Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung nach Einigungsvertrag. mangelnde Eignung
Normenkette
EV Anl. I Kap. XIX Sachgeb. A Abschn. III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1
Verfahrensgang
Sächsisches LAG (Urteil vom 12.11.1993; Aktenzeichen 3 Sa 138/93) |
ArbG Dresden (Urteil vom 26.11.1992; Aktenzeichen 2 Ca 5318/92) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Chemnitz vom 12. November 1993 – 3 Sa 138/93 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die 1951 geborene Klägerin (verheiratet, ein unterhaltspflichtiges Kind) besitzt eine pädagogische Ausbildung als Lehrerin für untere Klassen und hat 1983 die Diplomprüfung für Hilfsschulpädagogik abgelegt. Sie steht seit 1971 im Schuldienst. Von 1974 bis 1977 war sie Mitglied der Schulgewerkschaftsleitung an der Zentralhilfsschule M., von 1975 bis 1977 Mitglied der Schulparteileitung der SED an dieser Schule und von 1983 bis 31. August 1990 Direktorin der Schule. In einer Vertrauensabstimmung 1990 sprachen sich 41 % der Kollegen für die Klägerin aus.
Mit Schreiben vom 20. März 1992 erklärte der Beklagte der Klägerin, es sei beabsichtigt, das Arbeitsverhältnis zum 30. September 1992 wegen mangelnder persönlicher Eignung nach Anl. I Kap. XIX Sachgebiet A Abschn. III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1 EV (im folgenden: Abs. 4 Ziff. 1 EV) zu kündigen. Am 9. April 1992 fand im Oberschulamt eine Anhörung der Klägerin statt. Am 6. Mai 1992 informierte der Personaldezernent des Oberschulamts den Vorsitzenden des Bezirkspersonalrats über die Sozialdaten und den beruflichen Werdegang der Klägerin sowie über deren frühere Tätigkeiten; er überreichte den Entwurf eines Kündigungsschreibens sowie das Anhörungsprotokoll vom 9. April 1992 und bat um Stellungnahme. Schon das Schreiben vom 20. März 1992 war dem Bezirkspersonalrat zur Kenntnisnahme übersandt worden. In einem Schreiben des „Personalrats und des Lehrerrats der Förderschule M.” vom 7. April 1992 an den Bezirkspersonalrat heißt es u.a. zur beabsichtigten Kündigung der Klägerin: „1990 wurde sie durch die Schulkonferenz einstimmig abgewählt. Um ihr eine Chance zu geben, weiterhin Direktor an unserer Schule zu bleiben, fand eine Versammlung statt, an der alle Kollegen teilnahmen. Offen und ehrlich wurde Kritik an ihrem Verhalten und ihrem Leitungsstil geübt. Alle angebotenen Hilfen und Wege zur Realisierung wurden nicht umgesetzt, so daß sich die Konflikte zwischen ihr und dem Kollegium weiter verschärften. Selbst nach ihrer Abwählung versuchte sie, gegen die neue Leitung der Schule zu intervenieren.” Mit Schreiben vom 25. Mai 1992 teilte der Bezirkspersonalrat mit, er erhebe gegen die Kündigung keine Einwendungen. Mit Schreiben vom 15. Juni 1992 kündigte der Beklagte daraufhin das Arbeitsverhältnis zum 30. September 1992.
Die Klägerin hält die Kündigung für unwirksam. Sie hat behauptet, sie habe nie politisch gearbeitet. Sie sei eine besonders engagierte Pädagogin gewesen, die sich um das Wohl der ihr anvertrauten körperlich und geistig behinderten Kinder in besonderem Maße bemüht habe. Sie habe es abgelehnt, an ihrer Schule Parteiorganisationen zu gründen oder die militärische Ausbildung der Schüler einzuführen.
Die Klägerin hat beantragt
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung des Beklagten vom 15. Juni 1992 zum 30. September 1992 aufgelöst worden ist;
- für den Obsiegensfall zu 1. den Beklagten zu verurteilen, sie zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Lehrerin bis zum rechtskräftigen Abschluß des Kündigungsrechtsstreits weiterzubeschäftigen.
