Entscheidungsstichwort (Thema)
Urlaubsabgeltungsanspruch. Erfüllbarkeit
Normenkette
BUrlG § 7 Abs. 4, 3
Verfahrensgang
LAG Köln (Urteil vom 20.07.1988; Aktenzeichen 7 Sa 404/88) |
ArbG Siegburg (Urteil vom 28.01.1988; Aktenzeichen 1 Ca 1581/87) |
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 20. Juli 1988 – 7 Sa 404/88 – aufgehoben.
2. Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der schwerbehinderte Kläger war bei der Beklagten bis zum 30. Mai 1986 als Angestellter beschäftigt. Er hatte Anspruch auf einen Jahresurlaub von 28 Arbeitstagen und auf einen Zusatzurlaub als Schwerbehinderter von sechs Arbeitstagen im Jahr. Seit dem 8. Dezember 1983 bis jedenfalls einschließlich 16. Mai 1986 war der Kläger arbeitsunfähig krank. Am 7. März 1986 ist ihm eine Rente wegen Berufsunfähigkeit und am 4. September 1986 statt dessen vorgezogenes Altersruhegeld bewilligt worden.
Der Kläger hat vorgetragen, er sei nur bis zum 16. Mai 1986 krankgeschrieben gewesen und habe erfolglos bereits am 7. Mai 1986 um Urlaub gebeten und wegen Urlaubsgeld vorgesprochen.
Der Kläger hatte mit seiner Klage zunächst Urlaubsabgeltung für die Jahre 1983 bis einschließlich 1986 in Höhe von 22.387,42 DM verlangt. Das Arbeitsgericht hat den Abgeltungsanspruch nur für einen anteiligen Urlaubsanspruch von zehn Tagen aus dem Jahre 1986 für begründet gehalten und die Beklagte zur Zahlung von 1.820,– DM verurteilt. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Hiergegen haben beide Parteien Berufung eingelegt, der Kläger zunächst mit dem Ziel, die Abgeltung für weitere 26 Urlaubstage für das Jahr 1986 zu erreichen, also eine Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von weiteren 4.732,– DM (6.552,– DM minus 1.820,– DM). Die Beklagte hat ihren Klagabweisungsantrag weiterverfolgt. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht hat der Kläger „seine Berufung auf 2.548,– DM beschränkt” und beantragt, unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.548,– DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 11. September 1987 zu zahlen. Die Beklagte hat beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, der Kläger habe seine Arbeitsfähigkeit auch nach dem 16. Mai 1986 und nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts nicht wiedererlangt.
Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil des Arbeitsgerichts „geändert, soweit es die Klage abgewiesen hat” und die Beklagte verurteilt, „an den Kläger weitere 728,– DM brutto nebst 4 % Zinsen zu zahlen”. Die Berufung der Beklagten hat es zurückgewiesen.
Mit der vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klagabweisungsantrag weiter. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat hat der Kläger seine Berufung mit Zustimmung der Beklagten zurückgenommen. Beide Parteien haben insoweit den Rechtsstreit für erledigt erklärt. Die Beklagte bittet insoweit, dem Kläger die Kosten aufzuerlegen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Urteils des Landesarbeitsgerichts und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht. Zu entscheiden ist nur noch, ob dem Kläger ein Abgeltungsanspruch von 1.820,– DM zusteht.
1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, daß der Anspruch auf Urlaubsabgeltung nach § 7 Abs. 4 BUrlG die Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers nach Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis bis spätestens zum Ende des Übertragungszeitraums des § 7 Abs. 3 BUrlG nicht voraussetze, so daß dem Kläger, dessen Arbeitsverhältnis am 30. Mai 1986 geendet hat, ohne daß es auf dessen Arbeitsfähigkeit noch ankomme, ohne weiteres der anteilige Urlaub abzugelten sei.
2. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Sie steht mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht in Einklang.
