Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Kündigung. Kirchenaustritt als Kündigungsgrund. Kirchlicher Arbeitgeber. Mitarbeiter der Diakonie. Vertrauensstellung. Vorherige Abmahnung
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein wichtiger Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB liegt nach § 32 Abs. 2 AVR Diakonisches Werk insbesondere vor bei Vertrauensbrüchen oder groben Achtungsverletzungen gegenüber der Kirche oder ihrer Diakonie, bei Austritt aus der evangelischen Kirche oder schweren Vergehen gegen die Gebote der kirchlichen Lebensordnung.
2. Tritt ein Gruppenleiter einer Behindertenwerkstatt der Diakonie aus der Kirche aus, stellt dieses Verhalten nach den eigenbestimmten Grundsätzen der Evangelischen Kirche und der Diakonie einen schwerwiegenden Vertragsverstoß dar und berechtigt den kirchlichen Arbeitgeber ohne vorherige Abmahnung zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses.
Normenkette
BGB § 626 Abs. 1; KSchG § 1 Abs. 2; Arbeitsvertragsrichtlinien Diakonisches Werk § 32 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt (Oder) (Urteil vom 15.05.2003; Aktenzeichen 5 Ca 563/03) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt (Oder) vom 15.05.2003 – 5 Ca 563/03 – teilweise abgeändert und die Klage abgewiesen, soweit das Arbeitsgericht festgestellt, hat, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die vorsorglich ordentliche Kündigung der Beklagten vom 06.02.2003 nicht aufgelöst worden ist.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreites tragen der Kläger zu 3/4, die Beklagte zu 1/4.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses nach arbeitgeberseitiger außerordentlicher, hilfsweise ordentlicher Kündigung.
Der Kläger war seit dem 17.08.1987 zunächst als Heimhandwerker, ab Anfang der 90er Jahre als Gruppenleiter in einer Werkstatt für Behinderte mit einem monatlichen Bruttoentgelt i. H. v. 2.180,67 Euro bei der Beklagten tätig. Der Kläger ist verheiratet und einem Kind gegenüber unterhaltspflichtig. Die Beklagte, die Mitglied im Verband des Diakonischen Werkes ist, beschäftigt 131 Mitarbeiter, von denen 71 kirchlich nicht gebunden sind. Gemäß Änderungsvertrag vom 11.10.1995 (vgl. Bl. 89 d. A.) gelten die Arbeitsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirchen in Deutschland in der jeweils gültigen Fassung.
Der Kläger, der bei seiner Einstellung der Evangelischen Kirche in Deutschland angehörte, trat 2002 aus der Kirche aus. Dies erfuhr die Beklagte Anfang Januar 2003; am 06. oder 07. Januar 2003 wurde der Personalleiter der Beklagten von der zuständigen Sachbearbeiterin darauf hingewiesen, dass auf der Lohnsteuerkarte des Klägers keine Kirchenmitgliedschaft eingetragen war. Mit Schreiben vom 08. Januar 2003 wurde der Kläger zu einem Personalgespräch eingeladen, das am 13. Januar 2003 stattfand. Bei einem vereinbarten weiteren Gespräch am 29. Januar 2003 erklärte der Kläger, er werde wieder in die Kirche eintreten, wenn die Mobbingprobleme ausgeräumt würden. Die Beklagte verlangte demgegenüber, der Kläger müsse zunächst wieder in die Kirche eintreten.
Mit Schreiben vom 03. Februar 2003 wurde die Mitarbeitervertretung bei der Beklagten angehört; diese stimmte der Kündigung am 05. Februar 2003 zu. Die Erklärung ging der Beklagten am 06. Februar 2003 zu. Mit Schreiben vom 06. Februar 2003, dem Kläger am 07. Februar 2003 zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich zum 11.02.2003 und vorsorglich ordentlich zum nächstmöglichen Termin (vgl. Bl. 7 d. A.).
Mit seiner beim Arbeitsgericht Frankfurt (Oder) am 27. Februar 2003 eingegangenen Klage wandte der Kläger sich gegen die Rechtswirksamkeit der außerordentlichen und vorsorglich ordentlichen Kündigung, behauptete, die außerordentliche Kündigung sei rechtsunwirksam, die ordentliche Kündigung sozial ungerechtfertigt und rügte die ordnungsgemäße Anhörung der Mitarbeitervertretung. Er sei aus der Kirche ausgetreten, weil es Mobbingprobleme gegeben habe, die die Beklagte nie ernst genommen habe. Sein 15-jähriges Dienstjubiläum sei in der Mitarbeiterzeitung nicht erwähnt worden. Die Art und Weise des Umgangs und des Verhaltens mit dem Kläger durch die Beklagte stehe im Widerspruch mit den Grundsätzen der Diakonie und der evangelischen Kirche.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung und die vorsorgliche ordentliche Kündigung der Beklagten vom 06. Februar 2003 nicht aufgelöst worden ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie meinte, in dem Kirchenaustritt manifestiere sich die Abwendung des Klägers von der evangelischen Grundlage. Eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung des Klägers gegenüber den anderen, nicht kirchlich gebundenen Mitarbeitern liege nicht vor. Die Mitarbeitervertretung sei ordnungsgemäß angehört worden.
Mit Urteil vom 15. Mai 2003 hat das Arbeitsgericht Frankfurt (Oder) festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentlic...