Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitnehmerüberlassung. Arbeitnehmereigenschaft. langjähriger Einsatz
Leitsatz (redaktionell)
Siehe auch Urteile des Senats vom 30. Januar 1991 – 7 AZR 497/89 – (langjährige Tätigkeit gewerblicher Arbeitnehmer im selben Drittbetrieb), zur Veröffentlichung bestimmt, sowie – 7 AZR 239/90 – (Verwirkung).
Normenkette
AÜG Art. 1 § 10 Abs. 1 S. 1; AÜG § 9 Nr. 1, § 1 Abs. 1-2; BGB §§ 242, 645
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 31.05.1989; Aktenzeichen 2 Sa 149/88) |
ArbG Stuttgart (Urteil vom 09.06.1988; Aktenzeichen 11 Ca 445/87) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 31. Mai 1989 – 2 Sa 149/88 – aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen aufgrund des Art. 1 § 10 Abs. 1 Satz 1 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) ein Arbeitsverhältnis als zustande gekommen gilt.
Die Beklagte, ein Unternehmen der Automobilindustrie, beschäftigt in ihrem Werk S. ca. 42.000 bis 44.000 Arbeitnehmer. Daneben sind dort ca. 1.500 Arbeitnehmer von Fremdfirmen tätig.
Der Kläger bewarb sich im Jahre 1980 durch Vermittlung des Arbeitsamts um eine Anstellung als Elektroingenieur bei der Firma Georg B., einem Konstruktionsbüro für Elektroinstallationen und -Steuerungen in Br., Am 10. Oktober 1980 fand bei der Beklagten ein Vorstellungsgespräch statt, an dem neben dem Kläger und dem Alleininhaber der Firma Georg B., Herrn Georg B., auch ein führender Mitarbeiter der Beklagten teilnahm. Am 13. Oktober 1980 einigten sich der Kläger und die Firma B. darüber, daß der Kläger als „freier Mitarbeiter” für die Firma B. tätig werden sollte.
Seither war der Kläger bis zum Ende des Jahres 1987 aufgrund dieser Einigung als Elektroingenieur mit dem Planen und Entwerfen elektrischer Grundinstallationen für das Werk S. der Beklagten befaßt. Im wesentlichen übte er diese Tätigkeit in den Räumen des Werkes S. der Beklagten, und zwar in der für derartige Entwürfe und Planungen zuständigen Abteilung ELA aus, gelegentlich auch in einem Büro der Firma Georg B. in H. bei He., Insgesamt waren in der Abteilung ELA etwa 20 Elektroingenieure für solche Entwürfe und Planungen tätig. Nur etwa zehn dieser Ingenieure waren Arbeitnehmer der Beklagten.
Der Kläger arbeitete im wesentlichen selbständig. Das nötige Arbeitsmaterial erhielt er von der Beklagten. Seine Anwesenheitszeiten im Werk der Beklagten wurden zeitweilig elektronisch, zeitweilig auf Stempelkarten festgehalten. Für seine Tätigkeit erteilte der Kläger der Firma Georg B. absprachegemäß monatliche Rechnungen, in denen er die geleisteten Arbeitsstunden mit einem bestimmten Stundensatz zuzüglich ausgewiesener Umsatzsteuer unter einem Briefkopf „R. Ingenieurgesellschaft für technische Anlagen, … A.” berechnete. Die Firma B., die keine Erlaubnis zur gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung besitzt, bezahlte diese Rechnungen.
Jedenfalls seit Anfang Januar 1987 erhielt der Kläger nach einer Neuordnung der Arbeitsorganisation Anweisungen nicht mehr von der Beklagten, sondern nur noch von der Firma Georg B. Seitdem mußte der Kläger auf Stundenzetteln das jeweils bearbeitete Projekt angeben.
Mit seinem Schreiben vom 13. Juli 1987 forderte der Kläger die Beklagte vergeblich auf, ihm zu bestätigen, daß zwischen ihnen ein unbefristetes Arbeitsverhältnis bestehe. Mit der vorliegenden, am 2. November 1987 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Seit Ende 1987 ist er nicht mehr für die Beklagte tätig.
Er hat vorgetragen: Mit der Firma Georg B. habe er nur gezwungenermaßen einen Vertrag als „freier Mitarbeiter” geschlossen. Die „Firma R.” … sei nur gegründet worden, um ihm die Möglichkeit zu geben, der Firma B. Rechnungen mit Mehrwertsteuer-Nachweis zu erteilen; sie unterhalte kein Büro und habe auch keine kaufmännische Buchführung. Bei der Beklagten sei er weder als Subunternehmer noch als Erfüllungsgehilfe der Firma B. tätig geworden; vielmehr sei er der Beklagten als Arbeitnehmer überlassen worden. Er habe nach der praktischen Handhabung seines Beschäftigungsverhältnisses nur fremdbestimmte, unselbständige Arbeit bei der Beklagten geleistet und auch leisten sollen. Weil die Firma Georg B. keine Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung besitze, gelte ein Arbeitsverhältnis zwischen ihm und der Beklagten gemäß Art. 1 § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG als zustande gekommen. Hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast greife die Vermutungswirkung des Art. 1 § 1 Abs. 2 AÜG ein. Es sei daher Sache der Beklagten, im Einzelfall darzulegen und zu beweisen, daß ein Arbeitsverhältnis mit ihr nicht zustande gekommen sei.
Daß Arbeitnehmerüberlassung vorliege, ergebe sich aus folgendem: Er sei völlig in den Betriebsablauf der Beklagten eingegliedert gewesen. Seine Arbeitsanweisungen und die notwendigen Planungsunterlagen habe er bis Anfang Januar 1987 ausschließlich von der Beklagten erhalten. Seine Arbeitsleistungen seien nur von der Beklagten überprüft worden. Zu seinem Aufgabenbereich hätten neben der Detail- und Projektplanung auch die Bearbeitung werksinterner Verbesserungsvorschläge und die Erledigung mehr organisatorischer Aufgaben gehört. Die Firma B. sei bis Anfang Januar 1987 weder bei der Erteilung von Anweisungen noch bei der Ausführung seiner Aufträge in irgendeiner Form beteiligt gewesen. Er habe vielmehr völlig unabhängig von Herrn Georg B., dem Inhaber der Firma B., gearbeitet. Schließlich habe er immer die gleichen Arbeitszeiten wie die Beschäftigten der Beklagten einhalten und seinen Urlaub von der Beklagten genehmigen lassen müssen. Er habe vollschichtig wie jeder andere Arbeitnehmer der Beklagten arbeiten müssen. Er sei ausschließlich nach den im Betrieb der Beklagten geleisteten Arbeitsstunden und nicht projektbezogen bezahlt worden.
