Entscheidungsstichwort (Thema)
Kirchenautonomie und Kündigung wegen homosexueller Betätigung
Leitsatz (redaktionell)
Auch die im außerdienstlichen Bereich ausgeübte homosexuelle Praxis eines im Dienst des Diakonischen Werks einer evangelischen Landeskirche stehenden, im Bereich der Konfliktsberatung eingesetzten Arbeitnehmers stellt eine Vertragspflichtverletzung dar, die jedenfalls dann geeignet ist einen Kündigungsgrund abzugeben, wenn der Arbeitnehmer vorher erfolglos abgemahnt worden ist.
Orientierungssatz
Außerordentliche, vorsorgliche ordentliche Kündigung eines im Dienst des Diakonischen Werks einer evangelischen Landeskirche stehenden, im Bereich der Konfliktberatung (Familienhilfe) eingesetzten homophil veranlagten Diplom- Psychologen wegen außerdienstlich ausgeübter homosexueller Praxis. Erfordernis der Abmahnung bei Störungen im Vertrauensbereich. Auflösungsantrag des Arbeitgebers.
Verfahrensgang
LAG Hamm (Entscheidung vom 24.07.1981; Aktenzeichen 11 Sa 383/81) |
ArbG Minden (Entscheidung vom 04.03.1981; Aktenzeichen 1 Ca 947/80) |
Tatbestand
Der 1940 geborene Kläger steht seit dem 1. Januar 1977 als Diplom-Psychologe in den Diensten des beklagten Diakonischen Werks im Kirchenkreis M der Evangelischen Kirche von Westfalen. Er ist insbesondere im Bereich der Konfliktberatung (Familienhilfe), der Betreuung suchtkranker Männer und geistig Behinderter eingesetzt. Die Beratung im Rahmen der Familienhilfe betrifft Fragen der Schwangerschaftsunterbrechung.
Der Kläger wurde nach VergGr. II b des Bundes-Angestelltentarifvertrages in der Kirchlichen Fassung (BAT-KF) vergütet, der auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet. Er verdiente zuletzt etwa 3.600,-- DM brutto monatlich. In dem Arbeitsvertrag ist festgelegt, daß die im Diakonischen Werk tätigen Mitarbeiter eine Dienstgemeinschaft bilden. Wörtlich heißt es dort:
"Alle Mitarbeiter in dieser Dienstgemeinschaft haben
ihren Dienst im Rahmen ihrer Dienstanweisung in Treue
und Hingabe zu erfüllen. Es wird von ihnen erwartet,
daß sie den christlichen Grundsätzen sowohl bei der
Erfüllung ihrer dienstlichen Pflichten als auch in
ihrer persönlichen Lebensführung Rechnung tragen und
demgemäß ihr gesamtes Verhalten inner- und außer-
halb des Dienstes der Verantwortung entspricht, die
sie als Mitarbeiter in der Inneren Mission übernommen
haben."
Mit Schreiben vom 27. November 1980, das der Kläger am selben Tag erhalten hat, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich zum 31. Dezember 1980 und mit Schreiben vom 23. Januar 1981 nochmals vorsorglich ordentlich zum 31. März 1981, jeweils nach vorheriger Anhörung der Mitarbeitervertretung.
Mit der am 1. Dezember 1980 bei Gericht eingegangenen Klage hat sich der Kläger zunächst gegen die außerordentliche Kündigung und mit einem am 9. Februar 1981 eingegangenen Schriftsatz auch gegen die ordentliche Kündigung gewandt. Er macht geltend, daß die außerordentliche Kündigung wegen Fehlens eines wichtigen Grundes rechtsunwirksam und die ordentliche Kündigung sozial ungerechtfertigt sei. Er hat beantragt festzustellen, daß sein Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten durch beide Kündigungen nicht aufgelöst worden sei, sowie den Beklagten zu verurteilen, ihn während der Dauer des Prozesses weiterzubeschäftigen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Zur Begründung der beiden Kündigungen hat er vorgetragen:
Am 13. November 1980 habe sein Vorsitzender von der Stadt M den vertraulichen Hinweis erhalten, daß der Kläger homosexuelle Beziehungen unterhalte. Eine Frau H aus Hannover habe den Beklagten davon unterrichtet, ihr 18-jähriger Sohn Roland sei unter den Einfluß des homosexuellen Klägers geraten. Beide hätten sich häufig in einschlägigen Lokalen in Hannover getroffen und seien dann zum Austausch von Zärtlichkeiten in einen separaten Raum gegangen oder in einen Wald gefahren. In einem Gespräch am 25. November 1980 habe der Kläger das Angebot, selbst zu kündigen, mit der Begründung abgelehnt, er vermöge nicht einzusehen, daß seine Beratungstätigkeit unter dem Vorwurf des homosexuellen Verhaltens leide.
