Entscheidungsstichwort (Thema)

Darlegung der Masseunzulänglichkeit

 

Orientierungssatz

Parallelsache zu BAG Urteil vom 30.10.1985, 5 AZR 507/84 - nicht amtlich veröffentlicht.

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Entscheidung vom 13.06.1984; Aktenzeichen 5 Sa 29/84)

ArbG Berlin (Entscheidung vom 02.02.1984; Aktenzeichen 6 Ca 482/83)

 

Tatbestand

Der Beklagte ist Konkursverwalter über das Vermögen der G Metallbau GmbH in D. Der Kläger war seit dem 31. Januar 1980 als Monteur in der Berliner Zweigniederlassung der Gemeinschuldnerin beschäftigt. Am 12. Juli 1982 wurde über das Vermögen der Gemeinschuldnerin der Konkurs eröffnet. Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 12. Juli 1982 zum 26. Juli 1982 und stellte ihn zugleich von der Arbeit frei. Der Beklagte führt den Betrieb der Gemeinschuldnerin seit der Konkurseröffnung mit ca. 420 Arbeitnehmern weiter. Die noch beschäftigten Arbeitnehmer erhalten ihren Lohn aus einem zweckgebundenen und nach Konkurseröffnung eingeräumten Massekredit der Bayerischen Vereinsbank in Höhe von 1.885.518,14 DM zu 100 % ausbezahlt.

Für die Zeit vom 1. bis 11. Juli 1982 hat der Kläger Konkursausfallgeld erhalten. Mit seiner Klage macht er den Lohn für die Zeit vom 12. Juli bis 26. Juli 1982 in der unstreitigen Höhe von 1.214,40 DM brutto geltend. Der Beklagte hat sich gegenüber dem Zahlungsanspruch auf Masseunzulänglichkeit berufen.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn

1.214,40 DM brutto nebst 4 % Zinsen

auf den sich ergebenden Nettobetrag

seit dem 1. August 1982 zu zahlen,

2. hilfsweise festzustellen, daß ihm ein

Anspruch auf Zahlung von 1.214,40 DM

brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich

ergebenden Nettobetrag seit dem 1. Au-

gust 1982 gemäß § 59 Abs. 1 Nr. 2 KO

aus der Konkursmasse zustehe.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Wegen der behaupteten Masseunzulänglichkeit hat er sich auf einen Massestatus vom 31. August 1983 berufen. In dem Massestatus sind auf der Aktivseite keine Grundstückswerte enthalten. Der von der Bayerischen Vereinsbank gegebene Massekredit ist auf der Passivseite unter Bankverbindlichkeiten aufgeführt. Zu der von ihm behaupteten Masseunzulänglichkeit hat der Beklagte vorgetragen, die Gemeinschuldnerin habe ihr Grundvermögen über den Verkehrswert hinaus belastet, die Warenlager seien sicherungsübereignet und die Außenstände zur Sicherung an Banken abgetreten. Eine nennenswerte Konkursmasse werde sich erst ergeben, wenn es gelinge, die Betriebsgrundstücke der Gemeinschuldnerin günstig zu verwerten und wenn die Grundpfandgläubiger aus anderen Sicherungsrechten, Sicherungsübereignungen und Globalzessionen bereits eine teilweise Befriedigung erhalten hätten. Die Grundstücke hätten bisher noch nicht veräußert werden können. Der Umfang der Aussonderungsrechte sei noch nicht festgestellt, Rechte auf abgesonderte Befriedigung seien noch nicht erledigt und die fertiggestellten Aufträge seien noch nicht vollständig abgerechnet, da teilweise noch Gewährleistungsfristen liefen. Die finanzielle Situation der Konkursmasse habe sich seit dem Status vom 31. August 1983 nicht maßgeblich verändert. Der Kläger könne daher den Anspruch auf rückständiges Arbeitsentgelt nur im Wege einer Feststellungsklage als Masseschuld geltend machen.

Der Kläger hat demgegenüber die Auffassung vertreten, der Beklagte könne sich nicht darauf berufen, die Konkursmasse reiche zur Befriedigung der Ansprüche nicht aus. Der Beklagte, der für den Einwand der Masseunzulänglichkeit die Darlegungs- und Beweislast trage, habe für die behauptete Massearmut keine substantiierten und nachvollziehbaren Tatsachen vorgetragen.

Das Arbeitsgericht hat dem Zahlungsantrag des Klägers stattgegeben. Die Berufung des Beklagten blieb erfolglos. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Das Berufungsgericht hat den Beklagten zu Recht verurteilt, an den Kläger das von diesem beanspruchte Arbeitsentgelt zu zahlen.