Durch die 1987 durchgeführte organisatorische Neuordnung sei das Arbeitsverhältnis zwischen ihm und der Beklagten nicht beendet worden. Auch ein nach § 10 AÜG zustande gekommenes Arbeitsverhältnis könne, wie jedes andere Arbeitsverhältnis, nur durch Kündigung oder einvernehmliche Aufhebung beendet werden. Das aber sei nicht geschehen.
Der Kläger hat beantragt:
- Es wird festgestellt, daß zwischen den Parteien seit dem 13. Oktober 1980 ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.
- Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu den Bedingungen des Manteltarifvertrages und des Gehaltsabkommens für die Angestellten in der Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden sowie der bei ihr geltenden Betriebsvereinbarungen und Betriebsübungen als Elektroingenieur in ihrem Werk S., Abteilung ELA, weiterzubeschäftigten.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat erwidert, Arbeitnehmerüberlassung liege nicht vor. Der Kläger selbst trage ab Anfang Januar 1987 ein rechtmäßiges Verhalten der Beklagten und der Firma B. vor. Die Rechtsnormen des Art. 1 § 10 Abs. 1, § 9 Nr. 1 AÜG seien unter Berücksichtigung ihres Sinn- und Zweckgehaltes als Schutz vor unzuverlässigen Verleihern auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar.
Der Kläger sei im übrigen selbständiger Subunternehmer der Firma B. gewesen. Zwischen ihr – der Beklagten – und der Firma B. hätten werkvertragliche Beziehungen bestanden. Hit ihrer – der Beklagten – vorheriger Zustimmung sei der Firma B. die Weitervergabe von Teilen des Auftrages an Nachunternehmer gestattet gewesen. Ausschließlicher Vertragspartner der Firma B. sei die bereits Anfang 1980 gegründete „Firma R.” gewesen. Diese habe von der Firma B. Teilaufträge für eindeutig definierte Planungsarbeiten im Werk S. erhalten und ihre Leistungen der Firma B. in Rechnung gestellt. Auch wenn der Kläger als Arbeitnehmer der Firma B. anzusehen sein sollte, sei für die Anwendung des AÜG kein Raum. Von einer vollen Eingliederung des Klägers in ihren Betrieb und einem ihr allein zustehenden Weisungsrecht könne keine Rede sein. Zu keinem Zeitpunkt sei sie dem Kläger gegenüber weisungsbefugt gewesen und habe ihm auch keine Arbeitsanweisungen erteilt. Die Aufträge seien grundsätzlich der Firma B. erteilt worden. Dieser und nicht unmittelbar dem Kläger seien die für die Auftragsdurchführung erforderlichen Planungsunterlagen zur Verfügung gestellt worden. Hätten sich bei der Auftragsabwicklung Schwierigkeiten ergeben, habe sie ausschließlich mit der Firma B. verhandelt, und zwar auch in Bezug auf die vom Kläger ausgeführten Arbeiten. Der Kläger habe die ihm gestellten Aufgaben grundsätzlich selbständig und in eigener Regie und Verantwortung ausgeführt. Die Kontakte zwischen ihren Mitarbeitern und dem Kläger hätten sich durchweg auf auftragsspezifische Anweisungen im Sinne des § 645 BGB beschränkt. Der Kläger habe auch nicht vollschichtig, sondern nur unregelmäßig, d.h. nur an einzelnen Tagen pro Woche oder stundenweise in ihrem Werk gearbeitet. Weder auf die Arbeitszeiten und den Arbeitsort noch auf die Lage des Urlaubs des Klägers habe sie Einfluß nehmen können. Die Aufnahme in den Urlaubsplan habe nur formalen Charakter gehabt. Die Erfassung der Arbeitszeit des Klägers sei in den zwischen ihm und der Firma B. vereinbarten Stunden-Verrechnungssätzen begründet gewesen. Insbesondere bei Ingenieurs- und Planungsarbeiten sei eine Vergütung nach Zeitaufwand anstatt projektbezogener Vergütung üblich.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger nur noch seinen Feststellungsantrag weiter; den Weiterbeschäftigungsantrag (Antrag zu 2) hat er in der mündlichen Revisionsverhandlung mit der Zustimmung der Beklagten zurückgenommen. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist, soweit die Klage aufrechterhalten worden ist, zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des nicht erledigten Teiles des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht, weil es noch weiterer Sachverhaltsfeststellungen zur Entscheidung über den Feststellungsantrag bedarf.
Soweit die Vorinstanzen über den Weiterbeschäftigungsantrag des Klägers entschieden haben, ist diese Entscheidung gemäß § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO wirkungslos, weil der Kläger in der Revisionsverhandlung mit Zustimmung der Beklagten seinen Weiterbeschäftigungsantrag zurückgenommen hat.
Das Landesarbeitsgericht hat den Feststellungsantrag abgewiesen und sein Urteil auf zwei es jeweils tragende Begründungen gestützt:
Zum einen hat es gemeint, der Kläger habe sein Recht verwirkt, sich gegenüber der Beklagten darauf zu berufen, zwischen ihm und der Beklagten gelte nach Art. 1 § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis als zustande gekommen. Des weiteren hat es angenommen, diese Vorschrift sei trotz gegebener Arbeitnehmerüberlassung nicht anzuwenden, wenn – wie hier – der Unternehmer den Arbeitnehmer nur als Erfüllungsgehilfen im Rahmen eines Werkvertrags in den Betrieb eines Dritten habe entsenden wollen und der entsendende Unternehmer seine Arbeitgeber- oder Dienstgeberpflichten korrekt erfüllt habe.
Beide Begründungen halten der rechtlichen Prüfung nicht stand.