Dieses Verhalten des Klägers stelle eine schwere Dienstpflichtverletzung dar, die eine Weiterbeschäftigung unzumutbar, in jedem Falle aber auf Dauer nicht tragbar mache. Auch ein homophil Veranlagter könne im kirchlichen Dienst beschäftigt werden, sofern er den Verzicht auf Praktizierung der Homosexualität bejahe. Homosexuelle Neigungen könnten zwar ein Risiko für einen kirchlichen Berufsweg darstellen; sie allein zögen aber noch keine dienstrechtlichen Folgen nach sich. Homosexuelle Praxis sei jedoch unvereinbar mit christlichen Grundsätzen. Werde homosexuelle Partnerschaft öffentlich vertreten, so liege ein Verstoß gegen den Inhalt der kirchlichen Lehrverpflichtung vor. Der Kläger habe seine Homosexualität in der Öffentlichkeit praktiziert, wie der Vorfall in Hannover zeige. In seinem Arbeitsvertrag habe er sich aber zur Befolgung der christlichen Grundsätze auch in seiner persönlichen Lebensführung verpflichtet. Im Rahmen ihrer verfassungsrechtlich geschützten Autonomie könne die Kirche dies von ihren Mitarbeitern auch verlangen. Der Kläger nehme in verantwortlicher Stellung an der Verwirklichung des kirchlichen Auftrags im karitativen Bereich teil. Er könne im Hinblick auf das gezeigte Verhalten seine Beratungstätigkeit, die ihn jederzeit auch mit Fällen von Homosexualität konfrontieren könne, nicht mehr glaubwürdig durchführen. Das außerdienstliche homosexuelle Verhalten gefährde die dienstliche Tätigkeit des Klägers und brauche schon aus Gründen des Tendenzschutzes nicht hingenommen zu werden.
Der Kläger hat erwidert, er stelle nicht in Abrede, homosexuell veranlagt zu sein. Er bestreite aber die von dem Beklagten geschilderten näheren Umstände im Fall H. Die Haltung des Beklagten sei von Vorurteilen geprägt. Mit seiner Beratungstätigkeit für Erwachsene nehme er nicht an dem Verkündigungsauftrag der Evangelischen Kirche teil. Er habe auch nicht gegen kirchliche Grundsätze verstoßen. Homosexuelle Praxis könne nur dann dienstliche Folgen nach sich ziehen, wenn sie öffentlich vertreten werde. Dies habe er aber nicht getan.
Das Arbeitsgericht hat eine Auskunft der Evangelischen Kirche von Westfalen vom 10. Februar 1981 eingeholt, der Stellungnahmen mehrerer kirchlicher Stellen zur Frage der Beschäftigung von Homophilen im Dienst der Kirche beigefügt worden sind. Es hat dem Feststellungsantrag stattgegeben und die Klage im übrigen abgewiesen.
Gegen dieses Urteil hat nur der Beklagte Berufung eingelegt und den Hilfsantrag gestellt, das Arbeitsverhältnis aufzulösen. Er hat hierzu vorgetragen, von Eltern, die anonym bleiben wollten, habe er inzwischen erfahren, daß der Kläger aktiv in der "Schwulen-Initiative-M ", die sich "SCHWIM" nenne, tätig sei. Diese Initiative halte Treffen ab, an denen der Kläger teilnehme.
Der Kläger hat beantragt, den Auflösungsantrag abzuweisen und erklärt, die "SCHWIM" sei eine Gegenreaktion von Homosexuellen auf ihre in der Öffentlichkeit immer noch bestehende Diskriminierung.
Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Beklagte seine zuletzt in der Berufungsinstanz gestellten Anträge weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet, soweit sie sich gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts zu den beiden Kündigungen des Beklagten wendet (A). Zum Auflösungsantrag des Beklagten führt sie zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (B).
A. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, daß die außerordentliche Kündigung des Beklagten rechtsunwirksam und die vorsorgliche ordentliche Kündigung sozial ungerechtfertigt ist.
I. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet das Kündigungsschutzgesetz Anwendung, auch wenn der Beklagte an der durch Art. 140 GG i.Verb.m.Art. 137 Abs. 3 Weimarer Reichsverfassung (WRV) verfassungsrechtlich gesicherten Kirchenautonomie teilnimmt.
1. Nach Art. 137 Abs. 3 WRV sind nicht nur die organisierte Kirche und deren rechtlich selbständige Teile, sondern alle der Kirche in bestimmter Weise zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform Objekte, bei deren Ordnung und Verwaltung die Kirche grundsätzlich frei ist, wenn sie nach kirchlichem Selbstverständnis ihrem Sinn oder ihrer Aufgabe entsprechend dazu berufen sind, ein Stück Auftrag der Kirche in dieser Welt wahrzunehmen und zu erfüllen. Maßgebendes Kriterium für die Zuordnung einer Einrichtung zur Kirche ist nicht die Zugehörigkeit zur Kirchenverwaltung; es genügt vielmehr, daß die in Frage stehende Einrichtung der Kirche so nahe steht und teil hat an der Verwirklichung eines Stücks Auftrag der Kirche im Geist christlicher Religiosität, im Einklang mit dem Bekenntnis der christlichen Kirche und in Verbindung mit den Amtsträgern der Kirche (BVerfGE 46, 73, 85 ff. = AP Nr. 1 und BVerfGE 53, 366, 391 ff. = AP Nr. 6 zu Art. 140 GG).