Der Beklagte hat zur Stützung seines Klageabweisungsantrags geltend gemacht, die von der Klägerin in der Vergangenheit wahrgenommenen Tätigkeiten und Funktionen ließen insgesamt erkennen, daß sie für eine weitere Tätigkeit im Schuldienst persönlich ungeeignet sei. Schon als Mitglied der Schulgewerkschaftsleitung sei die Klägerin wegen der engen Verflechtung zwischen den Gewerkschaften und der SED mit der Umsetzung der Schulpolitik der SED an ihrer Schule befaßt gewesen. Auch als Mitglied der Schulparteileitung habe sie sich in ihrer gesamten Tätigkeit vom Programm, dem Statut, den Beschlüssen des Parteitages und des Zentralkommitees der SED leiten lassen müssen. Die Aufgaben einer Direktorin seien nach den einschlägigen gesetzlichen Vorschriften in einem solchen Maße politisch-ideologisch geprägt gewesen, daß nur jemand, der die Bildungsziele der SED wie die Klägerin aus voller Überzeugung vertreten habe, diese Aufgaben habe wahrnehmen können.
Daß die Klägerin die SED-Politik an ihrer Schule ganz besonders linientreu umgesetzt habe, lasse sich an folgenden Beispielen verdeutlichen:
- 1988 sei der Antrag der Lehrerin K. auf Genehmigung einer Reise in unterrichtsfreier Zeit in die Bundesrepublik zu einer Familienfeier vom Kreisschulrat abgelehnt worden, der zu verstehen gegeben habe, die Klägerin habe schriftlich erklärt, „kein Verständnis für die Reiseabsicht” aufzubringen.
- Im Juni 1986 habe die Lehrerin M. Besuch von Verwandten aus der Bundesrepublik gehabt. Bei der von dieser Lehrerin mit vorbereiteten Feier aus Anlaß des Lehrertages in einer Gaststätte hätte sich gegen Ende der Ehemann der Lehrerin mit der Westverwandtschaft an der Feier beteiligt, worauf der Kreisschulrat in einer Direktorenkonferenz mitgeteilt habe, es gäbe ein Lehrerehepaar, das auf „Gesamtdeutsch” mache. Die Klägerin habe daraufhin die Lehrerin M. zu sich bestellt und ihr erklärt: „Du verdirbst mir meine Karriere.”
- Im September 1987 hätten die Lehrerin E. und deren Mann an einem Treffen des Friedenskreises der M. Kirchgemeinden teilgenommen, bei welchem die Mitglieder Transparente u.a. mit den Aufschriften „Schwerter zu Pflugscharen”, „Kein Kriegsspielzeug im Kinderzimmer” sowie mit Forderungen nach sozialem Friedensdienst als Wehrersatzdienst und Karikaturen zu Antikriegsthemen getragen hätten. In der nächstfolgenden Dienstberatung der Schule hätte die Klägerin die Transparentträger als „Störenfriede” und „Klassenfeinde” bezeichnet. Die Klägerin habe Frau E. ohne Vorwarnung vor dem versammelten Kollegium aufgefordert, sich für ihr Verhalten während des Treffens zu rechtfertigen und sich vom Inhalt der Transparente und deren Trägern zu distanzieren. Nachdem Frau E. dies verweigert habe, habe die Klägerin die Kollegen aufgefordert, ihre Einschätzung des Verhaltens von Frau E. zu geben.
