BAG, Urteil v. 24.8.2016, 7 AZR 41/15
Für den Sachgrund der Vertretung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG ist eine Prognose des Arbeitgebers über den voraussichtlichen Wegfall des Vertretungsbedarfs nach Ablauf der vereinbarten Vertragslaufzeit erforderlich. Es muss dagegen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht mit hinreichender Sicherheit zu erwarten sein, dass nach dem vorgesehenen Vertragsende für die Beschäftigung des befristet eingestellten Arbeitnehmers kein dauerhafter betrieblicher Bedarf mehr besteht.
Zudem steht dem Sachgrund der Vertretung nicht entgegen, dass der Arbeitgeber über keine ausreichende Personalreserve für Fälle von Krankheit und Urlaub verfügt; dies gilt selbst bei einem branchentypisch wiederkehrenden, nicht planbaren Vertretungsbedarf.
Sachverhalt
Die Klägerin, Briefzustellerin, war zwischen 2008 und 2012 aufgrund von insgesamt 8 befristeten Arbeitsverträgen bei der Beklagten beschäftigt. Der zuletzt geschlossene Arbeitsvertrag enthielt folgende Zweckbefristung: "Vertretung wegen vorübergehender Abwesenheit des Mitarbeiters H., [...] jedoch längstens bis 28.8.2012." Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses war der Mitarbeiter H. seit mehreren Monaten arbeitsunfähig erkrankt; zudem hatte er der Beklagten zuvor mitgeteilt, dass sich seine Genesung um mehrere Monate verzögern werde. Die Klägerin wurde dann neben der Vertretung für den Mitarbeiter H. auch als Urlaubsvertreterin für die Briefzustellerin C. in unterschiedlichen Zustellbezirken eingesetzt. Diese Zustellungsbezirke gehören beide zu einem Zustellstützpunkt, bei welchem ständiger Vertretungsbedarf für vorübergehend abwesende Briefzusteller besteht. Dieser wird durch eine Personalreserve sowie durch befristet eingestellte Arbeitnehmer ausgeglichen. Die Klägerin klagt auf Feststellung der Unwirksamkeit der letzten Befristung.
Die Entscheidung
Die Klage hatte keinen Erfolg.
Das Gericht entschied, dass die vereinbarte Befristung wirksam war; der Sachgrund der Vertretung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 TzBfG war vorliegend erfüllt. Voraussetzung hierfür sei u. a. eine Prognose des Arbeitgebers über den voraussichtlichen Wegfall des Vertretungsbedarfs nach Rückkehr des zu vertretenden Mitarbeiters. Nur ein erheblicher Zweifel an dessen Rückkehr könne nach Ansicht des Gerichts dafür sprechen, dass der Sachgrund der Vertretung nur vorgeschoben sei, was grds. jedoch nur dann anzunehmen sei, wenn der zu vertretende Arbeitnehmer bereits vor Abschluss des befristeten Vertrages mit dem Vertreter verbindlich erklärt hat, dass er die Arbeit nicht wieder aufnehmen werde. Ansonsten, insbesondere soweit der Vertretungsbedarf "fremdbestimmt" eingetreten sei, d. h. z. B. durch Krankheit, Urlaub oder Freistellung, könne der Arbeitgeber regelmäßig damit rechnen, dass der Vertretene seine arbeitsvertraglichen Pflichten wieder erfüllen wird. Hierbei war es vorliegend nach Auffassung des BAG unschädlich, dass die Klägerin auch als Urlaubsvertretung für die Briefzustellerin C. eingesetzt wurde; denn auch dann, wenn dem Vertreter Aufgaben übertragen werden, die der vertretene Mitarbeiter nie ausgeübt hat, bestehe der erforderliche Kausalzusammenhang zwischen dem zeitweiligen Ausfall des Vertretenen und der Einstellung der Vertretungskraft, wenn der Arbeitgeber rechtlich und tatsächlich in der Lage wäre, der Stammkraft im Falle ihrer Anwesenheit die dem Vertreter zugewiesenen Aufgaben zu übertragen.
Des Weiteren war es nicht erheblich, dass bei der Beklagten keine ausreichende Personalreserve für Fälle von Krankheit, Urlaub und Freistellung bestand, da sie hierzu – selbst im Falle eines branchentypischen wiederkehrenden, unplanbaren Vertretungsbedarfs – nicht verpflichtet war.
Zuletzt müsse, so das Gericht, im Gegensatz zum Sachgrund des nur vorübergehenden betrieblichen Bedarfs an der Arbeitsleistung nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 TzBfG, beim Sachgrund der Vertretung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht mit hinreichender Sicherheit zu erwarten sein, dass nach dem vorgesehenen Vertragsende für die Beschäftigung des befristet eingestellten Arbeitnehmers kein dauerhafter betrieblicher Bedarf mehr bestehe, sondern es komme allein auf den Wegfall des durch die Abwesenheit der Stammkraft verursachten vorübergehenden Beschäftigungsbedarfs an.
Die hier vorliegenden Befristungen waren auch nicht rechtsmissbräuchlich, da die in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG genannten Grenzen hinsichtlich der Gesamtdauer und der Anzahl der befristeten Arbeitsverträge nicht mehrfach überschritten wurden.