2. Der Beklagte ist eine der Evangelischen Kirche von Westfalen, einer der Gliedkirchen der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD), zugeordnete Einrichtung. Er gehört zum Diakonischen Werk dieser Kirche. Dieses ist Mitglied des "Diakonischen Werks der Evangelischen Kirche in Deutschland e.V.", durch das die EKD ihre Diakonischen Aufgaben wahrnimmt (vgl. Evangelisches Soziallexikon, 7. Aufl., 1980, S. 703). Nach der Satzungs-Präambel des Diakonischen Werks hat die Kirche den Auftrag, Gottes Liebe zur Welt in Jesus Christus allen Menschen zu bezeugen. Diakonie ist eine Gestalt dieses Zeugnisses und nimmt sich der Menschen in leiblicher Not, in seelischer Bedrängnis und in sozial ungerechten Verhältnissen an. Sie richtet sich in ökumenischer Weise an Christen und Nichtchristen. Gemäß dem Verständnis der Diakonie als soziale Gestalt der Kirche ist das Diakonische Werk der institutionelle Ausdruck einer Lebens- und Wesensäußerung der Kirche (vgl. Evangelisches Soziallexikon, S. 250; § 1 Abs. 1 und 3 der Arbeitsvertragsrichtlinien - AVR - des Diakonischen Werks, abgedruckt bei Scheffer, Kommentar zu den AVR). Zu den Arbeitsbereichen des Diakonischen Werks gehören u. a. auch die Hilfe für Mütter, Ehe und Familie durch Ehe- und Schwangerschaftsberatung, die Hilfe für Behinderte durch psychologische Hilfe in Werkstätten und Beratungsstellen im Bereich der beruflichen und sozialen Rehabilitation geistig behinderter Menschen sowie die Hilfe für Kranke und sozial Behinderte durch Beratung (vgl. Evangelisches Soziallexikon, S. 251). Der Beklagte stellt somit Wesens- und Lebensäußerung einer Kirche dar und kann deshalb die verfassungsrechtlich garantierte Kirchenautonomie in Anspruch nehmen.
3. Das für die Kirchen anerkannte Recht, ihre Angelegenheiten selbst zu ordnen und zu verwalten, steht der Kirche gemäß Art. 140 GG i. Verb. m. Art. 137 Abs. 2 WRV jedoch nur "innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes" zu. Das Kündigungsschutzgesetz ist ein solches für alle geltendes Gesetz. Es gilt deshalb auch für die im Dienst der erzieherischen und karitativen Einrichtungen der Kirche stehenden Arbeitnehmer, selbst wenn diese ihre Tätigkeit in Bindung an den übergeordneten Auftrag der Kirche ausüben. Die besonderen in der kirchlichen Autonomie begründeten Belange des kirchlichen Arbeitgebers sind im Rahmen der für die ordentliche Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG und für die außerordentliche Kündigung nach § 626 Abs 1 BGB gebotenen Interessenabwägung zu berücksichtigen (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. zuletzt BAG 34, 195, 203 = AP Nr. 7 zu Art. 140 GG, zu B II 1 der Gründe, sowie das Senatsurteil vom 21. Oktober 1982 - 2 AZR 591/80 - zu B I 3 der Gründe - BB 1983, 2052).
II. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, ein Grund für die soziale Rechtfertigung der ordentlichen Kündigung sei nicht gegeben.
Die Kirche könne in Wahrnehmung ihres verfassungsrechtlich gewährleisteten Selbstbestimmungsrechts in ihren Einrichtungen die von ihrem Verkündungsauftrag her gebotenen Vorausssetzungen für die Loyalitätspflichten der im kirchlichen Dienst tätigen, an der Verkündigung, wenn auch abgestuft, teilhabenden Arbeitnehmer festlegen. Die vom Kläger geleistete Arbeit entspringe nach dem kirchlichen Selbstverständnis ihrem diakonischen Auftrag. Der Beklagte könne somit erwarten, daß der Kläger seine Lebensführung, und zwar auch im außerdienstlichen Bereich, den Gesetzen der Kirche entsprechend einrichte.
Homosexualität eines an der Erfüllung kirchlicher Aufgaben teilhabenden Mitarbeiters sei somit nicht allein seine Privatsache. Soweit allerdings lediglich eine homophile Neigung bestehe, die sich nicht nach außen hin offenbare und auch nicht offen vertreten werde, sei dies kündigungsrechtlich ohne Bedeutung, da die Neigung allein keine schwerwiegenden direkten oder indirekten Rückwirkungen auf das Arbeitsverhältnis habe. Dies ergebe sich aus den vorgelegten kirchlichen Stellungnahmen.
Ein kündigungserhebliches Verhalten des Klägers läge somit vor, wenn er seine Homosexualität offen leben und eine homosexuelle Partnerschaft als der Ehe gleichwertig öffentlich vertreten würde. Auch wenn der Kläger sich im Falle H so verhalten habe, wie es der Beklagte behaupte, liege darin kein öffentliches Leben der Homosexualität. Gleiches gelte für eine Teilnahme an Treffen der "SCHWIM", die deshalb als richtig unterstellt werden könne. Wenn das Ziel dieser Initiative, wie der Kläger unwidersprochen vorgetragen habe, darin bestehe, sich gegen die öffentliche Diskriminierung zu wehren, so bedeute dies noch nicht , daß der Kläger die Homosexualität im Sinne der kirchlichen Stellungnahmen öffentlich vertrete. Der Kläger habe auch nicht die Ansicht vertreten, daß homosexuelle Partnerschaft eine der Ehe gleichwertige Lebensgemeinschaft darstelle. Für seine Befürchtung, der Kläger gefährde durch seine Homosexualität die von ihm betreuten Personen, habe der Beklagte keine konkreten Tatsachen vorgetragen.
