Entscheidungsstichwort (Thema)

Vereinbarung der Bühnenschiedsgerichtsbarkeit

 

Orientierungssatz

Nach § 101 Abs 2 Satz 3 ArbGG ist eine einzelvertragliche Vereinbarung einer tariflichen Schiedsgerichtsregelung zwischen nichttarifgebundenen Parteien möglich.

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des

Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 14. Oktober

1998 - 2 Sa 331/98 - wird auf Kosten des Klägers

zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im gegenwärtigen Verfahrensstadium über die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen.

Der Kläger ist seit 1971 am Theater G als Schauspieler beschäftigt. Am 12. Dezember 1991 schlossen er und das Theater G als Rechtsvorgängerin der Beklagten einen Arbeitsvertrag für die Zeit vom 1. Juli 1991 bis zum 31. Juli 1994. In § 6 des Arbeitsvertrags vereinbarten die Parteien die Geltung des Normalvertrags Solo in der jeweils geltenden Fassung und der ihn ändernden und ergänzenden oder an seine Stelle tretenden Tarifverträge sowie der sonstigen zwischen dem Deutschen Bühnenverein - Bundesverband Deutscher Theater - und der Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger für die auf Normalvertrag Solo Beschäftigten vereinbarten Tarifverträge. In § 9 des Arbeitsvertrags heißt es:

"Über alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten im Sinne des § 2 des

Arbeitsgerichtsgesetzes entscheiden unter Ausschluß der

Arbeitsgerichtsbarkeit die nach Maßgabe der zwischen dem Deutschen

Bühnenverein - Bundesverband deutscher Theater und der

Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger vereinbarten

Bühnenschiedsgerichtsordnung eingesetzten Bühnenschiedsgerichte."

Einen weiteren Arbeitsvertrag vom 15. Juni 1994, der für die Zeit vom 1. August 1994 bis zum 31. Juli 1995 gelten sollte und die Änderung einzelner Arbeitsbedingungen vorsah, unterzeichnete lediglich die Beklagte.

Der Kläger ist Mitglied der Gewerkschaft IG-Medien; die Beklagte ist Mitglied im Deutschen Bühnenverein. Die IG-Medien hatte sich zunächst mit Anschlußtarifvertrag vom 12. November 1987 dem zwischen dem Deutschen Bühnenverein und der Genossenschaft Deutscher Bühnenangehöriger abgeschlossenen Normalvertrag Solo vom 1. Mai 1924, zuletzt geändert durch Tarifvertrag vom 22. Januar 1991, angeschlossen und durch Tarifvertrag vom 18. Juni 1991 mit dem Deutschen Bühnenverein die unmittelbare Geltung des Normalvertrags Solo vereinbart. Dessen § 21 lautet:

"Für alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten iSd. § 2 des ArbGG

zwischen dem Unternehmer und dem Bühnenmitglied sind unter

Ausschluß der Arbeitsgerichtsbarkeit ausschließlich die von den

vertragschließenden Parteien dieses Tarifvertrages nach Maßgabe

der vereinbarten Bühnen-Schiedsgerichtsordnung eingesetzten

Schiedsgerichte zuständig."

Für ihre Mitglieder im Bereich der fünf neuen Bundesländer hat die IG-Medien keinen Tarifvertrag über die Bühnenschiedsgerichtsbarkeit abgeschlossen. Im alten Bundesgebiet hat sie den entsprechenden Tarifvertrag mit Wirkung zum 31. Dezember 1992 gekündigt.

Am 17. Juni 1997 fand zwischen den Parteien ein Anhörungsgespräch über eine von der Beklagten beabsichtigte Nichtverlängerung des Arbeitsverhältnisses statt. Am 18. Juni 1997 teilte die Beklagte dem Kläger mit, daß der Arbeitsvertrag vom 15. Juni 1994 nicht über den 31. Juli 1998 hinaus verlängert werde. Gleichzeitig bot sie ihm an, das Arbeitsverhältnis unter geänderten Vertragsbedingungen als Inspizient/Souffleur fortzusetzen. Dieses Angebot hat der Kläger nicht angenommen.

