltlich des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrates (§ 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG) – arbeitsvertraglich berechtigt, für den Kläger jederzeit wieder Arbeit in Dauernachtschicht anzuordnen.
Wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, daß die Beklagte wieder Arbeit in 3-Schicht-Wechselschicht oder Arbeit in Dauernachtschicht anordnet, ist unerheblich. Hieraus läßt sich ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung nicht herleiten, zumal auch in den sog. „3-Schicht-Wechselschicht-Bereichen” zum Teil über Monate hinweg nur in 2-Schicht-Wechselschicht gearbeitet wird.
d) Die von der Beklagten vorgenommene Gruppenbildung ist damit sachwidrig. Aus der Unzulässigkeit der sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung ergibt sich ein Anspruch auf die die Gleichbehandlung bewirkende Leistung (BAGE 75, 143 = AP Nr. 114 zu § 242 BGB Gleichbehandlung, zu B II 2 der Gründe).
Unterschriften
Griebeling, Schliemann, Reinecke, Anthes, Brücker
Fundstellen