III. Diese Begründung vermag das angefochtene Urteil, wie die Revision insoweit zu Recht rügt, nicht zu tragen.
1. Bei der Frage der Sozialwidrigkeit einer Kündigung handelt es sich um die Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe, die vom Revisionsgericht grundsätzlich nur darauf nachgeprüft werden können, ob die Rechtsbegriffe selbst verkannt sind, ob bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob bei der Interessenabwägung alle wesentlichen Umstände berücksichtigt worden sind (vgl. BAG 1, 99 = AP Nr. 5 zu § 1 KSchG; BAG 1, 117 = AP Nr. 6 zu § 1 KSchG; seit dem ständige Rechtsprechung). Auch bei Anwendung dieser eingeschränkten Prüfungsmaßstäbe hält das angefochtene Urteil der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
2. Das vom Berufungsgericht anerkannte Recht der Kirche, kraft ihrer Autonomie in ihren karitativen Einrichtungen die von ihrer Sendung her gebotenen Voraussetzungen für die Loyalitätspflicht der im kirchlichen Dienst tätigen, an der Verkündigung teilhabenden Arbeitnehmer festzulegen, folgt aus der zur Vermeidung der Unglaubwürdigkeit der Kirche gebotenen Untrennbarkeit von Dienst und Verkündigung. Der Träger einer kirchlichen Einrichtung muß darauf bestehen, daß die für ihn handelnden Personen jene Grundsätze, die sie darstellen sollen, selbst beachten. Der Arbeitnehmer, der durch seine Arbeitsleistung an der Erfüllung des Auftrags der Kirche mitwirkt, ist verpflichtet, auch im außerdienstlichen Bereich seine Lebensführung so einzurichten, daß sie grundlegenden Gesetzen der Kirche entspricht.
Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 34, 195 sowie Senatsurteil vom 21. Oktober 1982 - aaO - zu B II der Gründe) müssen die dem Arbeitnehmer im kirchlichen Dienst auferlegten Loyalitätspflichten jedoch der übertragenen Aufgabe entsprechen. Nicht jede Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis zur Kirche hat eine solche Nähe zu spezifisch kirchlichen Aufgaben, daß der die Tätigkeit ausübende Arbeitnehmer mit der Kirche identifiziert und deshalb die Glaubwürdigkeit der Kirche berührt wird, wenn er sich in seiner Lebensführung nicht an die tragenden Grundsätze der kirchlichen Glaubens- und Sittenlehre hält. Solche gesteigerten Anforderungen können vom Arbeitgeber nur gestellt werden, wenn das außerdienstliche Verhalten Rückwirkungen auf das Arbeitsverhältnis mit sich bringt. Der Umfang der Loyalitätspflichten der Arbeitnehmer im kirchlichen Dienst ist deshalb nach der Nähe ihrer Aufgabe zum Auftrag der Kirche, der in der kirchlichen Einrichtung erfüllt wird, zu bestimmen. Es ist entscheidend darauf abzustellen, ob der diese Tätigkeit ausübende Arbeitnehmer mit der Kirche identifiziert und durch das jeweils infrage stehende beanstandete Verhalten die Glaubwürdigkeit der Kirche berührt wird.
3. Mit diesen Grundsätzen stimmt die Ansicht des Berufungsgerichts überein, der Kläger nehme mit seiner Tätigkeit im Bereich der Konfliktberatung an der Verwirklichung der Diakonie als einer Lebens- und Wesensäußerung der Kirche in einem Umfang teil, die es ihm gebiete, auch im außerdienstlichen Bereich die kirchlichen Verhaltensregeln für im Dienst der Kirche bzw. deren Einrichtungen stehende Mitarbeiter mit homophilen Neigungen zu beachten. Es braucht nicht entschieden zu werden, ob ein in der Konfliktberatung tätiger, im Dienst des Diakonischen Werks stehender Psychologe seine gesamte Lebensführung nach sämtlichen Gesetzen der Kirchen ausrichten muß. Die Gefährdung der Glaubwürdigkeit der Kirche ist das entscheidende Kriterium für die Bestimmung des Umfangs der Loyalitätspflichten ihrer Arbeitnehmer. Deshalb kommt es nicht nur auf die Nähe der dienstlichen Aufgabe des Arbeitnehmers zu dem kirchlichen Auftrag, sondern auch auf die Bedeutung des kirchlichen Grundsatzes, gegen den der Arbeitnehmer konkret verstoßen hat, für die Erfüllung der dienstlichen Aufgabe an. Je näher der Arbeitnehmer zum Verkündigungsauftrag der Kirche steht, etwa als Lehrer oder Erzieher in einer kirchlichen Privatschule, desto weitgehender ist um der Glaubwürdigkeit der Kirche willen seine Bindung an die kirchlichen Gesetze. Im vorliegenden Fall geht es um Verhaltenspflichten kirchlicher Mitarbeiter mit homophilen Neigungen. Der Kläger übt unmittelbar eine von der Diakonie als Lebensäußerung der Kirche umfaßte beratende Tätigkeit für seelisch oder geistig kranke und hilfsbedürftige Menschen aus. Eine solche Konfliktberatung berührt auch sexuelle Probleme dieses Personenkreises und erfordert deshalb von dem Berater eine gesteigerte sexuelle Integrität. Der Beklagte als Einrichtung des Diakonischen Werks seiner Landeskirche kann somit grundsätzlich verlangen, daß ein homophil veranlagter Berater die von der Kirche für diesen Bereich aufgestellten Verhaltensregeln beachtet, wenn die Glaubwürdigkeit der Kirche in ihrer Lebensäußerung Diakonie erhalten bleiben soll.
