Entscheidungsstichwort (Thema)

Rücknahme bzw Aufhebung der Arbeitslosengeld- und Arbeitslosenhilfebewilligung für die Vergangenheit. Nichtmitteilung einer selbständigen Tätigkeit. Gartenbauunternehmen. Beweislastumkehr

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Frage einer selbständigen Tätigkeit (Gartenbauunternehmen).

2. Soweit nach Ausschöpfung der zur Verfügung stehenden Ermittlungsmöglichkeiten in der persönlichen Sphäre oder in der Verantwortungssphäre des Arbeitslosen wurzelnde Vorgänge nicht aufklärbar sind, ist im Rahmen eines Rücknahmeverfahrens eine Umkehr der grundsätzlichen Beweislastverteilung gerechtfertigt.

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 11.09.2007 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Der Kläger wendet sich gegen eine Rücknahme der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) und Arbeitslosenhilfe (Alhi) in Höhe von 21.755,90 € sowie die damit in Zusammenhang stehende Erstattung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 5.308,45 €.

Der Kläger meldete sich bei der Beklagten am 01.12.2000 mit Wirkung zum 05.12.2000 arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Alg. Angaben zu einer selbständigen Tätigkeit verneinte er. Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheiden vom 16.02.2001, 23.04.2001, 11.05.2001, 25.10.2001 und 19.12.2001 Alg für die Zeit ab dem 05.12.2000 bis zur Erschöpfung des Anspruches am 29.11.2001 nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt (BE) von 980,00 DM. Ab 30.11.2001 beantragte der Kläger die Bewilligung von Alhi, wobei er in den Anträgen vom 09.11.2001 und 11.11.2002 die Frage nach einer selbständigen Tätigkeit wiederum verneinte. Die Beklagte bewilligte ihm Alhi für den Zeitraum 30.11.2001 bis 27.02.2003 (Bescheide vom 20.12.2001, 24.01.2002, 14.06.2002, 10.10.2002, 04.12.2002 und 07.01.2003).

Mit dem 28.02.2003 endete der Leistungsbezug des Klägers, weil er in Untersuchungshaft kam, nachdem er verdächtigt wurde, seine Ehefrau ermordet zu haben. Im Rahmen der strafrechtlichen Ermittlungen gab der Kläger an, auch während der Zeit seines Leistungsbezuges (05.12.2000 bis 27.02.2003) als selbständiger Gärtnermeister gearbeitet zu haben.

Er habe neben den Einkünften aus dem Alg- und Alhi- Bezug erhebliche Einkünfte aus seiner Tätigkeit als selbständiger Gärtnermeister gehabt. Während der Wintermonate hätten diese ca. 600,00 €, während der Sommermonate ca. 1.400,00 € netto betragen. Er habe in den Jahren 2001 und 2002 eine erhebliche Zahl von Aufträgen abgearbeitet, und die Erledigung der noch vorliegenden Aufträge hätte das gesamte Jahr 2003 in Anspruch genommen. Zudem haben die Ermittlungsbehörden festgestellt, dass der Kläger bereits im Jahr 1999 für seine selbständige Tätigkeit als Gärtnermeister plakatiert hatte.

Nach erfolgloser Anhörung des Klägers, hob die Beklagten mit Bescheid vom 18.03.2004 die Bewilligung von Alg und Alhi für die Zeiträume 05.12.2000 bis 27.02.2003 auf und forderte überzahlte Leistungen in Höhe von 21.755,90 € zurück. Darüber hinaus habe der Kläger die von der Beklagten geleisteten Beiträge zur Kranken- (4.809,11 €) und Pflegeversicherung (499,34 €) zu erstatten. Der Kläger habe im Zeitraum des Leistungsbezuges eine mehr als geringfügige selbständige Tätigkeit ausgeübt, ohne dies angezeigt zu haben.

Mit seinem Widerspruch hiergegen machte der Kläger geltend, der Bescheid enthalte keine nachvollziehbare Begründung, aus der sich die selbstständige Tätigkeit von mehr als 15 Wochenstunden ergeben würde. Ebenso wenig ließe sich dies aus den Verwaltungsakten entnehmen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 18.10.2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Kläger habe seinen Widerspruch nicht begründet, so dass die Rechtswidrigkeit des Aufhebungs- und Rückforderungsbescheides nicht zu erkennen sei.

Mit der zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhobenen Klage hat der Kläger erneut den fehlenden Nachweis einer mehr als geringfügigen selbständigen Tätigkeit gerügt. Aufgrund vielfacher Krankheitszeiten und der Schlechtwetterperioden habe er nicht arbeiten können. Zudem sei zu berücksichtigen, dass er häufig seine Schwester im Bayerischen Wald über mehrere Tage und Wochen besucht habe und sich drei Monate in Vietnam aufgehalten habe. Eine gerichtliche Nachfrage, die Krankheitszeiten und auswärtigen Aufenthalte zu konkretisieren, hat der Kläger nicht beantwortet.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 11.09.2007 abgewiesen. Der Kläger sei aufgrund der selbstständigen Tätigkeit zu keinem Zeitpunkt des Leistungsbezuges beschäftigungslos gewesen, so dass weder ein Anspruch auf Alg noch Alhi bestanden habe. Die Beweislast für das Vorliegen der Rücknahmevoraussetzungen habe zwar grundsätzlich die Beklagte zu tragen. Dies sei jedoch - wie vorliegend - anders zu beurteilen, wenn nach Ausschöpfung aller Erkenntnismöglichkeiten ein Sachverhalt nicht geklärt werden könne und die maßgeblichen Vorgänge der Sphäre des Leistungsempfängers zuzuordnen seien. Der ...

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