- Der Lehrer B. der am 1. August 1989 seine Tätigkeit an der Schule der Klägerin aufgenommen hatte, habe Interesse an den Bürgerbewegungen gezeigt. Er habe sich an mehreren Veranstaltungen des Neuen Forum sowie an verschiedenen Demonstrationen beteiligt. Die Klägerin habe ihm verboten, Ideen und Vorschläge des Neuen Forum und anderer Bürgerbewegungen öffentlich in der Schule bekannt zumachen und zur Diskussion zu bringen. Sie habe Herrn B. kontrolliert, ständig gegängelt, wöchentlich unangekündigte Hospitationen im Unterricht durchgeführt. Mängel und kleine Fehler nicht mit Herrn B. besprochen, sondern vor dem gesamten Kollegium angeprangert und oft wegen Kleinigkeiten mit Disziplinarstrafen gedroht. Als Herr B. einmal zu ungerechtfertigen Anschuldigungen der Klägerin vor dem Kollegium habe öffentlich Stellung nehmen wollen, habe ihm die Klägerin dies mit den Worten verboten: „In dieser Schule bestimme ich, wer wann etwas zu sagen hat!”
- Der Lehrer N., seit August 1989 an der Schule der Klägerin, habe die Schule im März 1990 verlassen, da er sich ständig von der Klägerin unter Druck gesetzt und diskriminiert gefühlt habe. So habe die Klägerin, als Herr N. sich einmal ein wenig verspätet habe, diesen vor den Kindern seiner Klasse beschimpft und ihm mit Disziplinarmaßnahmen gedroht.
- Als der Ehemann der Lehrerin L. 1988 die DDR verlassen habe, habe Frau L. mit ihren beiden Kindern einen Antrag auf Familienzusammenführung und Ausreise gestellt. Als die Klägerin von der darauf erfolgten Kündigung des Arbeitsverhältnisses Kenntnis erhalten habe, habe sie in einer außerordentlichen Dienstberatung allen Erzieherinnen den Grund der Kündigung mitgeteilt und Frau L. eine Frist von zwei Stunden zum Verlassen der Schule gesetzt. Die Kollegen seien aufgefordert worden, sich sofort zu diesem „Fall” zu äußern. Durch eine dritte Person sei Frau L. eine Beurteilung vom Juni 1988 durch die Klägerin zugespielt worden, über die sie entsetzt gewesen sei; es seien lediglich falsche Tatsachen und negative Beurteilungen aufgezählt worden. Abschließend habe die Klägerin gegenüber dem Kreisschulrat „den Vorfall an ihrer Schule” bedauert und versprochen, alles dafür zu tun, damit sich „so etwas im Kollektiv nicht noch einmal wiederholt”.
Der Bezirkspersonalrat sei auch zu diesen Vorwürfen gehört worden.
Die Klägerin hat sich zu diesen Vorfällen wie folgt geäußert:
Zu 1:
Sie habe damals eine positive Stellungnahme abgegeben.
Zu 2:
Sie sei vom Schulrat wegen des Mitbringens des Westbesuchs gerügt worden. In einem Gespräch mit Frau M. habe sie sich enttäuscht darüber geäußert, daß diese die Herkunft des Besuchs aus dem Westen verschwiegen habe, was unüblich gewesen sei. Die Äußerung „du verdirbst mir meine Karriere” sei nicht gefallen.
Zu 3:
Sie habe Frau E. nicht als Störenfried oder Klassenfeind bezeichnet und diese habe sich auch nicht vor dem versammelten Kollegium rechtfertigen müssen.
Zu 4:
Sie habe Herrn B. nicht drangsaliert, sondern nur wie sonst üblich einmal monatlich in seinem Unterricht hospitiert und ihn in sachlicher Form auf Mängel seiner Arbeit hingewiesen.
Zu 5:
Sie habe Herrn N. verboten, einen Aufruf des Neuen Forum in der Schule aufzuhängen, da sie Schwierigkeiten mit dem MfS befürchtet habe. Herr N. habe den Aufruf nachmittags in einer Dienstberatung vorlesen dürfen.
Zu 6:
Nachdem Frau L. in ihrem Beisein beim Kreisschulamt einen Aufhebungsvertrag unterzeichnet habe, habe sie dies den Erzieherinnen mitgeteilt und Frau L. ausreichend Gelegenheit gegeben, ihre Schränke auszuräumen. Sie habe über Frau L. keine Beurteilung erstellt, die falsche Tatsachen und negative Beurteilungen enthalten habe. Frau L. sei mit der durch sie erteilten Beurteilung einverstanden gewesen.