4. Soweit das Berufungsgericht bereis eine Verletzung kirchlicher Verhaltenspflichten und damit das Vorliegen eines vertragswidrigen Verhaltens des Klägers verneint, beruht diese Ansicht auf einer unrichtigen Auslegung der Grundsätze, die die Evangelische Kirche von Westfalen, zu deren Diakonischem Werk der Beklagte gehört, als für sich verbindlich anerkennt. Aus den vom Berufungsgericht verwendeten Stellungnahmen ergibt sicht nicht, daß nur öffentlich ausgeübte Homosexualität oder öffentlich vertretene homosexuelle Partnerschaft den kirchlichen Grundsätzen widersprechen.
a) In der Vorläufigen Stellungnahme des Theologischen Ausschusses der VELKD zum Problem der Homosexualität von Pfarrern vom 12. September 1979 heißt es, der Pfarrer solle der Verpflichtung seines Amtes nicht durch individuelle Haltungen ausdrücklich widersprechen. Werde darum die Homosexualität offen und mit dieser Absicht bekannt, so widerspreche sie dem Maßstab kirchlicher Lehre, da die Kirche nicht durch ihre Amtsträger ein Wegweiser in die Homosexualität sein wolle. Deshalb widerspreche die offen gelebte und öffentlich vertretene Homosexualität der wegweisenden Aufgabe des Pfarramtes als eines Amtes der Kirche; entsprechendes gelte für kirchliche Mitarbeiter. Diese Stellungnahme will jedoch nach ihrem Vorspruch diese Frage nicht abschließend behandeln. Ihr kann deshalb nicht entnommen werden, daß ausschließlich die Ausdrucksformen einer offen gelebten oder öffentlich vertretenen Homosexualität eine Amtspflichtverletzung eines kirchlichen Mitarbeiters darstellen kann.
b) Dies wird deutlich durch die spätere, ebenfalls von der VELKD herausgegebenen Orientierungshilfe "Gedanken und Maßstäbe zum Dienst von Homophilen in der Kirche" vom 9. Januar 1980, die die Problematik des Dienstes von Homosexuellen in der Kirche umfassend behandelt. Dort wird zwar zunächst (unter 5.1) wiederum das Vertreten einer als der Ehe gleichwertigen homosexuellen Partnerschaft in der Verkündigung oder im Leben eines kirchlichen Mitarbeiters als Verstoß gegen die öffentliche Verkündigung der Kirche angesprochen. Später aber heißt es (unter 5.2.1 a.E.), die Kirchenleitung müsse darauf hinweisen, daß das öffentliche Vertreten etwa von homosexueller Partnerschaft in Leben und Lehre mit der Lehrverpflichtung der Kirche nicht übereinstimmt und daß nach Bekanntwerden einer homophilen Praxis eines kirchlichen Mitarbeiters diese unter bestimmten Umständen auch als Amtspflichtverletzung gesehen werden kann. Wenn von Bekanntwerden einer homophilen Praxis die Rede ist, so ist damit eindeutig keine offen gelebte oder vertretene Homosexualität gemeint. Dies wird dann erstmals in dem folgenden und insoweit auch vom Berufungsgericht richtig zitierten Absatz deutlich. Dort wird zunächst klargestellt, daß homosexuelle Neigung allein noch keine dienstrechtlichen Folgen nach sich ziehe. Anschließend wird ausgeführt, dies könne bei homosexueller Partnerbeziehung oder homosexueller Praxis der Fall sein, und abschließend wird wiederum das öffentliche Vertreten der homosexuellen Partnerschaft als besondere Ausdrucksform der Homosexualität hervorgehoben und als Verstoß gegen den Inhalt der kirchlichen Lehrverpflichtung bezeichnet. Wenn aber beide vorgenannten Ausdrucksformen der Homosexualität dienstrechtliche Folgen nach sich ziehen "können", so folgt daraus, daß es hier auf die näheren Fallumstände ankommen soll, während das zuletzt umschriebene Verhalten immer einen Pflichtverstoß darstellt. Somit kann nach dieser Stellungnahme bereits die homosexuelle Praxis und nicht erst das offene Leben der Homosexualität eines kirchlichen Mitarbeiters eine Dienstpflichtverletzung darstellen.
c) Das Berufungsgericht hat schließlich auch die Auskunft des Landeskirchenamts vom 10. Februar 1981 mißverstanden. Dort wird (unter 3) einleitend und ohne Einschränkung ausgeführt, daß die Praktizierung der Homosexualität nicht als ein Verhalten nach kirchlichen Grundsätzen bezeichnet werden kann. Anschließend an das dann angesprochene eheähnliche Verhältnis heißt es nochmals ausdrücklich, auch der homosexuell Veranlagte könne in den kirchlichen Dienst übernommen werden, sofern er den Verzicht auf die Praktizierung der Homosexualität bejahe. Mit dem folgenden Satz, daß der Dienst der Kirche in dem Augenblick berührt sei, in dem eine homosexuelle Partnerschaft als mögliche Form des Zusammenlebens vertreten werde, wird dieses auch in den beiden vorstehend erwähnten Stellungnahmen gewürdigte Verhalten als der schwerste Pflichtverstoß herausgestellt. Auch aus dem Schreiben des Landeskirchenamts an den Beklagten vom 18. Februar 1981 ergibt sich, daß nicht erst dieses Verhalten als Pflichtverstoß angesehen wird; der homosexuell veranlagte Mitarbeiter ist im kirchlichen Dienst nur tragbar, sofern er auf die Praktizierung der Homosexualität verzichtet. Diese kirchliche Stellungnahme ist maßgebend, weil der Beklagte zum Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche von Westfalen gehört und deshalb diese Kirche kraft ihres Selbstbestimmungsrechts die Loyalitätspflichten auch der Mitarbeiter des Beklagten festlegen kann. Verwertbar sind aber auch die vorläufige Stellungnahme sowie die Orientierungshilfe, weil in der Auskunft auf diese Bezug genommen worden ist.
5. Trifft somit der Sachvortrag des Beklagten zum Fall H zu, so hat der Kläger insoweit homosexuelle Praxis ausgeübt und gegen eine Vertragspflicht verstoßen. Das Berufungsgericht durfte deshalb nicht diesen bestrittenen Sachvortrag als richtig unterstellen und gleichwohl bereits das Vorliegen eines als Kündigungsgrund in Betracht kommenden Fehlverhaltens des Klägers verneinen.
IV. Das angefochtene Urteil beruht jedoch nicht auf diesem Rechtsfehler, weil es sich aus einem anderen Grund als richtig darstellt (§ 563 ZPO). Das von dem Beklagten behauptete Verhalten des Klägers im Fall H war deshalb nicht geeignet, dem Beklagten einen Grund zur fristlosen oder ordentlichen Kündigung zu geben, weil es an einer im Hinblick auf die besonderen Umstände des Falles erforderlichen vorherigen Abmahnung des Klägers fehlt.
1. Nach den allgemeinen Grundsätzen des Kündigungsschutzrechts ist bei einem pflichtwidrigen Verhalten des Arbeitnehmers, das sich als Störung im Leistungsbereich auswirkt, in der Regel vor Ausspruch einer Kündigung eine vergebliche Abmahnung erforderlich, es sei denn, daß im Einzelfall besondere Umstände vorgelegen haben, aufgrund derer eine Abmahnung als entbehrlich angesehen werden durfte (ständige Rechtsprechung des BAG; vgl. BAG Urteil vom 28. Oktober 1971 - 2 AZR 15/71 - AP Nr. 62 zu § 626 BGB, zu II 2 d der Gründe; Urteil vom 29. Juli 1976 - 3 AZR 50/75 - AP Nr. 9 zu § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung, zu 4 c der Gründe; Urteil vom 18. Januar 1980 - 7 AZR 75/78 - AP Nr. 3 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung, zu 2 a der Gründe m.w.N.). Im Entscheidungsfall liegt allerdings das von dem Beklagten behauptete Fehlverhalten des Klägers im Fall H im Vertrauensbereich, nach dem der Kläger, wie ausgeführt, verpflichtet war, sich auch im außerdienstlichen Bereich homosexualer Praxis zu enthalten. Auch ein Fehlverhalten im Vertrauensbereich berechtigt jedoch dann nicht ohne vorherige erfolglose Abmahnung zum Ausspruch einer Kündigung, wenn der Arbeitnehmer mit vertretbaren Gründen annehmen konnte, sein Verhalten sei nicht vertragswidrig oder werde vom Arbeitgeber zumindest nicht als ein erhebliches, den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdendes Fehlverhalten angesehen (vgl. Hueck, KSchG, 10. Aufl., § 1 Rz 90 a; KR-Hillebrecht, § 626 BGB Rz 100).
Diese allgemeinen Grundsätze des Kündigungsschutzrechts gelten für die Arbeitsverhältnisse kirchlicher Mitarbeiter ebenso wie der Grundsatz der Interessenabwägung, der es verbietet, ohne Rücksicht auf die Umstände des Einzelfalls in jedem Loyalitätsverstoß von einigem Gewicht bereits einen Grund zur Trennung von dem Arbeitnehmer zu sehen (vgl. dazu Senatsurteil vom 21. Oktober 1982 - aaO - zu B II 3 b der Gründe).
2. Nach diesen Grundsätzen bedurfte es im Entscheidungsfall einer Abmahnung des Klägers.
Dem Kläger wird ausschließlich ein außerdienstliches Fehlverhalten zur Last gelegt. Die Vorgänge haben sich außerhalb seines Dienstbereichs in der Anonymität einer entfernten Großstadt abgespielt, die der Kläger offensichtlich bewußt gesucht hat, um jedes Aufsehen zu vermeiden. Es liegt auch kein anstößiges Verhalten in der Öffentlichkeit vor. Auch nach der Darstellung des Beklagten wurden weder Strichlokale besucht noch wurde Geld gegeben. Das Verhalten des Klägers hat auch nicht in den dienstlichen Bereich übergegriffen. Der Beklagte hat nicht vorgetragen, daß der Kläger bisher in der Ausübung seines Dienstes, an seiner Arbeitsstelle oder gegenüber Kollegen als Homosexueller auch nur andeutungsweise in Erscheinung getreten sei. Die behauptete homosexuelle Praxis des Klägers war auch bis zur Mitteilung der Beziehungen zu seinem Partner durch dessen Mutter nicht bekannt gewesen.