I. Dem Kläger steht der geltend gemachte Lohnanspruch als Masseschuld gemäß § 59 Abs. 1 Nr. 2 KO zu.

1. Nach § 59 Abs. 1 Nr. 2 KO sind die Ansprüche aus zweiseitigen Verträgen, deren Erfüllung für die Zeit nach der Eröffnung des Konkursverfahrens erfolgen muß, Masseschulden. Zu diesen Ansprüchen aus zweiseitigen Verträgen gehören die Entgeltansprüche des Arbeitnehmers. Der Arbeitnehmer ist daher für die Zeit, in der ein im Zeitpunkt der Konkurseröffnung bereits angetretenes Arbeitsverhältnis fortbesteht, mit den Ansprüchen für die Zeit ab Konkurseröffnung bis zur Beendigung des Vertragsverhältnisses Massegläubiger, und zwar selbst dann, wenn die Arbeitsleistung vom Konkursverwalter nicht abgenommen worden ist (BAG 31, 288, 297 = AP Nr. 1 zu § 60 KO, zu II 6 der Gründe; Kuhn/Uhlenbruck, KO, 10. Aufl., § 22 Rz 24; Böhle-Stamschräder/Kilger, KO, 14. Aufl., § 59 Anm. 4; RGZ 55, 265, 267). Dem Kläger, dessen im Zeitpunkt der Konkurseröffnung, am 12. Juli 1982, bestehendes Arbeitsverhältnis bis zum 26. Juli 1982 fortbestanden hat, stehen die Lohnansprüche für die Zeit ab Konkurseröffnung daher als Masseschulden nach § 59 Abs. 1 Nr. 2 KO zu.

2. Wenn die Konkursmasse jedoch nicht ausreicht, um alle Masseverbindlichkeiten zu erfüllen, greift § 60 KO ein. In dieser Vorschrift ist festgelegt, in welcher Rangfolge die Masseverbindlichkeiten zu befriedigen sind. In die erste Rangordnung nach § 60 Abs. 1 Nr. 1 KO fallen unter anderem die Masseschulden im Sinne des § 59 Abs. 1 Nr. 2 KO, also auch solche Lohnansprüche, wie der Kläger sie vorliegend geltend macht.

3. Verlangt ein Gläubiger einer Masseforderung Zahlung und steht bereits im Erkenntnisverfahren fest, daß die Masse zur vollen Befriedigung der Massegläubiger der jeweiligen Rangklasse nicht oder jedenfalls voraussichtlich nicht ausreicht, so darf das Gericht den Konkursverwalter nicht zur Leistung verurteilen, solange nicht abzusehen ist, in welchem Umfange die Ansprüche befriedigt werden können. In einem solchen Fall kann der Gläubiger jedoch, wenn seine Forderungen oder ihr Rang streitig sind, diese Fragen einer gerichtlichen Feststellung unterbreiten. Das klärt für die spätere Verteilung, welche Ansprüche zu erfüllen sind. Dabei ist davon auszugehen, daß der Konkursverwalter aufgrund eines solchen Feststellungsurteils später auch leistet (BAG 31, 288, 293, 294 = AP Nr. 1 zu § 60 KO, zu II 3 b und c der Gründe, mit insoweit kritischer Anm. von Henckel; in der Literatur zustimmend: Böhle-Stamschräder/Kilger, aaO, § 60 Anm. 3; Hess/-Kropshofer, KO, 2. Aufl., § 60 Rz 5).

II. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, daß der Kläger seinen Lohnanspruch im Wege einer Leistungsklage geltend machen kann und nicht auf die Feststellungsklage zu verweisen ist. Denn der Beklagte hat den Einwand der Masseunzulänglichkeit nicht in hinreichender Weise dargelegt.

1. Ob die gesetzmäßige Befriedigung der Massegläubiger im Sinne von § 60 Abs. 1 KO unmöglich oder jedenfalls gefährdet ist, hat der Konkursverwalter festzustellen. Wenn er sich auf diese der Masse günstige und dem Massegläubiger nachteilige Rechtsfolge beruft, muß er die Fakten, die für die Masseunzulänglichkeit sprechen, darlegen und beweisen (BAG 31, 288, 295, 296 = AP Nr. 1 zu § 60 KO, zu II 3 und 4 der Gründe).