Im Anschluß an die Entscheidung des Fünften Senats vom 30. November 1977 (– 5 AZR 667/76 – AP Nr. 4 zu § 13 BUrlG Unabdingbarkeit) und die Urteile des Sechsten Senats vom 18. Juni 1980 (– 6 AZR 328/78 – AP Nr. 6 zu § 13 BurlG Unabdingbarkeit), vom 26. Mai 1983 (– 6 AZR 273/82 – AP Nr. 12 zu § 7 BurlG Abgeltung), vom 28. Juni 1984 (BAGE 46, 224 = AP Nr. 18 zu § 7 BurlG Abgeltung) vom 7. März 1985 (BAGE 48, 186 = AP Nr. 21 zu § 7 BurlG Abgeltung), vom 7. November 1985 (BAGE 50, 107, 118, 112 = AP Nr. 24, 25 zu § 7 BurlG Abgeltung und AP Nr. 8 zu § 7 BurlG Übertragung), denen sich insoweit der erkennende Senat am 14. Mai 1986 (BAGE 52, 67 = AP Nr. 26 zu § 7 BurlG Abgeltung) in inzwischen ständiger Rechtsprechung angeschlossen hat (vgl. zuletzt Urteil vom 24. November 1987, BAGE 56, 340 = AP Nr. 41 zu § 7 BUrlG Abgeltung), vertritt das Bundesarbeitsgericht die Auffassung, daß der Urlaubsabgeltungsanspruch mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht als Abfindungsanspruch entsteht, für den es auf weitere Merkmale nicht ankommt, sondern als Surrogat (Ersatz) für den wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr erfüllbaren Anspruch auf Befreiung von der Arbeitspflicht, der daher – abgesehen von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses – an die gleichen Voraussetzungen gebunden ist wie im übrigen vorher der Urlaubsanspruch.
Daraus ergibt sich, daß der aufgrund des Abgeltungsanspruchs zu zahlende Geldbetrag einem Arbeitnehmer nur dann zusteht, wenn er bei Fortdauer des Arbeitsverhältnisses jedenfalls für die Dauer seines Urlaubsanspruchs seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung hätte erbringen können. Daran fehlt es, wenn der Arbeitnehmer arbeitsunfähig krank ist. Dann ist auch der Urlaubsabgeltungsanspruch ebenso wie der Urlaubsanspruch während des Arbeitsverhältnisses nicht erfüllbar. Auch der Urlaubsabgeltungsanspruch erlischt, wenn er nicht vorher erfüllt wird, spätestens mit Ablauf des Übertragungszeitraums (vgl. zusammenfassend zuletzt das Urteil des erkennenden Senats vom 20. April 1989 – 8 AZR 621/87 –, zur Veröffentlichung vorgesehen).
3. Die hiergegen gerichteten Angriffe des Landesarbeitsgerichts können der Klage nicht zum Erfolg verhelfen. Der Senat ist in den genannten Urteilen bereits mehrfach auf die vom Landesarbeitsgericht in seiner Entscheidung zusammengestellten Angriffe eingegangen und hat sich damit auseinandergesetzt. Einer erneuten Widerlegung bedarf es daher nicht.
4. Damit hängt der Erfolg der Klage davon ab, ob der Kläger nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis oder ggf. auch schon vorher seine Arbeitsfähigkeit wieder erlangt hat (vgl. dazu z.B. das Senatsurteil vom 23. Juni 1988 – 8 AZR 459/86 – AP Nr. 16 zu § 7 BUrlG Übertragung, zu II der Gründe m.w.N.).
Feststellungen zu den hierzu von den Parteien vorgetragenen Tatsachen hat das Landesarbeitsgericht nicht getroffen. Dies wird das Landesarbeitsgericht nachzuholen haben. Um ihm hierzu Gelegenheit zu geben, muß der Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen werden (§ 565 Abs. 3 ZPO). Das Landesarbeitsgericht wird dabei auch über die Kosten der Revision und die durch die prozessualen Erklärungen der Parteien vor dem erkennenden Senat entstandenen Kosten zu entscheiden haben.
Unterschriften
Michels-Holl, Dr. Leinemann, Dr. Wittek, Heinz Rheinberger, Dr. Pühler
Fundstellen