I. Der Senat vermag dem Landesarbeitsgericht nicht in der Annahme zu folgen, der Kläger habe im Zeitpunkt der Klageerhebung sein Recht verwirkt gehabt, sich gegenüber der Beklagten darauf zu berufen, zwischen ihnen gelte ein Arbeitsverhältnis gemäß Art. 1 § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG als zustande gekommen. Der vom Landesarbeitsgericht festgestellte Sachverhalt läßt nicht erkennen, daß die Voraussetzungen der Verwirkung vorliegen.
1. Das Landesarbeitsgericht hat aus folgenden Gründen angenommen, es liege hier Verwirkung vor: Wie jedes Recht könne auch das Recht eines Arbeitnehmers, sich auf Art. 1 § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG zu berufen, nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwirken. Hierzu müsse seit der Möglichkeit zur Geltendmachung des Rechts eine längere Zeit verstrichen sein. Der Gläubiger müsse durch sein Verhalten nach den gesamten Umständen beim Schuldner die berechtigte Annahme hervorgerufen haben, sein Recht endgültig nicht mehr geltend zu machen, und der Schuldner müsse sich hierauf auch eingerichtet haben. Im vorliegenden Fall habe der Kläger vor Anfang Januar 1987 jahrelang im Betrieb der Beklagten aufgrund deren Verträge mit der Firma B. gearbeitet, ohne sich gegenüber der Beklagten darauf zu berufen, zwischen ihm und der Beklagten gelte ein Arbeitsverhältnis nach Art. 1 § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG als zustande gekommen. Er habe dies vielmehr zuerst mit seinem Schreiben vom 13. Juli 1987 getan, also zu einem Zeitpunkt, zu welchem ein wesentlicher Anhaltspunkt, der für eine verbotene Arbeitnehmerüberlassung durch die Firma B. sprechen konnte, längst beseitigt gewesen sei. Deshalb habe sich die Beklagte darauf einrichten können, der Kläger werde sich ihr gegenüber nicht mehr auf die Fiktion des Art. 1 § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG berufen.
2. Dem Landesarbeitsgericht ist zwar darin zu folgen, daß auch das Recht eines Arbeitnehmers, sich darauf zu berufen, zwischen ihm und demjenigen, in dessen Betrieb er tätig war oder ist, gelte ein Arbeitsverhältnis als zustande gekommen, wie jedes Recht verwirken kann (vgl. Becker/Wulfgramm, AÜG, 3. Aufl., Art. 1 § 10 Rz 38 a). Aus der allgemeinen Geltung des Grundsatzes von Treu und Glauben im Sinne des § 242 BGB ist auch der Grundsatz der Verwirkung materieller Rechte herzuleiten. Verwirkung liegt vor, wenn der Berechtigte mit der Geltendmachung seines Rechts oder Anspruchs längere Zeit zugewartet hat (Zeitmoment) und der Schuldner deswegen annehmen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden, er sich hierauf eingerichtet hat und ihm die gegenwärtige Erfüllung des Rechts oder Anspruchs unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nach Treu und Glauben nicht mehr zuzumuten ist (Umstandsmoment) (vgl. statt vieler: BAG Urteil vom 27. November 1987 – 7 AZR 314/87 – RzK I 9a Nr. 29, zu II 1 der Gründe; BAGE 57, 329, 332 = AP Nr. 17 zu § 630 BGB, zu I 2 der Gründe, jeweils m.w.N.).
3. Die vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen lassen nicht erkennen, daß der Kläger sein Recht verwirkt hat. Es ist bereits fraglich, ob das Zeitmoment erfüllt ist. Hierfür ist die Tatsache, daß der Kläger bis zur Umstellung der auch seine Tätigkeit betreffenden Arbeitsorganisation sich gegenüber der Beklagten nicht auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zu ihr berufen hat, ohne Bedeutung. Denn bis dahin hatten sich die auf Arbeitnehmerüberlassung hindeutenden Umstände nicht verändert, so daß der Tatbestand der Arbeitnehmerüberlassung, falls er überhaupt vorlag, mit jedem Einsatz des Klägers verwirklicht sein konnte. Als Zeitpunkt, auf den für die Prüfung der Frage abzustellen ist, ob der Kläger mit der Geltendmachung seines Rechts gezögert hat, kommt vielmehr die Umstellung der Arbeitsorganisation Anfang Januar 1987 in Betracht. Ob die Zeitspanne von diesem Tag bis zum Zugang der schriftlichen Aufforderung des Klägers an die Beklagte vom 13. Juli 1987, das Bestehen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses zwischen ihnen anzuerkennen, für das Zeitmoment der Verwirkung ausreicht, kann dahinstehen. Denn es fehlt an tatsächlichen Feststellungen zum für die Verwirkung ebenfalls erforderlichen Umstandsmoment. Allein daraus, daß der Kläger nicht sogleich nach der Umstellung der Arbeitsorganisation Anfang Januar 1987 sein Recht geltend machte, sondern damit noch bis Mitte Juli 1987 wartete, konnte die Beklagte nicht herleiten, der Kläger wolle sie nicht als seine Arbeitgeberin in Anspruch nehmen. Es ist auch nicht ersichtlich, daß es der Beklagten infolge des Zuwartens des Klägers bereits bei der erstmaligen Geltendmachung des Rechts Mitte Juli 1987 unzumutbar gewesen wäre, den Kläger als ihren Arbeitnehmer zu behandeln und zu beschäftigen. Immerhin hat der Kläger seine Tätigkeit bis zur Geltendmachung seines Rechts fortgesetzt und sogar noch bis Ende 1987 als Elektroingenieur für sie gearbeitet. Das eingeklagte Recht ist daher nicht verwirkt.
II. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage ferner deswegen als unbegründet angesehen, weil Art. 1 § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG auf Fälle der vorliegenden Art nicht anwendbar sei. Auch diese Auffassung vermag der Senat nicht zu teilen.