Mit seiner am 25. November 1997 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger beantragt,

1. festzustellen, daß die Nichtverlängerungsmitteilung vom 18.

Juni 1997 unwirksam ist,

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für die

nichtvertragsgemäße Beschäftigung in der Spielzeit 1996/97

einen Schadenersatz zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des

Gerichts gestellt wird, jedoch 11.838,00 DM nicht

unterschreiten sollte.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Einrede des Schiedsvertrages erhoben. Außerdem ist sie der Klage sachlich entgegengetreten.

Das Arbeitsgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen, da der Rechtsstreit aufgrund der Schiedsvereinbarung durch die Bühnenschiedsgerichte zu entscheiden sei. Mit derselben Begründung hat das Landesarbeitsgericht die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landearbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die zu den Gerichten für Arbeitssachen erhobene Klage zu Recht mit der Begründung als unzulässig abgewiesen, sie hätte gem. § 101 Abs. 2 Satz 3 ArbGG aufgrund der im Arbeitsvertrag vom 12. Dezember 1991 getroffenen Schiedsgerichtsvereinbarung zum Bühnenschiedsgericht erhoben werden müssen.

1. Der Kläger ist zwar nicht gem. § 101 Abs. 2 Satz 2 ArbGG aufgrund Tarifgebundenheit der in § 21 Normalvertrag Solo gebildeten Bühnenschiedsgerichtsbarkeit unterworfen. Denn er gehört keiner Gewerkschaft an, die Partei dieses Tarifvertrags wäre. Er ist vielmehr Mitglied der IG-Medien, die für den Bereich der neuen Bundesländer nie einen Tarifvertrag über die Bühnenschiedsgerichtsbarkeit abgeschlossen hat. Auf die von den Parteien angesprochene Frage einer Nachwirkung der im alten Bundesgebiet geltenden und zum 31. Dezember 1992 gekündigten Tarifregelung kommt es daher nicht an.

2. Die in § 21 Normalvertrag Solo getroffene Schiedsgerichtsregelung ist jedoch gem. § 101 Abs. 2 Satz 3 ArbGG durch die in § 9 des Arbeitsvertrags vom 12. Dezember 1991 getroffene Vereinbarung wirksam auf den Kläger erstreckt worden. Gem. § 6 des Arbeitsvertrags bestimmte sich das Arbeitsverhältnis nach dem Normalvertrag Solo. Diese, sowie die in § 9 des Arbeitsvertrags getroffene Vereinbarung gelten fort, obwohl der Kläger den Arbeitsvertragsentwurf vom 17. Juni 1997 nicht unterzeichnet hat. Gem. § 6 des Arbeitsvertrags vom 12. Dezember 1991 war Vertragsinhalt auch der Tarifvertrag über die Mitteilungspflicht vom 23. November 1997 (TVM). Gem. § 2 Abs. 1 Satz 1 dieses Tarifvertrags endet zwar das Arbeitsverhältnis an sich mit der im Arbeitsvertrag vereinbarten Zeit; nach Satz 2 dieser Vorschrift verlängert es sich jedoch um jeweils ein Jahr, wenn nicht eine Vertragspartei der anderen rechtzeitig eine Nichtverlängerungsmitteilung unterbreitet.

Da es in der Folgezeit zu keinem neuen Vertragsabschluß gekommen ist, bildet mithin der Arbeitsvertrag vom 12. Dezember 1991 nach wie vor die Rechtsgrundlage des Arbeitsverhältnisses, so daß die darin getroffenen Vereinbarungen einschließlich der in § 9 getroffenen Schiedsabrede fortgelten. Aufgrund der vom Kläger verweigerten Unterschrift ist es lediglich nicht zu der von der Beklagten beabsichtigten Inhaltsänderung des Arbeitsverhältnisses gekommen.