Dem Kläger können auch vertretbare Gründe für seine Annahme zugebilligt werden, daß ein solches Verhalten von dem Beklagten zumindest nicht als eine den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdende Pflichtverletzung angesehen werde. Die Beurteilung der Homosexualität hat in der Gesellschaft eine erhebliche Veränderung erfahren, die nicht allein in der Abschaffung der Strafbarkeit der "einfachen" Homosexualität zwischen erwachsenen Männern durch den Gesetzgeber ihren Niederschlag gefunden hat. Auch im Bereich des staatlichen Beamtenrechts wird "einfaches" homosexuelles Verhalten außerhalb des Dienstes ohne besondere Dienstbezogenheit (kein provokatives Hineintragen der homosexuellen Neigungen in den dienstlichen Bereich) nicht mehr als Dienstvergehen angesehen (BVerwGE 43, 157, 161). Schließlich haben auch für den Bereich des Dienstrechts der kirchlichen Mitarbeiter beide Vorinstanzen die vom Beklagten vorgelegten kirchlichen Stellungnahmen dahingehend gewürdigt, daß nur das öffentliche Leben der Homosexualität und das öffentliche Vertreten einer homosexuellen Partnerschaft als einer der Ehe gleichwertige Form des Zusammenlebens als Verstoß gegen wesentliche kirchliche Grundsätze angesehen werde. Ferner wird in der Orientierungshilfe der VELKD (unter 5.2.1), wie ausgeführt, die Ansicht vertreten, daß allein die homosexuelle Praxis eines kirchlichen Mitarbeiters - im Gegensatz zum öffentlichen Vertreten einer homosexuellen Partnerschaft - nicht zwingend dienstrechtliche Folgerungen nach sich ziehen muß, sondern es insoweit auf die Umstände des Falles ankommen solle. Es handelt sich somit im Entscheidungsfall nicht, wie etwa für ein Mitglied der katholischen Kirche bei der Wiederverheiratung mit einem geschiedenen Ehepartner, um einen auch subjektiv von dem Arbeitnehmer nicht ernsthaft in Zweifel zu ziehenden Pflichtverstoß.
Es lagen auch keine besonderen Umstände vor, die eine Abmahnung entbehrlich gemacht hätten. Im Hinblick auf die vorstehend dargelegten Umstände kann die Einstellung des Klägers zu dem ihm angelasteten Fehlverhalten jedenfalls im Zeitpunkt des Ausspruchs der beiden Kündigungen nicht als derart uneinsichtig angesehen werden, daß eine Abmahnung von vornherein als zwecklos hätte betrachtet werden können. Dies gilt auch für die zwei Monate nach der außerordentlichen Kündigung ausgesprochene ordentliche Kündigung, nachdem der Beklagte dem Kläger keine Chance eingeräumt hatte, durch eine Änderung seiner Einstellung den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zu sichern.
3. Der Beklagte hat den Kläger nicht abgemahnt. Eine Abmahnung liegt vor, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer deutlich und ernsthaft ermahnt und ihn auffordert, ein genau bezeichnetes Fehlverhalten zu ändern bzw. aufzugeben, und damit den Hinweis verbindet, daß im Wiederholungsfall der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet sei (BAG Urteil vom 18. Januar 1980, aaO). Dem Arbeitnehmer muß damit Gelegenheit gegeben werden, durch Änderung seines Verhaltens in Zukunft eine Kündigung abzuwenden. Im Entscheidungsfall wurde der Kläger jedoch lediglich vor die Alternative gestellt, im Hinblick auf ein in der Vergangenheit liegendes Fehlverhalten zur Vermeidung einer Entlassung selbst zu kündigen.
4. In der vom Beklagten weiter beanstandeten Teilnahme des Klägers an Veranstaltungen der "SCHWIM" hat das Berufungsgericht mit zutreffender Begründung kein vertragswidriges Verhalten des Klägers gesehen. Nach dem Vortrag des Klägers wendet sich diese Initiative gegen die öffentliche Diskriminierung der Homosexualität. Der Beklagte hat in den Vorinstanzen nicht behauptet, die Initiative trete provokativ in Erscheinung; die Ausführungen der Revision zu ihren vermeintlichen Zielen stellen nur Mutmaßungen dar. Die Teilnahme an Veranstaltungen mit dieser Zielsetzung hat das Berufungsgericht jedoch zu Recht nicht als ein öffentliches Leben der Homosexualität im Sinne der vorgelegten kirchlichen Stellungnahmen gewertet.
V. Soweit das Berufungsgericht der gegen die beiden Kündigungen gerichteten Feststellungsklage stattgegeben hat, war das angefochtene Urteil somit zu bestätigen und die Revision zurückzuweisen.
B. Über den Auflösungsantrag des Beklagten kann jedoch noch nicht abschließend entschieden werden. Hierzu bedarf es weiterer tatsächlicher Feststellungen und ihrer Würdigung durch das Berufungsgericht. Die Sache mußte deshalb insoweit zurückverwiesen werden.
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Beklagte habe sich zur Begründung seines Auflösungsantrags auf dieselben Tatsachen berufen, mit denen er die Kündigungen zu rechtfertigen versucht habe. Da diese jedoch keinen Vertragsverstoß darstellten, könnten sie auch keine Auflösung des Arbeitsverhältnisses begründen. Für die Befürchtung, insbesondere im Hinblick auf die Überschaubarkeit des Arbeitsorts, einer kleineren Stadt, sei der Kläger nach Bekanntwerden seiner Homosexualität nicht mehr in der Lage, glaubwürdig seine dienstlichen Aufgaben wahrzunehmen, habe der Beklagte keine konkreten Tatsachen angeführt.
II. Mit dieser Begründung kann das angefochtene Urteil nicht gehalten werden. Da der Beklagte mit dem Fall H entgegen der Annahme des Berufungsgerichts eine Pflichtverletzung des Klägers vorgetragen hat, die nur wegen fehlender Abmahnung keine Kündigung zu rechtfertigen vermag, entfällt der tragende Grund für die Würdigung des Berufungsgerichts, es liege auch kein Auflösungsgrund vor.