1. Das Landesarbeitsgericht meint, die genannte Vorschrift sei auf eine Arbeitstätigkeit, die jemand als Erfüllungsgehilfe eines vertraglich zur Erbringung von Werk- oder Dienstleistungen verpflichteten Unternehmers im Betrieb eines Dritten erbringe, auch dann nicht anzuwenden, wenn sie zwar aufgrund der praktischen Durchführung als Arbeitnehmerüberlassung erscheine, der Unternehmer aber seine Arbeitgeberpflichten korrekt erfüllt habe. Dies ergebe eine am Zweck der gesetzlichen Regelung orientierte einschränkende Auslegung. Die Fiktion des Art. 1 § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG stelle einen Eingriff in die durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete Vertragsfreiheit dar, die auch die Freiheit umfasse zu entscheiden, ob und mit wem ein Arbeitsvertrag geschlossen werde. Die darin normierte Fiktion diene in erster Linie dem Schutz der Leiharbeitnehmer vor unzuverlässigen Verleihern, die keine Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung besäßen oder denen sie nachträglich wieder entzogen werde, weil Versagungsgründe vorlägen. Die Regelung in Art. 1 § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG erfülle mittelbar eine Überwachungs- und Kontrollfunktion, weil der Entleiher im Hinblick auf die dort bestimmte Rechtsfolge regelmäßig sorgfältig prüfen werde, ob der Verleiher die nach Art. 1 § 1 AÜG erforderliche Erlaubnis besitze. Hieraus sei zu schließen, daß die Regelung in Art. 1 § 10 Abs. 1 AÜG von ihrem Schutzzweck her nicht anzuwenden sei, wenn ein seine Arbeitgeberpflichten korrekt erfüllender Unternehmer seine Arbeitnehmer aufgrund Dienst- oder Werkvertrags in Betriebe Dritter entsende, der Vertrag jedoch aufgrund seiner praktischen Handhabung als Arbeitnehmerüberlassungsvertrag erscheinen könnte. Denn in einem solchen Fall sei die Einschränkung der verfassungsrechtlich geschützten Vertragsfreiheit vom Schutzzweck der Regelung her nicht geboten. Ein solcher Fall liege hier vor.
2. Der Senat vermag der Rechtsauffassung des Landesarbeitsgerichts nicht zu folgen. Die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene teleologische Reduktion des Art. 1 § 10 Abs. 1 AÜG ist vom Sinn und Zweck dieser Vorschrift nicht gedeckt und deshalb nicht möglich.
Art. 1 § 10 Abs. 1 AÜG knüpft an die Unwirksamkeitsregelung des Art. 1 § 9 Nr. 1 AÜG an und bestimmt deren Rechtsfolgen. Nach Art. 1 § 9 Nr. 1 AÜG sind Verträge zwischen Verleihern und Entleihern sowie zwischen Verleihern und Leiharbeitnehmern unwirksam, wenn der Verleiher nicht die für eine gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung nach Art. 1 § 1 AÜG erforderliche behördliche Erlaubnis besitzt. Für diesen Fall der Unwirksamkeit eines Arbeitsvertrages zwischen einem Verleiher und einem Leiharbeitnehmer gilt nach Art. 1 § 10 Abs. 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer als zustande gekommen. Der Eintritt dieser gesetzlichen Fiktion setzt mithin voraus, daß nach dem Inhalt der vertraglichen Vereinbarungen, die die beteiligten Vertragspartner getroffen haben, der Tatbestand der gewerbsmäßigen und damit erlaubnispflichtigen Arbeitnehmerüberlassung vorliegt, daß es sich also bei dem Vertrag zwischen dem Arbeitgeber und dem Dritten, in dessen Betrieb der Arbeitnehmer eingesetzt werden soll, seiner rechtlichen Qualifikation nach um einen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag und nicht etwa um einen Werk- oder Dienstvertrag handelt, in dessen Rahmen der Arbeitnehmer lediglich als Erfüllungsgehilfe seines Arbeitgebers in dem Betrieb des Dritten tätig wird. Im letzteren Falle greifen die Vorschriften des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes nicht ein.
Über die rechtliche Einordnung eines Vertrages entscheidet der Geschäftsinhalt und nicht die von den Parteien gewünschte Rechtsfolge oder eine Bezeichnung, die tatsächlich dem Geschäftsinhalt nicht entspricht. Die Vertragsschließenden können das Eingreifen zwingender Schutzvorschriften des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes nicht dadurch vermeiden, daß sie einen vom Geschäftsinhalt abweichenden Vertragstyp wählen.
Der Geschäftsinhalt kann sich sowohl aus den ausdrücklichen Vereinbarungen der Vertragsparteien als auch aus der praktischen Durchführung des Vertrages ergeben. Widersprechen sich beide, so ist die tatsächliche Durchführung des Vertrages maßgebend, weil sich aus der praktischen Handhabung der Vertragsbeziehungen am ehesten Rückschlüsse darauf ziehen lassen, von welchen Rechten und Pflichten die Vertragsparteien ausgegangen sind, was sie also wirklich gewollt haben. Der so ermittelte wirkliche Wille der Vertragsparteien bestimmt den Geschäftsinhalt und damit den Vertragstyp (BAGE 43, 102, 105 = AP Nr. 5 ZU § 10 AÜG, zu I 1 b der Gründe; 61, 7, 22 = AP Nr. 1 zu § 9 BetrVG 1972, zu B II 3 c bb der Gründe; BAG Beschluß vom 10. September 1985 – 1 ABR 28/83 – AP Nr. 3 zu § 117 BetrVG 1972, zu B IV 2 c der Gründe; BAG Beschluß vom 28. November 1989 – 1 ABR 90/88 – AP Nr. 5 zu § 14 AÜG, zu B 1 c der Gründe).
