Das BAG verlangt bei Abschluss eines jeden befristeten Vertrags eine Prognose des Arbeitgebers, nach dem jeweils vorgesehenen Vertragsablauf werde kein Bedürfnis, keine Möglichkeit zur Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers mehr bestehen.[1]

Zunächst hatte das BAG entschieden, bei Abschluss des maßgebenden letzten Vertrags müsse die Prognose des Arbeitgebers, eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers über das vorgesehene Vertragsende hinaus sei endgültig nicht mehr möglich, abhängig von der Zahl und Dauer der Beschäftigungen einer verschärften Prüfung standhalten.[2]

In der grundlegenden Entscheidung vom 18.7.2012 wurde diese Rechtsprechung vom BAG aufgegeben.[3] Allein die große Anzahl der mit einem Arbeitnehmer abgeschlossenen befristeten Arbeitsverträge oder die Gesamtdauer einer "Befristungskette" führt nach Auffassung des BAG nicht dazu, dass an den Sachgrund der Vertretung "strengere Anforderungen" zu stellen sind. Gleiches gelte für die Anforderung an die Prognose des Arbeitgebers über den voraussichtlichen Wegfall des Vertretungsbedarfs durch die Rückkehr des vertretenen Mitarbeiters. Auch in Fällen wiederholter Vertretung könne grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass der Vertretene nach Beendigung der Freistellung oder Beurlaubung seine arbeitsvertraglichen Pflichten wieder erfüllen wird.[4] Nur wenn der Arbeitgeber aufgrund der ihm vorliegenden Informationen erhebliche Zweifel daran haben muss, dass die zu vertretende Stammkraft überhaupt wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehren wird, habe dies Bedeutung.

 
Praxis-Tipp

Keine strengeren Anforderungen an den Sachgrund bei Befristungskette

Allein die große Anzahl der mit einem Arbeitnehmer abgeschlossenen Verträge oder deren Gesamtdauer führen nach der Rechtsprechung des BAG nicht dazu, dass an den Sachgrund der Vertretung des letzten Vertrags strengere Anforderungen zu stellen sind.

Die Vorhersehbarkeit des jeweils neuen Befristungsgrunds spielt bei der Betrachtung eine entscheidende Rolle.

  • Insofern gewinnt die frühere Rechtsprechung[228a] nach der auch länger dauernde Mehrfachbefristungen zulässig waren, wenn für die einzelnen Glieder der Kette jeweils ein neuer selbstständiger Befristungsgrund vorliegt, an Bedeutung: War der neue selbstständige Befristungsgrund für den Arbeitgeber nicht vorhersehbar, so ist die vom Arbeitgeber geforderte Prognose, der jeweilige befristete Vertrag sei der letzte, ohne Weiteres zu erbringen.
 
Praxis-Beispiel

Die im Urlaub befindliche Mitarbeiterin verunglückt gegen Ende des Urlaubs, wird dadurch arbeitsunfähig und geht nach Ablauf der Arbeitsunfähigkeit in Mutterschutz. Nach der Geburt des Kindes entscheidet sie sich, Elternzeit abwechselnd mit ihrem Mann in 2 Etappen zu nehmen.

Hier liegen 4 verschiedene, für den Arbeitgeber jeweils unvorhersehbare Befristungsgründe vor: Urlaubsvertretung, Krankheitsvertretung, Mutterschutzvertretung, Vertretung für Elternzeit. Sämtliche 5 befristeten Verträge wären sachlich gerechtfertigt, ein Kettenarbeitsverhältnis ist nicht gegeben.

  • Bei einer wiederholt befristeten Beschäftigung des Arbeitnehmers mit jeweils dem gleichen sachlichen Grund wird es für den Arbeitgeber dagegen schwerer nachzuweisen, dass bei Abschluss des letzten Vertrags eine Prognose erfolgt ist, nach der eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers über das Enddatum nicht mehr möglich gewesen sei.

Bei Abschluss des allein entscheidenden letzten Vertrags müsste er darlegen, dass diese Beschäftigungsmöglichkeit gerade mit Ablauf des letzten Vertrags entfallen werde.[6]

 
Praxis-Beispiel

Wird ein Mitarbeiter für verschiedene Forschungsprojekte über mehr als 8 Jahre insgesamt 5-mal befristet eingestellt und mit gleichartigen Tätigkeiten beschäftigt, so wird die Prognose, es werde kein Anschlussprojekt geben, dessen Finanzierung gesichert ist und in dem der Mitarbeiter benötigt werde, schwer möglich sein.

Bei Arbeitnehmern, die im Rahmen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen von der Agentur für Arbeit wiederholt jeweils befristet einem Arbeitgeber nach § 260 SGB III zugewiesen werden, gelingt die Prognose, es könne kein weiterer Vertrag mit dem Arbeitnehmer geschlossen werden, wenn die finanzielle Förderung durch die Agentur für Arbeit entfällt.[7] Es sei aus wirtschaftlichen Gründen eine einleuchtende Entscheidung, das Arbeitsverhältnis nur für die Zeit abzuschließen, in welcher Zuschüsse aus Mitteln der Bundesagentur für Arbeit gezahlt werden.

 
Praxis-Beispiel

Entsprechend den jeweiligen Zuweisungen durch die Agentur für Arbeit wurden mit einer Angestellten in einem Zeitraum von knapp 2 Jahren 5 befristete Arbeitsverträge abgeschlossen. Als die Agentur für Arbeit von einer nochmaligen finanziellen Zuweisung absah, war der Arbeitgeber nicht mehr zu einer Weiterbeschäftigung bereit.[8]

Schließlich berücksichtigt das BAG, dass die schutzbedürftigen Interessen des Arbeitnehmers mit dem längeren Bestand seiner Betriebszugehörigkeit wachsen.[9]

Letztlich bedeutet dies, dass bei einer Vielzahl aufeinander folgender befristeter Verträge eine...

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