1. Erweist sich, wie im Entscheidungsfall, eine außerordentliche Kündigung als unwirksam, hat der Arbeitgeber jedoch vorsorglich ordentlich gekündigt, so kann er für den Fall einer sich ergebenden Sozialwidrigkeit der vorsorglich erklärten ordentlichen Kündigung die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum Ablauf der Kündigungsfrist begehren (BAG Urteil vom 26. Oktober 1979 - 7 AZR 752/77 - AP Nr. 5 zu § 9 KSchG 1969, zu A II 1 der Gründe). Vorliegend hat der Beklagte die Auflösung des Arbeitsverhältnisses erkennbar lediglich für den Fall der Sozialwidrigkeit der vorsorglich zum 31. März 1981 erklärten ordentlichen Kündigung begehrt.
2. Auch für die soziale Rechtfertigung einer ordentlichen Kündigung nicht ausreichende Gründe können nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Begründung eines Auflösungsantrags des Arbeitgebers herangezogen werden (vgl. BAG 9, 131, 133 = AP Nr. 7 zu § 7 KSchG, zu II 1 der Gründe; BAG 28, 196 = AP Nr. 3 zu § 9 KSchG 1969, zu 3 a der Gründe). Für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses ist, anders als für die Beurteilung der Sozialwidrigkeit der Kündigung, eine Vorausschau auf die künftige Gestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien abzustellen. Deshalb kommt es nicht auf den Zeitpunkt der Kündigung an, sondern im Zeitpunkt der Entscheidung über den Auflösungsantrag ist zu fragen, ob in Zukunft eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zu erwarten ist. Der erkennende Senat hat in dem letztgenannten Urteil ausgesprochen, zur Rechtfertigung des Auflösungsantrags des Arbeitgebers müßten bei Vorliegen von Gründen, die die Kündigung selbst nicht rechtfertigten, noch zusätzliche Tatsachen vorgetragen werden. Wie sich aus den folgenden Ausführungen dieses Urteils (zu 3 b und 4 der Gründe) ergibt, hat der Senat damit nur einen auf die Zukunft gerichteten, ins einzelne gehenden Vortrag der Tatsachen gefordert, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Parteien nicht mehr erwarten lassen. Dies müssen aber nicht notwendig neue, erst nach Ausspruch der Kündigung eingetretene Tatsachen sein. Der Arbeitgeber muß nur darlegen, welche der zur Kündigung vorgetragenen Tatsachen auch für den Auflösungsantrag herangezogen werden und aus welchem Grund diese einer weiteren gedeihlichen Zusammenarbeit entgegenstehen (Senatsurteil vom 25. Januar 1979 - 2 AZR 259/77 - zu III 1 der Gründe, nicht veröffentlicht).
3. Der Sachvortrag des Beklagten genügt diesen an die Rechtfertigung des Auflösungsantrags zu stellenden Anforderungen. Der Beklagte hat in der Berufungsbegründungsschrift getrennt von dem Vorbringen zur Kündigung herausgestellt, aus welchen Gründen er zumindest eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit für die Zukunft nicht mehr für gewährleistet erachtet.
4. Für die nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG anzustellende Vorausschau kommt es darauf an, ob ein Verhalten des Arbeitnehmers vorliegt, das objektiv die Besorgnis des Arbeitgebers rechtfertigt, die weitere gedeihliche Zusammenarbeit sei unwahrscheinlich oder auch gefährdet; hierbei sind auch die besonderen Verhältnisse des Arbeitgebers zu berücksichtigen (vgl. BAG 9, 131, 133).
Für den Entscheidungsfall ist insoweit zunächst erheblich, ob der Vortrag des Beklagten zum Fall H zutrifft, da nur dann vor Ausspruch der beiden Kündigungen eine Pflichtverletzung des Klägers vorliegen würde. Diesen bestrittenen Sachverhalt muß das Berufungsgericht aufklären. Da der Beklagte hierzu substantiiert vorgetragen hat und dieser Vortrag erheblich ist, genügt der Kläger seiner Erklärungspflicht (§ 138 Abs. 2 ZPO) nicht mehr, wenn er, wie bisher, sich lediglich dahin einläßt, er bestreite die vom Beklagten geschilderten näheren Umstände dieses Falles. Der Beklagte hat eigene Handlungen des Klägers behauptet. Im Rahmen seiner Erklärungspflicht muß der Kläger daher im einzelnen darlegen, in welchem Umfang er das Vorbringen des Beklagten bestreitet.
Für die Entscheidung über den Auflösungsantrag ist weiter von Bedeutung, wie sich der Kläger für die Zukunft zur Frage des Verzichts auf homosexuelle Praxis stellt, nachdem er nun nicht mehr geltend machen kann, er sei hierzu dem Beklagten gegenüber nicht verpflichtet. Das Berufungsgericht hatte vor dem Hintergrund seiner Übereinstimmung mit der vom Kläger vertretenen Auffassung keine Veranlassung, in dieser Richtung Erwägungen anzustellen.
Da es für die Entscheidung über den Auflösungsantrag auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz ankommt, können im Entscheidungsfall ferner auch noch weitere bis zur Entscheidung im zurückverwiesenen Verfahren eingetretene oder eintretende Tatsachen verwertet werden, sofern sie für die Prognose einer den Betriebszwecken dienlichen weiteren Zusammenarbeit von Bedeutung sein können.
Dr. Röhsler Triebfürst Dr. Weller
Jansen Strümper
Fundstellen
NJW 1984, 1917-1919 (LT1) |
BlStSozArbR 1984, 229-229 (T) |
AP, (LT1) |
AR-Blattei, ES 960 Nr 25 (LT1) |
AR-Blattei, Kirchenbedienstete Entsch 25 (LT1) |
EzA § 1 KSchG Tendenzbetrieb, Nr 14 (LT1) |
ZfSH/SGB 1984, 273-275 (LT1) |