Richtet sich aber die rechtliche Einordnung der Vereinbarungen der Vertragsparteien nach dem Geschäftsinhalt und damit nach dem wirklichen Willen der Vertragsparteien, so kann es für die Anwendung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und hier insbesondere von § 9 Nr. 1 und § 10 Abs. 1 AÜG keinen Unterschied machen, ob sich der auf Arbeitnehmerüberlassung gerichtete wirkliche Wille der Vertragsparteien unmittelbar aus dem schriftlich niedergelegten Vertragstext oder erst aus der vom Willen der Vertragsparteien getragenen praktischen Durchführung des Vertrages ergibt. Das Gesetz bietet für eine unterschiedliche Behandlung beider Fallgestaltungen keinen Anhaltspunkt. Insbesondere können beide Fallgestaltungen nicht zu unterschiedlichen Rechtsfolgen führen, wenn der Vertragsarbeitgeber die übernommenen Arbeitgeberpflichten jeweils korrekt erfüllt. Durch die gesetzlich fingierte Begründung eines Arbeitsverhältnisses zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer in Art. 1 § 10 Abs. 1 AÜG will das Gesetz dem Arbeitnehmer zu seinem Schutz einen Ersatz dafür verschaffen, daß sein Arbeitsvertrag mit dem Verleiher wegen fehlender behördlicher Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung nach Art. 1 § 9 Nr. 1 AÜG unwirksam ist. Der Schutzzweck des Art. 1 § 10 Abs. 1 AÜG trifft für beide Fallgestaltungen gleichermaßen zu, denn in beiden Fällen liegt nach dem Geschäftsinhalt Arbeitnehmerüberlassung vor, die, wenn sie gewerbsmäßig betrieben wird, gemäß Art. 1 § 1 Abs. 1 AÜG der behördlichen Erlaubnis bedarf. Der Erlaubnisvorbehalt soll, wie die in Art. 1 § 3 AÜG normierten Versagungsgründe zeigen, von vornherein sicherstellen, daß gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung nur von zuverlässigen Personen betrieben wird, die nach behördlicher Prüfung die Gewähr für eine ordnungsgemäße Erfüllung ihrer Arbeitgeberpflichten bieten. Der Sicherung des Erlaubnisvorbehalts dient die Regelung des Art. 1 § 9 Nr. 1 AÜG, nach der auf Arbeitnehmerüberlassung gerichtete Verträge unwirksam sind, wenn der Verleiher die erforderliche behördliche Erlaubnis nicht hat. Das Gesetz knüpft die Unwirksamkeitsfolge allein an das Fehlen der behördlichen Erlaubnis ohne Rücksicht darauf, ob der Verleiher zuverlässig ist und den Arbeitgeberpflichten korrekt nachkommt.
Für die vom Landesarbeitsgericht befürwortete teleologische Reduktion des Art. 1 § 10 Abs. 1 AÜG ist deshalb kein Raum.
III. Damit kommt es für den Streitfall entscheidend darauf an, ob die vertraglichen Beziehungen, aufgrund derer der Kläger im Betrieb der Beklagten tätig geworden ist, ihrem Geschäftsinhalt nach auf Arbeitnehmerüberlassung gerichtet und nicht etwa nur dienst- oder werkvertraglicher Natur sind. Sind sie als Arbeitnehmerüberlassung anzusehen, so wäre ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit zwischen dem Kläger und der Beklagten zustande gekommen, wenn der Kläger zur Firma Georg B. in einem Arbeitsverhältnis und nicht nur in einem anderen dienstvertraglichen oder in einem werkvertraglichen Verhältnis gestanden hätte. In diesem Fall wäre der dann zwischen dem Kläger und der Firma Georg B. bestehende Arbeitsvertrag wegen Fehlens der dann für die Firma Georg B. erforderlichen behördlichen Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung gemäß Art. 1 § 9 Nr. 1 AÜG unwirksam, so daß ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit kraft Fiktionswirkung des Art. 1 § 10 Abs. 1 AÜG zwischen dem Kläger und der Beklagten zustande gekommen wäre.
1.a) Der Begriff der Arbeitnehmerüberlassung, wie er in Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG umschrieben wird, setzt voraus, daß der Überlassene Arbeitnehmer des Überlassenden ist. Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz versteht unter dem Begriff Leiharbeitnehmer nur solche Personen, die in arbeitsvertraglichen Rechtsbeziehungen zum Verleiher stehen und die der Verleiher Dritten (Entleihern) gewerbsmäßig zur Arbeitsleistung überläßt. Es ist rechtlich nicht denkbar, Personen, die zum Überlassenden nicht im Arbeitsverhältnis stehen, sondern z.B. deren freie Mitarbeiter sind, i.S. des Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG einem Dritten gewerbsmäßig zur Arbeitsleistung zu überlassen, weil dieser Tatbestand voraussetzt, daß die zur Leistung verpflichtete Person dem Arbeitgeber-Weisungsrecht des Dritten unterstellt wird (vgl. Becker/Wulfgramm, AÜG, 3. Aufl., Art. 1 § 1 Rz 60). Umgekehrt kann aber aus diesem Unterstelltsein unter das Arbeitgeber-Weisungsrecht des Dritten zu folgern sein, daß der so Unterstellte zu dem Überlassenden (Verleiher) nicht (mehr) im freien Dienstverhältnis, sondern im Arbeitsverhältnis steht. Dies folgt daraus, daß er zur Arbeitsleistung überlassen wird.
b) Ob zwischen dem Kläger und der Firma Georg B. ein Arbeitsverhältnis bestanden hat, hat das Landesarbeitsgericht noch festzustellen. Zwar hat der Kläger mit der Firma Georg B. einen Vertrag als „freier Mitarbeiter” abgeschlossen. Die Vergütung des Klägers erfolgte auf der Grundlage von Rechnungen einer „Firma R.” unter Berechnung von Umsatzsteuer. Diese Umstände schließen jedoch nicht aus, daß zwischen dem Kläger und der Firma Georg B. tatsächlich ein Arbeitsverhältnis bestanden hat, denn der Kläger war „Alleininhaber” der „Firma R.”. Widersprechen Vereinbarungen und tatsächliche Durchführung des Vertrages einander, so ist letztere maßgeblich. Aus der praktischen Handhabung lassen sich Rückschlüsse darauf ziehen, von welchen Rechten und Pflichten die Parteien nach ihrem Willen ausgegangen sind (vgl. BAGE 41, 247 = AP Nr. 42 zu § 611 Abhängigkeit, m.w.N.). Über die danach vorzunehmende Einordnung des Rechtsverhältnisses (Dienst- oder Arbeitsvertrag) entscheidet der tatsächliche Geschäftsinhalt und nicht die von den Parteien gewünschte Rechtsfolge oder die von ihnen gewählte bloße Bezeichnung, wenn sie dem Geschäftsinhalt nicht entspricht (vgl. BAG Urteil vom 28. November 1990 – 4 AZR 198/90 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt). Das gilt selbst dann, wenn eine ausdrückliche Abrede besteht, es liege kein Arbeitsverhältnis vor, sondern eine Tätigkeit als „freier Mitarbeiter” (vgl. schon BAG Urteil vom 14. Februar 1974 – 5 AZR 298/73 – AP Nr. 12 zu § 611 BGB Abhängigkeit).
c) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kommt es bei der Frage, ob jemand seine Dienstleistung als Arbeitnehmer oder als freier Mitarbeiter erbringt, auf den Grad der persönlichen Abhängigkeit des Betreffenden von seinem Arbeitgeber bzw. seinem Dienstherrn an (BAGE 52, 133 = AP Nr. 102 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag; BAGE 41, 247 = AP Nr. 42 zu § 611 BGB Abhängigkeit). Danach ist Arbeitnehmer derjenige Mitarbeiter, der seine Arbeitsleistung im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation zu erbringen hat. Insoweit enthält § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB ein typisches Abgrenzungsmerkmal. Nach dieser Vorschrift ist selbständig, wer im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Unselbständig und daher persönlich abhängig ist folglich der Mitarbeiter, dem dies nicht möglich ist. Zwar gilt die genannte Regelung unmittelbar nur für die Abgrenzung des selbständigen Handelsvertreters zum abhängig beschäftigten Handlungsgehilfen. Über diesen unmittelbaren Anwendungsbereich hinaus enthält die Bestimmung jedoch eine allgemeine gesetzgeberische Wertung, die bei der Abgrenzung des Dienstvertrages zum Arbeitsvertrag zu beachten ist. Die Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation wird insbesondere dadurch deutlich, daß ein Arbeitnehmer hinsichtlich Inhalt, Zeit, Dauer und Ort der Ausführung der versprochenen Dienste einem umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Häufig tritt eine fachliche Weisungsgebundenheit hinzu; sie ist andererseits für Dienste höherer Art nicht immer typisch.
2. Bei der Prüfung der Frage, ob sich das Rechtsverhältnis zwischen der Firma Georg B. und der Beklagten hinsichtlich des Klägers als gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung darstellt oder nicht, ist das Landesarbeitsgericht zutreffend von den Grundsätzen ausgegangen, die das Bundesarbeitsgericht zur Abgrenzung der Arbeitnehmerüberlassung gegenüber einem Einsatz von Arbeitnehmern auf werk- oder dienstvertraglicher Basis aufgestellt hat (BAGE 31, 135 = AP Nr. 2 zu § 1 AÜG; BAGE 61, 7, 21 = AP Nr. 1 zu § 9 BetrVG 1972, zu B II 3 c bb der Gründe; BAG Beschluß vom 28. November 1989 – 1 ABR 90/88 – AP Nr. 5 zu § 14 AÜG, zu B 1 c der Gründe, jeweils mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Danach richtet sich die Abgrenzung dieser verschiedenen Erscheinungsformen des drittbezogenen Personaleinsatzes nach folgenden Kriterien:
Bei der Arbeitnehmerüberlassung werden dem Entleiher die Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt. Der Entleiher setzt sie nach seinen Vorstellungen und Zielen in seinem Betrieb wie eigene Arbeitnehmer ein. Die Arbeitskräfte sind voll in den Betrieb des Entleihers eingegliedert und führen ihre Arbeiten allein nach dessen Weisungen aus. Die Vertragspflicht des Verleihers gegenüber dem Entleiher endet, wenn er den Arbeitnehmer ausgewählt und er ihn dem Entleiher zur Arbeitsleistung zur Verfügung gestellt hat. Er haftet nur für Verschulden bei der Auswahl der verliehenen Arbeitnehmer. Von der Arbeitnehmerüberlassung ist die Tätigkeit eines Unternehmers aufgrund eines Werk- oder Dienstvertrags zu unterscheiden. In diesen Fällen wird der Unternehmer für einen anderen tätig. Er organisiert die zur Erreichung eines wirtschaftlichen Erfolgs notwendigen Handlungen nach eigenen betrieblichen Voraussetzungen und bleibt für die Erfüllung der im Vertrag vorgesehenen Dienste oder für die Herstellung des geschuldeten Werkes gegenüber dem Drittunternehmen verantwortlich. Die zur Ausführung des Dienst- oder Werkvertrags eingesetzten Arbeitnehmer unterliegen der Weisung des Unternehmers und sind dessen Erfüllungsgehilfen. Der Werkbesteller kann jedoch, wie sich aus § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB ergibt, wiederum dem Werkunternehmer selbst oder dessen Erfüllungsgehilfen Anweisungen für die Ausführung des Werkes erteilen. Solche Dienst- oder Werkverträge werden vom Arbeitnehmerüberlassungsgesetz nicht erfaßt.
a) Anhand dieser Abgrenzungsmerkmale hat das Landesarbeitsgericht zunächst die schriftlichen Vereinbarungen zwischen der Firma B. und der Beklagten gewürdigt und dazu ausgeführt:
Nach der schriftlichen Bestellung vom 7. November 1984 habe zwischen der Beklagten und der Firma B. ein Werkvertrag, jedoch kein Arbeitnehmerüberlassungsvertrag bestanden. Die Firma Georg B. habe es hiernach eigenverantwortlich übernommen, im Oktober und November 1984 bei der Beklagten Ausführungspläne sowie Kosten-, Termin- und Kapazitätspläne für die Starkstrominstallation und die Beleuchtung im Gebäude 36/7 zu erarbeiten und zu erstellen. Aus Ziffer 2.1 der Bestellung ergebe sich die Verantwortlichkeit der Firma B. für die von ihr übernommenen Arbeiten, Dort sei sie die Verpflichtung eingegangen, die übertragenen Arbeiten nur durch geeignete Arbeitskräfte ausführen zu lassen, diese während der Arbeiten zu beaufsichtigen und die Beanstandungen und Folgen der Verletzung dieser Pflichten zu tragen. Dies gelte im wesentlichen für die Bestellungen vom 19. Mai 1987 und vom 22. Dezember 1987, die auf die Bestellung vom 7. November 1984 verwiesen. Daß seit der Tätigkeitsaufnahme des Klägers bis zur Bestellung vom 7. November 1984 anderes gegolten habe, stehe nicht fest.
b) Diese Auslegung der vorgelegten schriftlichen Bestellungen und ihre Würdigung als Werkverträge begegnet für sich allein keinen rechtlichen Bedenken. Denn die Firma B. hat sich nach diesen Verträgen verpflichtet, eigenverantwortlich Werkleistungen mit eigenem Personal zu erbringen, die hierzu notwendigen Handlungen selbst zu organisieren und die von ihr einzusetzenden Arbeitskräfte selbst zu beaufsichtigen. Dem entsprechen die vertraglichen Haftungsregelungen.
