Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialkassenverfahren im Baugewerbe. Betreiben eines Bauhofs für einen angeschlossenen Betrieb. Tarifauslegung
Orientierungssatz
- Der Begriff des “Zusammenschlusses” iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. IV Nr. 4 VTV ist weit auszulegen; er verlangt keine ausdrückliche vertragliche Regelung.
- Das Betreiben des Bauhofs für einen angeschlossenen Betrieb des Baugewerbes nach der genannten Tarifvorschrift ist nicht schon deshalb zu verneinen, weil auch der angeschlossene Betrieb über einen Bauhof verfügt.
Normenkette
VTV § 1 Abs. 2 Abschn. IV Nr. 4, Abs. Abschn. V Nr. 39, § 21; ArbGG § 61 Abs. 2; GmbHG § 46 ff.
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die klagende Zusatzversorgungskasse für das Baugewerbe – VVaG – , eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien, die nach näherer Maßgabe der tariflichen Bestimmungen des allgemeinverbindlichen Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes von den Arbeitgebern einzieht, nimmt den Beklagten auf Auskunft und hilfsweise Entschädigungszahlung in Anspruch.
Der Beklagte betreibt ein Unternehmen, das sich mit der Vermietung von Tiefbau- , Straßenbau- sowie Rohrbaumaschinen befaßt. Er verfügt in seinem Maschinenpark über neun Bagger 10 bis 25 t, vier Minibagger bis zu 2,5 t, zwei Raupen, zwei Walzen, einen Kettenbagger 25 t, zwölf Radlader, zwei Kompressoren sowie diverse Container, Bauwagen, Hänger und anderes. Diese Geräte sind auf dem Betriebshof des Beklagten, einem Gelände mit ca. 4.000 qm, abgestellt. Dort führt der Beklagte auch eine Werkstatt, die der Wartung und Reparatur der genannten Baumaschinen und Fahrzeuge dient.
Der Beklagte vermietet diese Maschinen ausschließlich an die B Tief- und Straßenbau GmbH, deren Hauptgesellschafter er ist. Die GmbH nimmt am Sozialkassenverfahren des Baugewerbes teil. Die Vermietung der Baumaschinen durch den Beklagten erfolgt ohne Bedienungspersonal; die Maschinen werden mit eigenem Personal des Beklagten und mit eigenen LKW-Tiefladern an die Baustellen der GmbH transportiert. Die Einzelfirma des Beklagten und die genannte GmbH entstanden im Jahre 1993 aus einer Betriebsaufspaltung des zuvor unter der Firma P B existierenden Bauunternehmens. Die B Tief- und Straßenbau GmbH unterhält einen eigenen Bauhof in einer Größe von 8.000 qm; in ihrem Besitz sind eigene Lastkraftwagen, die zum Transport von Baumaterial Verwendung finden. Über Baumaschinen wie die von dem Beklagten angemieteten verfügt die GmbH selbst nicht. Die Bauhöfe beider Unternehmen sind voneinander durch einen Zaun getrennt.
§ 1 Abs. 2 des für allgemeinverbindlich erklärten VTV bestimmt ua.:
“(2) Betrieblicher Geltungsbereich:
Betriebe des Baugewerbes. Das sind alle Betriebe, die unter einen der nachfolgenden Abschnitte I bis IV fallen.
…
Abschnitt IV
Betriebe, in denen die nachstehend aufgeführten Arbeiten ausgeführt werden:
- …
- Erfaßt werden auch solche Betriebe, die im Rahmen eines mit einem oder mehreren Betrieben des Baugewerbes bestehenden Zusammenschlusses – unbeschadet der gewählten Rechtsform – für die angeschlossenen Betriebe des Baugewerbes entweder ausschließlich oder überwiegend die kaufmännische Verwaltung, den Vertrieb, Planungsarbeiten, Laborarbeiten oder Prüfarbeiten übernehmen oder ausschließlich oder in nicht unerheblichem Umfang (zumindest zu einem Viertel der betrieblichen Arbeitszeit) den Bauhof und/oder die Werkstatt betreiben, soweit diese Betriebe nicht von einem spezielleren Tarifvertrag erfaßt werden.
Abschnitt V
Zu den in den Abschnitten I bis III genannten Betrieben gehören z.B. diejenigen, in denen Arbeiten der nachstehend aufgeführten Art ausgeführt werden:
- …
- Vermieten von Baumaschinen mit Bedienungspersonal, wenn die Baumaschinen mit Bedienungspersonal zur Erbringung baulicher Leistungen eingesetzt werden;
- …”
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, daß der Beklagte dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV auf der Grundlage des § 1 Abs. 2 Abschnitt IV Nr. 4 VTV unterfalle. Er betreibe einen Bauhof und eine Werkstatt für die GmbH. Es handle sich um die rechtliche Auslagerung einer Teiltätigkeit, die von den tarifvertraglichen Regelungen umfaßt werde. Diese Tätigkeit erfolge auf der Grundlage eines “Zusammenschlusses” im Tarifsinne zwischen dem Beklagten und der GmbH, deren Hauptgesellschafter er sei. Daß solche Konstellationen dem Geltungsbereich des VTV unterfallen sollen, entspreche dem Willen der Tarifparteien.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen,
- ihr auf dem vorgeschriebenen Formular Auskunft darüber zu erteilen, wie viele gewerbliche Arbeitnehmer, die einen nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten, in den Monaten Januar bis Oktober 2000 in dem Betrieb der Beklagtenseite beschäftigt wurden, welche Bruttolohnsummen und welche Sozialkassenbeiträge insgesamt für diese Arbeitnehmer in den jeweils genannten Monaten angefallen sind,
- ihr für den Fall, daß diese Verpflichtung zur Auskunftserteilung nicht innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Urteilszustellung erfüllt wird, eine Entschädigungssumme in Höhe von 10.400,00 DM zu zahlen.
Der Beklagte hat zu seinem Klageabweisungsantrag geltend gemacht, er betreibe nicht den Bauhof für die GmbH; die GmbH habe einen eigenen, im übrigen doppelt so großen Bauhof wie er. Die Werkstatt diene nur der Reparatur der eigenen Baumaschinen und Fahrzeuge, nicht aber derjenigen der GmbH. Mithin nehme er keine Tätigkeiten für die GmbH vor, sondern werde nur im Rahmen seines eigenen Betriebes unternehmerisch tätig. Die Unabhängigkeit zwischen beiden Betrieben zeige sich auch in der unterschiedlichen räumlichen Unterbringung und in dem jeweils eigenen Personal sowie ferner darin, daß die GmbH über eigene Fahrzeuge verfüge. Die von der Klägerin angestrebte weite Auslegung von § 1 Abs. 2 Abschnitt IV Nr. 4 VTV sei mit der Regelung des § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 39 VTV nicht zu vereinbaren, wonach nur die Vermietung von Baumaschinen mit Bedienungspersonal die Anwendbarkeit des VTV begründe.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht ihr stattgegeben.
Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte die Wiederherstellung des Urteils des Arbeitsgerichts.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist unbegründet.
Unterschriften
Dr. Freitag, Fischermeier, Marquardt, v. Baumgarten, Trümner
Fundstellen
FA 2002, 395 |
IBR 2003, 228 |
NZA 2003, 120 |
NJOZ 2003, 1933 |