2. Der Umfang der Darlegungslast richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Grundsätzlich ist darzulegen, welche Masse nach Durchführung der Aussonderungen (§ 46 KO), Absonderungen (§ 47 KO) und der Aufrechnungen (§ 53 KO) zur Verfügung stehen wird, welche Ansprüche von welchen Massegläubigern geltend gemacht werden, welche dem Kläger gleichrangige Massegläubiger Ansprüche erheben und ggf. welche Massegläubiger bisher schon befriedigt worden sind. Um seiner Pflicht zu einem substantiierten Tatsachenvortrag zu genügen, muß der Konkursverwalter dabei die Umstände für die Wertermittlung der gegen die Masse geltend gemachten Forderungen und des vorhandenen Vermögens im einzelnen erläutern, so daß seine Wertangaben nachvollziehbar sind und ggf. durch konkrete Beweisangebote unter Beweis gestellt werden können. In der Regel wird der Konkursverwalter diesen Anforderungen dadurch genügen können, daß er einen im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz noch zeitnahen Massestatus vorlegt, aus dessen Zahlenwerk sich die Masseunzulänglichkeit ablesen läßt.

3. Der von dem Beklagten vorgelegte, von ihm am 31. August 1983 erstellte Massestatus genügt diesen Anforderungen im vorliegenden Fall nicht.

a) Der Massestatus enthält eine gegliederte summarische Gegenüberstellung der Vermögenswerte und der Verbindlichkeiten, wie er regelmäßig nach der Eröffnung des Konkursverfahrens und der Inbesitznahme des zur Konkursmasse gehörenden Vermögens vom Konkursverwalter nach § 124 KO zu erstellen ist (vgl. Böhle--Stamschräder/Kilger, aaO, § 124 Anm. 1). Zwar kann auch mit einer derartigen Bilanz die Unzulänglichkeit der Masse in substantiierter Weise dargelegt werden, zum Beispiel etwa dann, wenn die Massearmut bereits kurze Zeit nach der Konkurseröffnung erkennbar wird und sie durch die Gegenüberstellung der bewerteten Aktiva und Passiva verdeutlicht werden kann. Vorliegend waren jedoch zwischen der Eröffnung des Konkursverfahrens und der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht annähernd zwei Jahre vergangen und der Betrieb der Gemeinschuldnerin war in der Zwischenzeit mit einer nicht unerheblichen Zahl von Arbeitnehmern fortgeführt worden. Aus dem Konkursstatus ergibt sich zum Beispiel nicht, ob und welche Gewinne in der Zwischenzeit erzielt worden sind. Der Konkursstatus enthält ferner im Bereich der Aktiva und Passiva größere Vermögenswerte und Verbindlichkeiten, die auf Schätzungen zurückgehen, ohne daß erkennbar wird, auf welchen tatsächlichen Umständen diese Schätzungen beruhen.

b) Maßgeblich dafür, daß der vom Beklagten vorgelegte Massestatus nicht ausreicht, um eine Masseunzulänglichkeit darzulegen, ist jedoch folgendes:

Der Massestatus vom 31. August 1983 enthält bei den Aktiva keine Grundstückswerte, obgleich nach dem eigenen Vorbringen des Beklagten die Gemeinschuldnerin Eigentümerin von Grundbesitz ist. Soweit die Revision geltend macht, das Betriebsgrundstück gehöre nicht zum Betriebsvermögen, handelt es sich um neues Vorbringen, das in der Revisionsinstanz unbeachtet bleiben muß (§ 561 Abs. 1 ZPO).

Zwar können Grundstückswerte in der Konkursbilanz dann unberücksichtigt bleiben, wenn daran "konkursfeste" Gläubigerrechte (Hypotheken, Grundschulden etc.) bestehen. Der Beklagte hatte hierzu vorgetragen, die Gemeinschuldnerin habe ihr Grundvermögen über den Verkehrswert hinaus belastet; eine nennenswerte Konkursmasse werde sich jedoch dann ergeben, wenn es gelingen werde, das Betriebsgrundstück der Gemeinschuldnerin günstig zu verwerten und die Grundpfandgläubiger aus anderen Sicherungsrechten - Sicherungsübereignungen, Globalzessionen - bereits eine teilweise Befriedigung erhalten hätten. Aus diesem Vortrag geht hervor, daß zum Teil Doppelsicherungen vorhanden sind. Da nach dem eigenen Vortrag des Beklagten die Möglichkeit besteht, daß sich nach Veräußerung der Betriebsgrundstücke ein "nennenswerter" Zuwachs zur Konkursmasse ergibt, hätten die Grundstückswerte sowie die Höhe der Belastungen und der Umfang etwaiger Doppelsicherungen von dem Beklagten dargelegt werden müssen. Da der Konkursstatus vom 31. August 1983 schon nach dem eigenen Vorbringen des Beklagten unvollständig ist, reicht die Vorlage dieses Status nicht aus, um die Masseunzulänglichkeit darzutun. Eine mangelnde Sachaufklärung (§ 139 ZPO) ist von der Revision nicht ordnungsgemäß gerügt worden.

Dr. Thomas Michels-Holl Schneider

Dr. Florack Nitsche

 

Fundstellen

Dokument-Index HI440202

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