Aus der Tatsache, daß die Firma Georg B. und die Beklagte schon seit vielen Jahren in derartigen vertraglichen Rechtsbeziehungen stehen, läßt sich weder für noch gegen das Vorliegen von Arbeitnehmerüberlassung etwas herleiten. Ständig wiederkehrende Entwurfs- und Planungsarbeiten für die elektrische Ausrüstung von Gebäuden und baulichen Einrichtungen usw., die der Erfüllung des Betriebs zwecks zu dienen bestimmt sind, können durchaus über Jahre hinweg an den- oder dieselben Fremdunternehmen vergeben werden, ohne daß allein aus der Dauer solcher Geschäftsbeziehungen zu schließen wäre, es handele sich bei entsprechend langandauernden Einsätzen derselben Arbeitnehmer im Rahmen solcher Verträge um Arbeitnehmerüberlassung.
3.a) Bei der Prüfung des Geschäftsinhalts der Vertragsbeziehungen hat sich das Landesarbeitsgericht mit Recht nicht auf die Würdigung der schriftlichen Vereinbarungen der Firma Georg B. und der Beklagten beschränkt, sondern auch deren praktische Durchführung in Betracht gezogen. Hierbei hat es das Tatsachenvorbringen des Klägers zugrunde gelegt, ist jedoch zu dem Ergebnis gelangt, daß auch die vom Kläger vorgetragenen Tatsachen, sollten sie zutreffen, die Annahme eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrages nicht rechtfertigen könnten, weil der Kläger danach zwar weitgehend, aber doch nicht voll in den Betrieb der Beklagten eingegliedert gewesen sei. Im einzelnen hat es ausgeführt:
Der Kläger sei nach der praktischen Durchführung der Verträge zwischen der Beklagten und der Firma B. jedenfalls bis zur Änderung der Arbeitsorganisation Anfang Januar 1987 zwar weitgehend, aber nicht völlig in den Betrieb der Beklagten eingegliedert gewesen. Bis Anfang Januar 1987 habe der Kläger allein aufgrund von Arbeitsaufträgen gearbeitet, die von den leitenden Mitarbeitern der Beklagten in deren Abteilung ELA, nämlich von den Herren L. und A., ausgegangen seien. Sie hätten auch die Arbeitsergebnisse des Klägers kontrolliert. Von Herrn B. habe der Kläger in dieser Zeit keine Arbeitsaufträge erhalten. Für den Kläger habe damals auch dieselbe Kernarbeitszeit wie für die Arbeitnehmer der Beklagten gegolten. Nötiges Arbeitsmaterial und sein Schreibtisch seien ihm von der Beklagten gestellt worden. Gleichwohl fehle es an der vollen Eingliederung, weil der Kläger nach seinem eigenen Vortrag Freiheit in der Arbeitszeitgestaltung gehabt habe. Er habe nämlich freitags seine Tätigkeit bereits gegen 12.00 Uhr und damit vor dem Arbeitsende für Arbeitnehmer der Beklagten beendet, ohne daß dies für ihn nachteilige Folgen gehabt hätte.
Letztlich könne aber dahingestellt bleiben, ob es sich bei den Verträgen zwischen der Firma B. und der Beklagten um Arbeitnehmerüberlassungsverträge gehandelt habe.
b) Diese Ausführungen halten der rechtlichen Prüfung nicht stand. Das Landesarbeitsgericht hat zwar ausdrücklich offengelassen, ob es sich bei dem vertraglichen Verhältnis zwischen der Firma Georg B. und der Beklagten um Arbeitnehmerüberlassung gehandelt hat oder nicht. Dies hätte es, da es hierauf entscheidend ankommt, indessen nicht dahingestellt sein lassen dürfen. Aber auch seine angedeutete Ansicht, es fehle an der vollen Eingliederung des Klägers in den Betrieb der Beklagten in der Zeit bis Anfang Januar 1987, läßt sich auf den vom Landesarbeitsgericht angeführten Grund allein nicht stützen.
Die volle Eingliederung des Klägers in den Betrieb der Beklagten ist nicht schon dadurch ausgeschlossen, daß der Kläger freitags seine Arbeit früher einstellen durfte als die Arbeitnehmer der Beklagten. Vielmehr kommt es auch insoweit auf eine Gesamtbetrachtung an.
IV. Sind hiernach die Erwägungen des Landesarbeitsgerichts nicht geeignet, die volle Eingliederung des Klägers in den Betrieb der Beklagten auszuschließen, so bedarf es zur rechtlichen Einordnung der Vertragsbeziehungen der Beklagten und der Firma Georg B. näherer tatrichterlicher Feststellungen über deren praktische Durchführung, die zwischen den Parteien streitig ist. Dies macht die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht erforderlich.
Bei der erneuten Verhandlung und Entscheidung wird das Landesarbeitsgericht folgendes zu beachten haben:
1. Zum einen wird es nach näherer Maßgabe der Ausführungen unter III 1 a) bis c) zu klären haben, ob der Kläger Arbeitnehmer der Firma B. gewesen ist. Dabei wird es zu beachten haben, daß der Kläger als derjenige, der hieraus für sich günstige Rechtsfolgen herleiten will, die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, Arbeitnehmer der Firma Georg B. gewesen zu sein.