3. Gegen dieses Ergebnis wendet der Kläger in den Vorinstanzen und mit seiner Revision lediglich ein, er könne als Mitglied der IG-Medien nicht gezwungen sein, sich einer von einer konkurrierenden Gewerkschaft (hier der Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger) mitgetragenen Schiedsgerichtsbarkeit zu unterwerfen. Diesen Einwand des Klägers haben die Vorinstanzen jedenfalls im Ergebnis zu Recht für nicht durchgreifend erachtet.

a) Die Wirksamkeit der in § 9 des Arbeitsvertrags getroffenen Vereinbarung kann der Kläger mit diesem Einwand nicht in Frage stellen. Gem. § 101 Abs. 2 Satz 3 ArbGG ist die einzelvertragliche Vereinbarung einer tariflichen Schiedsgerichtsregelung zwischen nichttarifgebundenen Parteien möglich. Hierzu gehört auch der Kläger, nachdem er keiner der die Schiedsgerichtsbarkeit tragenden Gewerkschaften angehört (so im Ergebnis auch BAG 10. April 1996 - 10 AZR 722/95 - AP ArbGG 1979 § 101 Nr. 4 = EzA TVG § 4 Nachwirkung Nr. 20, insbesondere zu III 3 b der Gründe, zu der dem § 21 Normalvertrag Solo entsprechenden Vorschrift des § 26 Normalvertrag Chor; Germelmann/Matthes/Prütting ArbGG 3. Aufl. § 101 Rn. 26 a).

b) Die vom Kläger zitierten Ausführungen aus dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 3. September 1986 (- 5 AZR 319/85 - AP TVG § 4 Nachwirkung Nr. 12 = EzA TVG § 4 Nachwirkung Nr. 6) betreffen einen anderen Sachverhalt. Sie befassen sich ausschließlich mit der Auslegung der Schiedsabrede in § 9 des damaligen Arbeitsvertrags, wonach über alle Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis unter Ausschluß des ordentlichen Rechtsweges die zwischen den Tarifvertragsparteien des Normalvertrages Chor vereinbarten Schiedsgerichte entscheiden sollten. Gehörte ein Opernchormitglied bei Vertragsabschluß und bei Klageerhebung keiner auf Arbeitnehmerseite beteiligten Tarifvertragspartei an, so sollte der damalige Kläger bestimmen, welches Schiedsgericht zuständig sein solle.

Allein aus einer Auslegung des Satzes 2 dieser Schiedsabrede hatte das Bundesarbeitsgericht hergeleitet, daß sich der Kläger nicht einer Schiedsgerichtsbarkeit, die von der Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger mitgetragen war, unterworfen hatte. Auch das bereits angeführte Urteil des Zehnten Senats vom 10. April 1996 betraf eine einzelvertragliche Schiedsklausel, die dem Arbeitnehmer ein derartiges Wahlrecht zugestand.

c) Demgegenüber ergibt die Auslegung des § 9 des vorliegenden Arbeitsvertrags vom 12. Dezember 1991 zweifelsfrei, daß sich der Kläger der vom Deutschen Bühnenverein und der Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger errichteten Schiedsgerichtsbarkeit unterworfen hat. Die Wirksamkeit dieser Vereinbarung wäre daher nur dann in Frage gestellt, wenn zwischen dem Deutschen Bühnenverein und der IG-Medien eine tarifliche Regelung bestehen würde, nach der die Mitglieder der IG-Medien unmittelbar und zwingend berechtigt wären, ihre Streitigkeiten vor den Gerichten für Arbeitssachen auszutragen.

Dies ist indessen nicht der Fall, wie bereits der Zehnte Senat des Bundesarbeitsgerichts in seinem Urteil vom 10. April 1996 (aaO, zu III 3 e der Gründe) entschieden hat. Das Fehlen einer tariflichen Regelung über die Schiedsgerichtsbarkeit kann nicht als Regelung des Inhalts angesehen werden, der Arbeitnehmer habe ein tarifvertragliches Recht auf unmittelbaren Zugang zu den Gerichten für Arbeitssachen.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Dörner Steckhan Schmidt

Wolf Bea

 

Fundstellen

Dokument-Index HI611071

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