Das Arbeitsgericht hat nach den Klageanträgen erkannt. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Die Kündigung des Beklagten hat das Arbeitsverhältnis aufgelöst.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Klägerin sei persönlich nicht geeignet für eine weitere Tätigkeit im Schuldienst des Beklagten. Schon der unstreitige Sachverhalt zeige, daß die Klägerin ihr Direktorenamt auch zu unsachlichen repressiven Maßnahmen benutzt habe, die in die Persönlichkeit der Betroffenen eingegriffen und deren Menschenwürde verletzt hätten. Sie habe ein mit den schulischen Pflichten einer Lehrerin nicht in Zusammenhang stehendes außerdienstliches Verhalten, das sich überdies in der Wahrnehmung elementarer, auch in der Verfassung der DDR gewährleitsteter Grundrechte erschöpft habe, zum Anlaß genommen, diese Lehrerin vor der Lehrerschaft an den Pranger zu stellen. In einem anderen Fall habe sie neben der offiziellen Beurteilung einer Lehrerin eine zweite Geheimbeurteilung erstellt, die Vorwürfe enthalten habe, ohne daß die Betroffene Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt habe. Solche Geheimbeurteilungen seien auch nach dem offiziellen Schulrecht der DDR nicht zulässig gewesen. Solche Vorfälle ließen erkennen, daß die Klägerin eine strenge, Persönlichkeitsrechte der Betroffenen vernachlässigende Verfechterin der Parteilinie der SED gewesen sei. Damit könne sie nun nicht mehr die in der Verfassung der Bundesrepublik niedergelegten, von ihr früher mißachteten Grundwerte glaubwürdig vertreten. Die konkreten Einzelfälle könnten auch zur Begründung der Kündigung verwertet werden, denn der Beklagte habe den Bezirkspersonalrat dazu jedenfalls nachträglich gehört.
II. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
1. Da die Klägerin als Lehrerin dem öffentlichen Dienst in den Beitrittsländern angehörte (Art. 20 Abs. 1 EV), ist die Kündigung zulässig, wenn die Klägerin wegen mangelnder persönlicher Eignung nach Abs. 4 Ziff. 1 EV den Anforderungen nicht entspricht. Dazu sind in der einschlägigen Rechtsprechung des Achten und Zweiten Senats des Bundesarbeitsgerichts (Urteile vom 28. April 1994 – 8 AZR 57/93 – AP Nr. 22 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen, m.w.N.; vom 26. Mai 1994 – 8 AZR 248/93 – n.v.; vom 13. Oktober 1994 – 2 AZR 201/93 – AP Nr. 35 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX und vom 13. Oktober 1994 – 2 AZR 261/93 –, beide auch für die Amtliche Sammlung des Gerichts vorgesehen) zum Nachweis einer solchen mangelnden Eignung aufgrund besonderer Identifikation des Lehrers mit den grundgesetzfeindlichen Zielen der SED bzw. von Entlastungstatsachen – kurz zusammengefaßt – folgende Grundsätze entwickelt worden:
Die mangelnde persönliche Eignung im Sinne von Abs. 4 Ziff. 1 EV ist eine der Person des Arbeitnehmers anhaftende Eigenschaft, die dann indiziert ist, wenn z.B. ein in der früheren DDR tätig gewesener Lehrer sich in der Vergangenheit in besonderer Weise mit dem SED-Staat identifiziert hat. Positionen in Staat und Partei, die ein Lehrer seinerzeit innegehabt hat, können Anhaltspunkte für seine mangelnde Eignung sein. Allerdings erfordern Bedeutung und Tragweite des Grundrechts auf freie Arbeitsplatzwahl (Art. 12 Abs. 1 GG) und im öffentlichen Dienst ergänzend Art. 33 Abs. 2 GG eine konkrete, einzelfallbezogene Würdigung der Persönlichkeit des Arbeitnehmers, die sein Verhalten nach dem Beitritt der neuen Bundesländer unter Prüfung der Fähigkeit und inneren Bereitschaft einbezieht, seine dienstlichen Aufgaben nach den Grundsätzen der Verfassung glaubwürdig wahrzunehmen (BVerfG Beschluß vom 21. Februar 1995 – 1 BvR 1397/93 – NZA 1995, 619). Die Beweislast für den Nachweis der mangelnden persönlichen Eignung obliegt dem Arbeitgeber, wobei allerdings die Darlegungslast für be- und entlastendes Vorbringen abgestuft ist: Schon angesichts der Tatsache, daß zahlreiche Personalakten nach der sog. Wende „gesäubert” wurden, würden die Anforderungen an die Darlegungslast des Arbeitgebers überspannt, wenn von ihm ohne konkretes Gegenvorbringen die detaillierte Darlegung verlangt würde der mit der Umsetzung der grundgesetzfeindlichen SED-Ideologie beauftragte Funktionsträger habe im konkreten Fall die Funktion auch tatsächlich entsprechend diesen Zielen ausgeübt. Wie er im Einzelfall die Funktion tatsächlich ausübte, weiß der belastete Arbeitnehmer in aller Regel weitaus besser. Er hat sich deshalb zu der allgemeinen Funktionsbeschreibung konkret zu äußern. Das Maß der gebotenen Substantiierung von Entlastungsvorbringen hängt ebenfalls davon ab, wie sich die andere Seite darauf einläßt (§ 138 Abs. 2 ZPO). Es bedarf des Vortrages konkreter Entlastungstatsachen unter Benennung geeigneter Beweismittel. Der Arbeitgeber kann dann seine Ermittlungen auf die vorprozessual oder im Prozeß konkretisierten Tatsachen konzentrieren, wobei die Beweislast auch insoweit bei ihm verbleibt.
2. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt, daß die zehnjährige Tätigkeit der Klägerin als Direktorin angesichts der konkreten Umstände den Schluß zuläßt, die Klägerin sei für die weitere Verwendung als Lehrerin im öffentlichen Dienst persönlich nicht geeignet.
a) Mit dem Landesarbeitsgericht ist davon auszugehen, daß allein die lange Dauer einer Tätigkeit als Direktor nicht für die persönliche Ungeeignetheit spricht, weiterhin als Lehrer tätig zu sein. Das staatliche Amt des Schuldirektors in der ehemaligen DDR war zwar parteinah ausgerichtet. So bestand nach der einschlägigen Schulordnung die Verpflichtung des Direktors, bei seiner Leitungstätigkeit u.a. die Beschlüsse der SED zugrundezulegen. Das Bundesarbeitsgericht hat deshalb dann, wenn die leitenden Funktionen im Schulwesen als Direktor oder stellvertretender Direktor gleichzeitig oder in unmittelbarem Zusammenhang mit Parteiämtern ausgeübt worden sind, die Indizierung einer besonderen Identifikation mit den Zielen des SED-Staats angenommen (BAG Urteile vom 20. Januar 1994 – 8 AZR 613/92 – n.v., zu B II 3 b cc der Gründe und vom 23. Juni 1994 – 8 AZR 320/93 – n.v., zu B 2 b der Gründe). Ist dies aber nicht der Fall, so bedarf die Annahme, ein Schuldirektor habe sich in besonderer Weise mit dem SED-Staat identifiziert, zusätzlicher Umstände, etwa zum Werdegang oder zur Tätigkeit des Schulleiters, die der öffentliche Arbeitgeber im Einzelfall vorzutragen hat.
b) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß der Beklagte solche Umstände in hinreichender Weise dargelegt hat. Die beiden Vorfälle, auf die das Landesarbeitsgericht seine Entscheidung stützt, weisen, legt man den vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalt zugrunde, die Klägerin als eine Schuldirektorin aus, die bestrebt war, an der von ihr geleiteten Schule kompromißlos die Parteilinie der SED durchzusetzen, ohne dabei auf die Rechte der ihr unterstellten Lehrer Rücksicht zu nehmen. Wenn die Klägerin die Beteiligung einer Lehrerin an einem Treffen des Friedenskreises der M. Kirchgemeinden zum Anlaß genommen hat, diese Lehrerin vor der Lehrerschaft anzuprangern und darüber hinaus über eine im Zusammenhang mit einem Ausreiseantrag ausgeschiedene Lehrerin neben der „offiziellen” guten Beurteilung eine zweite – schlechte – geheime Beurteilung erstellt hat, so ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Landesarbeitsgericht daraus gefolgert hat, die Klägerin habe ihr Direktorenamt auch zu unsachlichen repressiven Maßnahmen benutzt und es bestünden deshalb Zweifel an ihrer persönlichen Eignung.
c) Zu Unrecht rügt die Revision insoweit, das Landesarbeitsgericht habe seiner Entscheidung einen falschen Sachverhalt zugrundegelegt. Bis auf die Vorfälle zu 3 und 6 kann das Landesarbeitsgericht schon deshalb keine erheblichen falschen Feststellungen getroffen haben, weil es auf die übrigen Vorfälle seine Entscheidung nicht gestützt hat. Was die Vorfälle mit den Lehrerinnen Frau E. und Frau L. anbelangt, so ist das Landesarbeitsgericht nur von dem von ihm festgestellten unstreitigen Sachverhalt ausgegangen. Da die Klägerin insoweit keine zulässigen Verfahrensrügen erhoben hat, sind die entsprechenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts für den Senat nach § 561 Abs. 2 ZPO verbindlich. Soweit die Klägerin nunmehr bestreitet, für den Kreisschulrat eine zweite inoffizielle Beurteilung über Frau L. erstellt zu haben, handelt es sich um unbeachtliches neues Vorbringen in der Revisionsinstanz.
d) Es ist auch nicht, wie die Revision meint, rechtsfehlerhaft, daß das Landesarbeitsgericht nicht entscheidend darauf abgestellt hat, daß es sich bei der von der Klägerin geleiteten Schule um eine Sonderschule für geistig Behinderte gehandelt hat. Daß die Klägerin ihr Amt als Direktorin nicht lediglich sachbezogen ausgeübt hat, hat das Landesarbeitsgericht nicht aus deren Verhalten zu den Schülern, die sicherlich nicht allzu leicht politisch zu indoktrinieren waren, sondern aus ihrem Verhalten den Lehrern gegenüber hergeleitet. Insoweit ist aber die Schule, an der die Klägerin Direktorin war, durchaus mit anderen Schultypen vergleichbar.
e) Da berücksichtigungsfähiges Entlastungsvorbringen, auch über das Verhalten der Klägerin nach der Wende, nicht ersichtlich ist, läßt auch die Gesamtbeurteilung des Landesarbeitsgerichts, unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls sei die Klägerin als persönlich nicht geeignet i.S.v. Abs. 4 Ziff. 1 EV anzusehen, keinen Rechtsfehler erkennen.
3. Es bestehen auch keine personalvertretungsrechtlichen Bedenken dagegen, daß das Landesarbeitsgericht bei seiner Entscheidung das erst im Prozeß nachgeschobene Vorbringen des Beklagten zu den einzelnen Vorfällen berücksichtigt hat. Die Revision rügt insoweit zu Unrecht, das nachträgliche Vorbringen des Beklagten sei schon deshalb nicht verwertbar gewesen, weil es dem Bezirkspersonalrat vor Ausspruch der Kündigung nicht mitgeteilt worden sei. Dazu war der Beklagte gar nicht in der Lage, weil er nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts erst nach Ausspruch der Kündigung durch die Schreiben der betroffenen Lehrer im September 1992 von diesen Vorfällen Kenntnis erlangt hat.
a) Betriebsverfassungs- bzw. personalvertretungsrechtlich können Kündigungsgründe, die bei Ausspruch der Kündigung bereits entstanden waren, dem Arbeitgeber aber erst später bekanntgeworden sind, im Kündigungsschutzprozeß nachgeschoben werden, wenn der Arbeitgeber zuvor den Betriebsrat bzw. Personalrat hierzu erneut angehört hat. Der Arbeitgeber ist nicht gehindert, im Kündigungsschutzprozeß Tatsachen nachzuschieben, die ohne wesentliche Veränderungen des Kündigungssachverhalts lediglich der Erläuterung und Konkretisierung der dem Betriebsrat bzw. Personalrat mitgeteilten Kündigungsgründe dienen (Senatsurteil vom 11. April 1985 – 2 AZR 239/84 – BAGE 49, 39 = AP Nr. 39 zu § 102 BetrVG 1972).
b) Schon die Annahme des Berufungsgerichts, es handele sich bei dem vom Beklagten nachgeschobenen Vorbringen lediglich um eine stets zulässige Erläuterung und Konkretisierung des dem Bezirkspersonalrat vor der Kündigung mitgeteilten Kündigungssachverhalts, trifft zu. Kündigungsgrund ist die mangelnde persönliche Eignung der Klägerin für eine Weiterbeschäftigung im Schuldienst, die der Beklagte vor allem aus ihrer früheren Tätigkeit als Direktorin hergeleitet hat. Bei der Anhörung der Klägerin und des Bezirkspersonalrats hat der Beklagte von vornherein nicht lediglich auf die ausgeübte Funktion abgestellt, sondern aus dem Verhalten und Leitungsstil der Klägerin hergeleitet, sie habe dieses Amt nicht sachbezogen ausgeübt. Dem Bezirkspersonalrat war aus dem Schreiben des „Personalrats und Lehrerrats der Förderschule M.” vom 7. April 1992 bekannt, daß wegen des Verhaltens und des Leitungsstils der Klägerin erhebliche Konflikte zwischen ihr und dem Lehrerkollegium bestanden, die sich nach der Wende noch verschärft hatten. Auch die Stellungnahme der Klägerin vom 14. April 1992 und das Protokoll über die in Anwesenheit eines Mitglieds des Bezirkspersonalrats durchgeführte Anhörung der Klägerin bieten eher Anhaltspunkte dafür, daß die Klägerin ihr Direktorenamt betont politisch ausgeübt hat. Berücksichtigt man diesen dem Bezirkspersonalrat bekannten Kündigungssachverhalt, so stellt es lediglich eine Erläuterung und Konkretisierung dieses Kündigungssachverhalts dar, wenn der Beklagte im Prozeß die ihm nachträglich bekanntgewordenen Schreiben der Mitglieder des Lehrerkollegiums vorgelegt hat, die diesen Sachvortrag des Beklagten bestätigen und anhand von einzelnen Vorkommnissen konkretisieren. Die Verfasser der Schreiben sehen dies überwiegend genauso, ein Schreiben trägt ausdrücklich die Überschrift „Wertung des Verhaltens von Frau W. an einem konkreten Beispiel”.
c) Abgesehen davon ist jedenfalls die Annahme des Landesarbeitsgerichts revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, der Beklagte habe dem Bezirkspersonalrat im November 1992 nachträglich über die Schreiben der Lehrerinnen und Lehrer informiert und sei deshalb zum Nachschieben dieser Kündigungssachverhalte berechtigt gewesen. Das Landesarbeitsgericht hat die tatsächliche Feststellung getroffen, der Bezirkspersonalrat sei zu den im September 1992 beim Beklagten eingegangenen Schreiben nachträglich angehört worden. An diese tatsächliche Feststellung ist der Senat gebunden (§ 561 Abs. 2 ZPO), da insoweit keine Revisionsrüge, erst recht keine den Anforderungen des § 559 Abs. 2 Satz 2 ZPO entsprechende Verfahrensrüge vorliegt.
4. Über den nur für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag gestellten Weiterbeschäftigungsantrag hatte der Senat damit nicht mehr zu entscheiden.
Unterschriften
Etzel, Bitter, Bröhl, Piper, Beckerle
Fundstellen