2. Gelangt das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis, der Kläger sei Arbeitnehmer der Firma B. gewesen, so hat es weiterhin zu prüfen, ob es sich bei dem Rechtsverhältnis der Firma Georg B. und der Beklagten um Arbeitnehmerüberlassung gehandelt hat.
a) Soweit der Kläger behauptet, nur von Mitarbeitern der Beklagten Aufträge und Weisungen in bezug auf seine Arbeit erhalten zu haben, wird das Landesarbeitsgericht prüfen müssen, ob es sich dabei um Ausübung einer werkvertraglichen Anweisungsbefugnis des Werkbestellers, wie sie sich aus § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB ergibt, oder um die Erteilung von Weisungen arbeitsvertraglicher Art handelt. Aus der Ausübung werkvertraglicher Weisungsbefugnisse einschließlich der damit zusammenhängenden Kontroll- und Überprüfungsrechte kann nicht auf das Vorliegen eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrags geschlossen werden. Sind die Weisungen des Dritten gegenständlich begrenzt, also auf die zu erbringende Werkleistung bezogen, so deutet dies auf das Vorliegen eines Werkvertrags hin. Dagegen sprechen arbeitsvertragliche Anweisungen für Arbeitnehmerüberlassung. Die Grenze zur arbeitsvertraglichen Anweisung wird insbesondere überschritten, wenn der Dritte erst durch seine Anweisungen den Gegenstand der vom Arbeitnehmer zu erbringenden Leistung bestimmt. Dagegen läßt sich aus Weisungen des Dritten, durch die Art, Reihenfolge und Einzelinhalte verschiedener oder gleichartiger Werkleistungen im Rahmen der zuvor vereinbarten Werkgegenstände festgelegt werden, nicht auf Arbeitnehmerüberlassung schließen, soweit sie nur bezogen auf das konkrete Werk erteilt werden. Entsprechendes gilt für Verträge über die Erbringung gegenständlich konkretisierter Dienstleistungen. Weist der Dritte aber den Arbeitnehmer derart persönlich an, daß damit zugleich Einsatz und Arbeit dieses einzelnen Arbeitnehmers unmittelbar für ihn bindend organisiert werden, so spricht dies für das Vorliegen von Arbeitnehmerüberlassung.
b) Zur Würdigung der praktischen Durchführung der zwischen der Beklagten und der Firma Georg B. abgeschlossenen Verträge bedarf es einer Gesamtbetrachtung aller für die rechtliche Einordnung der Vertragsbeziehungen wesentlichen Umstände. Da es sich hier um langfristige Vertragsbeziehungen handelt, kann auch nur eine Betrachtung der über einen längeren Zeitraum hinweg geübten Vertragspraxis zuverlässigen Aufschluß darüber geben, ob die Vertragspartner in Wahrheit von anderen als in den schriftlichen Verträgen niedergelegten Rechten und Pflichten ausgegangen sind. Einzelne Vorgänge der Vertragsabwicklung sind daher zur Feststellung eines vom Vertragswortlaut abweichenden Geschäftsinhalts nur geeignet, wenn es sich dabei nicht um untypische Einzelfälle, sondern um beispielhafte Erscheinungsformen einer durchgehend geübten Vertragspraxis handelt. Dabei muß diese abweichende Vertragspraxis den auf Seiten der Vertragspartner zum Vertragsabschluß berechtigten Personen bekannt gewesen und von ihnen zumindest geduldet worden sein; denn sonst kann eine solche, den schriftlichen Vereinbarungen widersprechende Vertragsdurchführung nicht als Ausdruck des wirklichen Geschäftswillens der Vertragspartner angesehen werden.
c) Die Darlegungs- und Beweislast für die Umstände, aus denen sich ergeben soll, daß es sich bei einem drittbezogenen Personaleinsatz um Arbeitnehmerüberlassung handelt, trägt diejenige Partei, die daraus für sich günstige Rechtsfolgen herleiten will. Das ist hier der Kläger.
Entgegen der Ansicht der Revision ist die Darlegungs- und Beweislast nicht infolge der Bestimmung des Art. 1 § 1 Abs. 2 AÜG so gestaltet, daß derjenige, der behauptet, es liege keine Arbeitnehmerüberlassung vor, dies darzulegen und zu beweisen hätte. Nach Art. 1 § 1 Abs. 2 AÜG wird vermutet, daß der Überlassende Arbeitsvermittlung betreibt, wenn Arbeitnehmer Dritten zur Arbeitsleistung überlassen werden und der Überlassende nicht die üblichen Arbeitgeberpflichten oder das Arbeitgeberrisiko (Art. 1 § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 AÜG) übernimmt oder die Überlassung im Einzelfall die in Art. 1 § 3 Abs. 1 Nr. 6 AÜG bestimmte Höchstdauer überschreitet. Diese Vermutung greift erst ein, wenn ein Fall der Arbeitnehmerüberlassung vorliegt. Die Frage, ob ein solcher Fall vorliegt, wird dagegen von Art. 1 § 1 Abs. 2 AÜG nicht berührt (vgl. BAG Urteil vom 14. Juni 1984 – 2 AZR 215/83 – EzAÜG Bd. 2 Nr. 154, S. 363, 367).
d) Sollte sich aufgrund der erneuten Verhandlung ergeben, daß nach der bis Anfang Januar 1987 praktizierten Vertragsdurchführung das Vorliegen eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrages zwischen der Beklagten und der Firma Georg B. anzunehmen ist und deshalb gem. Art. 1 § 10 Abs. 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten als zustande gekommen gilt, so wäre allein durch die von der Beklagten im Einvernehmen mit der Firma Georg B. ab Anfang Januar 1987 vorgenommenen Änderungen in der Vertragsdurchführung die dann bereits eingetretene Fiktionswirkung des Art. 1 § 10 Abs. 1 AÜG nicht wieder beseitigt worden. Ein kraft gesetzlicher Fiktion zustande gekommenes Arbeitsverhältnis steht einem vertraglich begründeten Arbeitsverhältnis gleich und kann wie dieses nur durch Kündigung oder durch einvernehmliche Auflösung beendet werden.
V. Bei der Kostenentscheidung wird das Landesarbeitsgericht zu berücksichtigen haben, daß der Kläger seine Klage in der Revisionsverhandlung teilweise, nämlich hinsichtlich des Weiterbeschäftigungsantrags, im Einvernehmen mit der Beklagten zurückgenommen hat.
Unterschriften
Dr. Seidensticker, Dr. Steckhan, Schliemann, Dr. Johannsen, Jubelgas
Fundstellen